Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen des Mehrkostenverbots in § 78 Abs. 3 FamFG ist oft eine Vergleichsberechnung geboten, ob der auswärtige Anwalt tatsächlich höhere Kosten verursacht als der im am weitesten entlegenen Teil des Gerichtsbezirks ansässige Anwalt.

 

Normenkette

FamFG § 78

 

Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Beschluss vom 09.01.2013; Aktenzeichen 10 F 1045/12)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Das Rechtsmittel, das sich gegen die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten zu den Bedingungen einer im Bezirk des AG Fürstenwalde niedergelassenen Rechtsanwältin richtet, ist gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Die Beschwerde ist ausdrücklich im Namen der Antragstellerin eingelegt worden. Dies steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Denn gegen die eingeschränkte Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" kann sowohl der beigeordnete Rechtsanwalt als auch der bedürftige Beteiligte selbst Beschwerde einlegen (OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2000, 1385; FamRZ 2005, 2005; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 127 Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr 2. Aufl., § 1 Rz. 73; s. auch BGH NJW 2004, 2749; a.A. OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 1111).

II. Die sofortige Beschwerde, über die der Senat nach Übertragung durch den vormaligen Einzelrichter gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 568 Satz 2 ZPO in der im GVG vorgesehenen Besetzung entscheidet, ist unbegründet. Zu Recht hat das AG die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin zu den Bedingungen einer im Bezirk des AG niedergelassenen Rechtsanwältin beigeordnet. Denn die Voraussetzungen für eine uneingeschränkte Beiordnung liegen nicht vor.

Gemäß § 78 Abs. 3 FamFG kann ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Die Voraussetzungen für eine eingeschränkte Beiordnung eines nicht im Bezirk des zuständigen Gerichts niedergelassenen Rechtsanwalts sind nur erfüllt, wenn dadurch höhere Fahrtkosten als durch Beiordnung eines dort niedergelassenen Rechtsanwalts entstehen (OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, Beschl. v. 28.7.2010 - 10 WF 145/10; OLG München, FamRZ 2007, 489; OLG Koblenz, FamRZ 2007, 1754). Daher kann nicht im Bezirk des Familiengerichts niedergelassener Rechtsanwalt uneingeschränkt beigeordnet werden, wenn seine Fahrtkosten niedriger sind als diejenigen eines im Gerichtsbezirk zugelassenen Rechtsanwalts, etwa mit Kanzleisitz im "hintersten Weg" des Gerichtsbezirks (FamVerf-/Gutjahr, § 1 Rz. 198). So liegt es hier aber nicht.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat ihren Kanzleisitz in B., während sich das AG in Fürstenwalde befindet. Unter Heranziehung des Falk-Routenplaners (wwwfalk.de), der auch abrufbar ist über JustiNe (Justizinformationssystem des Landes Brandenburg), beträgt die Entfernung zwischen den Kanzleisitzen der Verfahrensbevollmächtigten und dem AG, wenn man die schnellste Route wählt, rund 74 km, und bei Wahl der kürzesten Entfernung rund 59 km. Im Amtsgerichtsbezirk Fürstenwalde ist die Gemeinde, die am weitesten vom AG entfernt liegt, die Gemeinde Friedland. Die Entfernung des am weitesten entfernt liegenden Ortsteils Klein Muckow zum AG beträgt bei Wahl der schnellsten Route 56 km, bei Wahl der kürzesten Entfernung 51 km. Vor diesem Hintergrund ist ersichtlich, dass bei uneingeschränkter Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin höhere Fahrtkosten entständen, als wenn ein Rechtsanwalt aus dem Amtsgerichtsbezirk Fürstenwalde - und sei es ein solcher mit Niederlassung in Klein Muckow - beigeordnet würde.

Allerdings ist bei der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein nicht bei dem Verfahrensgericht niedergelassener Rechtsanwalt beizuordnen ist, stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden (BGH NJW 2004, 2749). Hier ist eine Vergleichsberechnung geboten, bei der die Kosten, die durch Beiordnung des auswärtigen Anwalts als Verkehrsanwalt bei gleichzeitiger Beiordnung eines ortsansässigen Anwalts als Hauptbevollmächtigten entständen, den Kosten gegenüber gestellt werden, die bei uneingeschränkter Beiordnung allein als auswärtigen Anwalt als Hauptbevollmächtigten erwüchsen (vgl. FamVerf-/Gutjahr, § 1 Rz. 398).

Hier kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts gem. § 78 Abs. 4 FamFG vorlägen (vgl. hierzu Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 78 Rz. 37; Zöller/Geimer, a.a.O., § 121 Rz. 20 ff.; FamVerf-/Gutjahr, § 1 Rz. 202 ff.). Vorliegend ist der Antragsteller nämlich auf die Inanspruchnahme eines Verkehrsanwalts nicht angewiesen. Denn er wohnt in G ..., nur rund 22 km vom AG entfernt. Er hätte also wohnortnah auch eine...

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