Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 21.07.2021; Aktenzeichen BRH (OP) 5/21)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam - Rehabilitierungskammer - vom 21. Juli 2021 wird verworfen.

Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Die dem Antragsteller insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner ist nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz-StrRehaG) teilweise rehabilitiert worden. Das Kreisgericht Oranienburg (Az.: S 99/78) hatte ihn am 05. April 1978 wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts in Tatmehrheit mit Betrug zum Nachteil sozialistischen Eigentums zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf den Protest der Staatsanwaltschaft war das Urteil des Kreisgerichts Oranienburg durch Urteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 22. Mai 1978 (Az.: I BSB 230/78) im Strafausspruch dahin abgeändert worden, dass die gegen den Antragsteller verhängte Freiheitsstrafe auf drei Jahre angehoben wurde, welche er in der Zeit vom 11. Oktober 1978 bis zum 06. Dezember 1979 sowie vom 11. Februar 1981 bis zum 15. Dezember 1982 verbüßte. Dieses Urteil wurde durch Beschluss der Rehabilitierungskammer des Landgerichts Potsdam vom 25. März 1998 (BRH 9859/97) für rechtswidrig erklärt und aufgehoben, soweit der Betroffene wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts verurteilt worden war und die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe zwei Jahre überstieg. Es wurde festgestellt, dass er in der Zeit vom 11. Oktober 1978 bis zum 06. Dezember 1979 sowie vom 11. Februar 1981 bis zum 15. Dezember 1982 für die Dauer von einem Jahr zu Unrecht in Haft gewesen war.

Der Antragsteller beantragte am 03. Dezember 2019 die Gewährung von Kapitalentschädigung gemäß § 17 StrRehaG für die zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehung. Mit Bescheid vom 07. Mai 2021 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Kapitalentschädigung ab, da die Voraussetzungen eines Ausschlusses nach § 16 Abs. 2 StrRehaG gegeben seien. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Betroffene im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem MfS über mehrere Personen im Zusammenhang mit einem Grenzüberritt und andere persönliche Umstände berichtet habe. Auch seien im speziellen Auftrag des MfS zur weiteren Aufklärung einer bestimmten Person ein handschriftlicher Brief verfasst und die Bereitschaft erklärt worden, dem MfS nach Übergabe des Briefes über diese Person zu berichten.

Gegen diese, ihm am 18. Mai 2021 zugestellte Entscheidung wandte sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 17. Juni 2021. Mit dem jetzt angefochtenen Beschluss vom 21. Juli 2021 hob das Landgericht Potsdam den Bescheid vom 07. Mai 2021 auf und verpflichtete die Antragsgegnerin, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Vorliegen der Ausschlussgründe, insbesondere eine Gefährdung anderer Personen durch die Weitergabe politisch relevanter Informationen, sei nicht nachgewiesen.

Gegen diese der Antragsgegnerin am 19. August 2021 zugestellte Entscheidung richtet sich deren am selben Tag eingegangene Beschwerde. Zur Begründung nimmt die Antragsgegnerin Bezug auf die Begründung in ihrem Bescheid vom 07. Mai 2021 und macht weitere Ausführungen. Besonders verwerflich stelle sich das Verhalten des Antragstellers im 4. Kontaktgespräch mit dem MfS am 10. März 1980 dar, bei dem er einen vom MfS vorformulierten Brief an einen geschwärzten und deshalb unbekannten Adressaten handschriftlich verfasst habe. Er sei damit als Lockvogel aufgetreten und sei dabei bereit gewesen, die Arglosigkeit des Adressaten gezielt auszunutzen, um diesen in den unmittelbaren Fokus der Verfolgung durch das MfS zu setzen.

Dem Antragsteller wurde der Beschwerdeschriftsatz zur Kenntnis gegeben. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

II.

Das gemäß §§ 25 Abs. 1 Satz 4, 13 Abs. 1 StrRehaG zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet, da dem Antragsteller eine Kapitalentschädigung zusteht und Ausschlussgründe, wie die Kammer zu Recht festgestellt hat, nicht vorliegen.

1. Soweit die Rehabilitierung des Antragstellers im Beschluss vom 25. März 1998 erfolgt ist, begründet § 16 Abs. 1 StrRehaG grundsätzlich einen Anspruch des Antragstellers auf soziale Ausgleichsleistungen für Nachteile, die ihm durch die Freiheitsentziehung entstanden sind. Darunter fällt insbesondere eine Kapitalentschädigung für die zu Unrecht erlittene Haft nach § 17 Abs. 1 StrRehaG.

2. Nach § 16 Abs. 2 StrRehaG werden diese sozialen Ausgleichsleistungen jedoch nicht gewährt, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat.

Solche Ausschlussgründe si...

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