Tenor

Zuständig ist das Amtsgericht Fürstenwalde.

 

Gründe

I. Die Klägerin, ein Versorgungsunternehmen, nimmt den Beklagten auf die Zahlung von 246,35 € nebst Zinsen für die Lieferung von Erdgas in Anspruch. Der Beklagte rügt das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Fürstenwalde; in der Sache macht er geltend, dass die der Forderung zu Grunde liegende Preiserhöhung der Klägerin unwirksam sei.

Mit Verfügung vom 22.03.2011 hat das Amtsgericht den Parteien mitgeteilt, dass es die Zuständigkeitsbedenken des Beklagten teile. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.03.2011 zum Vorliegen der sachlichen Zuständigkeit vorgetragen und hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Frankfurt (Oder) - Kammer für Handelssachen - beantragt. Daraufhin hat sich das Amtsgericht Fürstenwalde mit Beschluss vom 11.05.2011 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) verwiesen. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat sich nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 01.06.2011 seinerseits für unzuständig erklärt und die Sache zur Entscheidung über die Zuständigkeit dem Senat vorgelegt.

II. 1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil es für die am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Fürstenwalde als auch das Landgericht Frankfurt (Oder) haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt, ersteres durch den nach § 281 Abs. 2 ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 11.05.2011 und letzteres durch den seine Zuständigkeit abschließend verneinenden Vorlagebeschluss vom 01.06.2011; beide genügen den Anforderungen, die an das Merkmal "rechtskräftig" im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es insoweit allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekanntgemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat NJW 2004, 780; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36, Rdnr. 24 f.).

3. Zuständig ist das Amtsgericht Fürstenwalde.

Zwar kommt dem Verweisungsbeschuss des Amtsgerichts vom 11.05.2001 grundsätzlich Bindungswirkung zu (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Diese entfällt nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-)Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Im Interesse einer baldigen Klärung der Gerichtszuständigkeit und der Vermeidung wechselseitiger (Rück-)Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler wie das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzu kommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder sonst grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (statt vieler: Senat JMBl. 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; 2004, 780; MDR 2006, 1184; eingehend ferner: Tombrink, NJW 2003, 2364 f.; jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Den derart zu konkretisierenden (verfassungsrechtlichen) Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde jedoch nicht stand.

a) Die Auffassung des Amtsgerichts Fürstenwalde, dass sich für den vorliegenden Rechtsstreit aus § 102 EnWG eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte ergibt, trifft nicht zu.

Gemäß § 102 Abs. 1 EnWG sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte ausschließlich zuständig. Dies gilt gemäß § 102 Abs. 2 EnWG auch dann, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach diesem Gesetz zu treffen ist. Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Zahlung von Versorgungsentgelten gegenüber dem Beklagten geltend, die dieser bisher nicht beglichen hat, da er die zu Grunde liegenden Preiserhöhungen für unwirksam hält. Solche Zahlungsansprüche werden von der Zuständigkeitsregelung des § 102 EnWG nicht erfasst, da hier nicht der Anspruch auf Grundversorgung Streitgegenstand ist (Senat JMBl. 2011, 25, 26; ebenso die wohl einhellige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte: OLG Oldenburg, Beschluss vom 03.01.2011, 5 AR 35/10, zitiert nach Juris; OLG Celle, Beschluss vom 23.12.2010, 13 AR 9/10, zitiert nach Juris; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 16.12.2010, 11 AR 3/10, zitiert nach Juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10.07.2009, 2 AR 23/09, zitiert nach Juris; OLG München, Beschluss vom 15.05.2009, AR (K) 7/09, zitiert nach Juris; wohl auch: KG, Beschluss vom 09.10.2009, 2 AR 48/09, zitiert nach Juris; OLG Köln, Beschluss vom 03.04.2...

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