Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen falscher steuerlicher Beratung
Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob dem Mandanten dadurch ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist, daß infolge eines Fehlers des rechtlichen Beraters im Ausgangsverfahren eine ihm ungünstige Entscheidung getroffen wurde, ist auf der Grundlage der damals geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beurteilen. Eine spätere Änderung dieser Rechtsprechung oder eine abweichende Auffassung des Regreßrichters sind in der Regel rechtlich unerheblich.
Leitsatz (redaktionell)
1. Wer, aus vom Steuerberater zu vertretenden Gründen, eine steuerliche Vergünstigung nicht erhalten hat, die ihm auf der Grundlage der damals geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung gebührt hätte, dem kann ein finanzieller Ausgleich nicht mit der Begründung versagt werden, sein steuerliches Begehren erscheine aus heutiger Sicht nicht gerechtfertigt. Der Geschädigte wäre damit gegenüber allen anderen Steuerpflichtigen, die sich zum damaligen Zeitpunkt in der gleichen Lage wie er befanden, jedoch vertragsgerecht beraten wurden, unbillig benachteiligt.
2. Der jeweils aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt für die Erfüllung der dem Rechtsanwalt ebenso wie dem Steuerberater obliegenden vertraglichen Aufgaben überragende Bedeutung zu. Deshalb haben sie ihre Hinweise, Belehrungen und Empfehlungen in der Regel danach auszurichten, dies sogar dann, wenn sie die Rechtsprechung für unzutreffend halten.
3. Die rechtliche Wertung des Schadensersatzrichters hat die damals einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings dann außer Betracht zu lassen, wenn diese zu allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen in Widerspruch steht, insbesondere mit der Verfassung nicht vereinbar ist.
Normenkette
BGB § 249; StBerG §§ 33, 68
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 01.07.1992; Aktenzeichen 3 U 191/91) |
LG Göttingen (Urteil vom 02.05.1991; Aktenzeichen 2 O 78/88) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. November 1998 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 2. Mai 1991 aufgehoben.
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Den Beklagten zu 1 a – c wird die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlaß vorbehalten.
Zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag sowie über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision wird die Sache an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagten sind die Erben von zwei in einer Sozietät verbundenen Steuerberatern, die ursprünglich verklagt waren und während des Rechtsstreits verstorben sind. Der Kläger verlangt wegen falscher steuerlicher Beratung Schadensersatz.
Im Jahre 1975 erfuhr der Kläger, daß auf einem Teil des von ihm bewirtschafteten, ihm zu Miteigentum gehörenden Landgutes Bodenmaterial lagere, welches für den Bau eines nahen Autobahn-Teilstücks verwendbar sei. Der Kläger wollte dieses Bodenvorkommen in Zusammenarbeit mit seinem Informanten, dem Kaufmann B., nutzen. Im Frühjahr 1977 unterrichtete der Kläger davon den früheren Erstbeklagten – der in der Folgezeit allein für ihn tätig wurde – (nachfolgend: Steuerberater) und bat um steuerliche Beratung. Dabei ging es von Anfang an wesentlich darum, bei fortschreitendem Bodenabbau die steuerliche Anerkennung von Absetzungen für Substanzverringerung (AfS) gemäß § 7 Abs. 6 EStG zu sichern.
Im Februar 1978 beantragte B. beim zuständigen Regierungspräsidium die Abgrabungsgenehmigung, die ihm – mit Zustimmung des Klägers – am 14. März 1979 erteilt wurde. Am 20. August 1979 schlossen der Kläger und B. mit der Arbeitsgemeinschaft A 33 PA 1 eine Vereinbarung über die Nutzung der besagten Flächen im Umfang der Abgrabungsgenehmigung. In den folgenden Jahren wurde das Bodenvorkommen teilweise abgebaut.
Im Laufe des Jahres 1979 riet der Steuerberater dem Kläger zur Gründung einer OHG mit B., die mit Vertrag vom 4. Juli 1980 – rückwirkend auf den 1. Juli 1979 – vereinbart und anschließend im Handelsregister eingetragen wurde. In diese Gesellschaft brachte der Kläger den Besitz und das Ausbeutungsrecht am Grund und Boden ein.
Mit Bescheid vom 4. August 1982 lehnte das Finanzamt die Durchführung einer gesonderten Gewinnfeststellung mit der Begründung ab, die Einkünfte der OHG seien als solche aus Vermietung und Verpachtung anzusehen. Dieser Bescheid wurde am 21. September 1983 durch einen Bescheid zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ersetzt, der wiederum AfS nicht anerkannte. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Mit Urteil vom 23. September 1986 bestätigte das Finanzgericht die Auffassung der Finanzverwaltung. Die klageabweisende Entscheidung wurde rechtskräftig.
Am 20. November 1986 vereinbarte der Kläger mit dem Steuerberater die Beendigung des Mandatsverhältnisses. Der neue Steuerberater veranlaßte, daß Mitte des Jahres 1987 die Gesellschaftsform in eine GmbH & Co. KG geändert wurde. Aufgrund einer im Jahre 1988 durchgeführten Betriebsprüfung behandelte das Finanzamt die Gesellschaft mit Wirkung vom 1. Januar 1984 als Gewerbebetrieb und berücksichtigte AfS aus der Abgrabung.
Der Kläger verlangt Schadensersatz, weil die Einkünfte der Gesellschaft in den Jahren 1979 bis 1983 steuerlich als solche aus Vermietung und Verpachtung angesehen und infolgedessen keine AfS anerkannt worden seien. Er ist der Auffassung, der frühere Beklagte zu 1 habe es versäumt, ihm die Errichtung einer GmbH & Co. KG mit B. zu empfehlen. Der Kläger meint, eine solche Gesellschaft wäre als Gewerbebetrieb eingestuft worden und hätte ab 1979 AfS geltend machen können.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 574.589,30 DM zuzüglich Zinsen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden gerichtete Klage abgewiesen. In zweiter Instanz hat der Kläger sein Begehren zunächst nur in Höhe von 200.000 DM aufrechterhalten. Auch in diesem Umfang hatte die Berufung keinen Erfolg. Auf die Revision hat der erkennende Senat durch Urteil vom 3. Juni 1993 (IX ZR 173/92 – NJW 1993, 2799) die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Danach hat der Kläger seinen Antrag auf Zahlung von 563.715 DM erweitert. Das Oberlandesgericht hat die Berufung erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen erweiterten Anspruch.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
I.
Das Berufungsgericht hat die nach der Zurückverweisung erfolgte Erweiterung des Berufungsantrags als zulässig behandelt. Das steht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
1. Nach § 519 Abs. 3 ZPO muß bereits die Berufungsbegründung die Berufungsanträge und die Angabe der Berufungsgründe enthalten. Wird die Berufung jedoch, wie im Streitfall, unbeschränkt eingelegt, so erstreckt sich die dadurch eintretende Hemmung der Rechtskraft (§ 705 Satz 2 ZPO) grundsätzlich auch dann auf das gesamte Urteil, wenn die Berufungsbegründung einen beschränkten Antrag enthält. Allein aus dem Umstand, daß dieser Antrag hinter der Beschwer zurückbleibt, läßt sich kein teilweiser Rechtsmittelverzicht entnehmen (BGH, Urt. v. 30. März 1983 – IVb ZR 19/82, NJW 1983, 1561, 1562; v. 24. Oktober 1984 – VIII ZR 140/83, NJW 1985, 3079; v. 6. November 1986 – IX ZR 8/86, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 1 Antragserweiterung 1). Der Berufungskläger kann daher das Rechtsmittel auch nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluß der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (BGH, Urt. v. 16. September 1985 – II ZR 47/85, WM 1985, 1373; v. 6. November 1986, aaO; v. 29. April 1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032, 1033). Die vom Kläger eingereichte Berufungsbegründung erfüllt diese Voraussetzungen.
2. Die Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof an das Berufungsgericht hatte zur Folge, daß die Berufungsinstanz wiedereröffnet und das Verfahren in die Lage zurückversetzt wurde, in der es sich befand, als die Verhandlung vor dem Erlaß des aufgehobenen Urteils geschlossen wurde. Deshalb dauerte die durch die Teilanfechtung bewirkte Hemmung der Rechtskraft des gesamten erstinstanzlichen Urteils fort, so daß der Berufungskläger sein Rechtsmittel noch auf Teile erstrecken konnte, die er bis zum ersten Revisionsurteil in dieser Sache nicht zum Gegenstand der Berufung gemacht hatte (vgl. BGH, Urt. v. 13. Dezember 1962 – III ZR 89/62, NJW 1963, 444; Beschl. v. 4. Juli 1988 – II ZR 334/87, NJW 1989, 170; v. 15. Oktober 1993 – V ZR 19/92, NJW 1994, 586, 588).
II.
Die von den Beklagten gegenüber dem erweiterten Anspruch erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch.
1. Die Vorschrift des § 212 BGB über die Wirkungen einer Klagerücknahme ist nicht anwendbar; denn die Zulässigkeit der Berufungserweiterung noch in diesem Verfahrensstadium beruht gerade darauf, daß nach der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung die Sache auch hinsichtlich des Teils, den das Landgericht abgewiesen und der Berufungskläger zunächst nicht zum Gegenstand der Berufung gemacht hat, rechtshängig geblieben ist. Die vorübergehende Einschränkung der Berufung kann daher verjährungsrechtlich nicht einer Teilrücknahme der Klage gleichgestellt werden (vgl. BGH, Urt. v. 28. September 1965 – VI ZR 88/64, VersR 1965, 1153, 1154).
2. Dieser Teil des Anspruchs könnte allerdings nach § 211 Abs. 2 BGB verjähren; die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt.
Der Kläger hat gegen das am 2. Mai 1991 verkündete Urteil des Landgerichts mit einem am 10. Juni 1991 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit der am 16. September 1991 beim Oberlandesgericht eingekommenen Berufungsbegründung unter Vorbehalt späterer Erweiterung auf den Betrag von 200.000 DM beschränkt. Erst von diesem Zeitpunkt an hat er den Rechtsstreit wegen des weitergehenden Anspruchs zunächst nicht mehr betrieben. Die Berufungserweiterung wurde mit einem am 17. März 1994 eingegangenen Schriftsatz vorgenommen, also vor Ablauf der gemäß § 68 StBerG maßgeblichen Frist von drei Jahren.
III.
Der Senat hat im ersten Revisionsurteil dahin erkannt, daß der Steuerberater schuldhaft seine Beratungspflichten aus dem Vertrag mit dem Kläger verletzt habe, weil er ihm im Jahre 1979 nicht empfohlen habe, mit B. eine GmbH & Co. KG zu gründen (aaO, S. 2800 f). Davon geht aufgrund der Bindungswirkung des § 565 Abs. 2 ZPO nunmehr auch das Berufungsgericht aus. Der Tatrichter meint jedoch, er sei durch diese Vorschrift nicht gehindert, abweichend vom Revisionsurteil einen durch die Pflichtverletzung des Steuerberaters ausgelösten Schaden zu verneinen und hat zur Begründung ausgeführt:
Das selbständige Wirtschaftsgut aus der Ausbeutung des Bodenvorkommens sei nicht im Privatvermögen des Klägers, sondern in der unternehmerisch tätigen Gemeinschaft zwischen ihm und B. entstanden. Der Aktenvermerk des Steuerberaters vom 2. Februar 1979 belege, daß schon zu diesem Zeitpunkt, also vor Erteilung der Abbaugenehmigung, eine gesellschaftsrechtliche Bindung zwischen dem Kläger und B. bestanden habe.
Aus der vom Finanzamt erteilten Auskunft folge zudem, daß die Behörde dem Kläger damals AfS auch dann versagt hätte, wenn er eine GmbH & Co. KG gegründet hätte. Der Kläger hätte also in jedem Falle das Finanzgericht anrufen müssen; dort wäre eine Entscheidung erst zu einem Zeitpunkt ergangen, als die sogenannte „Gepräge”-Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht mehr gegolten habe.
IV.
Auch die neue Begründung des Berufungsgerichts trägt die Klageabweisung nicht. Vielmehr folgt aus den Feststellungen des Berufungsgerichts in Verbindung mit den von den Beklagten nicht bestrittenen Tatsachen, daß dem Kläger infolge der Vertragsverletzung, die der Steuerberater zu vertreten hat, ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist.
1. Für die Beurteilung, ob bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters das Ausgangsverfahren zugunsten des Mandanten hätte ausgehen müssen, ist die Rechtslage zu dem damaligen Zeitpunkt maßgeblich (BGHZ 79, 223, 228 ff; BGH, Urt. v. 6. Februar 1991 – VIII ZR 26/90, NJW-RR 1991, 660, 661; v. 3. Juni 1993, aaO S. 2801). Da das Finanzamt die vom Kläger angegriffenen Bescheide in den Jahren 1982/83 erlassen hat, ist anzunehmen, daß dies auch dann geschehen wäre, wenn der Steuerberater den Kläger sachgerecht beraten hätte. Das wird von den Parteien auch nicht in Frage gestellt. Der Senat hat im ersten Revisionsurteil im einzelnen dargestellt (aaO, S. 2801 zu II 2 b aa, bb), unter welchen Voraussetzungen auf der Grundlage der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Ausbeutung von Bodenschätzen AfS im allgemeinen anerkannt wurden. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Demzufolge kam es darauf an, ob der Bodenschatz zunächst im Privatvermögen des Klägers greifbar geworden und erst dann in einen Gewerbebetrieb überführt worden war, oder ob er sich von Anfang an im Gewerbebetrieb konkretisiert hatte.
Das Berufungsgericht stützt sich für die von ihm vertretene Auffassung, der Bodenschatz sei als selbständiges Wirtschaftsgut nicht im Privatvermögen des Klägers, sondern in der Nutzungsgemeinschaft des Klägers mit B. entstanden, nunmehr entscheidend auf den Aktenvermerk vom 2. Februar 1979. Die daraus abgeleitete rechtliche Würdigung ist jedoch verfehlt.
a) Der Aktenvermerk schildert eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und B. zur Gewinnverteilung bei Ausbeutung des Kiesvorkommens. Daraus folgt jedoch nicht, daß der Kläger und B. damals schon einen gemeinsamen Gewerbebetrieb eröffnet hatten. Vielmehr ist das Gegenteil richtig: Der Steuerberater nahm die ihm erteilte Information zum Anlaß dafür, dem Kläger vorzuschlagen, „die Gewinnabrede in die Form eines Pachtvertrages zu kleiden”. Daraus ergibt sich – auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten und der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts –, daß der Kläger einen gemeinsamen Gewerbebetrieb mit B. zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingerichtet hatte und dazu auch noch nicht endgültig entschlossen war. Überläßt der Eigentümer den Abbau einem Pächter, wird er selbst nicht gewerblich tätig. Solange er in Betracht zieht, das Kiesvorkommen auf diese Weise ausbeuten zu lassen, hat er daher eine gewerbliche Tätigkeit noch nicht aufgenommen (vgl. BFHE 173, 115, 119 f = NJW 1994, 3182, 3183).
Der Bodenschatz wird als selbständiges Wirtschaftsgut greifbar, sobald der Eigentümer über ihn verfügt. Das ist der Fall, wenn der Bodenschatz zur nachhaltigen Nutzung in den Verkehr gebracht wird. Diese Voraussetzung ist jedenfalls zu dem Zeitpunkt erfüllt, in dem die öffentlich-rechtliche Genehmigung zum Abbau des Bodenvorhabens erteilt wird (BFHE 159, 177, 180 f; 173, 115, 117 f; 184, 400, 401 f m.w.N.). Wird das den Bodenschatz enthaltende Grundstück an einen Abbauunternehmer veräußert und zahlt dieser, ohne die Erteilung einer Abbaugenehmigung zur Bedingung zu machen, nicht nur den Kaufpreis für den Grund und Boden, sondern zusätzlich auch für den Bodenschatz, ist dieser im Regelfall schon damit in Verkehr gebracht (BFHE 184, 400, 402). Entsprechende Voraussetzungen sind im Streitfall nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht gegeben. Danach stellte der Bodenschatz weder am 2. Februar 1979 noch zu einem anderen Zeitpunkt vor Erteilung der Abbaugenehmigung ein selbständiges Wirtschaftsgut dar.
b) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist es für die rechtliche Beurteilung unwesentlich, daß der Kläger dem Antrag des B. vom 20. Februar 1978 auf Genehmigung des Kiesabbaus sein Einverständnis als Eigentümer beigefügt hat. Zwar wurde nicht das Mineralvorkommen als Sache oder Grundstücksbestandteil, sondern die aus dem Eigentum fließende Berechtigung, den Bodenschatz auszubeuten, in das Betriebsvermögen eingelegt (vgl. BFHE 175, 90, 92). Diese privatrechtliche Befugnis, über den Bodenschatz zu verfügen, ist jedoch von der nach öffentlichem Recht erforderlichen Abbaugenehmigung streng zu trennen. Indem der Kläger sein öffentlich-rechtlich erforderliches Einverständnis mit einem Abbau durch B. erteilte, traf er noch keine Entscheidung über die zivilrechtliche Gestaltung des Rechtsverhältnisses zu diesem. Auch danach stand es ihm frei, B. die Ausbeutung im Wege eines Pachtvertrages zu gestatten oder sich mit ihm zur Gründung eines gewerblichen Unternehmens zusammenzuschließen. Bevor er sich in dieser Hinsicht mit B. einig war, konnte das Wirtschaftsgut „Bodenschatz” nicht in ein gewerbliches Unternehmen eingebracht sein.
2. Die Beurteilung, ob der Steuerpflichtige AfS gemäß § 7 Abs. 6 EStG geltend machen kann, ist rechtlich gebunden. Daher kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob die Finanzbehörde bei Bildung einer GmbH & Co. KG AfS mutmaßlich anerkannt hätte, sondern wie sie richtigerweise hätte entscheiden müssen. Das war schon den Ausführungen im Senatsurteil vom 3. Juli 1993 (aaO S. 2801 f zu II 2 c) ohne weiteres zu entnehmen und entspricht im übrigen der festen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurt. v. 23. November 1995 – IX ZR 225/94, NJW 1996, 842, 843).
a) Wie der Senat im Urteil vom 3. Juni 1993 (aaO) entschieden hat, ist für die rechtliche Beurteilung von der sogenannten „Gepräge”-Rechtsprechung (vgl. BFHE 84, 471; 106, 331; 118, 559, 561) auszugehen, weil die Oberfinanzdirektion Münster durch Rundverfügung vom 30. Mai 1979 deren weitere Anwendung bis zu einer abschließenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs angeordnet hatte und aus dieser ständigen Verwaltungsübung für den Steuerpflichtigen ein rechtlich geschützter Vertrauenstatbestand begründet wurde. Dieser ist für die Frage, ob der Kläger durch das Verhalten des Beraters geschädigt wurde, in gleicher Weise beachtlich. Auf der Grundlage der von der Oberfinanzdirektion erteilten Anweisung hätte die Finanzbehörde AfS nach § 7 Abs. 6 EStG anerkennen müssen, weil die damals von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für maßgeblich erachteten Kriterien erfüllt waren. Das ergibt sich schon aus der Begründung des Senatsurteils vom 3. Juni 1993 (aaO). Die dem entgegenstehenden Ausführungen des Berufungsurteils verstoßen gegen § 565 Abs. 2 ZPO. Der Senat ist auch selbst an seine dort vertretene Rechtsansicht gebunden, an der er im übrigen in späteren Entscheidungen, insbesondere im Urteil vom 28. September 1995 (IX ZR 158/94, NJW 1995, 3248) festgehalten hat.
b) Allerdings vertritt der Bundesfinanzhof nunmehr in einem Urteil vom 19. Juli 1994 (BFHE 175, 90) die Auffassung, bei Bodenschätzen, die ein Steuerpflichtiger auf einem ihm gehörenden Grundstück im Privatvermögen entdeckt und sodann in sein Betriebsvermögen einlegt, seien AfS generell – also unabhängig von der rechtlichen Gestaltungsform, in der der Betrieb geführt wird – nicht zulässig. Die Entscheidung weicht ausdrücklich von den Urteilen BFHE 124, 501; 128, 226; 150, 534 ab, die für die steuerliche Beurteilung im ersten Revisionsurteil des Senats (aaO) maßgebliche Bedeutung hatten. Diese im Jahre 1994 vollzogene Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Steuerrecht hat indes für die Beurteilung des Streitfalls keine Bedeutung.
Der Regreßrichter hat, wie oben zu 1 bereits ausgeführt, bei Prüfung der Frage, ob dem Kläger ein Schaden entstanden ist, die Rechtslage zugrunde zu legen, die zum Zeitpunkt der hypothetischen Entscheidung im Ausgangsverfahren bestand. Allerdings hat der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden, ob dazu auch die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung in ihrer damaligen Ausprägung gehört oder der im Schadensersatzprozeß zuständige Richter seine Beurteilung unabhängig von den damals geltenden Rechtsprechungsgrundsätzen zu treffen hat. Diese bisher ausdrücklich offengelassene Frage (vgl. BGHZ 36, 144, 155) ist nunmehr im ersteren Sinne zu beantworten.
aa) Geht es um das hypothetische Ergebnis eines Ausgangsverfahrens mit rechtlich gebundener Entscheidung, hat der Regreßrichter bekanntlich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu fragen, wie dieses ohne den Fehler des Beraters vermutlich geendet hätte, sondern selbst zu beurteilen, zu welchem Ergebnis es richtigerweise hätte gelangen müssen (BGHZ 72, 328, 330; 133, 110, 111; BGH, Urteil vom 21. September 1995 – IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 49). Diese Loslösung von der persönlichen Auffassung der im Ausgangsverfahren zuständigen Personen ist die Folge des von der Rechtsprechung seit langem vertretenen normativen Schadensbegriffs: Der Kläger soll nur das ersetzt verlangen können, was er nach der materiellen Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem über seinen Antrag zu befinden war, hätte erhalten müssen. Allein das, worauf er nach der Rechtsordnung einen Anspruch hatte, stellt einen Schaden im Rechtssinne dar (BGHZ 124, 86, 95; 125, 27, 34). Der über den Schadensersatzanspruch entscheidende Richter hat daher Gesetz und Recht zum Zeitpunkt der hypothetischen Entscheidung festzustellen.
bb) Die jeweils geltende Rechtslage muß unter Einbeziehung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Regeln und Grundsätze bestimmt werden. Dies ist schon deshalb notwendig, weil die Aufgabe des Richters sich nach dem Grundgesetz nicht darauf beschränkt, Gesetze in den Grenzen des möglichen Wortsinns anzuwenden. Der Richter ist vielmehr insbesondere dort, wo Rechtsfragen gesetzlich nicht geregelt sind oder der Wortlaut einer Vorschrift in Spannung zu verfassungsrechtlichen Wertvorstellungen steht, zu schöpferischer Rechtsfindung berufen (BVerfGE 34, 269, 287; BGHZ 85, 64, 66). Aber auch im Bereich bloßer Gesetzesauslegung führt eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung aufgrund der ihr von der Praxis zugebilligten Autorität in der Regel zu einer einheitlichen Rechtsanwendung. Diese Wirkung wird zusätzlich gefördert durch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die eine unmittelbare Bindungswirkung der Entscheidungen (vgl. z.B. § 541 ZPO) sowie die Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) oder die Vorlage einer Sache an den Bundesgerichtshof (vgl. z.B. §§ 28 Abs. 2 FGG, 79 Abs. 2 GBO, 7 Abs. 2 InsO) anordnen.
cc) Auch aus Gleichbehandlungsgründen ist es geboten, die jeweils maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung der Beurteilung, was Gesetz und Recht entspricht, zugrunde zu legen. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann ein ersatzfähiger Schaden des Auftraggebers darin liegen, daß ihm infolge eines Beratungsfehlers Vorteile aus einer ständigen gesetzwidrigen Verwaltungspraxis entgangen sind, sofern die Verwaltung im Ausgangsverfahren nicht ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG allein das Gesuch des jetzigen Klägers abschlägig hätte bescheiden können (Senatsurteil vom 28. September 1995, aaO S. 3249 f). In einem solchen Falle bewirkt das Verhalten der Behörde ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen, dessen Verletzung einen ersatzfähigen vermögensrechtlichen Nachteil begründen kann. Entsprechende Wirkung muß für die schadensrechtliche Betrachtung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zuerkannt werden. Daher kann es nicht angehen, demjenigen, der aus vom Berater zu vertretenden Gründen eine steuerliche Vergünstigung nicht erhalten hat, die ihm auf der Grundlage der damals geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung gebührt hätte, einen finanziellen Ausgleich mit der Begründung zu versagen, sein steuerliches Begehren erscheine aus heutiger Sicht nicht gerechtfertigt. Der Kläger wäre damit gegenüber allen anderen Steuerpflichtigen, die sich zum damaligen Zeitpunkt in der gleichen Lage wie er befanden, jedoch vertragsgerecht beraten wurden, unbillig benachteiligt.
dd) Schließlich ist es aus rechtspraktischen Gründen geboten, die Frage, ob dem Kläger ein Schaden entstanden ist, grundsätzlich unter Einbeziehung der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beantworten, unabhängig davon, ob der über den Schadensersatzanspruch entscheidende Richter deren damalige Rechtsauffassung für zutreffend hält.
Der jeweils aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt für die Erfüllung der dem Rechtsanwalt ebenso wie dem Steuerberater obliegenden vertraglichen Aufgaben überragende Bedeutung zu. Deshalb haben sie ihre Hinweise, Belehrungen und Empfehlungen in der Regel danach auszurichten, dies sogar dann, wenn sie die Rechtsprechung für unzutreffend halten (Senats-urt. v. 7. Mai 1992 – IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1112; v. 3. Juni 1993, aaO S. 2797, 2798). Wird demnach der objektive Pflichtenkreis in solcher Weise durch die zu diesem Zeitpunkt geltende höchstrichterliche Rechtsprechung geprägt, dann ist es nur konsequent, ihr in gleicher Weise Beachtung einzuräumen für die Beurteilung der Frage, ob dem Mandanten ein Schaden entstanden ist. Der Auftraggeber könnte sonst einen wegen Nichtbeachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erlittenen Nachteil nicht ersetzt verlangen, wenn der über den Schadensersatzanspruch entscheidende Richter eine davon abweichende Auffassung vertritt. Das aber leuchtet trotz der gebotenen normativen Betrachtung des Ausgangsverfahrens nicht ein, weil eine nunmehr vertretene divergierende Ansicht dort wegen der durch die damalige Rechtsprechung allgemein geprägten Rechtsanwendung generell keine ernsthafte Aussicht auf Beachtung gehabt hätte.
Untersteht die im Ausgangsverfahren getroffene Entscheidung der Kontrolle einer anderen Gerichtsbarkeit als der Ziviljustiz, sind die dort zuständigen Richter aufgrund ihrer speziellen Kenntnisse und beruflichen Erfahrungen besonders geeignet, die in dem jeweiligen Rechtsgebiet auftretenden Fragen zu beurteilen, weil sie in der Regel über ein reicheres Fachwissen verfügen als der Zivilrichter. Es entspricht deshalb den berechtigten Belangen beider Parteien, daß der im Schadensersatzprozeß zuständige Richter bei der Beantwortung von Fragen aus einem ihm fernliegenden Rechtsgebiet sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausrichtet, die sich in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt gebildet hatte. Der erkennende Senat ist insbesondere im Steuerrecht schon in der Vergangenheit so verfahren. Er hat sich regelmäßig der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs angeschlossen, ohne in eine eigenständige Erörterung der jeweiligen Problematik einzutreten, die anderenfalls unentbehrlich gewesen wäre (vgl. z.B. Senatsurt. v. 18. Dezember 1997 – IX ZR 153/96, NJW 1998, 1486, 1487 f).
ee) Die rechtliche Wertung des Schadensersatzrichters hat die damals einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings dann außer Betracht zu lassen, wenn diese zu allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen in Widerspruch steht, insbesondere mit der Verfassung nicht vereinbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 26. März 1985 – VI ZR 245/83, NJW 1985, 2482, 2483). Da ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliegt, hat die Beurteilung auf der Basis der damaligen „Gepräge”-Rechtsprechung zu erfolgen. Dies führt dazu, einen vom Steuerberater zu vertretenden Schaden zu bejahen.
V.
Da eine weitere Sachaufklärung insoweit nicht mehr in Betracht kommt, ist die Sache dem Grunde nach entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Anspruch gegen die Beklagten zu 1 ist aus positiver Vertragsverletzung in Verbindung mit §§ 1922, 1967 BGB dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Haftung der Beklagten zu 2 a bis c folgt aus den im ersten Revisionsurteil zu IV dargelegten Erwägungen.
Für das Betragsverfahren ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
VI.
Die Beklagten haben erstmals in diesem Revisionsverfahren den Antrag gestellt, ihnen die auf den Nachlaß beschränkte Haftung gemäß § 780 ZPO vorzubehalten. Diesem Antrag war hinsichtlich der Beklagten zu 1 a – c stattzugeben, weil deren Rechtsvorgänger erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht verstorben ist. Für die Beklagten zu 2 a – c, die einen entsprechenden Antrag schon vor dem Tatrichter hätten stellen können, besteht dagegen keine Möglichkeit, die dort versäumte Rechtshandlung in der Revisionsinstanz nachzuholen (vgl. BGHZ 54, 204, 205 f).
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.09.2000 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BB 2000, 2439 |
DB 2001, 329 |
DStR 2000, 2051 |
NJW 2001, 146 |
EWiR 2000, 1139 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 2439 |
WuB 2001, 459 |
ZAP 2000, 1449 |
ZIP 2000, 2168 |
MDR 2001, 115 |
VersR 2001, 201 |
MittRKKöln 2001, 62 |
BRAK-Mitt. 2001, 17 |
StB 2001, 459 |
WPK-Mitt. 2001, 85 |