Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Begründung des Gerichts für die Durchführung des Versorgungsausgleichs trotz anderslautender Vereinbarung der Parteien

 

Leitsatz (amtlich)

1. Begründet das Gericht nicht, weshalb es den Versorgungsausgleich entgegen einem durch die Parteien vereinbarten Ausschluss ausschliesst, so liegt ein schwerer, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung rechtfertigender Verfahrensmangel vor.

2. Zur Amtsermittlungspflicht aus § 12 FGG, soweit ein Ausschluss des Versorgungsausgleiches aufgrund einer Parteivereinbarung vorliegt.

 

Normenkette

ZPO § 313 I Nr. 6; BGB § 1408 II; FGG § 12

 

Verfahrensgang

AG Oranienburg (Urteil vom 06.09.2004; Aktenzeichen 33 F 168/03)

 

Tenor

Die in Ziff. II. des Tenors des angefochtenen Urteils getroffene Regelung des Versorgungsausgleiches wird aufgehoben. Das Verfahren über den Ver sorgungsausgleich wird zur erneuten Durchführung an das AG, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 1.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien haben am 1997 die Ehe geschlossen, aus der das minderjährige Kind K., geb. 1998, hervorgegangen ist. Sie leben seit September 2002 voneinander getrennt.

Anlässlich ihrer Eheschließung schlossen die Parteien unter dem 3.4.1997 eine notarielle Vereinbarung (Notar D, Urkundenrolle Nr.), deren § 2 wie folgt lautet: Ein Versorgungsausgleich wird ausgeschlossen.

Der durch die Antragstellerin gestellte Scheidungsantrag ist dem Antragsgegner am 11.10.2003 zugestellt worden. Nachfolgend hat das AG Auskünfte des beteiligten Rentenversicherungsträgers zum Versorgungsausgleich eingeholt. Hiernach haben in der Zeit vom 1.5.1997 bis 30.9.2003 die Antragstellerin nichtangleichungsdynamische Anwartschaften i.H.v. 93,27 EUR und der Antragsgegner nichtangleichungsdynamische Anwartschaften von monatlich 148,52 EUR sowie angleichungsdynamische Anwartschaften i.H.v. monatlich 36,76 EUR erworben. In der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2004 hat das AG den Parteien seine Auffassung von der Unwirksamkeit der Vereinbarung zum Versorgungsausgleich in der notariellen Vereinbarung mitgeteilt. Nachfolgend hat das AG mit dem am selben Tage verkündetem Urteil die Ehe der Parteien geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich auf der Grundlage der durch den Versorgungsträger erteilten Auskünfte durchgeführt.

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich die durch den Antragsgegner eingelegte befristete Beschwerde, mit der er die Auffassung vertritt, der Versorgungsausgleich sei auf Grund der in der notariellen Vereinbarung getroffenen Regelung ausgeschlossen.

II. Die gem. § 621e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde hat insoweit Erfolg, als die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das AG zurückzuverweisen ist. Die amtsgerichtliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich leidet an schweren Verfahrensmängeln, die die Aufhebung und Zurückverweisung gebieten.

1. Der schwere Verfahrensverstoß folgt hier bereits daraus, dass das AG in eklatanter Weise gegen seine aus § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO folgende Pflicht zur Begründung des Urteils verstoßen hat, soweit dies die Regelung des Versorgungsausgleichs betrifft. Verstöße gegen die Begründungspflichten in FGG-Familiensachen (§ 621a Abs. 1 S. 1 ZPO) führen im Allgemeinen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens, wenn die Grundlagen der Entscheidung nicht erkennbar sind (OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1102 [1103 f.] - zum Hausrat; vgl. auch OLG Brandenburg v. 5.10.1999 - 9 WF 187/99, FamRZ 2000, 1098 [1099]).

Dem steht nicht entgegen, dass das AG eine Begründung hinsichtlich des Versorgungsausgleiches nur teilweise, d.h. nicht vollständig unterlassen hat. Der Begründungsverstoß liegt hier in dem Unterlassen der Mitteilung von Gründen darüber, warum der Versorgungsausgleich entgegen der in der notariellen Vereinbarung getroffenen Regelung gleichwohl durchzuführen ist. Es ist allgemein anerkannt, dass erstinstanzliche Entscheidungen so zu begründen sind, dass der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Entscheidung überprüfen und sein Rechtsmittel begründen kann (BGH NJW-RR 1995, 701; OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1102 [1103]). Fehlt es in einer Entscheidungsbegründung an jeglichen Ausführungen zu den für die Entscheidungsfindung wesentlichen Punkten, so liegt ein schwerer Verfahrensmangel vor (Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer/Holz, FGG, 15. Aufl., 2003, § 27 Rz. 40).

Bei der Wirksamkeit des notariell vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleiches handelt es sich um einen für die Entscheidungsfindung wesentlichen Punkt. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist mit erheblichen Folgen verbunden. Dies resultiert schon aus der aktuellen Finanzierungslage der gesetzlichen Rentensysteme, die sich in Zukunft aller Voraussicht nach noch verschlechtern wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht von einer vertraglichen Regelung des Versorgungsausgleiches abweichen w...

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