Entscheidungsstichwort (Thema)
Produkthaftung. Haftung des Importeurs. Tapetenkleistermaschine. Überprüfung der Schmerzensgeldbemessung durch Berufungsgericht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Importeur eines in großer Stückzahl aus China importierten technischen Arbeitsmittels (hier: Tapetenkleistermaschine) ist verpflichtet, das Gerät zu Beginn des Inverkehrbringens und sodann stichprobenartig darauf zu untersuchen, ob die Beschaffenheit den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Eine Verletzung dieser Pflicht kann zur Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB führen, wenn es bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des Geräts (hier: Reinigung) zu einem Körperschaden des Verwenders kommt.
2. Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gem. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Es darf sich nicht darauf beschränken, die Ermessensausübung der Vorinstanz auf Rechtsfehler zu überprüfen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; GSG § 3 Abs. 1; ZPO § 513 Abs. 1, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 546
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bonn vom 10.2.2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt Ersatz materiellen Schadens und Schmerzensgeld wegen Schnittverletzungen an der linken Hand, die er sich nach seiner Behauptung beim Reinigen der Kleisterwanne einer bei der Supermarktkette A. S. erworbenen Tapetenkleistermaschine im Mai 2001 zugezogen habe. Die Beklagte importiert diese Maschinen aus China und vertreibt sie in Deutschland unter der Marke "K. C.".
Das AG hat der Klage hinsichtlich des materiellen Schadens teilweise stattgegeben und dem Kläger ein Schmerzensgeld von 4.000 EUR zuerkannt. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 ProdSG. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die nach Durchführung einer Beweisaufnahme vom AG getroffene Feststellung, der Kläger habe sich beim Reinigen der Tapetenkleistermaschine verletzt, sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte sei als Quasi-Herstellerin verantwortlich nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ProdSG. Sie vertreibe unter der Marke "K. C." die Tapetenkleistermaschine zum Weiterverkauf u.a. an A. S. Einen Hinweis auf den chinesischen Hersteller wiesen die Tapetenkleistermaschine und deren Verpackung nicht auf. Darüber hinaus sei die Herstellerdefinition in § 3 Abs. 1 Satz 3 ProdSG zu berücksichtigen. Danach gelte hilfsweise der Importeur als Hersteller. Der Hersteller verletze ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn er gem. § 4 Abs. 2 ProdSG ein nicht i.S.d. § 6 Abs. 1 ProdSG sicheres Produkt in den Verkehr gebracht habe. Nach dem Gutachten des Sachverständigen H. seien die Gratkanten der Kleisterwanne, die nach innen ragten, messerscharf. Eine Reinigung entsprechend der auf dem Karton aufgedruckten Anleitung alleine durch Ausspülen sei nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht möglich. Rechtswidrigkeit und Verschulden seien zu bejahen. Der Beklagten sei vorzuwerfen, dass sie sich nicht durch eine eingehende Überprüfung der frei zugänglichen Kanten der Kleisterwanne Gewissheit über die Sicherheit der Geräte verschafft habe. Auch habe sie es unterlassen, zusammen mit der Reinigungsanleitung der Kleisterwanne auf der Verpackung einen Warnhinweis auf die Möglichkeit der Verletzung beim Hineingreifen anzubringen. Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Behauptung der Beklagten, bei der Tapetenkleistermaschine handele es sich um einen "Ausreißer", sei aus prozessualen Gründen unbeachtlich.
II.
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Zu Recht weist die Revision allerdings darauf hin, dass für die Beurteilung des Streitfalls nicht das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), sondern das Gerätesicherheitsgesetz (GSG) einschlägig ist. Das neue Geräte- und Produktsicherheitsgesetz vom 6.1.2004 (GPSG), welches die vorgenannten Gesetze außer Kraft gesetzt hat, findet auf den Vorfall aus 2001 noch keine Anwendung. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2g ProdSG findet der zweite Abschnitt des Produktsicherheitsgesetzes über Produktsicherheit - mit Ausnahme der im Streitfall nicht relevanten Bestimmungen über Warnungen und Rückruf - keine Anwendung auf Produkte, deren sicherheitsrelevante Beschaffenheit im Gerätesicherheitsgesetz geregelt ist.
So liegt es hier. Das Gerätesicherheitsgesetz gilt für das Inverkehrbringen technischer Arbeitsmittel (§ 1 Abs. 1 GSG). Technische Arbeitsmittel sind u.a. verwendungsfertige Arbeitseinrichtungen, vor allem Werkzeuge und Arbeitsgeräte (§ 2 Abs. 1 GSG). Es muss sich um Einrichtungen handeln, die zu dem Zweck benutzt werden, Arbeit zu verrichten (vgl. Jeiter/Klindt, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 2 Rz. 5 f.). Jedes für die Erzielung eines Arbeitserfolgs einsetzbare und nicht vollkommen ungefährliche Gerät ist ein technisches Arbeitsmittel im Sinne des Gerätesicherheitsgesetzes (Peine, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., §§ 1, 1a, 2 Rz. 14; zur weiteren Eingrenzung ders. Rz. 17 ff.; vgl. die Beispiele bei Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 10). Nach der Absicht des Gesetzgebers sollen alle technischen Geräte erfasst werden, unabhängig davon, wo sie zum Einsatz gelangen: sei es im Betrieb, im Haushalt oder in einer Dienststelle (Peine, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., §§ 1, 1a, 2 Rz. 12).
Dazu zählt auch die von der Beklagten importierte und vertriebene Tapetenkleistermaschine. Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GSG liegt nicht vor. Spezialvorschriften für Tapetenkleistermaschinen sind nicht ersichtlich (vgl. etwa die Beispiele bei Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 16 f.).
2. Das Urteil erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO), da die Beklagte dem Kläger, der sich nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen bei der Reinigung der Tapetenkleistermaschine verletzt hat, für die Verletzungsfolgen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG, § 847 Abs. 1 BGB a.F. haftet.
a) § 3 Abs. 1 und 3 GSG ist Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 11.12.1979 - VI ZR 141/78, MDR 1980, 480 = VersR 1980, 380 [382] m.w.N.; v. 18.1.1983 - VI ZR 270/80, MDR 1983, 390 = VersR 1983, 346 [347]; Beschl. v. 17.1.1984 - VI ZR 35/83, VersR 1984, 270; v. 28.4.1987 - VI ZR 247/86, VersR 1988, 635 [636]; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 16.8.1988 - 4 U 268/87, VersR 1989, 1158 mit Nichtannahmebeschluss des BGH v. 7.3.1989 - VI ZR 257/88; OLG Bremen v. 6.12.2002 - 4 U 15/01, VersR 2004, 207 [208] mit Nichtzulassungsbeschluss des BGH v. 15.7.2003 - VI ZR 11/03; Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 3).
b) Die Beklagte hat den äußeren Tatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG erfüllt, weil sie ein technisches Arbeitsmittel in den Verkehr gebracht hat, das nicht der von der Norm geforderten Beschaffenheit entsprach.
aa) Die Tapetenkleistermaschine fällt nicht in den Regelungsbereich einer in § 3 Abs. 1 Satz 1 GSG angesprochenen Rechtsverordnung. Die insoweit in Betracht kommende Neunte Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz (9. GSGV = Maschinenverordnung; vgl. dort § 1 Abs. 2) gilt nicht für Maschinen, deren einzige Kraftquelle die unmittelbar angewandte menschliche Arbeitskraft ist (§ 1 Abs. 5 Nr. 1 der 9. GSGV; vgl. Jeiter/Klindt, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rz. 32 f.). Es gilt also § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG. Danach dürfen technische Arbeitsmittel nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie den Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften so beschaffen sind, dass Benutzer oder Dritte bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung gegen Gefahren aller Art für Leben oder Gesundheit soweit geschützt sind, wie es die Art der bestimmungsgemäßen Verwendung gestattet (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1979 - VI ZR 141/78, MDR 1980, 480).
bb) Die Tapetenkleistermaschine war nicht dementsprechend beschaffen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind die nach innen ragenden Gratkanten der Kleisterwanne messerscharf. Sämtliche Blechkanten sind nicht abgerundet, so dass eine erhöhte Verletzungsgefahr für den Benutzer besteht. Dieser Zustand entspricht nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, denn die Blechkanten sind nach den auf sachverständiger Beratung beruhenden Feststellungen des AG, die sich das Berufungsgericht zu Eigen macht, bei der Produktion nach dem Abschneiden der Bleche zu entgraten. Bei dieser Sachlage liegt auch unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen, die der erkennende Senat insoweit stellt (vgl. etwa BGH, Urt. v. 11.12.1979 - VI ZR 141/78, MDR 1980, 480; Beschl. v. 17.1.1984 - VI ZR 35/83, VersR 1984, 270; Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 27 f.; Peine, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rz. 24 ff.), ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik ersichtlich vor.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet eine Haftung der Beklagten nicht deshalb aus, weil § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG anders als § 6 Abs. 1 ProdSG dem Wortlaut nach nur die bestimmungsgemäße Verwendung erfasst.
(1) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG ist der gesetzlich gebotene Schutz bei "bestimmungsgemäßer Verwendung" zu gewährleisten. Bestimmungsgemäße Verwendung in diesem Sinne ist nach § 2 Abs. 5 GSG die Verwendung, für die die technischen Arbeitsmittel nach den Angaben derjenigen, die sie in den Verkehr bringen, insb. nach ihren Angaben zum Zwecke der Werbung, geeignet sind (Nr. 1) oder die übliche Verwendung, die sich aus der Bauart und Ausführung der technischen Arbeitsmittel ergibt (Nr. 2). Demgegenüber stellt das Produktsicherheitsgesetz nicht allein auf die bestimmungsgemäße Verwendung, sondern in § 6 Abs. 1 ProdSG daneben auf die zu erwartende Verwendung ab. Es wird nicht einheitlich beurteilt, ob es sich hierbei um mehr als einen sprachlichen Unterschied handelt (vgl. Jeiter/Klindt, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rz. 51), oder ob nicht der Schutzbereich des Gerätesicherheitsgesetzes, auch ohne dies ausdrücklich zu benennen, eine nahe liegende Fehlanwendung, einen üblichen Fehlgebrauch (Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 7 m.w.N.) oder eine für den Hersteller vorhersehbare Verwendung erfasst (Jeiter/Klindt, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rz. 55 im Hinblick auf EG-Produktsicherheitsrichtlinie 92/59/EWG vgl. § 2 Rz. 53 und § 3 Rz. 47, 49, 52; Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 7; Peine, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rz. 82 [für Spielzeug]).
(2) Diese Frage bedarf im Streitfall keiner Beantwortung. Denn der Unfall hat sich bei bestimmungsgemäßer Verwendung ereignet. Der Kläger hat die Maschine entsprechend ihrer Bestimmung zum Einkleistern von Tapeten verwendet. Das Reinigen der Kleisterwanne nach dem Gebrauch ist zur Sicherstellung wiederholter Nutzung unerlässlich und gehört ebenso zum Verwendungsvorgang wie das Einfüllen des Kleisters davor (vgl. auch OLG Frankfurt VersR 1977, 1133). Durch den Begriff der bestimmungsgemäßen Verwendung sollen die Nutzung zu anderen Zwecken, wie etwa die eines Rasenmähers zum Heckenschneiden, oder offensichtlicher Fehlgebrauch ausgeschlossen werden (vgl. Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 7; LG Frankfurt/M. v. 24.3.1986 - 2/24 S 238/85, NJW-RR 1986, 658 [659]), nicht aber notwendige Nach- und Vorbereitungshandlungen an technischen Arbeitsmitteln. Diese sind Teil des einheitlichen Verwendungsbegriffs i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG.
Auch die auf der Verpackung abgedruckte Reinigungsanleitung nimmt das Hineingreifen in die Wanne zum Zweck der Reinigung bereits dem Wortsinn nach nicht aus dem Verwendungsbegriff heraus. Sie lautet: "Kleisterreste ausgießen und die Wanne unter fließendem Wasser reinigen. Kleistermaschine an der Luft trocknen lassen und im Originalkarton aufbewahren". Eine Beschränkung der Reinigung auf bloßes Ausspülen ohne manuelle Unterstützung ist hieraus nicht zu entnehmen.
dd) Die Beklagte hat die Tapetenkleistermaschine dadurch in den Verkehr gebracht, dass sie diese aus China importierte und an die Handelskette A. S. weiterverkaufte, wo sie der Kläger erwarb (§ 3 Abs. 1 Satz 2 GSG). Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 GSG ist Inverkehrbringen jedes Überlassen technischer Arbeitsmittel an andere. Hierunter fällt die Lieferung des inländischen Importeurs an den inländischen Händler oder Verbraucher (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1979 - VI ZR 141/78, MDR 1980, 480; Urt. v. 13.5.1981 - VIII ZR 113/80, MDR 1982, 133 = NJW 1981, 2640 [2641]; Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 19 und 23; ders., Produkthaftungsrecht, 5. Aufl., Rz. 318).
ee) Das Berufungsgericht stellt verfahrensfehlerfrei fest, dass sich der Kläger beim Reinigen der Kleisterwanne verletzt hat. Die Kausalität der Schutzgesetzverletzung für den beim Kläger eingetretenen Körperschaden wird von der Revision nicht in Frage gestellt.
c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft.
aa) Ein Verstoß gegen den objektiven bzw. äußeren Tatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG begründet in einem Schadensfall noch keine Haftung. Eine Schadensersatzpflicht besteht für den Produktverantwortlichen nur, wenn ihn ein Verschulden an dem Gesetzesverstoß trifft (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1979 - VI ZR 141/78, MDR 1980, 480; Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 33; ders., Rz. 280 f.; Peine, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rz. 157). Bei dieser Prüfung ist zu beachten, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG dem Importeur nicht dieselben Pflichten wie einem Hersteller auferlegt. Jedem Produktverantwortlichen kann nur der Standard seines Berufskreises abverlangt werden (BGH, Urt. v. 11.12.1979 - VI ZR 141/78, MDR 1980, 480; Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 34 [35]; ders., Rz. 325, 330; Peine, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rz. 159; BT-Drucks. 12/2693, 17 [21]).
bb) Die Beklagte, die das von ihr aus China importierte Produkt in hoher Stückzahl vertreibt, wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, die Tapetenkleistermaschinen zu Beginn des Inverkehrbringens und sodann stichprobenartig darauf zu untersuchen, ob die Beschaffenheit den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Eine dahingehende Überprüfungspflicht des Importeurs hat der erkennende Senat bereits bejaht (BGH, Urt. v. 11.12.1979 - VI ZR 141/78, MDR 1980, 480). Sie ist auch in der Literatur anerkannt (Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 35 f.; ders., Rz. 330 f.; Peine, Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rz. 159; Köhler, BB 1985, Beilage 4, 10 [12]; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445 [446]; vgl. auch BT-Drucks. 12/2693, 17 [21]). Der Fehler wäre bei pflichtgemäßer Untersuchung ohne weiteres entdeckt worden (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 11.12.1979 - VI ZR 141/78, MDR 1980, 480).
cc) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Überprüfungspflicht der Beklagten keine näheren Feststellungen getroffen hat. Da die Beklagte § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG objektiv verletzt hat, spricht eine Vermutung dafür, dass diese Verletzung des Schutzgesetzes auch schuldhaft erfolgt ist. Es lag an der Beklagten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die geeignet sind, die Annahme zumindest fahrlässigen Verhaltens auszuräumen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.1984 - VI ZR 35/83, VersR 1984, 270 [271]; OLG München VersR 1975, 605 [606]; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445 [446]; alle zu § 3 Abs. 1 GSG; OLG Stuttgart v. 7.10.1991 - 7 U 3/91, NJW-RR 1992, 670 [671]; Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, Rz. 286 zu § 3 Abs. 3 Satz 2 GSG).
dd) Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, die Beklagte sei insoweit ihrer Darlegungspflicht nicht nachgekommen.
Welche Prüfungen der Importeur anstellen und in welchem Umfang er die importierten Geräte untersuchen oder untersuchen lassen muss, ist eine Frage des Einzelfalls (Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, VI/97, 2450, S. 36; Kullmann, Rz. 331; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445 [446]). Die Häufigkeit der notwendigen Stichproben hängt u.a. davon ab, ob die importierten Maschinen aus einem Fertigungsvorgang stammen oder nicht. Im letztgenannten Fall sind häufigere Stichproben erforderlich, um die Entdeckung von Fehlern wahrscheinlich zu machen. Ferner kann den Importeur bei Importen aus dem außereuropäischen Bereich eine besondere Verantwortung treffen (Kollmer, NJW 1997, 2015 [2017]; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445 [446]).
Die Revision legt nicht dar, dass die Beklagte insoweit erstinstanzlich in dem erforderlichen Maße vorgetragen habe. Das Berufungsgericht hat insoweit entgegen der Annahme der Revision auch nicht verfahrensfehlerhaft die Beklagte entlastenden zweitinstanzlichen Sachvortrag übergangen. Es hat ausgeführt, die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Behauptung der Beklagten, bei der Tapetenkleistermaschine handele es sich um einen "Ausreißer", sei neu und unsubstantiiert. Es werde nicht vorgetragen, wie viele Stichproben in Anbetracht der nach Behauptung der Beklagten mehr als zehntausendfach vertriebenen Maschinen die Beklagte selbst durchgeführt habe oder habe durchführen lassen.
Das Berufungsgericht hat den zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten entgegen der Auffassung der Revision zu Recht als neu angesehen und deshalb unberücksichtigt gelassen. Er war sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch aus rechtlichen Gründen neu i.S.d. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hatte im Schriftsatz vom 29.7.2004 an das AG lediglich dargelegt, dass die Tapetenkleistermaschine zehntausendfach im EG-Raum vertrieben werde. Die Frage eines Ausreißers wird in diesem Zusammenhang nur spekulativ behandelt. Zudem handelte es sich um Vorbringen in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz. Dieses ist in zweiter Instanz neu (BGH, Urt. v. 2.4.2004 - V ZR 107/03, MDR 2004, 866 = BGHReport 2004, 997 = NJW 2004, 2382; vgl. Musielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 296a Rz. 5 m.w.N.; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 531 Rz. 14; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 296a Rz. 3). Die Revision zeigt keine Gründe auf, die das AG hätten veranlassen müssen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Die Erheblichkeit eines erstmals in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz enthaltenen Vorbringens allein wäre nicht ausreichend (vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 156 Rz. 4; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 156 Rz. 4). Das AG war auch nicht verpflichtet, die Beklagte auf zuvor in ihrem Vortrag nicht andeutungsweise enthaltenes entlastendes Vorbringen hinzuweisen (vgl. BGH v. 2.10.2003 - V ZB 22/03, BGHZ 156, 269 [270 f.] = BGHReport 2004, 119 m. Anm. Laumen = MDR 2004, 167; BGH, Urt. v. 23.11.2005 - VIII ZR 43/05, BGHReport 2006, 205 m. Anm. Mankowski = NJW 2006, 434 [435]; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 139 Rz. 5, 7, 9; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 139 Rz. 3, 17), so dass auch insoweit kein zwingender Grund zur Wiedereröffnung bestand (hierzu Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 156 Rz. 3; § 283 Rz. 5).
Dass die Berücksichtigung der neuen Tatsachen durch das Berufungsgericht hier ausnahmsweise zulässig gewesen sein könnte (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO), legt die Revision nicht dar. Auf ihre im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht angenommenen fehlenden Substantiierung des Vorbringens erhobenen Rügen kommt es danach nicht mehr an.
3. Die Revision macht auch ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe sich hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes darauf beschränkt zu prüfen, ob eine Ermessensüberschreitung des AG vorliege. Zwar wäre es fehlerhaft gewesen, wenn sich das Berufungsgericht auf eine bloße Überprüfung der Ermessensausübung des AG beschränkt hätte. So sind seine Ausführungen indes nicht zu verstehen.
a) Die Frage, inwieweit das Berufungsgericht nach der Neuregelung des Rechtsmittelrechts die Bemessung des Schmerzensgeldes durch die Vorinstanz überprüfen kann, wird nicht einheitlich beurteilt. Einerseits wird vertreten, eine Überprüfung sei auf Rechtsfehler beschränkt. Lägen solche nicht vor, dürfe die Berufungsinstanz nicht eigenes Ermessen an die Stelle der Bestimmung durch die Vorinstanz setzen (OLG Braunschweig v. 22.4.2004 - 1 U 55/03, GesR 2004, 282 = OLGReport Braunschweig 2004, 352 = MDR 2004, 1185 = VersR 2004, 924 [925]; OLG Karlsruhe v. 7.4.2004 - 7 U 219/02, OLGReport Karlsruhe 2004, 398 [399]; vgl. auch OLG Hamm v. 13.5.2003 - 9 U 13/03, OLGReport Hamm 2003, 356 = MDR 2003, 1249 = VersR 2004, 757; OLG München v. 22.10.2003 - 21 U 2540/03, OLGReport München 2004, 62 = NJW 2004, 959). Nach der Gegenmeinung darf und muss das Berufungsgericht ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts, allerdings im Rahmen seiner Bindung an die Tatsachenfeststellungen gem. § 529 Abs. 1 ZPO, selbst über die Bemessung des im Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldes befinden (OLG Brandenburg VersR 2005, 953 [954]).
b) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Eine Beschränkung der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts - entsprechend der des Revisionsgerichts - hat der BGH bereits für den Bereich der Vertragsauslegung abgelehnt (BGH, Urt. v. 14.7.2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83 ff. = MDR 2004, 1434 = BGHReport 2004, 1366 m. Anm. Burgermeister) und darauf hingewiesen, dass im Bereich der rechtlichen Bewertung festgestellter Tatsachen eine Bindung des Berufungsgerichts an eine lediglich mögliche, aber nicht überzeugende Wertung der Vorinstanz nicht besteht (BGH, Urt. v. 14.7.2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83 [92] = MDR 2004, 1434 = BGHReport 2004, 1366 m. Anm. Burgermeister). Die insoweit angestellten Erwägungen gelten für die Überprüfung der Schmerzensgeldbemessung in gleicher Weise (vgl. OLG Brandenburg VersR 2005, 953 [954]; Geisler, jurisPR-BGHZivilR 33/2004 Anm. 6). Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gem. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie für zwar vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es nicht dabei belassen zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insb. ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (vgl. BGH v. 12.5.1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388 [391] = MDR 1998, 1029 m. Anm. Jaeger, m.w.N.).
d) Hier hat das Berufungsgericht ausgeführt, das zuerkannte Schmerzensgeld von 4.000 EUR bewege sich an der oberen Grenze des zuzubilligenden Rahmens. Eine Abänderung sei jedoch nicht gerechtfertigt, da das AG das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten habe. Auch wenn dieser Satz missverständlich sein könnte, lassen die nachfolgenden Ausführungen erkennen, dass das Berufungsgericht sich selbst mit den für die Schmerzensgeldbemessung maßgebenden Faktoren auseinandergesetzt hat und das vom LG zuerkannte Schmerzensgeld als angemessenen Ausgleich für den immateriellen Schaden des Klägers ansieht. Es heißt nämlich, 4.000 EUR seien angesichts der Art der Verletzung, der Dauer der Arbeitsunfähigkeit und des Dauerschadens vertretbar. Die Sehnen des linken Handgelenks seien ebenso teilweise durchtrennt gewesen, wie Nerven der Hand. An der Daumenwurzel des Klägers seien eine sichtbare Narbe sowie Gefühlsminderungen geblieben. Der Kläger sei vom 19.5.2001 bis zum 10.6.2001 zu 100 % arbeitsunfähig gewesen.
Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Fundstellen