Tenor

Zuständig ist das Amtsgericht Brandenburg an der Havel.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte vor dem Hintergrund des sogenannten VW-Abgasskandals auf die Leistung von Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger hat die Klage beim Landgericht Potsdam erhoben und zunächst Anträge auf die Zahlung von 18.780 EUR abzüglich einer Nutzungsentschädigung und zuzüglich Zinsen, Zug um Zug gegen die Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs, auf die Zahlung eines weiteren Schadensersatzes in Höhe von mindestens 3.310 EUR nebst Zinsen, auf die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und auf die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verfolgt. Dazu hat das Landgericht Potsdam am 20.10.2020 die Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses angefordert.

Mit Schriftsatz vom 25.2.2021 hat der Kläger die teilweise Zurücknahme der Klage unter Aufrechterhaltung lediglich der Anträge auf die Leistung eines weiteren Schadensersatzes in Höhe von mindestens 3.310 EUR nebst Zinsen und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erklärt. Daraufhin hat das Landgericht Potsdam am 1.3.2021 den Gebührenstreitwert für die Zeit ab 25.2.2021 auf 3.310 EUR festgesetzt und den Kläger auf Bedenken gegen seine sachliche Zuständigkeit hingewiesen; gleichzeitig hat es den Schriftsatz vom 25.2.2021 der Beklagten zur Stellungnahme zur sachlichen Zuständigkeit und zu einem möglichen Verweisungsantrag übermittelt. Die Beklagte hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.3.2021 mitteilen lassen, dass die fehlende sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam gerügt werde und gegen eine Verweisung an das Amtsgericht keine Einwände bestünden.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15.3.2021 die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel beantragt.

Durch Beschluss vom 17.3.2021 hat das Landgericht Potsdam sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel verwiesen.

Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat sich durch Beschluss vom 10.5.2021 ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

II. Auf die Vorlage durch das Amtsgericht Brandenburg an der Havel ist dessen Zuständigkeit für den vorliegenden Rechtsstreit auszusprechen.

1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, da die am Gerichtsstandsbestimmungsverfahren beteiligten Gerichte sich in seinem Bezirk befinden.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, der auch für die sachliche Zuständigkeit gilt (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 36, Rn. 4), liegen vor. Sowohl das Landgericht Potsdam als auch das Amtsgericht Brandenburg an der Havel haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt, und zwar Ersteres durch den Verweisungsbeschluss vom 17.3.2021 und Letzteres durch den Vorlagebeschluss vom 10.5.2021. Beide Entscheidungen genügen den Anforderungen, die an das Merkmal "rechtskräftig" im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es dafür allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekanntgemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat, NJW 2004, 780; Zöller/Schultzky, a. a. O., § 36, Rn. 34 f.).

3. Zuständig ist das Amtsgericht Brandenburg an der Havel.

Seine Zuständigkeit folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Potsdam nach § 281 Abs. 2 ZPO. Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Regelung kann die Bindungswirkung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-)Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfallen. Im Interesse einer baldigen Klärung und Vermeidung wechselseitiger (Rück-)Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (BGH, Beschluss vom 17.5.2011, X ARZ 109/11, zitiert nach juris; Senat, JMBl. 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink, NJW 2003, 2364 f.; jeweils m. w. N.).

Den derart zu konkretisierenden Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Potsdam stand.

Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör ist beachtet worden. Das Landgericht Potsdam hat unter dem 1.3.2021 der Beklagten die Bedenken gegen seine sachliche Zuständigkeit offengelegt und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem zu erwartenden Verweisungsantrag gegeben. Nachdem die Beklagte sich mit einer Verweisung des Rechtsstreits...

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