Leitsatz (amtlich)
Nach der Neuregelung des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB sind Nutzungsentschädigungsansprüche des freiwillig ausziehenden Ehegatten als Familiensache einzuordnen.
Verfahrensgang
AG Königs Wusterhausen (Aktenzeichen 11 F 59/06) |
Tenor
Zum zuständigen Gericht wird das AG - FamG - Königs Wusterhausen bestimmt.
Gründe
Das Brandenburgische OLG ist gem. §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO für die Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen. Diese Vorschriften finden bei den die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte betreffenden negativen Kompetenzkonflikten entsprechende Anwendung (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 2a). Dies gilt insb. auch im Verhältnis zwischen dem FamG und der allgemeinen Prozessabteilung eines AG (BGH NJW 1978, 1531; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 29).
Der zu treffenden Entscheidung steht auch nicht entgegen, dass die Klage der Beklagten bisher nicht zugestellt worden ist, da die Vorschrift auch im Prozesskostenhilfeverfahren gilt, sodass eine Entscheidung regelmäßig auch vor einer Rechtshängigkeit der Klage in Betracht kommen kann (BGH v. 5.6.1991 - XII ARZ 14/91, NJW-RR 1991, 1342; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 2).
Darüber hinaus bedurfte es auch keiner Verweisungsbeschlüsse der jeweiligen Abteilungen des AG, da das tatsächliche Leugnen der Zuständigkeitskompetenz im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auf Grund der insoweit fehlenden Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen (BGH NJW 1978, 1531; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 23b GVG Rz. 6, 7) ausreichend ist, soweit diese Verfügungen - wie hier - den Parteien bekannt gemacht worden sind (BGH v. 5.2.1992 - XII ARZ 4/92, MDR 1992, 487 = NJW-RR 1992, 579; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 25 a.E. m.w.N.).
Die Qualifizierung eines Rechtsstreits als zivilprozessual oder dem Familienrecht zugehörig, richtet sich nach der Begründung des geltend gemachten Anspruchs (BGH v. 9.7.1980 - IVb ARZ 527/80, MDR 1980, 918 = FamRZ 1980, 988).
Der Kläger begehrt die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für das in seinem hälftigen Miteigentum stehende und von der Beklagten nunmehr allein, zuvor gemeinsam als Ehewohnung genutzte Einfamilienhaus. Alleinig Anspruchsgrundlage ist nach der Änderung des § 1361b BGB a.F. durch das Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 (BGBl. I, 3513) während der Zeit des Getrenntlebens § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB n.F.
Die einschränkende Regelung des § 1361b BGB a.F., wonach als Voraussetzung für die Gewährung einer Nutzungsvergütung nach dieser Vorschrift die Zuweisung der Ehewohnung oder das Vorliegen der Zuweisungsvoraussetzungen erforderlich waren, ist durch die Neuregelung des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB n.F. entfallen. Vielmehr ist nunmehr ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung immer dann gegeben, wenn einem Ehegatten die Wohnung ganz oder zum Teil überlassen wurde und dies der Billigkeit entspricht, ohne dass es auf die Gründe bzw. Umstände des Auszuges ankommen würde. Da es somit eines Rückgriffes auf § 745 Abs. 2 BGB oder einer analogen Anwendung des § 1361b Abs. 2 BGB a.F. für den Fall des (bis dahin nicht geregelten) freiwilligen Auszuges aus der Ehewohnung nicht mehr bedarf, bildet § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB n.F. als lex spezialis auch ggü. den allgemeinen Regelungen für Miteigentümer die alleinige Anspruchsgrundlage (im Ergebnis wohl auch BGH, Urt. v. 15.2.2006 - XII ZR 202/03; OLG Jena v. 22.11.2005 - 2 W 597/05, OLGReport Jena 2006, 363 = NJW 2006, 703; OLG Dresden v. 10.5.2005 - 21 ARf 7/05, NJW 2005, 3151; Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl., § 1361b Rz. 20; Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl., § 1361b Rz. 33; a.A.: Wever, FF 2005, 23).
Da ein Anspruch nach § 1361b BGB die Regelung über die Ehewohnung betrifft, besteht gem. §§ 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO, 23b Abs. 1 Nr. 8 GVG somit nunmehr die ausschließliche Zuständigkeit des FamG.
Fundstellen
Haufe-Index 1531150 |
FamRZ 2006, 1392 |
NJW-RR 2006, 1302 |
NZM 2006, 720 |
NJ 2006, 469 |
FamRB 2007, 12 |
NJW-Spezial 2006, 444 |
OLG-NL 2006, 157 |
www.judicialis.de 2006 |