Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 26.07.2000) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. Juli 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25. April 1991 erwarben die Beklagten von der Klägerin (damals noch „Treuhandanstalt”) die Geschäftsanteile an der „P. B. GmbH”. Von dem vereinbarten Kaufpreis von 420.000 DM entfiel ein gesondert ausgewiesener Teilbetrag von 142.200 DM als „vorläufiger Wertansatz” auf den der Gesellschaft gehörenden Grundbesitz. Dieser Teil des Gesamtkaufpreises unterlag einer in § 3 näher geregelten Nachbewertung.
Im August 1993 ließ die Klägerin ein Gutachten über den Verkehrswert des Grund und Bodens, bezogen auf den 30. Juni 1993, erstellen, das zu einem Wert von 425.000 DM gelangte. Sie verlangte von den Beklagten vergeblich die Zahlung der – wegen zwischenzeitlichen Verkaufs von Teilflächen – reduzierten Differenz zu dem „vorläufigen Wertansatz” von 213.100 DM zuzüglich der Gutachterkosten.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines erstrangigen Teilbetrags der Nachbewertungsdifferenz von 100.000 DM nebst Zinsen beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht sieht die Nachbewertungsklauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des AGB-Gesetzes an. Es hält sie nach § 9 AGBG für unwirksam, weil sie die Beklagten in unangemessener Weise benachteiligten. Auch aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung seien die Beklagten nicht zur Zahlung eines höheren Kaufpreises verpflichtet, weil die nach dem Wegfall der unwirksamen Klauseln entstandene Regelungslücke nicht geschlossen werden könne.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Zu Unrecht hält das Berufungsgericht den von der Klägerin verfolgten Zahlungsanspruch für unbegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Nachbewertungsklauseln um Individualvereinbarungen, wie die Klägerin meint, oder Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG handelt. Denn in beiden Fällen sind die Klauseln wirksam.
a) Die Preisbestimmung unterliegt der freien Disposition der Vertragsparteien. Sie sind daher nicht gehindert, bei dem Verkauf von Grundstücken deren spätere Nachbewertung mit der Folge einer eventuellen Änderung des ursprünglich festgelegten Kaufpreises zu vereinbaren. Das kann sowohl individualvertraglich als auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geschehen.
b) Gegen die Wirksamkeit individuell ausgehandelter Nachbewertungsklauseln bestehen von vornherein keine Bedenken. Handelt es sich dagegen um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sind sie nach den Entscheidungen des Senats vom 26. Januar 2001 (BGHZ 146, 331), 11. Mai 2001 (V ZR 491/99, WM 2001, 1305) und 22. Februar 2002 (V ZR 251/00, ZIP 2002, 808) ebenfalls wirksam. Daß der Grundbesitz zum Gesellschaftsvermögen der GmbH gehörte, gibt keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung.
aa) Die Klauseln sind nicht so ungewöhnlich, daß sie nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden sind. Für den maßgeblichen Erwerberkreis (Investoren) war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar, daß es im Beitrittsgebiet noch keinen funktionsfähigen Grundstücksmarkt gab und deswegen die Vereinbarung eines angemessenen Kaufpreises vielfach nicht möglich war; auch lag es auf der Hand, daß die Grundstückspreise zunächst einmal stiegen. Auf diese Umstände wurde hier eingangs der Nachbewertungsklauseln ausdrücklich hingewiesen. Dementsprechend wurde der auf die Grundstücke entfallende Kaufpreis als „vorläufiger Wertansatz” bezeichnet. Damit ist ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (vgl. Senat, BGHZ 109, 197, 201) zu Lasten der Beklagten ausgeschlossen.
Auch eine erhebliche Abweichung vom dispositiven Recht, die ebenfalls eine Ungewöhnlichkeit im Sinne des § 3 AGBG begründen kann (Senatsurt. v. 26. Mai 2000, V ZR 49/99, WM 2000, 2099, 2100 m.w.N.), liegt nicht vor. Die in Nr. 4 der Anlage IX zum Vertrag über die Verschaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Erster Staatsvertrag, BGBl. II S. 518, 566) enthaltenen Grundsätze, nach denen bereits vor dem 3. Oktober 1990 wegen eines fehlenden funktionsfähigen Grundstücksmarkts und entsprechender Marktpreise im Beitrittsgebiet eine Nachbewertung auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden konnte (Senatsurt. v. 26. Januar 2001, aaO), sind auch auf die hier streitigen Klauseln anwendbar. Die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschieden sich nämlich nicht wesentlich von denen vor dem 3. Oktober 1990.
bb) Die Klauseln unterliegen auch keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG, denn es handelt sich um Preishauptabreden. Sie bestimmen den endgültigen Preis der Grundstücke, indem sie solche Regelungen treffen, die auch aus der Sicht der Beklagten die zukünftige, bei Vertragsschluß noch nicht ausreichend bezifferbare Geldforderung nach allgemeinen Kriterien deutlich bestimmbar umschreiben. Das macht sie nach § 8 AGBG kontrollfrei. Dem steht nicht entgegen, daß die Klauseln einen Erhöhungsvorbehalt – ohne Obergrenze – zugunsten der Verkäuferin vorsehen und die preisbildenden Faktoren – bei nicht erzielbarem Einvernehmen der Vertragsparteien – durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ermittelt werden sollen; auch wird nicht in den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung eingegriffen (siehe im einzelnen Senatsurteil vom 22. Februar 2002, aaO).
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die für die Höhe des Anspruchs erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Dabei wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Klägerin den in dem Kaufvertrag vereinbarten Verfahrensweg zur Nachbewertung eingehalten hat oder ob jetzt eine Leistungsbestimmung durch Urteil zu treffen ist (vgl. Senatsurt. v. 26. Januar 2001, aaO, 339 f). Auch wird es sich mit den jeweiligen Einwänden der Beklagten gegen ihre – gesamtschuldnerische – Haftung befassen müssen. Insoweit ist hier allerdings bereits darauf hinzuweisen, daß die von dem Beklagten zu 4 erhobene Einrede der Verjährung nicht begründet ist. Die Klägerin gehört nicht zu dem in § 196 Nr. 1 BGB a.F. genannten Personenkreis. Deswegen gilt für den geltend gemachten Anspruch die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB a.F.).
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Krüger, Klein, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 846369 |
VIZ 2002, 647 |