Verfahrensgang
Tenor
Unter Zurückweisung der als Anschlussrevision statthaften Revision der Klägerin wird auf die Revision der Beklagten das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der V.4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 4) in Anspruch.
Rz. 2
Die Klägerin zeichnete über die Beklagte am 28. September 2004 eine Beteiligung an V 4 im Nennwert von 25.000 EUR zuzüglich Agio in Höhe von 1.250 EUR, die sie in Höhe von 11.375 EUR durch ein Darlehen der B. AG finanzierte.
Rz. 3
Nach dem Inhalt des Verkaufsprospekts sollten 8,9% der Zeichnungssumme und außerdem das Agio in Höhe von 5% zur Eigenkapitalvermittlung, Platzierungsgarantie und Finanzierungsvermittlung durch die V. AG (im Folgenden: V. AG) verwendet werden. Die V. AG durfte laut Prospekt ihre Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte übertragen. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile Provisionen in Höhe von 8,45% bis 8,72% der Zeichnungssumme, ohne dass dies der Klägerin offengelegt wurde.
Rz. 4
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage unter Berufung auf mehrere Aufklärungs- und Beratungsfehler, Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung, Rückzahlung des eingesetzten Kapitals in Höhe von 14.875 EUR zuzüglich entgangenen Gewinns in Höhe von 8% p.a. ab Zeichnung der Anlage und, jeweils nebst Prozesszinsen, die Erstattung von 1.288 EUR an das Finanzamt gezahlter Zinsen wegen Aberkennung der zunächst gewährten Steuervorteile sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.295,51 EUR. Des Weiteren verlangt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, bis zur Fälligkeit am 30. November 2014 den Betrag zu zahlen, der zur Ablösung der Schuld aus dem Finanzierungsdarlehen der B. AG notwendig ist. Schließlich begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz jedes weiteren Schadens aus der Beteiligung verpflichtet ist, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Das Landgericht hat nach Vernehmung des Ehemanns der Klägerin, des Zeugen V., und des Mitarbeiters der Beklagten, des Zeugen H., die Klage mangels Zustandekommens eines Beratungsvertrages abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen, die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Entgangenen Gewinn hat es jedoch nur in Höhe von 2% p.a. vom 28. September 2004 bis 21. Dezember 2007 und anschließend Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe, jedoch maximal 8%, sowie Rechtsanwaltskosten nur in Höhe von 1.307,81 EUR zuerkannt. Der Feststellungsantrag hinsichtlich der weiteren Schäden ist ohne Erfolg geblieben.
Rz. 5
Mit ihrer – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung. Die Klägerin verfolgt mit ihrem Rechtsmittel ihr Begehren hinsichtlich des entgangenen Gewinns in Höhe von weiteren 2% p.a. und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie den Feststellungsantrag hinsichtlich der zukünftigen Schäden weiter.
Entscheidungsgründe
A. Revision der Beklagten
Rz. 6
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
I.
Rz. 7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 8
Zwischen den Parteien sei stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Das Landgericht habe den Abschluss eines Beratungsvertrags auf Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme rechtsfehlerhaft mit dem Argument, Gespräche über die Anlage hätten nicht stattgefunden, verneint und dabei insbesondere wesentlichen Sachvortrag der Parteien unberücksichtigt gelassen. Auch wenn der Inhalt des Beratungsgesprächs zwischen den Parteien streitig sei und dabei insbesondere die Frage, ob der Berater über die mit der Anlage verbundenen Risiken aufgeklärt habe, unterschiedlich dargestellt werde, so stimme ihr Vortrag im Kern insoweit überein, dass ein Gespräch über die konkrete Kapitalanlage geführt worden sei. Insbesondere der unstreitig gebliebene Vortrag der Klägerin, wonach ihr Ehemann das Beratungsgespräch mit der „Beraterschaft” der Beklagten geführt habe und sich ihr Steuerberater nicht in die Diskussion eingemischt habe, verdeutliche, dass ein Beratungsgespräch geführt worden sei. Anderes lasse sich auch nicht aus der Beweisaufnahme und insbesondere der Aussage des Zeugen V. herleiten. Soweit dieser bekundet habe, Gespräche hätten nicht stattgefunden, könne diese Aussage den unstreitigen Vortrag nicht gegenstandslos machen. Deshalb sei nur vollständigkeitshalber angemerkt, dass der Zeuge H. bekundet habe, ergänzend und korrigierend in die Ausführungen des Steuerberaters eingegriffen zu haben. Allein dadurch sei unzweideutig eine Beratung vorgenommen worden.
Rz. 9
Aufgrund des Beratungsvertrags habe die Beklagte die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass sie für die Vermittlung der Beteiligung von der Fondsgesellschaft Rückvergütungen in Höhe von mindestens 8,45% erhalte. Hierbei handele es sich um aufklärungspflichtige Rückvergütungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Aus den Fondsprospekten werde, ungeachtet der ohnehin nicht rechtzeitigen Aushändigung, nicht hinreichend deutlich, dass die Beklagte eine Vergütung erhalte. Jedenfalls werde keine Größenordnung der Provisionen angegeben, die die Beklagte erhalte. Das vermutete Verschulden habe die Beklagte nicht entkräften können. Im Zeitpunkt der Beratungsgespräche habe es keine Rechtsprechung gegeben, die es der Beklagten erlaubt hätte, die hinter dem Rücken des Anlegers erlangten Rückvergütungen nicht zu offenbaren.
Rz. 10
Die Zeichnung der Anlage beruhe auch auf der unterlassenen Aufklärung über die Rückvergütungen. Stehe eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streite für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Die Bank müsse deshalb beweisen, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte. Die von der Beklagten aufgezeigten, theoretisch denkbaren Handlungsmöglichkeiten stellten keinen konkreten Bezug zur Klägerin her. Im Übrigen spreche eine Lebenserfahrung dafür, dass ein Anleger, der wisse, dass eine Anlageempfehlung auf dem eigenen Provisionsinteresse der beratenden Bank beruhe, diese Empfehlung typischerweise kritischer würdigen werde, als wenn ihm dies verborgen bleibe.
II.
Rz. 11
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 12
1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht das Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten bejaht.
Rz. 13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird zwar dann, wenn ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen (st. Rspr. u.a. Senatsurteile vom 6. Juli 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 und vom 19. März 2013 – XI ZR 431/11, WM 2013, 789 Rn. 17, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, jeweils mwN). Jedoch kann nach den Umständen des Einzelfalls das Zustandekommen eines Beratungsvertrages zu verneinen sein. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Bank keine Beratung anbietet (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – XI ZR 431/11, WM 2013, 789 Rn. 17 f. zur Direktbank; allgemein Ellenberger in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 4. Aufl., Rn. 1037 mwN) oder der Kunde eine Beratung nicht wünscht (BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1216). Davon ist im Regelfall auszugehen, wenn ein Anleger zu einer Bank kommt und gezielte Aufträge zum Erwerb eines bestimmten, von ihm zuvor ausgesuchten Produkts erteilt. In einem solchen Fall darf die Bank davon ausgehen, dass eine besondere Beratung weder gewünscht wird noch erforderlich ist (BGH, Urteil vom 19. Mai 1998 – XI ZR 216/97, BGHZ 139, 36, 38 f.). Gleiches gilt, wenn ein Anleger – beraten durch einen Steuerberater – zur Erzielung eines bestimmten Steuerspareffekts gezielt ein bestimmtes Steuersparmodell zeichnet (Ellenberger aaO Rn. 1038). Erst recht gilt das, wenn er zu diesem Zwecke nicht seine Hausbank, sondern eine ihm bis dahin unbekannte Bank aufsucht (Ellenberger aaO).
Rz. 14
b) Ob nach diesen Grundsätzen stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist oder nicht, ist eine Frage der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die dem Tatrichter obliegt und revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar ist, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und dem Ergebnis der Beweisaufnahme umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Erfahrungsgesetze verstößt (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 2010 – XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 38 mwN).
Rz. 15
aa) Dieser Prüfung halten die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht stand. Das Landgericht hat unter Würdigung der Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen V. und H. das Zustandekommen eines Beratungsvertrages nicht festzustellen vermocht. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht weder die durch das Landgericht festgestellten Tatsachen auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) noch die vom Landgericht erhobenen Beweise gewürdigt oder selbst Beweis erhoben.
Rz. 16
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat das Landgericht keinen – unstreitigen – wesentlichen Sachvortrag zum Anlagegespräch unberücksichtigt gelassen.
Rz. 17
Der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten, auf den das Berufungsgericht verweist, war durch den Vortrag der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 – und damit vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz – überholt. In jenem Schriftsatz hat sich die Beklagte das Ergebnis der Beweisaufnahme ausdrücklich zu eigen gemacht und unter Bezugnahme auf die Aussagen der beiden Zeugen vorgetragen, dass eine Beratung seitens der Beklagten nicht vorgelegen habe und der Entschluss der Klägerin allein aufgrund der Darstellung und Empfehlung ihres Steuerberaters erfolgt sei. Von einem unstreitigen Parteivortrag über eine tatsächlich erfolgte Beratung kann daher, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, keine Rede sein.
Rz. 18
Auch in der Berufungsinstanz ist der vom Berufungsgericht als unstreitig bezeichnete Parteivortrag von der Beklagten nicht mehr gehalten worden. In der Berufungserwiderung vom 9. Juli 2010 hat die Beklagte ihren Vortrag aus dem nachgelassenen Schriftsatz wiederholt und vertieft. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsurteils hat die Beklagte in der Berufungsinstanz ausdrücklich vorgetragen, dass sie, wie sich aus der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ergeben habe, keine Beratungsleistung erbracht habe.
Rz. 19
cc) Darüber hinaus durfte das Berufungsgericht nicht von der Beweiswürdigung des Landgerichts abweichen, ohne die beiden Zeugen erneut zu vernehmen.
Rz. 20
Das Berufungsgericht ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts des ersten Rechtszuges gebunden. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil, ist in aller Regel eine erneute Beweisaufnahme geboten (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1487; BVerfG, NJW 2011, 49 Rn. 14; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2009 – VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5, vom 9. Februar 2010 – XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516 und vom 21. März 2012 – XII ZR 18/11, NJW-RR 2012, 704 Rn. 6). Das Berufungsgericht ist in einem solchen Fall nach § 398 ZPO verpflichtet, in erster Instanz vernommene Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es deren protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will.
Rz. 21
So liegt der Fall hier. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Aussage des Zeugen H. in der erstinstanzlichen Vernehmung, er habe ergänzend und korrigierend in die Ausführungen des Steuerberaters eingegriffen, „unzweideutig” auf eine Beratung schließen lasse, weicht von der Würdigung des Landgerichts ab, das einen Beratungsauftrag aufgrund dieser Aussage gerade nicht zu erkennen mochte. Außerdem durfte das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen V. nicht abweichend vom Landgericht unberücksichtigt lassen. Zum einen durfte es nicht isoliert nur die Aussage des Zeugen H. würdigen, sondern musste dabei auch die Aussage des Zeugen V. in die Würdigung mit einbeziehen. Zum anderen hat das Berufungsgericht verkannt, dass sich eine Partei – unabhängig davon, dass sich die Beklagte die Bekundungen des Zeugen ausdrücklich zu eigen gemacht hatte – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bei einer Beweisaufnahme zu Tage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen macht (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 8. Januar 1991 – VI ZR 102/90, NJW 1991, 1541, 1542 und Beschluss vom 10. November 2009 – VI ZR 325/08, NJW-RR 2010, 495 Rn. 5).
Rz. 22
c) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war die Beklagte nicht aufgrund eines vorherigen Geständnisses gehindert, ein Beratungsgespräch zu bestreiten.
Rz. 23
Ob die Prozesshandlung einer Partei die vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen für ein Geständnis erfüllt, kann vom Senat zwar selbst und auch erstmalig geprüft werden (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1998 – II ZR 266/97, NJW 1999, 579, 580 mwN). Das ist dem Senat hier aber nicht möglich, da die Revisionserwiderung offen lässt, durch welche in der mündlichen Verhandlung – gegebenenfalls durch Bezugnahme auf Schriftsätze – abgegebene Erklärung die Beklagte welche konkrete Tatsachenbehauptung der Klägerin zugestanden haben soll (zu den Voraussetzungen eines Geständnisses vgl. Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 288 Rn. 5 ff.).
Rz. 24
2. Da eine Bank nur dann verpflichtet ist, einen Anleger über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären, wenn zwischen beiden – konkludent – ein Anlageberatungsvertrag geschlossen worden ist (vgl. nur Senatsurteile vom 19. Dezember 2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 22 f. und vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 17 sowie Senatsbeschluss vom 9. März 2011 – XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 20 ff.), scheidet eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts aus.
III.
Rz. 25
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rz. 26
Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen zum Zustandekommen eines Beratungsvertrages nachzuholen haben und insofern gegebenenfalls die Zeugen V. und H. zu vernehmen haben. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung wiederum das Zustandekommen eines Beratungsvertrages bejahen, weist der Senat für das weitere Verfahren vorsorglich auf seine Ausführungen im Urteil vom 8. Mai 2012 (XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 16 ff.) hin.
B. Revision der Klägerin
Rz. 27
Das Rechtsmittel der Klägerin hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 28
Die Revision der Klägerin ist unzulässig, jedoch als Anschlussrevision fortzuführen.
Rz. 29
Das Berufungsgericht hat die Revision nur zugunsten der Beklagten, nicht jedoch zugunsten der Klägerin zugelassen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Berufungsurteils, jedoch durch Auslegung der Urteilsgründe, wie der Senat bereits mehrfach für identische Formulierungen des Berufungsgerichts entschieden hat (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2012 – XI ZR 261/10, WM 2012, 1211 Rn. 6 f. mwN). Die unzulässige Revision kann indessen in eine Anschlussrevision umgedeutet werden (vgl. Senatsbeschluss aaO Rn. 9). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anschlussrevision liegen vor, insbesondere wurde das Rechtsmittel bereits vor Beginn der Monatsfrist des § 554 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO begründet.
II.
Rz. 30
Das Berufungsgericht hat – soweit für die Anschlussrevision von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 31
Die Zinsforderung der Klägerin sei, abgesehen vom Verzugszins, nur in Höhe von 2% begründet. Ein solcher Zinsschaden sei hinreichend dargelegt. Das eingesetzte Eigenkapital bleibe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt, sondern werde zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt. Mit Rücksicht darauf, dass es der Klägerin bei der Kapitalanlage auf Steuerersparnis und Sicherheit angekommen sei, könne ein über 2% hinausgehender Anlagezins aber nicht festgestellt werden.
Rz. 32
Keinen Erfolg habe die Klage, soweit sie sich auf die Feststellung jeglichen weiteren Schadens richte. Insoweit sei die Klage mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb „mit Weiterung auf der steuerlichen Seite zu rechnen sei” oder aus der mittelbaren Gesellschafterstellung weitere Aufwendungen für Beratung und Vertretung erforderlich sein könnten.
Rz. 33
Die Klägerin habe jedoch Anspruch auf Ersatz der von ihr aufgewandten vorgerichtlichen Anwaltskosten. Allerdings sei die in der Kostennote in Ansatz gebrachte 2,3fache Gebühr auf 1,3 zu reduzieren. Vor dem Hintergrund, dass es sich vorliegend um eine Tätigkeit im Rahmen einer Vielzahl von Parallelverfahren handele, sei die vom Bevollmächtigten gerade für die Klägerin entfaltete Tätigkeit nicht als umfangreich und schwierig zu bewerten.
III.
Rz. 34
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 35
1. Ohne Erfolg begehrt die Anschlussrevision entgangene Anlagezinsen in Höhe von 4% p.a. ab Zeichnung der Anlage bis zum Eintritt des Verzugs.
Rz. 36
a) Das Berufungsgericht hat den entgangenen Zinsgewinn rechtsfehlerfrei nach § 287 ZPO auf 2% p.a. geschätzt.
Rz. 37
aa) Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrages umfasst nach § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Der Anleger kann sich hierbei gemäß § 252 Satz 2 BGB auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen, dass Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (Senatsurteile vom 24. April 2012 – XI ZR 360/11, WM 2012, 1188 Rn. 11 und vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 64, jeweils mwN). Zur Feststellung der Höhe des allgemein üblichen Zinssatzes kann der Tatrichter von der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO Gebrauch machen (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 64 mwN). Diese Schadensschätzung, die der Tatrichter – anhand des gesamten Streitstoffs – nach freiem Ermessen vorzunehmen hat, unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht dahingehend, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 65 mwN).
Rz. 38
Solche Rechtsfehler hat die Anschlussrevision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Anlageziele der Klägerin bei der Schätzung der erzielbaren Rendite berücksichtigt hat (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 65 mwN und vom 24. April 2012 – XI ZR 360/11, WM 2012, 1188 Rn. 14). Der Geschädigte hat auch keinen Anspruch auf einen (gesetzlichen) Mindestschaden unabhängig vom Parteivortrag (Senatsurteil vom 24. April 2012 – XI ZR 360/11, WM 2012, 1188 Rn. 18).
Rz. 39
b) Der Geschädigte kann den Schaden zwar auch konkret berechnen. Hierzu muss er allerdings darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche konkrete Anlage er erworben und welchen Gewinn er daraus erzielt hätte. Insoweit gelten keine Darlegungs- und Beweiserleichterungen (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 67). Auf derartigen Vortrag vermag die Anschlussrevision nicht zu verweisen. Die von der Anschlussrevision erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
Rz. 40
2. Des Weiteren hat das Berufungsgericht den Feststellungsantrag zutreffend als unzulässig abgewiesen.
Rz. 41
a) Die Feststellung der Schadensersatzpflicht setzt die Möglichkeit des Schadeneintritts voraus. Bei reinen Vermögensschäden hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage darüber hinaus sogar von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückgehenden Schadeneintritts ab (Senatsurteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 27 mwN).
Rz. 42
b) Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach es an der Möglichkeit eines zukünftigen Schadens fehlt, ist nichts zu erinnern. Jedenfalls ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadens nicht substantiiert dargelegt.
Rz. 43
Die Klägerin hat vorgetragen, dass die gewährten Steuervorteile bereits durch geänderte Steuerfestsetzungen aberkannt worden sind. Es sind daher weder weitere Steuernachforderungen, die ohnehin nicht ersatzpflichtig wären, noch Zinsen hierauf gemäß § 233a AO ersichtlich (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 75). Soweit die Anschlussrevision Beratungs- und Vertretungsbedarf hinsichtlich der Ab- bzw. Anerkennung der Verlustzuweisungen geltend macht, ist das – nicht ersatzfähige – positive (Steuerspar-)Interesse der Klägerin an der Beteiligung betroffen (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 76). Dass die Klägerin für die Dauer der Beteiligung an der Fondsgesellschaft Depotgebühren zahlen müsse, ist, entgegen der Auffassung der Anschlussrevision, nicht „offenkundig”, der Vortrag daher unsubstantiiert. Ohne Erfolg verweist die Anschlussrevision schließlich auf die Einkommensteuerbarkeit der Schadenersatzleistung. Diese Nachteile sind abschließend bei Bemessung der Ersatzleistung aufgrund pauschalisierender Betrachtungsweise der steuerlichen Vor- und Nachteile im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 2011 – XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 8 f. und vom 23. April 2012 – II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 40).
Rz. 44
3. Ohne Erfolg wendet sich die Anschlussrevision schließlich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer Geschäftsgebühr von nur 1,3 (Nr. 2300 VV RVG).
Rz. 45
Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr – wie hier – von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (BGH, Urteil vom 22. März 2011 – VI ZR 63/10, NJW 2011, 2509, 2511). Im Falle der Unbilligkeit wird die Gebühr nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vom Gericht durch Urteil bestimmt (Onderka in AnwaltKommentar RVG, 6. Aufl., § 14 Rn. 78; Römermann in Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 92). Eine solche Überprüfung und Bestimmung der Gebühr ist in erster Linie Sache des Tatrichters und deshalb revisionsrechtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Urteil vom 22. März 2011 – VI ZR 63/10, NJW 2011, 2509, 2511 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006 – VI ZR 261/05 NJW-RR 2007, 420 Rn. 5; zu § 315 BGB vgl. BGH, Urteile vom 24. November 1995 – V ZR 174/94, WM 1996, 445 f. und vom 10. Oktober 1991 – III ZR 100/90, BGHZ 115, 311, 321). Solche Rechtsfehler zeigt die Anschlussrevision nicht auf.
Rz. 46
Die Gebühr ist durch eine Gesamtabwägung aller nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 14 Rn. 18). Soweit das Berufungsgericht hierbei berücksichtigt, dass der Klägervertreter neben der Klägerin eine Vielzahl von Anlegern in Parallelverfahren vertreten hat, begegnet das keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass der Klägervertreter vorgerichtlich in den zahlreichen Parallelverfahren sämtlich (und ausschließlich) dasselbe standardisierte Anschreiben an die Beklagte versandt hat. Die durch die Parallelität der Sachverhalte bedingte ganz erhebliche Verringerung des zeitlichen Aufwands für das konkrete Mandat kann im Rahmen der Gesamtwürdigung maßgeblich berücksichtigt werden (vgl. OLG Jena, OLGR 2006, 81, 83). Besondere Umstände, etwa rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die dennoch eine höhere Gebühr rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Aus diesem Grund kommt bereits nach Nr. 2300 VV RVG eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nicht in Betracht, denn eine solche kann ausweislich der amtlichen Anmerkung nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin „überdurchschnittlich” war, wofür die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 Rn. 8).
Unterschriften
Wiechers, Ellenberger, Maihold, Pamp, Menges
Fundstellen