Leitsatz (amtlich)

Jedenfalls dann, wenn die erfolgreiche Ablehnung auf Voreingenommenheit gegen die Person des Ablehnenden gestützt war, kann der Ablehnungsgrund auch in einem anderen, späteren Verfahren durchgreifen. Dies gilt etwa dann, wenn die frühere Ablehnung wegen der besonderen Intensität, mit der der abgelehnte Richter die gegen einen Beteiligten gestellte Strafanzeige weiterverfolgt hat, erfolgreich war.

 

Normenkette

FamFG § 6; ZPO § 42

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 03.02.2015; Aktenzeichen 2.2 F 173/14)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Das Ablehnungsgesuch des Antragsgegners gegen den Richter am AG... wird für begründet erklärt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

Die gemäß §§ 6 Abs. 2 FamFG, 567 f. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Zu Recht hat der Antragsgegner den erkennenden Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das folgt hier schon daraus, dass der Antragsgegner den erkennenden Richter in vorangegangenen Kindschaftsverfahren mit Erfolg abgelehnt hat, wie sich aus den stattgebenden Beschwerdeentscheidungen des Senats vom 24.11.2011 (10 WF 257/11) und vom 2.8.2012 (10 WF 132/12) ergibt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, §§ 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 42 Abs. 2 ZPO. Von Bedeutung sind dabei nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rn. 9). Nicht notwendig ist dabei, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Es genügt die Besorgnis der Befangenheit (Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 6 Rn. 24).

Inwieweit ein in einem Verfahren gegebener Ablehnungsgrund auch auf andere fortwirkt, ist Frage des Einzelfalls und hängt insbesondere vom konkreten Ablehnungsgrund ab (vgl. BerlVerfGH, NJW-RR 2002, 70, 71; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.1985 - 3 WF 262/85, BeckRS 2009, 29301; Gehrlein, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 42 Rn. 14; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn. 19). Jedenfalls dann, wenn die erfolgreiche Ablehnung auf Voreingenommenheit gegen die Person des Ablehnenden gestützt war, greift der Ablehnungsgrund auch in den anderen Verfahren durch (OLG Celle, Nds. Rechtspflege 1976, 215; OLG Karlsruhe, Justiz 1987, 144; Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn. 13; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn. 19; bei starken persönlichen Spannungen zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten differenzierend OLG Nürnberg, OLGZ 1994, 209 f.). Zu beachten ist aber stets die Sichtweise eines verständigen Beteiligten. Ist ein Richter in einem anderen Verfahren wegen Benachteiligung eines Beteiligten erfolgreich abgelehnt worden, so wird aus der Sicht des betroffenen Beteiligten - jedenfalls bei engem zeitlichem Zusammenhang der Gerichtsverfahren - vielfach Grund zu der Annahme gegeben sein, dass sich die für ihn nachteilig in Erscheinung getretene Einstellung des abgelehnten Richters auch auf ein anderes Verfahren, an dem er beteiligt ist, auswirkt mit der Folge, dass die Ablehnung auch in dem letztgenannten Verfahren Erfolg hat (OLG Brandenburg, 1. Zivilsenat, Beschluss vom 15.9.1999 - 1 W 14/99, BeckRS 1999, 09064 Rn. 12). Dies gilt insbesondere, wenn mehrere Verfahren gleichzeitig anhängig sind und in einem Verfahren ein Ablehnungsgesuch bereits Erfolg hatte (vgl. OLG Nürnberg, MDR 1965, 667; OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; Gehrlein, a.a.O., § 42 Rn. 14). Eine solche Voreingenommenheit lässt sich - jedenfalls aus Sicht des Beteiligten - kaum auf ein einzelnes Verfahren beschränken. Für den Beteiligten wäre es nicht verständlich, wenn derselbe Richter ihm gegenüber in einem Verfahren als voreingenommen gilt, in einem gleichzeitig anhängigen Verfahren aber nicht (OLG Celle, a.a.O.).

Im Senatsbeschluss vom 24.11.2011 (10 WF 257/11) hat der Senat das Ablehnungsgesuch gegen den erkennenden Richter für begründet erachtet, nachdem der Richter den Antragsgegner wegen Beleidigung angezeigt hatte. Dabei hat der Senat im Einzelnen ausgeführt, dass die Tatsache allein, dass ein Richter gegen einen Verfahrensbeteiligten Strafanzeige erstattet hat, grundsätzlich nicht die Annahme rechtfertigt, er sei gegenüber dem Beteiligten befangen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Würdigung des weiteren Verhaltens des Richters, welcher - obwohl nicht als Zeuge geladen - die Strafverhandlung gegen den Antragsgegner im Sitzungssaal als Zuschauer verfolgt, sich während der Vernehmung des Antragsgegners als Geschädigter zu erkenne...

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