Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 26.02.2001) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Februar 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 6. Februar 1992 erwarben die Beklagten von der Klägerin ein 10.186 qm großes Grundstück in B. bei M. zum Preis von 615.000 DM, wovon 509.300 DM auf den Grund und Boden entfielen. In § 8 heißt es u.a.:
„Nachbewertung
(1) Die Parteien sind sich darüber einig, daß wegen des noch nicht funktionsfähigen Grundstücksmarktes eine verläßliche Ermittlung des Verkehrswertes des verkauften Grund und Bodens zur Zeit nicht möglich ist. Dem zwischen Verkäufer und Käufer vereinbarten Kaufpreis liegt daher im Hinblick auf den Grund und Boden ein vorläufiger Wertansatz zugrunde. Die Parteien vereinbaren daher die Durchführung einer Nachbewertung nach Maßgabe folgender Absätze:
(2) …
(3) Bei der Nachbewertung ist der Verkehrswert des verkauften Grund und Bodens zum 31.1.1994 („Nachbewertungsstichtag”) festzustellen. …
(4) Von dem zu zahlenden Differenzbetrag gemäß Abs. 6 dieser Vorschrift ist ein Freibetrag in Höhe von 3 % p.a. abzuziehen.
(5) Eine Nachbewertung ist mit für die Parteien verbindlicher Wirkung durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen für Grundstücksbewertung als Schiedsgutachter durchzuführen. …
(6) Soweit der von dem Sachverständigen zum Nachbewertungsstichtag festgestellte Wert des verkauften Grund und Bodens den nach Abs. 2 dieser Vorschrift in den Kaufpreis eingegangenen Wert überschreitet, erhöht sich der Kaufpreis nachträglich um den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag, höchstens jedoch um DM 20,– pro qm. …”
Mit Gutachten vom 16. Mai 1994 ermittelte die Sachverständige M. einen Verkehrswert des Grundstücks von 611.000 DM. Daraufhin verlangte die Klägerin von den Beklagten die Zahlung von 95.598 DM zuzüglich 24.145,58 DM Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie weiterhin die Durchsetzung ihrer Klage verfolgt.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den Nachbewertungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des AGB-Gesetzes. Diese seien nach § 9 AGBG unwirksam, weil sie die Beklagten in unangemessener Weise benachteiligten. Auch aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung seien die Beklagten nicht zur Zahlung eines höheren Kaufpreises verpflichtet, weil die nach dem Wegfall der unwirksamen Klauseln entstandene Regelungslücke nicht geschlossen werden könne.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht den von der Klägerin verfolgten Zahlungsanspruch für unbegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den hier streitigen Nachbewertungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG oder um Individualvereinbarungen handelt. Die Klauseln sind nämlich in beiden Fällen wirksam.
a) Die Preisbestimmung unterliegt der freien Disposition der Vertragsparteien. Sie sind daher nicht gehindert, bei dem Verkauf von Grundstücken deren spätere Nachbewertung mit der Folge einer eventuellen Änderung des ursprünglich festgelegten Kaufpreises zu vereinbaren. Das kann sowohl individual vertraglich als auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geschehen.
b) Gegen die Wirksamkeit individuell ausgehandelter Nachbewertungsklauseln bestehen von vornherein keine Bedenken. Handelt es sich dagegen um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sind sie ebenfalls wirksam. Das hat der Senat bereits mit Urteil vom 26. Januar 2001 (BGHZ 146, 331), dem nahezu wortgleiche Klauseln zugrunde liegen, und auch danach mehrfach (Urt. v. 11. Mai 2001, V ZR 491/99, WM 2001, 1305, 1306; Urt. v. 22. Februar 2002, V ZR 251/00, ZIP 2002, 808) entschieden. Hieran wird festgehalten.
aa) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß die Klauseln nicht so ungewöhnlich sind, daß sie nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden sind. Für den maßgeblichen Erwerberkreis (Investoren) war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar, daß es im Beitrittsgebiet noch keinen funktionsfähigen Grundstücksmarkt gab und deswegen die Vereinbarung eines angemessenen Kaufpreises vielfach nicht möglich war; auch lag es auf der Hand, daß die Grundstückspreise zunächst einmal stiegen. Auf diese Umstände wurde hier eingangs der Nachbewertungsklauseln ausdrücklich hingewiesen; dementsprechend wurde der Kaufpreis für den Grund und Boden als „vorläufiger Wertansatz” bezeichnet. Damit ist ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (vgl. Senat, BGHZ 109, 197, 201) zu Lasten der Beklagten ausgeschlossen.
Auch eine erhebliche Abweichung vom dispositiven Recht, die ebenfalls eine Ungewöhnlichkeit im Sinne des § 3 AGBG begründen kann (Senatsurt. v. 26. Mai 2000, V ZR 49/99, WM 2000, 2099, 2100 m.w.N.), liegt nicht vor. Die in Nr. 4 der Anlage IX zum Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Erster Staatsvertrag, BGBl. II S. 518, 566) enthaltenen Grundsätze, nach denen bereits vor dem 3. Oktober 1990 wegen eines fehlenden funktionsfähigen Grundstücksmarkts und entsprechender Marktpreise im Beitrittsgebiet eine Nachbewertung auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden konnte (Senatsurt. v. 26. Januar 2001, aaO), sind auch auf die hier streitigen Klauseln anwendbar. Die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschieden sich nämlich nicht wesentlich von denen vor dem 3. Oktober 1990.
bb) Die Klauseln unterliegen auch keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG, denn es handelt sich um Preishauptabreden. Sie bestimmen den endgültigen Preis des Grundstücks, indem sie solche Regelungen treffen, die auch aus der Sicht der Beklagten die zukünftige, bei Vertragsschluß noch nicht ausreichend bezifferbare Geldforderung nach allgemeinen Kriterien deutlich bestimmbar umschreiben. Das macht die Klauseln nach § 8 AGBG kontrollfrei. Dem steht nicht entgegen, daß sie einen Erhöhungsvorbehalt zugunsten der Verkäuferin vorsehen und die preisbildenden Faktoren – bei nicht erzielbarem Einvernehmen der Vertragsparteien – durch einen Sachverständigen ermittelt werden sollen; auch wird nicht in den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung eingegriffen (siehe im einzelnen Senatsurt. v. 22. Februar 2002, aaO).
III.
Das Berufungsurteil hat somit keinen Bestand. Es ist aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die für die Höhe des Anspruchs der Klägerin erforderlichen Feststellungen treffen kann. Falls das aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens nicht möglich sein sollte, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob es die Leistungsbestimmung unter Beachtung der Freibetragsklausel nach § 319 Abs. 1 BGB durch Urteil treffen muß (vgl. dazu Senatsurt. v. 26. Januar 2001, aaO, 339 f).
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Krüger, Klein, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 781770 |
ZfIR 2004, 491 |