Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit: Gewichtung des ausschließlichen Gerichtsstands bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, §§ 60, 17, 32b Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 29, 29c; KapMuG § 1 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Gemeinsam zuständig ist das LG Hamburg.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten mit der beim LG Potsdam rechtshängigen Klage auf Zahlung von Schadensersatz, Feststellung einer Verpflichtung zum Schadensersatz, Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie auf Feststellung der Beendigung der Beteiligungsverträge in Anspruch.
Der Kläger behauptet, zum Zwecke seiner Altersvorsorge habe er eine Fondsbeteiligung an der Beklagten zu 1) in Form einer "Classic-Plus-Beteiligung" erworben. Die Beklagte zu 2) sei als Rechtsnachfolgerin der R. AG u.a. für die Erstellung des Emissionsprospektes und den Vertrieb der Beteiligungen an der Beklagten zu 1) verantwortlich. Die Beklagte zu 3) habe die Beteiligungen unter Verletzung von Beratungspflichten vermittelt.
Der Kläger begehrt nunmehr die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts und regt die Bestimmung des LG Potsdam als zuständiges Gericht an.
Die Beklagten zu 1) und 2) sprechen sich für die Zuständigkeit des LG Hamburg aus, die Beklagte zu 3) stellt diese in das Ermessen des Gerichts.
II.1. Das Brandenburgische OLG hat gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 ZPO über die Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts zu entscheiden, weil sich das bereits mit der Sache befasste LG Potsdam in seinem Gerichtsbezirk befindet (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rz. 17). Die bereits erfolgte Erhebung der Klage und die erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit stehen der Bestimmung des zuständigen Gerichts ebenso nicht entgegen wie der Umstand, dass keine Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des befassten Gerichts hat (a.a.O. § 36 Rz. 16, 17).
2. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand (§ 17 ZPO) bei verschiedenen Gerichten, nämlich die Beklagten zu 1) und 2) beim LG Hamburg, die Beklagte zu 3) beim LG Hannover.
b) Die Beklagten werden als Streitgenossen in Anspruch genommen (§ 60 ZPO). Diese Bestimmung beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit der tatsächlichen und rechtlichen Gründe der geltend gemachten Ansprüche eine Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH NJW-RR 1991, 381). Dazu gehören auch Ansprüche von Kapitalanlegern wegen unrichtiger Anlageberatung oder unrichtigem Anlageprospekt, wobei unerheblich ist, ob gegen alle beklagten Streitgenossen dieselben Anträge gestellt werden (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 60 Rz. 7).
Der Kläger stützt seine Ansprüche auf den Erwerb einer Beteiligung, an deren Entstehung und Vertrieb nach seinem Vortrag die Beklagten beteiligt gewesen sind. Der notwendige Zusammenhang i.S.v. § 60 ZPO wird nicht dadurch aufgehoben, dass die Ansprüche gegen die Beklagten auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt werden. Trotz der bestehenden Unterschiede erscheinen die erhobenen Ansprüche ihrem Wesen nach gleichartig, weil der Kläger seine Klage darauf stützt, dass die Beklagten jeweils einen Beitrag zum Vertrieb der Kapitalanlage geleistet haben (BGH ZIP 2011, 1074).
c) Ein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand für alle Beklagten ist nicht begründet. Insbesondere die Voraussetzungen des ausschließlichen Gerichtsstandes nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegenüber der Beklagten zu 3) liegen nicht vor. Der Beklagten zu 3) werden keine fehlerhaften öffentlichen Kapitalmarktinformationen vorgeworfen, sondern sie wird vielmehr wegen einer falschen bzw. unzureichenden Beratung im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages in Anspruch genommen. Anspruchsgrundlage ist damit eine Verletzung der Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag. Diese hat jedoch nicht schon deshalb öffentliche Kapitalmarktinformationen zum Gegenstand, weil sich die Beklagte zu 3) bei ihrer Beratung auch auf öffentliche Kapitalmarktinformationen bezogen hat. Die Beklagte zu 3) ist auch nicht Anbieter i.S.v. § 32b ZPO. Anbieter ist nur derjenige, der für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt (BGH NJW 2007, 1364; BGH NJW 2009, 513; BGH ZIP 2011, 1074.).
Ebenso ist der besondere Gerichtsstand des § 22 ZPO nicht gegeben (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 22 Rz. 8).
3. Als zuständiges Gericht war das LG Hamburg zu bestimmen. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts hat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit zu erfolgen (a.a.O. § 36 Rz...