Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung von Anleihebedingungen in den Kaufvertrag über Inhaberschuldverschreibungen
Leitsatz (amtlich)
Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 AGBG (jetzt: § 305 Abs. 2 BGB).
Normenkette
BGB § 793; AGBG §§ 1-2; BGB § 305 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des OLG Frankfurt v. 13.10.2004 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. v. 25.7.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Tilgung einer Aktienanleihe zum Nennbetrag, hilfsweise auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Aufklärung über die Anleihebedingungen in Anspruch.
Die Klägerin, die bereits zweimal Aktienanleihen von der Beklagten erworben hatte, kaufte, vertreten durch ihren Sohn, am 12.7.2000 zum Kurs von 98,20 von der Beklagten Teilschuldverschreibungen im Nennwert von 6.000 EUR. Diese waren Teile einer von der Beklagten selbst emittierten und mit einem Zinssatz von 16 % ausgestatteten Inhaberschuldverschreibung. Nach den Inhaberschuldverschreibungsbedingungen, die Bestandteil der Global-Inhaberschuldverschreibung waren, war die Ausgabe effektiver Teilschuldverschreibungen ausgeschlossen. Die Teilschuldverschreibungen waren am 21.6.2001 zum Nennbetrag zu tilgen, sofern nicht der Kurs der N. -Aktien am Bewertungstag den Basispreis von 52,63 EUR unterschritt. In diesem Fall hatte die Tilgung durch Lieferung von 19 Aktien je 1.000 EUR Schuldverschreibung zu erfolgen. Die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen wurden der Klägerin nicht ausgehändigt.
Die Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben v. 2.6.2001 an, dass die Anleihe am 21.6. fällig und der Einlösebetrag ihrem Konto gutgeschrieben werde. Mit Schreiben v. 22.6.2001 teilte sie ihr mit, die Einlösung der Anleihe sei durch Lieferung von 114 Aktien zum Kurs von 26,65 EUR erfolgt. Diese schrieb sie dem Wertpapierdepot der Klägerin gut. Das Schreiben v. 2.6.2001 erklärte die Beklagte in einem weiteren Schreiben v. 5.7.2001 mit einem Programmfehler.
Die Klägerin macht geltend, mit Schreiben v. 2.6.2001 habe die Beklagte die Zahlung des Nennbetrages gewählt. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe ihre Pflicht, über die ggf. durch die Lieferung von Aktien erfolgende Tilgung sowie über den Bewertungstag und den Basispreis aufzuklären, verletzt. Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, sie habe dem Sohn der Klägerin eine schriftliche Kurzbeschreibung der Anleihe ausgehändigt, die die gewünschten Informationen enthalten habe.
Das LG (LG Frankfurt/M. v. 25.7.2003 - 2-21 O 375/01, WM 2005, 1078) hat die Klage auf Rückzahlung des Nennbetrages i.H.v. 6.000 EUR, hilfsweise auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 5.952,49 EUR, jeweils nebst Zinsen und Zug-um-Zug gegen Herausgabe der Aktien, abgewiesen. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt BKR 2005, 117) hat ihr mit dem Hauptantrag stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beklagte sei auf Grund der Ausübung ihres Wahlrechts zur Rückzahlung des Nennbetrages der Anleihe verpflichtet. Die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen, die kein Wahlrecht der Beklagten, sondern die Verpflichtung enthielten, bei Unterschreitung des vereinbarten Basispreises die versprochenen Aktien zu liefern, seien nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, weil der Klägerin nicht die Möglichkeit verschafft worden sei, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (§ 2 AGBG). Der vorliegende Fall des direkten Verkaufs einer Anleihe vom Emittenten an den Anleger, die sog. Eigenemission ohne Einschaltung einer Konsortialbank, könne nicht im Interesse der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels vom Anwendungsbereich des § 2 AGBG ausgenommen werden. Dies sei aus Sicht des Verbraucherschutzes nicht gerechtfertigt und zur Wahrung der Fungibilität der Wertpapiere nicht erforderlich. § 2 AGBG könne problemlos eingehalten werden, indem der Emittent dem ersten Inhaber der Schuldverschreibungen deren Bedingungen übergebe. Erst bei der Person des Zweiterwerbers träten Fragen auf, die sich nicht mit der Einbeziehung in den Vertrag gem. § 2 AGBG lösen ließen.
Da die Parteien einen Vertrag ohne Geltung der Inhaberschuldverschreibungsbedingungen geschlossen hätten (§ 6 AGBG) und als Rückzahlungsarten die Zahlung des Nennbetrages und die Lieferung von Aktien in Betracht kämen, sei von einem Wahlrecht der Beklagten gem. § 262 BGB auszugehen. Dieses habe die Beklagte mit Schreiben v. 2.6.2001i.S.d. Rückzahlung des Nennbetrages ausgeübt. Diese Erklärung habe sie mit ihrem Schreiben v. 5.7.2001 nicht wirksam angefochten, weil kein Irrtum i.S.d. § 119 BGB vorliege. Software-Fehler beträfen nur die Erklärungsvorbereitung und berechtigten nicht zur Irrtumsanfechtung.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
Die Klägerin hat auf Grund des Leistungsversprechens, das die Beklagte durch die Ausstellung der Global-Inhaberschuldverschreibung abgegeben hat, keinen Anspruch gem. § 793 Abs. 1 S. 1 BGB auf Rückzahlung des Nennbetrages der Teilschuldverschreibungen i.H.v. 6.000 EUR. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen seien nicht wirksam in den Vertrag zwischen den Parteien einbezogen worden, ist rechtsfehlerhaft.
1. Ob die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen Vertragsbestandteil geworden sind, ist, anders als das Berufungsgericht meint, nicht nach § 2 Abs. 1 AGBG, sondern nach §§ 145 ff. BGB zu beurteilen.
Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibungen sind nach ganz h.M. Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 AGBG (Begr.RegE AGBG BT-Drucks. 7/3919, 18; BGH v. 5.10.1992 - II ZR 172/91, BGHZ 119, 305 [312] = AG 1993, 125 m. Anm. Claussen = MDR 1993, 32; OLG Düsseldorf v. 10.5.1991 - 17 U 19/90, AG 1991, 438 m. Anm. Claussen = WM 1991, 1375 [1379], für Genussscheinbedingungen; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 112 Rz. 115; Bosch in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 10/159 ff.; Claussen, Bank- und Börsenrecht, 3. Aufl., Rz. 319; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rz. 9.203; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG, 9. Aufl., § 2 Rz. 13; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 1 Rz. 13; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.110, 8.113; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 58; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl., § 23 Rz. 103; Stucke, Die Rechte der Gläubiger bei DM-Auslandsanleihen, S. 257; Hopt in FS Steindorff, S. 341, 364; Köndgen, NJW 1996, 558 [563]; Rozijn, ZBB 1998, 77 [92]; ebenso für Eigenemissionen: Hartwig-Jacob, Die Vertragsbeziehungen und die Rechte der Anleger bei internationalen Anleiheemissionen, S. 232 ff.; Kallrath, Die Inhaltskontrolle der Wertpapierbedingungen von Wandel- und Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussscheinen, S. 41 ff.; Bungert, DZWir 1996, 185 [187 ff.]; Joussen, WM 1995, 1861 [1863 ff.]; a.A. Ekkenga, ZHR 160 (1996), 59 [71 ff.]; Assmann, WM 2005, 1053 [1057 f.]).
Sie fallen aber nach der im Schrifttum (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rz. 9.214 ff.; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG, 9. Aufl., § 2 Rz. 14a; Claussen, Bank- und Börsenrecht, 3. Aufl., Rz. 319; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 73 ff.; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 112 Rz. 115; von Randow in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 25, 46 unter Aufgabe von ZBB 1994, 23 [27 ff.]; Hopt, in FS Steindorff, S. 341, 367; Bungert, DZWir 1996, 185 [193]; a.A. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 305 Rz. 27; Than in FS für Heinsius, S. 809, 831; Than in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 3, 23) ganz überwiegend vertretenen Auffassung nicht in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 AGBG. Dieser Meinung schließt sich der Senat an.
a) Anleihebedingungen fallen zwar nicht unter die Bereichs- und Einzelausnahmen, auf die § 2 Abs. 1 AGBG gem. § 23 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 1a, 1b und Abs. 3 AGBG keine Anwendung findet. § 23 AGBG ist aber trotz seines Ausnahmecharakters nicht abschließender Natur, sondern lässt weitere Ausnahmen für andere Rechtsgebiete und Vertragstypen zu (Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG, 9. Aufl., § 23 Rz. 1; Staudinger/Schlosser, BGB, 13. Bearb., § 23 AGBG Rz. 1; Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 23 Rz. 3; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 59; a.A. Soergel/Stein, BGB, 12. Aufl., § 23 AGBG Rz. 2).
b) In Bezug auf Anleihebedingungen unterliegt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 AGBG mit Rücksicht auf den Willen des Gesetzgebers, den Rechtsverkehr durch § 2 AGBG nicht unnötig zu behindern (Begr.RegE AGBG BT-Drucks. 7/3919, 13; s. ferner den vom Bundesministerium der Justiz im April 2003 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schuldverschreibungsrechts, S. 11) und Teilschuldverschreibungen als fungible Wertpapiere auszugestalten (vgl. §§ 793 Abs. 1 S. 1, 796 BGB), einer funktionalen Reduktion.
aa) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass Emittenten, die Teilschuldverschreibungen unmittelbar an Verbraucher ausgeben, die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG durch die Aushändigung der Anleihebedingungen ohne weiteres einhalten können. Dies reicht aber zur Wahrung der Fungibilität der Schuldverschreibungen und damit der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels nicht aus, weil für Rechtsnachfolger der Ersterwerber nicht sicher erkennbar ist, ob die Anleihebedingungen wirksam Vertragsbestandteil geworden sind. In dem bei der Bewältigung des heutigen Massengeschäfts üblichen und auch im vorliegenden Fall praktizierten stückelosen Effektenverkehr (BGH, Urt. v. 30.11.2004 - XI ZR 200/03, BGHReport 2005, 516 m. Anm. Balzer = WM 2005, 272 [273], für BGHZ vorgesehen; v. 30.11.2004 - XI ZR 49/04, BGHReport 2005, 520 = WM 2005, 274 [275]) können die Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG in aller Regel nicht durch Übergabe von Wertpapierurkunden, auf denen die Anleihebedingungen abgedr. sind, eingehalten werden (Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 112 Rz. 115; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG, 9. Aufl., § 2 Rz. 14a; Wolf in FS Zöllner, I S. 651, 652 f.). Der Emittent müsste den Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG auf andere Weise, etwa durch die individuelle Aushändigung der Anleihebedingungen an jeden Ersterwerber, genügen. Für spätere Erwerber wäre dann nicht mehr erkennbar, ob bei der Emission der von ihm erworbenen Teilschuldverschreibung die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG erfüllt worden und die Anleihebedingungen Vertragsbestandteil geworden sind (Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG, 9. Aufl., § 2 Rz. 14a; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 66).
Die Ungewissheit späterer Erwerber über die Konditionen ihrer Teilschuldverschreibung würde noch dadurch verstärkt, dass es unterschiedliche Emissionsformen mit unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen gibt und für die Rechtsnachfolger der Ersterwerber nicht erkennbar ist, in welcher Weise ihre Teilschuldverschreibungen emittiert worden sind. Bei einer Fremdemission werden die Anleihebedingungen Bestandteil des Übernahmevertrages zwischen Emittenten und Konsortialbank (Bosch in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 10/166), auf den § 2 Abs. 1 AGBG gem. § 24 S. 1 AGBG nicht anwendbar ist. Da die Anleihebedingungen durch den Übernahmevertrag Bestandteil des verbrieften Rechts werden, müssen sie in die Verträge der Konsortialbank mit den einzelnen Anlegern nicht erneut einbezogen werden (Begr.RegE AGBG BT-Drucks. 7/3919, 18; OLG Frankfurt v. 21.10.1993 - 16 U 198/92, OLGReport Frankfurt 1993, 340 = WM 1993, 2089; Bosch in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 10/166; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG, 9. Aufl., § 2 Rz. 14; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 2 Rz. 3; Stucke, Die Rechte der Gläubiger bei DM-Auslandsanleihen, S. 259). Auch Eigenemissionen gegenüber Unternehmern i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB unterliegen nach § 24 S. 1 AGBG nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG. Wäre § 2 Abs. 1 AGBG allein auf Eigenemissionen gegenüber Verbrauchern i.S.d. § 13 BGB anzuwenden, könnten in Abhängigkeit von der Einhaltung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG inhaltlich unterschiedlich ausgestaltete Schuldverschreibungen entstehen, die im Handel nicht hinreichend unterscheidbar wären. Rechtsnachfolger der Ersterwerber blieben über den Inhalt der erworbenen Rechte im Unklaren (Assmann, WM 2005, 1053 [1060 f.]). Ohne Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission wäre aber die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts gefährdet (Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 66).
bb) Gegen die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 AGBG spricht auch der Grundsatz, dass die Auslegung von Schuldverschreibungen für alle Stücke einheitlich und ohne Rücksicht auf Besonderheiten in der Person des einzelnen Inhabers erfolgen muss. Dieser Grundsatz, der die Verkehrsfähigkeit der Kapitalmarktpapiere sichern soll (RGZ 117, 379 [382]; BGHZ 28, 259 [263]), ist auf die Einbeziehung von Anleihebedingungen übertragbar (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rz. 9.214). Dem Bedürfnis des Kapitalmarktes nach einem einheitlichen, standardisierten Inhalt der Wertpapiere widerspräche es, wenn Wertpapiere derselben Emission unterschiedlichen Anforderungen an die Einbeziehung der Anleihebedingungen unterlägen und infolgedessen unter Umständen unterschiedlich ausgestaltete Rechte verbrieften (Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 2 Rz. 30; Bungert, DZWir 1996, 185 [193]; von Randow in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 25, 64).
c) Dass § 2 Abs. 1 AGBG auf Anleihebedingungen keine Anwendung findet, ist mit der Schutzfunktion dieser Vorschrift vereinbar.
aa) Der durch die gesetzliche Einbeziehungskontrolle gewährte Schutz wirkt bei Inhaberschuldverschreibungen und anderen Wertpapieren ohnehin nur zu Gunsten von Ersterwerbern. Wenn die Anleihebedingungen wirksam in den Vertrag mit dem Ersterwerber einbezogen worden sind, gelten sie auch ohne erneute Einbeziehung ggü. derivativen Erwerbern, weil diese nicht mehr oder andere Rechte als ihre Rechtsvorgänger erwerben können (Begr.RegE AGBG BT-Drucks. 7/3919, 18; OLG Frankfurt v. 21.10.1993 - 16 U 198/92, OLGReport Frankfurt 1993, 340 = WM 1993, 2089; Bosch in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 10/166; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG, 9. Aufl., § 2 Rz. 14; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 2 Rz. 3; Stucke, Die Rechte der Gläubiger bei DM-Auslandsanleihen, S. 259; Hopt in FS Steindorff, S. 341, 366).
bb) Zudem wird der Schutzzweck des § 2 Abs. 1 AGBG, die Offenlegung der Anleihebedingungen gegenüber Anlegern, durch die in der Börsenzulassungs-Verordnung und dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz geregelten kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten erreicht (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rz. 9.216; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 74; von Randow in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 25, 45 f.; s.a. Assmann, WM 2005, 1053 [1066 f.]). Diese Pflichten dienen ebenfalls dem Schutz des Anlegers und werden vom Gesetzgeber insoweit als ausreichend angesehen (Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 74).
d) Die Unanwendbarkeit des § 2 Abs. 1 AGBG auf Anleihebedingungen ist, anders als die Revisionserwiderung meint, mit der Richtlinie 93/13/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG 1993, Nr. L 95, S. 29 ff.) vereinbar. Die Richtlinie enthält keine ausdrücklichen Regeln über die Einbeziehung vorformulierter Klauseln in einen Vertrag. Allerdings müssen Vertragsklauseln nach Art. 5 S. 1 stets klar und verständlich abgefasst sein. Dies schließt nach der Präambelerwägung Nr. 20 die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme ein. Diese ist bei Anleihebedingungen auf Grund der kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten gewährleistet. Im Übrigen bleibt in der Richtlinie die Rechtsfolge eines etwaigen Verstoßes gegen das Transparenzgebot offen. Die Nichteinbeziehung der betreffenden Klausel als Sanktion ist der Richtlinie nicht zu entnehmen (Basedow in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 305 Rz. 49).
2. Da § 2 Abs. 1 AGBG nicht anwendbar ist, genügt für die Einbeziehung der Anleihebedingungen in den Vertrag zwischen den Parteien eine zumindest konkludente Einbeziehungsvereinbarung (vgl. für Fälle des § 23 Abs. 2 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG, 9. Aufl., § 23 Rz. 34, 36 f.; Staudinger/Schlosser, BGB, 13. Bearb., § 23 AGBG Rz. 17). Eine solche haben die Parteien getroffen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Sohn der Klägerin zwar nicht ausdrücklich auf die Geltung der Anleihebedingungen hingewiesen. Der Sohn der Klägerin wusste aber, dass er, wie bereits in früheren Fällen, Aktienanleihen erwarb, deren inhaltliche Ausgestaltung sich nur aus den Anleihebedingungen ergeben konnte. Diese sind als notwendiger Bestandteil des Vertrages von den Parteien stillschweigend vereinbart worden. Die Klägerin hatte bei Vertragsschluss auch die Möglichkeit, die Anleihebedingungen einzusehen und sich aushändigen zu lassen. Sie hat zwar bestritten, die Kurzinformation der Beklagten erhalten zu haben, aber nicht vorgetragen, die Beklagte habe ihr die Anleihebedingungen während der Vertragsverhandlungen trotz einer Bitte um Aushändigung vorenthalten.
3. Gemäß § 3 Nr. 2 der somit Vertragsbestandteil gewordenen Anleihebedingungen, die kein Wahlrecht der Beklagten vorsehen, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Tilgung zum Nennbetrag, weil der Kurs der N. -Aktie den Basispreis am Bewertungstag unstreitig unterschritten hat.
III.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
1. Mit der Revision der Beklagten gegen ihre Verurteilung aus dem Hauptanspruch ist auch der Hilfsanspruch der Revisionsinstanz angefallen (BGH, Urt. v. 25.11.2003 - XI ZR 379/02, MDR 2004, 404 = BGHReport 2004, 387 = WM 2004, 121 [123], m.w.N.).
2. Der auf Schadensersatz in Höhe des entrichteten Kaufpreises gerichtete Hilfsanspruch ist unbegründet.
a) Die Parteien haben durch die Aufnahme eines Beratungsgespräches konkludent einen Beratungsvertrag geschlossen (BGH v. 6.7.1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 [128] = MDR 1993, 861; Urt. v. 9.5.2000 - XI ZR 159/99, MDR 2000, 1021 = WM 2000, 1441 [1442]). Der Klägerin steht aber kein Anspruch wegen positiver Vertragsverletzung zu, weil von einer Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem Beratungsvertrag nicht ausgegangen werden kann. Die Beklagte war zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (BGH v. 6.7.1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 [128] = MDR 1993, 861). Dazu gehören, soweit erforderlich, eine Exploration des Kunden sowie eine zutreffende, vollständige und geordnete Aufklärung über das Anlageobjekt (Nobbe in Horn/Schimansky, Bankrecht, 1998, 235 [241 ff.]).
aa) Im vorliegenden Fall war eine erneute Ermittlung der Anlageziele, der finanziellen Verhältnisse sowie der einschlägigen Erfahrungen und Kenntnisse der Klägerin bzw. ihres Sohnes nicht erforderlich, weil die Klägerin bereits in den letzten eineinhalb Jahren vor Abschluss des streitgegenständlichen Geschäfts zwei Aktienanleihen bei der Beklagten erworben hatte, von denen eine erst am 2.5.2000 fällig geworden war. Da der erneute Erwerb von Aktienanleihen dem bisherigen Anlageverhalten der Klägerin entsprach, war eine Exploration nicht mehr erforderlich.
bb) Die Beklagte musste die Klägerin auch nicht darüber aufklären, dass die Tilgungsart nicht von der Ausübung eines Wahlrechts der Beklagten abhing, sondern in den Anleihebedingungen verbindlich geregelt war.
Ein erfahrener Anleger, der - wie die Klägerin - bereits wiederholt Aktienanleihen erworben hat, ist ungefragt nur über risikoerhöhende besondere Umstände aufzuklären, die erkennbar für seinen Kaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind, etwa weil sie die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Spekulation erheblich beeinträchtigen können, und über die er nach Treu und Glauben und der Verkehrsauffassung eine Aufklärung erwarten darf (BGH v. 4.2.1992 - XI ZR 32/91, BGHZ 117, 135 [143] = MDR 1992, 472, für Aktienoptionsgeschäfte). Das Risiko des Anlegers ändert sich aber nicht dadurch, dass der Inhalt der Rückgewährpflicht nicht von einem Wahlrecht der Emittentin, sondern von dem Aktienkurs an einem bestimmten Referenztag abhängt (Lenenbach, NZG 2001, 481 [484]). Der Erwerber einer Aktienanleihe muss davon ausgehen, dass sich der Emittent bei einer Unterschreitung des Basiswertes, die nach den im vorliegenden Fall vereinbarten Anleihebedingungen zu einer Tilgung durch Lieferung von Aktien führt, auch im Falle eines Wahlrechts für diese ihm günstigere Alternative entscheidet.
Die Klägerin macht auch ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe sie nicht über den Bewertungstag und den Basispreis aufgeklärt. Nach dem Vorbringen der Beklagten hat der Sohn der Klägerin eine Kurzbeschreibung der Anleihe ausgehändigt erhalten. Dieses Vorbringen ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht widerlegt. Das vom Berufungsgericht nach Beweisaufnahme insoweit angenommene non liquet geht zu Lasten der für die Aufklärungspflichtverletzung beweisbelasteten Klägerin.
b) Da die Beklagte ihre Pflichten zur Exploration und Aufklärung nicht verletzt hat, hat sie auch nicht gegen § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder 2 WpHG verstoßen. Deshalb braucht nicht entschieden zu werden, ob diese Vorschrift ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist (BGH v. 5.10.1999 - XI ZR 296/98, BGHZ 142, 345 [356]; BGH v. 8.5.2001 - XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343 [348] = MDR 2001, 1307 = BGHReport 2001, 833 m. Anm. Koller; Urt. v. 24.7.2001 - XI ZR 329/00, MDR 2001, 1426 = BGHReport 2001, 790 = WM 2001, 1718 [1719]).
IV.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung zurückweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1397875 |
BGHZ 2006, 311 |
BB 2005, 1871 |
DB 2005, 2186 |
DStR 2005, 1500 |
DStZ 2005, 842 |
NJW 2005, 2917 |
BGHR 2005, 1391 |
EWiR 2005, 853 |
WM 2005, 1567 |
WuB 2005, 781 |
ZIP 2005, 1410 |
MDR 2005, 1425 |
VuR 2005, 437 |
BKR 2005, 323 |
VP 2006, 4 |
ZBB 2005, 375 |
ZGS 2005, 325 |
FB 2005, 840 |
Kreditwesen 2005, 1257 |