Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist eine anwaltliche Vertretung in der Regel erforderlich, weil der Antragsteller dem Eilbedürfnis nur dann wirksam gerecht werden kann, wenn er alle maßgeblichen Tatsachen selbst ermittelt und mit dem Antrag sogleich selbst vorträgt und glaubhaft macht.
Normenkette
FamFG § 51 Abs. 1 S. 2, § 78 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Eberswalde (Beschluss vom 23.05.2014; Aktenzeichen 3 F 111/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Eberswalde vom 23.5.2014 abgeändert:
Der Antragstellerin wird Rechtsanwalt ... beigeordnet.
Gründe
Die Beschwerde ist begründet.
Die Vertretung der Antragstellerin durch einen Rechtsanwalt erscheint wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im hier geführten Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung in einer Gewaltschutzsache erforderlich (§ 78 II FamFG).
Die Beurteilung, ob eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, hat mit einer wertenden Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte des einzelnen Falles sicherzustellen, dass dem unbemittelten Verfahrensbeteiligten gleiche Rechtsschutz- und Rechtsverteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen wie dem begüterten. Eine Vertretung ist danach erforderlich, wenn ein Beteiligter, der nicht auf Verfahrenskostenhilfe angewiesen ist, sich für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt entscheiden würde, nachdem er die Erfolgsaussichten im Verfahren zum einen zum selbst zu betreibenden Verfahrensaufwand in vernünftige Beziehung gesetzt hat und zum anderen zum wirtschaftlichen Aufwand, mit dem er sich von der Verfahrensführung entlasten könnte, indem er sie einem Anwalt überlässt. Dabei sind sowohl objektive Kriterien wie die Kompliziertheit des Tatsachenstoffes und der maßgeblichen rechtlichen Regelungen von Bedeutung als auch die subjektiven Möglichkeiten des Beteiligten, die vor allem von seiner Gewandtheit bei der Erfassung und dem Vortrag des Wesentlichen und im Umgang mit dem Gericht und anderen Verfahrensbeteiligten abhängen. So wird ersichtlich, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung - in Gewaltschutz- ebenso wie in anderen Sachen - nicht davon abhängen kann, den Antragsteller auf die Amtsermittlung (§ 26 FamFG) oder auf die Möglichkeit, Erklärungen zur Niederschrift der Geschäftsstelle abzugeben (§ 25 I FamFG), verweisen zu können (vgl. Bbg. OLG, 2. FamS, FamRZ 2010, 1689, 1690). Vielmehr ist zu fragen, ob trotz dieser Entlastung des Beteiligten von eigenen Bemühungen ein Rechtsanwalt seine Funktionen als Berater und Vertreter bei der Stoffsammlung, bei der Befragung des Mandanten, bei der Unterscheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen, bei der Ordnung des Vortrages und beim Aufzeigen der Bezüge zwischen Tatsachen und den Tatbestandsmerkmalen des maßgeblichen materiellen Rechts so wirksam entfalten könnte, dass dem vertretenen Beteiligten daraus entscheidende Vorteile gegenüber einem unvertretenen entstehen können.
Im hier geführten Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen diese Kriterien für die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung. Das Anordnungsverfahren ist darauf gerichtet, ein dringendes Bedürfnis nach einer sofortigen gerichtlichen Entscheidung zu erfüllen (§ 49 I FamFG). Diesem Eilbedürfnis kann der Antragsteller nur dann wirksam gerecht werden, wenn er alle erforderlichen Tatsachen selbst ermittelt und mit dem Antrag sogleich selbst vorträgt und glaubhaft macht (§ 51 I 2 FamFG). Eine sofortige Entscheidung kann er gerade nicht erreichen, wenn er sich darauf verlässt, das Gericht werde seinen Antrag zum Anlass nehmen, noch fehlenden Tatsachenstoff von Amts wegen zu ermitteln. Gerade im Anordnungsverfahren wird auch ein äußerst sparsamer, seine Chancen und Risiken vernünftig abwägender begüterter Antragsteller eher dazu neigen, einen Anwalt zu beauftragen, weil es darauf ankommt, alles Maßgebliche sofort vollständig vorzutragen - und nicht erst im Laufe eines sich hinstreckenden Verfahrens auf Entgegnungen des Gegners und auf Hinweise des Gerichts.
Diese Aufgabe kann der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei der Aufnahme einer Niederschrift (§ 25 I FamFG) nicht erfüllen. Die Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle verschafft dem Erklärenden allein einen Zugang zum Gericht ohne die Anforderung, die Erklärung selbst schriftlich abzufassen. Weder gehört es zur Zuständigkeit des Urkundsbeamten, den Erklärenden über die Anforderungen des materiellen Rechts an den Vortrag zu beraten, noch hat er - außerhalb der Grenzen der Evidenz - auf die Vollständigkeit des Erklärten hinzuwirken. Diese Aufgabe der Verfahrensleitung (§ 28 I, II, III FamFG) obliegt nicht dem Urkundsbeamten, sondern dem zur Entscheidung über den aufgenommenen Antrag funktional zuständigen Richter oder Rechtspfleger.
Im hier geführten Verfahren sind keine Besonderheiten sichtbar geworden, die eine von diesen Grundsätzen abweichende Entscheidung im...