Leitsatz (amtlich)

Äußert sich aber ein Beteiligter beleidigend über einen Richter, muss der Richter den Beteiligten grundsätzlich in seine Schranken weisen dürfen, auch indem er Strafanzeige gegen ihn erstattet, ohne deshalb als befangen betrachtet zu werden. Ein Ablehnungsgrund kann sich aber aus der besonderen Intensität ergeben, mit der der abgelehnte Richter die gegen den Beteiligten gestellte Strafanzeige weiterverfolgt.

 

Normenkette

FamFG § 6; ZPO § 42

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 08.09.2011; Aktenzeichen 2.2 F 234/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 24.8.2011 gegen den Richter... wird für begründet erklärt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

Die gemäß §§ 6 Abs. 2 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Zu Recht hat der Antragsteller den Richter... wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 FamFG i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß §§ 6 Abs. 1 S. 1 FamFG, 42 Abs. 2 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Von Bedeutung sind dabei nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42, Rz. 9). Nicht notwendig ist dabei, dass der Richter tatsächlich befangen ist; es genügt die Besorgnis der Befangenheit (Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 6, Rz. 24). Vor diesem Hintergrund sind unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42, Rz. 10) vorliegend Gründe gegeben, welche die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters rechtfertigen.

Im Ausgangspunkt ist das AG zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatsache allein, dass ein Richter gegen einen Verfahrensbeteiligten Strafanzeige erstattet hat, grundsätzlich nicht die Annahme rechtfertigt, er sei gegenüber dem Beteiligten befangen. Es ist anerkannt, dass das eigene Verhalten eines ablehnenden Beteiligten keinen Ablehnungsgrund begründet (vgl. OLG Koblenz, MDR 2003, 21; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42, Rz. 29). Anderenfalls hätte es ein Verfahrensbeteiligter selbst in der Hand, einen ihm missliebigen Richter auf einfache Weise auszuschalten. Äußert sich aber ein Beteiligter über einen Richter, indem er ihn, wie der Antragsteller, als "Schwachmat" und "Richter Supermann Schwachkopf" bezeichnet, muss der Richter den Beteiligten grundsätzlich in seine Schranken weisen dürfen, auch indem er Strafanzeige gegen ihn erstattet, ohne deshalb als befangen betrachtet zu werden (OLG Koblenz, a.a.O. m.w.N.). Für die Entscheidung, ob der Richter befangen ist, kann es vielmehr allein darauf ankommen, wie der Richter im konkreten Fall die Strafanzeige anbringt und weiterverfolgt.

Dieses weitere Verhalten des Richters... berechtigt allerdings aus Sicht eines vernünftig und besonnen urteilenden Beteiligten, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.

Wie sich aus dem Inhalt des Sitzungsprotokolls des AG Strausberg vom 7.9.2011 der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), Geschäftszeichen 286 Js 8188/11, das die vorliegende Strafanzeige gegen den hiesigen Antragsteller zum Gegenstand hatte, ergibt, hat der nicht als Zeuge geladene Richter... die Strafverhandlung im Sitzungssaal als Zuschauer verfolgt. Während der Vernehmung des Antragstellers hat sich Richter... als Geschädigter zu erkennen gegeben und mitgeteilt, einen Adhäsionsantrag stellen zu wollen. Dessen Entgegennahme ist durch den zuständigen Strafrichter unter Hinweis auf die laufende Vernehmung des Antragstellers zunächst zurückgewiesen worden. Im Rahmen der Erörterung hat Richter... sodann erklärt, dass er sich die Stellung des angekündigten Adhäsionsantrags vorbehalte und ausgeführt, dass er eine von der Staatsanwaltschaft angeregte Einstellung des Verfahrens allenfalls gegen eine Geldauflage in Ordnung fände. Auch wenn er, nachdem das Gericht sodann die beabsichtigte Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 Abs. 2 StPO angekündigt hatte, schließlich von der Stellung eines Adhäsionsantrags abgesehen hat, rechtfertigt die Intensität, mit der Richter... seine Strafanzeige weiterverfolgt hat, aus Sicht eines objektiven Beobachters durchaus, seiner Unparteilichkeit zu misstrauen. Bei dem Antragsteller konnte vielmehr den Eindruck entstehen, der Richter würde seinem erneuten Antrag auf Abänderung des Umgangs nicht mehr unvoreingenommen gegenüberstehen.

Die Besorgnis der Befangenheit ist daher begründet.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 46, Rz. 20).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI9434737

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