Leitsatz (amtlich)
1. Rückständiger Unterhalt unterliegt der Verwirkung, sofern sich seine Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung (Verwirkung) als unzulässig darstellt. An das Zeitmoment sind keine großen Anforderungen zu stellen sind, ein Jahr der Untätigkeit kann genügen. Diese gilt erst recht bezüglich titulierter Forderungen.
2. Bei fehlendem oder unsubstantiierten Sachvortrag einer Partei ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus beigefügten Unterlagen erforderliche Angaben zusammenzusuchen. Dies gilt erst recht bei einer anwaltlich vertretenen Partei.
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 14.07.2003; Aktenzeichen 33 F 93/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Für die auf die Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem zugunsten der Beklagten bestehenden Unterhaltstitel gerichtete Vollstreckungsabwehrklage des Klägers besteht nach derzeitigem Stand keine Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO.
1. Zunächst kommt eine Verwirkung für die Zeit ab März 2002 nicht in Betracht.
Rückständiger Unterhalt unterliegt der Verwirkung, sofern sich seine Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung (Verwirkung) als unzulässig darstellt, wenn also besondere Zeit- und Umstandsmomente erfüllt sind, § 242 BGB (BGH v. 16.6.1982 – IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 280 [282] = MDR 1982, 835). Da eine Verjährung von Kindesunterhaltsansprüchen bis zur Volljährigkeit wegen Hemmung (§ 204 BGB a.F., § 207 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB n.F.) nicht in Betracht kommt, sind an das Zeitmoment keine großen Anforderungen zu stellen (BGH v. 13.1.1988 – IVb ZR 7/87, MDR 1988, 481 = FamRZ 1988, 370 [372]; OLG Düsseldorf NJWE-FER 2001, 69). Dies folgt aus dem Umstand, dass von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden kann, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seines Anspruches bemüht. Tut er dies nicht, erweckt sein Verhalten in aller Regel den Eindruck, er sei nicht bedürftig. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Unterhaltsansprüche zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen können, die auch die Leistungsfähigkeit für den laufenden Unterhalt gefährden. Je nachdem kommt daher eine Verwirkung (frühestens) nach einem Jahr, spätestens aber nach drei Jahren in Betracht (OLG Brandenburg, JAmt 2001, 376 [377]).
Das Umstandsmoment erfordert besondere Umstände, auf Grund derer sich der Unterhaltsverpflichtete nach Treu und Glauben darauf einrichten kann, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr geltend macht (BGH v. 13.1.1988 – IVb ZR 7/87, MDR 1988, 481 = FamRZ 1988, 370 [372]). Sieht ein Unterhaltsgläubiger von der zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche ab, erweckt sein Verhalten regelmäßig den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig. Diese Grundsätze gelten auch, soweit es rechtshängige oder – wie es hier der Fall ist – titulierte Forderungen betrifft. Es gibt keinen Rechtssatz dahin, dass solche Forderungen nicht der Verwirkung unterliegen (OLG Schleswig NJWE-FER 2000, 27; i.E. auch OLG Düsseldorf NJWE-FER 2001, 69 [70]). Gerade in Fällen titulierter Forderungen kann auf Grund des Absehens des Gläubigers von der zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche nach Treu und Glauben der Eindruck der Nichtgeltendmachung erweckt werden, da die Durchsetzung titulierter Forderungen jedenfalls i.d.R. näher liegt als bei nicht titulierten Forderungen (BGH NJWE-FER 1999, 269; OLG Brandenburg, JAmt 2001, 376 [377]; OLG Frankfurt v. 13.1.1999 – 2 UF 88/98, FamRZ 1999, 1163; a.A. OLG Stuttgart v. 6.5.1998 – 17 UF 65/98, 17 WF 26/98, FamRZ 1999, 859).
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Verwirkung für die Zeit von einem Jahr vor der erneuten Geltendmachung des rückständigen Unterhaltes nicht in Betracht. Die Beklagte betreibt seit März 2003 die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der rückständigen Unterhaltsbeträge. Für die vor dem Monat März liegenden 12 Monate, d.h. für die Zeit von März 2002 bis einschl. Februar 2003 kommt daher nach den vorangestellten Grundsätzen auf keinen Fall eine Verwirkung in Betracht.
Für die Zeit ab März 2003 – der Kläger begehrt die Unzulässigkeitserklärung ohne jede zeitliche Begrenzung – kann Verwirkung schon deshalb nicht angenommen werden, weil es hier an einem Zeitmoment des Verwirkungstatbestandes naturgemäß fehlt.
2. Die Ansprüche sind auch nicht verwirkt, soweit sie vor März 2002 entstanden sind.
Eine Verwirkung kommt nach den vorangestellten Grundsätzen nur insoweit in Betracht, als das Verhalten des Unterhaltsgläubigers für den Unterhaltsschuldner den Eindruck erwecken muss, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig. Bis etwa Mitte des Jahres 2001 haben die Parteien ein Unterhaltsverfahren vor dem AG Bernau geführt, innerhalb dessen die Beklagte zu erkennen gab, dass sie nach wie vor an der titulierten Unterhaltsforderung fes...