Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsanspruch des aus Delikt Geschädigten
Leitsatz (amtlich)
Wer durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen.
Normenkette
BGB § 849
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Karlsruhe vom 20.7.2005 und das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 6.6.2006 im Kostenpunkt und insoweit geändert, als der Zinsanspruch für die Zeit vom 1.3.1991 bis zur Rechtshängigkeit abgewiesen worden ist.
Das Urteil des LG wird wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.559,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % vom 1.3.1991 bis 29.8.2003 und von da an i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug tragen der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10. Von den Kosten des dritten Rechtszugs tragen der Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Beklagte wurde aus Delikt (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslInvestmG) zur Zahlung von 25.559,48 EUR an den Kläger verurteilt, der auf § 849 BGB gestützte Zinsanspruch aber abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den abgewiesenen Zinsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
[2] Die Revision des Klägers ist begründet und führt unter entsprechender Aufhebung der Entscheidungen des LG und des OLG dazu, dem Kläger einen Zinsanspruch i.H.v. 4 % auch für die Zeit zwischen der Überweisung des Einlagebetrags und dem Eintritt der Rechtshängigkeit zuzusprechen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, § 849 BGB finde im Streitfall keine Anwendung, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[3] Der Kläger kann für die Zeit zwischen der Überweisung des Geldes auf ein von dem Beklagten angegebenes Konto und der Rechtshängigkeit nach § 849 BGB Zinsen i.H.v. 4 % aus 25.559,48 EUR auch ohne den konkreten Nachweis des Verlusts von Anlagezinsen verlangen. Der Beklagte hat ihm durch eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslInvestmG Geld entzogen. Der entzogene Betrag ist vom Zeitpunkt der Entziehung an (1.3.1991) gem. § 246 BGB mit 4 % jährlich zu verzinsen.
[4] I. Der Beklagte hat dem Kläger das Geld dadurch, dass er ihn zur Überweisung veranlasst hat, entzogen. § 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm (OLG München OLGZ 1979, 457; BGB-RGRK/Kreft 12. Aufl., § 849 Rz. 2; a.A. OLG Karlsruhe WM 2006, 967). § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Der Geschädigte muss auch nicht im Besitz der Sache gewesen sein (vgl. BGHZ 8, 288, 298; BGH, Urt. v. 15.3.1962 - III ZR 17/61, VersR 1962, 548).
[5] Eine Beschränkung auf den Verlust einer Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten widerspräche auch dem Normzweck von § 849 BGB. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGHZ 87, 38, 41). Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird und wenn er durch eine unerlaubte Handlung - etwa eine Drohung oder eine Täuschung - dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen.
[6] II. Dem Kläger ist eine Sache entzogen worden. Sache i.S.v. § 849 BGB ist auch Geld (BGHZ 8, 288, 298). § 849 BGB ist nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt (a.A. OLG Hamm NZI 2006, 642). Inwieweit der Sachbegriff von § 90 BGB auf Vorschriften außerhalb des dritten Buches des BGB anzuwenden ist, ist jeweils nach dem Sinn und Zweck der einzelnen Vorschriften zu entscheiden (Staudinger/Jickeli/Stiper, BGB [2004] vor § 90 Rz. 10 und § 90 Rz. 3; Fritzsche in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 90 Rz. 2; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 90 Rz. 4). Der Zweck des § 849 BGB, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen (BGHZ 87, 38, 41), erfasst jegliche Form von Geld. Von den Nutzungen eines hingegebenen Geldbetrags ist der Geschädigte nicht nur ausgeschlossen, wenn er mit Bargeld bezahlt hat, sondern auch, wenn er eine Zahlung auf andere Art und Weise geleistet hat. Auch wirtschaftlich besteht kein Unterschied zwischen der Übergabe von Bargeld, der Übergabe eines Schecks, der Einzahlung von Bargeld und einer Überweisung auf ein Konto des Schädigers.
Fundstellen
DStR 2008, 572 |
NJW 2008, 1084 |
BGHR 2008, 450 |
EBE/BGH 2008 |
JurBüro 2008, 334 |
WM 2008, 291 |
ZIP 2008, 417 |
MDR 2008, 387 |
ZfS 2008, 448 |
ZBB 2008, 120 |
Status:Recht 2008, 96 |