Leitsatz (amtlich)
a) Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (Bestätigung von BGH, Urt. v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16 NJW 2018, 150 Rz. 26 m.w.N.) und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.
b) Demgemäß wird die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Bestätigung von BGH, Urt. v. 7.2.2007 - VIII ZR 266/06 NJW 2007, 1351 Rz. 14; v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16, a.a.O., Rz. 24).
c) Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für folgenlos überstandene Krankheiten und Verletzungen, wie ausgeheilte Rippenfrakturen eines als Reittier verkauften erwachsenen Pferdes, das nach Ablauf des Heilungsprozesses klinisch unauffällig ist. Weder kommt es insoweit darauf an, ob die vollständig ausgeheilten Rippenfrakturen auf einem "traumatischen Ereignis" beruhen, noch kann die Verletzung eines Tieres in jeder Hinsicht einem Schaden an einer Sache, etwa einem Kraftwagen, gleichgestellt werden.
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 27.02.2018; Aktenzeichen 8 U 168/15) |
LG Karlsruhe (Urteil vom 26.10.2015; Aktenzeichen 4 O 271/14) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des OLG Karlsruhe - 8. Zivilsenat - vom 27.2.2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin erwarb am 23.11.2013 von dem Beklagten nach einem Proberitt den im Jahr 2005 geborenen Quarterhorse-Wallach "A.". Der Kaufpreis belief sich auf 17.000 EUR zzgl. weiterer 1.000 EUR für die am 20.11.2013 von dem Tierarzt Dr. G. vorgenommene Ankaufsuntersuchung, bei der keine erheblichen Gesundheitsmängel festgestellt worden waren. Im Kaufvertrag vereinbarten die Parteien unter § 8 Abs. 2 Spiegelstrich 3: "Eine Nacherfüllung hat nach der Wahl des Käufers durch Nachbesserung oder Nachlieferung, im Fall einer Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Nachbesserung durch Nachlieferung zu erfolgen."
Rz. 2
Nachdem das Pferd bei Untersuchungen durch den Tierarzt Dr. Gr. Anfang Februar und Mitte März 2014 u.a. eine Schmerzhaftigkeit der Rippenköpfe gezeigt hatte, diagnostizierte die Tierärztin Dr. E. aufgrund einer am 26.3.2014 vorgenommenen Knochenszintigraphie und radiologischen Untersuchung:
"Der Rippenkörper der 6., 7. und 8. Rippe ist im oberen Drittel frakturiert und die Fraktur ist im Fall der beiden Letzteren auch geringgradig verschoben (disloziert). Als Therapie empfehlen wir Ruhe; das Pferd darf bis zur endgültigen Ausheilung nicht geritten werden."
Rz. 3
Mit Anwaltsschreiben vom 9.4.2014 machte die Klägerin geltend, die Fraktur dreier Rippen sei ein Sachmangel, der nicht therapierbar sei; vorsorglich verlangte sie Nachbesserung unter Fristsetzung bis zum 30.4.2014. Nachdem der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 29.4.2014 vergeblich um Übersendung der tierärztlichen Befunde gebeten hatte, erklärte die Klägerin am 6.5.2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Am 14.5.2014 überließ sie dem Beklagten den Untersuchungsbefund von Dr. E. .
Rz. 4
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pferdes begehrt, ferner die Erstattung notwendiger Verwendungen und vergeblicher Aufwendungen für dessen Unterhaltung, außerdem die Feststellung des Annahmeverzuges und der Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin damit zusammenhängende bereits entstandene und künftig noch entstehende notwendige Kosten zu ersetzen. Das LG hat der Klage nach Vernehmung mehrerer Zeugen sowie Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst ergänzender Anhörung des Sachverständigen Dr. P. überwiegend stattgegeben.
Rz. 5
Im zweiten Rechtszug hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es die Rücktrittsvoraussetzungen als nicht gegeben erachte, weil die von der Klägerin begehrte Beseitigung des Mangels unmöglich sei, da "die Rippenbrüche nicht vollständig verheilen werden", so dass die Nacherfüllung - wie auch unter § 8 des Kaufvertrages vereinbart - nicht durch Mängelbeseitigung, sondern durch Nachlieferung zu erfolgen habe. Daraufhin hat die Klägerin nach vergeblicher Fristsetzung zur Nachlieferung eines vergleichbaren Pferdes am 17.8.2016 erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Rz. 6
Die Berufung des Beklagten ist überwiegend ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat - nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. und ergänzender Anhörung des Sachverständigen - das erstinstanzliche Urteil im Hinblick auf die begehrte Rückzahlung des Kaufpreises - unter Abzug von Wertersatz für gezogene Nutzungen - bestätigt, ebenso im Hinblick auf die Erstattung der geltend gemachten Tierarzt- und Unterbringungskosten, die Kosten der Ankaufsuntersuchung sowie die Feststellungsanträge.
Rz. 7
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 10
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung des Pferdes gem. § 346 Abs. 1 BGB - unter Abzug von Wertersatz für gezogene Nutzungen - in dem zuerkannten Umfang zu. Dementsprechend habe sie auch Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen und vergeblicher Aufwendungen sowie auf die begehrten Feststellungen.
Rz. 11
Die Klägerin habe mit Anwaltsschreiben vom 17.8.2016 wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Die aufgrund der Rippenfrakturen fehlende Freiheit des Pferdes von erheblichen (Vor-)Verletzungen sei ein Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
Rz. 12
Solange die am 26.3.2014 tierärztlich diagnostizierten Rippenfrakturen nicht ausgeheilt seien, sei das Pferd nicht für die gewöhnliche Verwendung (Reiten) geeignet. Indes bedürfe es keiner Aufklärung, ob die Rippenfrakturen tatsächlich ausgeheilt seien, was insb. bei einem verschobenen Rippenbruch fraglich sei. Unabhängig von der Frage der vollständigen Heilung der Frakturen bis zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung weise das von der Klägerin erworbene Tier nicht die bei einem Reitpferd übliche Beschaffenheit auf, die der Käufer erwarten könne.
Rz. 13
Ob die Verletzung folgenlos ausgeheilt sei, sei nicht entscheidungserheblich. Allein der Umstand, dass das verkaufte Pferd eine erhebliche Verletzung erlitten habe, stelle einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar. Auch der Käufer eines - wie hier - achteinhalbjährigen Pferdes dürfe erwarten, dass es kein Trauma erlitten habe, bei dem es zu mehr als geringfügigen Verletzungen wie etwa Hautabschürfungen, gekommen sei.
Rz. 14
Nach dieser Maßgabe liege im Streitfall ein nicht unerheblicher Mangel vor. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. könnten Rippenbrüche, die bei Pferden äußerst selten seien, nur durch heftige traumatische Ereignisse bewirkt werden. Das Berufungsgericht halte es für ausgeschlossen, dass die Vorverletzungen des Pferdes aus objektiver Sicht eines Käufers für die Kaufentscheidung keine Rolle spielten, und zwar auch für den Fall, dass die Frakturen vollständig ausgeheilt seien. Denn angesichts des zu den Rippenbrüchen führenden traumatischen Ereignisses bestehe der naheliegende Verdacht bislang unentdeckter weiterer (auch psychischer) Unfallfolgen, die sich später noch negativ auf die Gebrauchstauglichkeit des Pferdes auswirken könnten. Die Tatsache eines schweren traumatischen (Unfall-)Ereignisses, das zu Knochenfrakturen geführt habe, verleihe dem Tier auf dem Markt den preismindernden Makel eines erheblich vorgeschädigten Pferdes. Die (unterstellte) vollständige Ausheilung der Rippenfrakturen und die - nach dem Befund des Sachverständigen Dr. P. - damit einhergehende volle Gebrauchstauglichkeit änderten daran nichts.
Rz. 15
Dem stehe das Urteil des BGH vom 7.2.2007 () nicht entgegen. Danach seien Abweichungen eines verkauften Pferdes von der "physiologischen Norm", die sich im Rahmen der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde hielten, zwar nicht als Mangel einzustufen. Darum gehe es im Streitfall jedoch nicht. Bei einem Reitpferd liege eine erhebliche Unfallverletzung mit Knochenbrüchen gerade nicht im Rahmen der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde. Rippenbrüche seien äußerst selten und riefen bei einem potentiellen Käufer Bedenken über Art und Ausmaß des zugrunde liegenden Ereignisses hervor.
Rz. 16
Der Beklagte habe den ihm - in Anbetracht des hier gegebenen Verbrauchsgüterkaufs - gem. § 476 BGB a.F. obliegenden Beweis nicht erbracht, dass das Pferd zur Zeit der am 23.11.2013 erfolgten Übergabe die fraglichen Rippenbrüche noch nicht aufgewiesen habe. Der Sachverständige Prof. Dr. R. habe dazu ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass die am 26.3.2014 diagnostizierten Frakturen erst nach Übergabe des Pferdes am 23.11.2013 entstanden seien. Zwar habe das Pferd bei der Palpation anlässlich der Ankaufsuntersuchung am 20.11.2013 keine Auffälligkeiten gezeigt. Daraus lasse sich jedoch nicht zuverlässig schließen, dass Rippenbrüche damals nicht vorgelegen hätten. Zudem halte es der Sachverständige durchaus für möglich, dass die Rippenfrakturen teilweise abgeheilt gewesen seien, dann aber beim Hochsteigen im Paddock "reaktiviert" worden seien.
Rz. 17
Allerdings habe der mit Anwaltsschreiben vom 6.5.2014 erklärte Rücktritt nicht zur Umgestaltung des Vertragsverhältnisses in ein Rückabwicklungsverhältnis geführt. Das mit Schreiben vom 9.4.2014 geäußerte Mängelbeseitigungsverlangen sei auf eine unmögliche Leistung gerichtet gewesen, denn der in der fehlenden Freiheit des Tieres von schweren (Vor-)Verletzungen zu erblickende Sachmangel sei nicht behebbar.
Rz. 18
Jedoch habe die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 17.8.2016 wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Zwar sei der Rücktritt bei einer unerheblichen Pflichtverletzung des Verkäufers ausgeschlossen (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB). Dies sei hier jedoch selbst dann nicht anzunehmen, wenn man zugunsten des Beklagten unterstelle, dass sich der Mangel im Zeitpunkt des Rücktritts nur noch in einem merkantilen Minderwert des Pferdes ausgewirkt habe. Denn das Berufungsgericht halte es für ausgeschlossen, dass dieser weniger als ein Prozent des Kaufpreises betrage.
Rz. 19
Der am 17.8.2016 erklärte Rücktritt sei nicht gem. § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Anspruch auf Nachlieferung eines Ersatzpferdes sei nicht verjährt, weil die aufgrund der Klageerhebung im Juni 2014 eingetretene Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) auch den Anspruch auf die Lieferung eines Ersatzpferdes erfasse (§ 213 BGB).
II.
Rz. 20
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können Ansprüche der Klägerin auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gem. §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 90a Satz 3, 323 Abs. 1, 346, 348 BGB sowie auf Erstattung notwendiger Verwendungen und vergeblicher Aufwendungen ebenso wenig bejaht werden wie die mit der Rückabwicklung des Kaufvertrags zusammenhängenden Feststellungsbegehren. Die Ansicht des Berufungsgerichts, vollständig ausgeheilte Rippenfrakturen eines als Reittier verkauften Pferdes seien auch ohne eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich geeignet, einen Sachmangel zu begründen, beruht auf revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehlern.
Rz. 21
1. Der von der Klägerin in zweiter Instanz erklärte Rücktritt vom 17.8.2016 rechtfertigt das Klagebegehren nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Denn das Berufungsgericht hat zugunsten des Beklagten unterstellt, dass die Rippenfrakturen des Tieres zu diesem Zeitpunkt vollständig ausgeheilt waren und das Tier uneingeschränkt als Reitpferd belastet werden konnte. Unter diesen Umständen lag aber, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, im Zeitpunkt des Rücktritts ein etwa zuvor vorhandener Sachmangel nicht mehr vor.
Rz. 22
a) Noch rechtsfehlerfrei - und insoweit nicht angegriffen - hat das Berufungsgericht allerdings festgestellt, dass die Parteien eine auch die Freiheit von (ausgeheilten) Vorverletzungen betreffende Beschaffenheit des Pferdes (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht vereinbart haben.
Rz. 23
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist in einer fehlenden "Freiheit von Vorverletzungen" auch ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB nicht zu sehen. Zwar wäre das Pferd nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, wenn es sich mit Rücksicht auf die Vorverletzungen für die gewöhnliche Verwendung, die unter den hier gegebenen Umständen mit der i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB vertraglich vorausgesetzten Verwendung als Reitpferd übereinstimmt (vgl. BGH vom 20.3.2019 - VIII ZR 213/18 NJW 2019, 1937 Rz. 25 ff.; v. 6.12.2017 - VIII ZR 219/16 NJW-RR 2018, 822 Rz. 33 ff.; v. 26.4.2017 - VIII ZR 80/16 NJW 2017, 2817 Rz. 16), nicht eignen oder eine Beschaffenheit nicht aufweisen würde, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Insoweit hat das Berufungsgericht jedoch die Anforderungen, die bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats an die körperliche Verfassung eines Tieres bzw. Reitpferdes zu stellen sind, verkannt.
Rz. 25
aa) Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (BGH, Urt. v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16 NJW 2018, 150 Rz. 26; s. bereits BGH, Urt. v. 29.3.2006 - VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rz. 37) und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.
Rz. 26
Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (BGH, Urt. v. 7.2.2007 - VIII ZR 266/06 NJW 2007, 1351 Rz. 14; v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16, a.a.O., Rz. 24). Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm" entspricht (BGH, Urt. v. 7.2.2007 - VIII ZR 266/06, a.a.O., Rz. 19 v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16, a.a.O.). Diese Wertung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die - anders als Sachen - mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet sind (BGH, Urt. v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16, a.a.O.). Denn der Käufer eines lebenden Tieres kann, wie der Senat ebenfalls ausgesprochen hat, redlicherweise nicht erwarten, dass er auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung ein Tier mit "idealen" Anlagen erhält, sondern muss im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2007 - VIII ZR 266/06, a.a.O.; v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16, a.a.O., Rz. 25). Auch die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres sind für Lebewesen typisch und stellen für sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand dar, denn der Verkäufer eines Tieres haftet nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16, a.a.O.; v. 29.3.2006 - VIII ZR 173/05, a.a.O.).
Rz. 27
bb) Die vorgenannten Grundsätze gelten - was das Berufungsgericht verkannt hat - in gleicher Weise für folgenlos überstandene Krankheiten und Verletzungen, wie hier die ausgeheilten Rippenfrakturen eines als Reittier verkauften erwachsenen Pferdes, das nach Ablauf des Heilungsprozesses klinisch unauffällig ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es unerheblich, dass die vollständig ausgeheilten Rippenfrakturen auf einem "traumatischen Ereignis" beruhten.
Rz. 28
(1) Das Berufungsgericht hat bei seiner gegenteiligen Auffassung - auch ohne dies ausdrücklich auszusprechen - ein Tier mit einer ausgeheilten Fraktur letztlich wie ein als unfallfrei verkauftes Kraftfahrzeug mit einem vollständig und fachgerecht reparierten Unfallschaden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 7.6.2006 - VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rz. 17; v. 12.3.2008 - VIII ZR 253/05 NJW 2008, 1517 Rz. 21) behandelt. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob an der genannten Rechtsprechung des Senats uneingeschränkt festzuhalten ist. Denn für eine Übertragung dieser Rechtsprechung zur Unfallwageneigenschaft von Kraftfahrzeugen auf Tiere besteht kein Anlass. Die Verletzung eines Tieres kann jedenfalls nicht in jeder Hinsicht einem Schaden an einer Sache, etwa einem Kraftwagen, gleichgestellt werden (vgl. bereits BT-Drucks. 11/5463, 5).
Rz. 29
Das Berufungsgericht hat Anhaltspunkte dafür, dass angesichts der (von ihm unterstellten) vollständigen Ausheilung der Rippenfrakturen - zur Zeit der Rücktrittserklärung am 17.8.2016 - die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das von der Klägerin erworbene Pferd als Reitpferd nicht mehr einsetzbar sein wird, nicht festgestellt. Hierfür genügt der vom Berufungsgericht bejahte "nahe liegende Verdacht" bislang unentdeckter (auch psychischer) Unfallfolgen, die sich später noch negativ auf die Gebrauchstauglichkeit auswirken könnten, nicht. Denn ein solcher Verdacht bliebe hinter dem nach der Rechtsprechung des Senats anzulegenden Maßstab der Sicherheit oder zumindest der hohen Wahrscheinlichkeit klinischer Auswirkungen zurück. Im Übrigen lässt das Berufungsurteil auch nicht erkennen, auf welcher Tatsachengrundlage diese tatrichterliche Beurteilung beruht.
Rz. 30
(2) Die Annahme des Berufungsgerichts, auch ausgeheilte Rippenfrakturen eines Pferdes riefen bei Kaufinteressenten Bedenken über die Art und das Ausmaß des vorangegangenen traumatischen Ereignisses hervor und verliehen dem vom Beklagten veräußerten Pferd den preismindernden Makel einer erheblichen Vorschädigung, rechtfertigt die Annahme eines Sachmangels ebenfalls nicht. Das angefochtene Urteil lässt auch hier bereits nicht erkennen, auf welchen tatsächlichen Feststellungen die tatrichterliche Beurteilung beruht. Vielmehr übergeht das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, den gegenteiligen Befund des Sachverständigen Dr. P. . Dieser hat bei seiner Anhörung in erster Instanz ausgeführt, dass eine (etwa ohne Bildung einer Arthrose) vollständig ausgeheilte Rippenfraktur aus sachverständiger Sicht allenfalls einen kaum sichtbaren "Schönheitsfehler" darstelle und sich nicht wertmindernd auswirke.
Rz. 31
(3) Überdies hat das Berufungsgericht auch insoweit einen unzutreffenden Maßstab angelegt. Es hat verkannt, dass es nicht entscheidend darauf ankommt, welche Beschaffenheit der Käufer (oder der Markt) tatsächlich erwartet und wie er auf eine hiervon abweichende Beschaffenheit reagiert. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB stellt vielmehr darauf ab, welche Beschaffenheit der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann und erklärt damit die objektiv berechtigte Käufererwartung für maßgebend (BGH, Urt. v. 7.2.2007 - VIII ZR 266/06, a.a.O., Rz. 21 v. 4.3.2009 - VIII ZR 160/08 NJW 2009, 2056 Rz. 11; v. 20.5.2009 - VIII ZR 191/07 NJW 2009, 2807 Rz. 14; v. 29.6.2011 - VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rz. 12; vom 29.6.2016 - VIII ZR 191/15 NJW 2016, 3015 Rz. 42). Etwaige Preisabschläge beim Weiterverkauf, die darauf zurückzuführen sind, dass "auf dem Markt" bei der Preisfindung von einer besseren als der üblichen Beschaffenheit von Sachen der gleichen Art ausgegangen wird, vermögen einen Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB jedoch nicht zu begründen (BGH, Urt. v. 7.2.2007 - VIII ZR 266/06, a.a.O.; s. auch BGH vom 20.5.2009 - VIII ZR 191/07, a.a.O.; v. 15.9.2010 - VIII ZR 61/09 NJW 2010, 3710 Rz. 20; v. 29.6.2016 - VIII ZR 191/15, a.a.O.).
Rz. 32
(4) Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht daraus, dass Rippenfrakturen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei Pferden äußerst selten sind. Denn unter Berücksichtigung der zuvor genannten Grundsätze betreffend die beim Kauf eines Tieres hinzunehmenden Abweichungen von der "Idealnorm" kann es für die Frage, ob der Befund einer (ausgeheilten) Rippenfraktur negativ von der Beschaffenheit abweicht, die bei Pferden überhaupt oder jedenfalls bei Pferden der betreffenden Altersgruppe und Preiskategorie üblich ist und die der Käufer erwarten darf (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), nicht entscheidend darauf ankommen, wie häufig derartige Verletzungen bei Pferden auftreten (s. BGH, Urt. v. 18.10.2017 - VIII ZR 32/16, a.a.O., Rz. 28).
Rz. 33
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob das Klagebegehren auf die von der Klägerin am 6.5.2014 abgegebene Rücktrittserklärung gestützt werden kann.
Rz. 34
a) Das Berufungsgericht hat sich den Blick auf diese Rücktrittserklärung verstellt, weil es mit rechtsfehlerhafter Begründung angenommen hat, die von der Klägerin am 9.4.2014 verlangte Mängelbeseitigung sei unmöglich. Das Berufungsgericht hat auch hier zugrunde gelegt, dass das der Klägerin veräußerte Pferd schon deshalb mangelhaft sei, weil es nicht frei von schweren Vorverletzungen und dieser Zustand nicht behebbar sei. Diese Sichtweise ist, wie ausgeführt, von Rechtsfehlern beeinflusst. Die Wirksamkeit des am 6.5.2014 erklärten Rücktritts kann deshalb nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden, das dem Rücktritt vom 6.5.2014 vorangegangene Nachbesserungsbegehren sei auf eine unmögliche Leistung gerichtet und deshalb unwirksam.
Rz. 35
b) Zu den weiteren Fragen, von denen die Wirksamkeit des am 6.5.2014 erklärten Rücktritts abhängt, hat das Berufungsgericht - angesichts seiner Rechtsauffassung konsequent - bisher keine Feststellungen getroffen. Dies gilt insb. für die Frage, ob bei Gefahrübergang am 23.11.2013 bei dem Pferd ein Zustand von nicht vollständig ausgeheilten Rippenfrakturen vorhanden war und dieser noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestand (zum maßgeblichen Zeitpunkt vgl. BGH, Urt. v. 5.11.2008 - VIII ZR 166/07 NJW 2009, 508 Rz. 17). Insoweit wird u.a. der - wenige Wochen vor der Rücktrittserklärung vom 6.5.2014 erhobene - tierärztliche Befund vom 26.3.2014 zu berücksichtigen sein, wonach die Frakturen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ausgeheilt gewesen seien.
III.
Rz. 36
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rz. 37
Für das weitere Verfahren weist der Senat im Hinblick auf die Rücktrittserklärungen vom 6.5.2014 sowie vom 17.8.2016 darauf hin, dass ein taugliches Nacherfüllungsverlangen die Bereitschaft des Käufers umfassen muss, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Verkäufer ist deshalb nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm am Erfüllungsort der Nacherfüllung, der in Ermangelung abweichender Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. EuGH NJW 2019, 2007 Rz. 45, 55 - Fülla) letztlich an dem Ort anzusiedeln ist, an welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat (§ 269 Abs. 2 BGB; BGH, Urt. v. 13.4.2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rz. 29), die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung gegeben hat (BGH, Urt. v. 10.3.2010 - VIII ZR 310/08 NJW 2010, 1448, Rz. 13; v. 19.12.2012 - VIII ZR 96/12 NJW 2013, 1074 Rz. 24; v. 1.7.2015 - VIII ZR 226/14 NJW 2015, 3455 Rz. 30; v. 19.7.2017 - VIII ZR 278/16 NJW 2017, 2758 Rz. 27). Hinreichende Feststellungen, ob die Klägerin dem Beklagten eine solche Untersuchungsmöglichkeit eingeräumt hat, sind - anders als die Revision in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - in den Vorinstanzen nicht getroffen worden. Dies wird erforderlichenfalls vom Berufungsgericht nachzuholen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 13553898 |
NJW 2020, 389 |
JurBüro 2020, 107 |
WM 2020, 796 |
ZAP 2020, 394 |
JZ 2020, 45 |
JuS 2020, 355 |
MDR 2020, 17 |
VersR 2020, 918 |
RÜ 2020, 212 |
GreifRecht 2020, 4 |