Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 11.02.2011; Aktenzeichen 41 BRH (OP) 41/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betroffenen werden der Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Juli 2009 und der Beschluss der Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Februar 2011 aufgehoben.
Kosten für das Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen im gerichtlichen Verfahren trägt die Landeskasse.
Gründe
I. Der Betroffene wurde durch Urteil des Kreisgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Oktober 1969 (Az: 2 S 249/69) u.a. wegen Rowdytums gemäß §§ 215 Abs. 1, 217 Abs. 1 StGB-DDR zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Gleichzeitig hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 2 StGB-DDR auf Kontrollmaßnahmen durch die Volkspolizei erkannt. Auf die Berufung des Betroffenen hat das Bezirksgericht Frankfurt (Oder) am 12. November 1969 (Az: II BSB 233/69) das Urteil des Kreisgerichts im Schuldspruch teilweise abgeändert und den Betroffenen wegen versuchten Rowdytums nach § 215 Abs. 1 und Abs. 3 StGB-DDR zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Anordnung der Maßnahme nach § 48 Abs. 2 StGB-DDR aufrechterhalten.
Durch Beschluss der Kammer für Rehabilitierungssachen des Bezirksgerichts Frankfurt (Oder) vom 12. Juli 1993 (Az.: 1 BHR 319/91) wurden diese Urteile für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Es wurde festgestellt, dass der Betroffene in der Zeit vom 7. Oktober 1969 bis zum 6. April 1970 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.
Auf seinen Antrag wurde ihm mit Bescheid des Präsidenten des Bezirksgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Februar 1994 (Az: 4220aE-1032) eine Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG in Höhe von 3.850,00 DM (1.968,47 €) gewährt.
Unter dem 14. August 2007 beantragte der Betroffene beim Landgericht Frankfurt (Oder) die Zahlung einer monatlichen besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG. In dem von dem Betroffenen am 6. Juni 2008 unterzeichneten Antragsformular erklärte er u. a., dass er sich weder mündlich noch schriftlich gegenüber dem Arbeitsgebiet 1 der Kriminalpolizei der Volkspolizei zur Mitarbeit verpflichtet habe und zu keiner Zeit für diese Organisation tätig gewesen sei.
Mit Bescheid vom 30. Juli 2008 gewährte der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) (Az: 4220E-204 (OP)) dem Betroffenen beginnend mit dem 1. September 2007 eine monatliche besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG in Höhe von 250,00 €.
Auf die am 16. Juni 2008 veranlasste Anfrage des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder) teilte die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) unter dem 1. April 2009 mit, dass der Betroffene in der Zeit vom 30. Januar 1974 bis zum 20. März 1980 und vom 30. Januar 1985 bis zum 9. Juni 1986 als inoffizieller Mitarbeiter für das Arbeitsgebiet 1 der Kriminalpolizei der Volkspolizei tätig gewesen sei. Der Betroffene habe eine handschriftliche Schweigeverpflichtung mit Bereitschaftserklärung zur Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei bei der Vorbeugung und Bekämpfung der Kriminalität und anderer Rechtsverletzungen verfasst und unterzeichnet und habe den Decknamen "Pedro" gewählt. Die Zusammenarbeit mit der Volkspolizei habe bis August 1985 bestanden.
Nach Anhörung des Betroffenen nahm der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) mit Bescheid vom 17. Juli 2009 (Az: 4220E-204 (OP); 4220aE-1032) die Gewährung der Kapitalentschädigung gemäß § 17 StrRehaG sowie der monatlichen besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zudem wurde der Betroffene aufgefordert, die bislang gewährten Zuwendungen nebst Zinsen zurückzuerstatten.
Der Betroffene stellte mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 11. August 2009 Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Durch Beschluss vom 11. Februar 2011 hat die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) diesen Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen, seinem Verfahrensbevollmächtigten am 4. April 2011 zugestellten, Beschluss hat der Betroffene unter dem 20. April 2011, eingegangen bei Gericht am 26. April 2011, Beschwerde eingelegt.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen für die Rücknahme der den Betroffenen begünstigenden Bescheide liegen nicht vor, weil die in § 16 Abs. 2 StrRehaG normierten Ausschlussgründe für die Gewährung der Kapitalentschädigung sowie der Opferpension im Ergebnis der Überprüfung der durch die BStU übersandten Unterlagen nicht zweifelsfrei bewiesen sind.
Das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz spricht dem Opfer einer rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung nicht in jedem Falle eine Kapitalentschädigung zu. Nach § 16 Abs. 2 StrRehaG wird die Kapitalentschädigung nicht gewährt, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem sich die Berechtigung ableitet, gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen ode...