Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung (§ 78 II FamFG) kann nicht allein davon abhängen, den Antragsteller auf die Amtsermittlung (§ 26 FamFG) oder auf die Möglichkeit, Erklärungen zur Niederschrift der Geschäftsstelle abzugeben (§ 25 I FamFG), verweisen zu können. Vielmehr ist zu fragen, ob trotz dieser Entlastung von eigenen Bemühungen dem Beteiligten aus der Vertretung durch einen Rechtsanwalt entscheidende Vorteile gegenüber einem unvertretenen entstehen können.
Verfahrensgang
AG Schwedt (Beschluss vom 09.02.2016; Aktenzeichen 20 F 20/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Schwedt/Oder vom 9.2.2016 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Sach- und Rechtslage im hier geführten Verfahren über das Ruhen der elterlichen Sorge (§ 1674 BGB) ist nicht so schwierig, dass die Vertretung der Antragstellerin durch einen Rechtsanwalt erforderlich wäre (§ 78 II FamFG).
Die Beurteilung, ob eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, hat mit einer wertenden Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte des einzelnen Falles sicherzustellen, dass dem unbemittelten Verfahrensbeteiligten gleiche Rechtsschutz- und Rechtsverteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen wie dem begüterten. Eine Vertretung ist danach erforderlich, wenn ein Beteiligter, der nicht auf Verfahrenskostenhilfe angewiesen ist, sich für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt entscheiden würde, nachdem er die Erfolgsaussichten im Verfahren zum einen zum selbst zu betreibenden Verfahrensaufwand in vernünftige Beziehung gesetzt hat und zum anderen zum wirtschaftlichen Aufwand, mit dem er sich von der Verfahrensführung entlasten könnte, indem er sie einem Anwalt überlässt. Dabei sind sowohl objektive Kriterien wie die Kompliziertheit des Tatsachenstoffes und der maßgeblichen rechtlichen Regelungen von Bedeutung als auch die subjektiven Möglichkeiten des Beteiligten, die vor allem von seiner Gewandtheit bei der Erfassung und dem Vortrag des Wesentlichen und im Umgang mit dem Gericht und anderen Verfahrensbeteiligten abhängen. So wird ersichtlich, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung nicht davon abhängen kann, den Antragsteller auf die Amtsermittlung (§ 26 FamFG) oder auf die Möglichkeit, Erklärungen zur Niederschrift der Geschäftsstelle abzugeben (§ 25 I FamFG), verweisen zu können (vgl. Bbg. OLG, 2. FamS, FamRZ 2010, 1689, 1690). Vielmehr ist zu fragen, ob trotz dieser Entlastung des Beteiligten von eigenen Bemühungen ein Rechtsanwalt seine Funktionen als Berater und Vertreter bei der Stoffsammlung, bei der Befragung des Mandanten, bei der Unterscheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen, bei der Ordnung des Vortrages und beim Aufzeigen der Bezüge zwischen Tatsachen und den Tatbestandsmerkmalen des maßgeblichen materiellen Rechts so wirksam entfalten könnte, dass dem vertretenen Beteiligten daraus entscheidende Vorteile gegenüber einem unvertretenen entstehen können (Senat, MDR 2014, 1468 f.).
Im hier geführten Verfahren über das Ruhen der elterlichen Sorge bei tatsächlichem Hindernis (§ 1674 BGB) sprechen diese Kriterien nicht für die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung. Die Sach- und Rechtslage ist nicht schwierig. Umfangreiche Erörterungen zu Rechtsfragen waren nicht zu erwarten. Es kommt nur eine Rechtsgrundlage in Betracht, die das Begehren der Antragstellerin decken könnte. Der dazu zu erhebende Tatsachenstoff ist übersichtlich. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Erreichbarkeit des Antragsgegners. Das Gericht wird die erforderlichen Ermittlungen selbst veranlassen (§ 26 FamFG). Sollte weiterer Vortrag der Antragstellerin erforderlich sein, wird das AG darauf hinzuweisen haben (§ 28 I FamFG). Da eine besondere Eilbedürftigkeit nicht zu erkennen ist, würde das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin durch Nachfragen und Ergänzungen nicht entwertet (anders als in dem soeben nachgewiesenen Fall).
Es sprechen auch keine anderen Gründe dafür, dass die Antragstellerin ihre Interessen nur mit Hilfe eines Rechtsanwalts wahrnehmen könnte. Sie weist auf ihre lettische Staatsangehörigkeit hin, ohne dass erkennbar wird, warum deshalb ihr Umgang mit Behörden oder Gerichten erschwert wäre. Sie hält sich offenbar schon mehrere Jahre in Deutschland auf; ihre drei Kinder sind 2012, 2013 und 2014 in Deutschland geboren (Bl. 4 ff.). Ohne nähere Substantiierung, die die Antragstellerin auch mit ihrer Beschwerde nicht versucht hat, kann nicht angenommen werden, dass es der Antragstellerin nicht hätte gelingen können, ihr Anliegen bei der Rechtsantragstelle eines AG mündlich vorzutragen.
Über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 76 II FamFG, 127 IV ZPO).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 76 II FamFG, 574 II, III ZPO), besteht nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 9231277 |
FamRZ 2016, 1479 |
FuR 2016, 482 |
ZAP 2016, 789 |
NJOZ 2016, 873 |
NZFam 2016, 512 |