Leitsatz (amtlich)
1. Für den Fall, dass die Vergabekammer beabsichtigt, den Nachprüfungsantrag als unzulässig zu verwerfen, räumt ihr die Regelung in § 112 Abs. 1 S. 2 GWB die Möglichkeit ein, ohne mündliche Verhandlung nach Lage der Akten zu entscheiden.
2. Ein Anspruch auf Gewährung der Akteneinsicht besteht nicht, wenn es für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages nicht auf den Inhalt der Vergabeakte ankommt.
3. Überträgt der öffentliche Auftraggeber dem Auftragnehmer - Konzessionär - eine im öffentlichen Interesse stehende Dienstleistung und gestattet diesem - an Stelle einer Vergütung - ein Verhalten oder eine Nutzung gestattet, aus der sich der Konzessionär für die auf eigenes wirtschaftliches Risiko zu erbringende Dienstleistung bezahlt macht, liegt eine Dienstleistungskonzessionsvertrag vor. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber im öffentlichen Interesse dem Auftragnehmer den Betrieb einer Test- und Rennschrecke überträgt und sich dieser aus den Einnahmen des Betriebs finanziert.
Verfahrensgang
Vergabekammer Brandenburg (Entscheidung vom 28.03.2008; Aktenzeichen VK 6/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 28. März 2008 (VK 6/08) wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde des Auftraggebers wird der Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 28. März 2008 (VK 6/08) teilweise (zu Nummer 4 des Beschlusstenors) abgeändert. Die Antragstellerin hat die dem Auftraggeber im Verfahren vor der Vergabekammer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Auftraggeber war notwendig.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Auftraggeber ist Eigentümer von Grundstücken, belegen im Landkreis O.... Auf dem Gesamtgrundstück hat er mit aus der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zugewendeten Mitteln eine touristische Basiseinrichtung einschließlich einer Renn- und Teststrecke - den ... - errichtet. Der Zuwendungsbescheid der InvestitionsBank des Landes Brandenburg (ILB) in der Fassung vom 15.10.1998 verpflichtet den Auftraggeber, den Betrieb des ... für die Dauer der zuwendungsrechtlichen Zweckbindung unter Berücksichtigung des Errichtungszeitraumes bis zum 31.12.2006 sicherzustellen. Er ist berechtigt, die Durchführung der Renn- und Teststrecke einem Dritten zu übertragen. Derzeit betreibt die ... GmbH (E...) die Anlage. Die E... schloss wiederum hinsichtlich der Teststrecke einen bis zum 31.12.2008 laufenden Pachtvertrag mit der DE... GmbH.
Im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14.4.2007 schrieb der Auftraggeber nach europaweiter Vorinformation vom 3.2.2007 den Betrieb der Rennstrecke (Los 1) und den Betrieb der Teststrecke (Los 2) jeweils vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2016 sowie den Kauf des ... (Los 3) zum 1.1.2017 im Nichtoffenen Verfahren mit eingeschaltetem Teilnahmewettbewerb aus.
Unter Nr. III.1.2) der Vergabebekanntmachung wies der Auftraggeber darauf hin, dass der Bieter sich über die Einnahmen aus dem Betrieb finanziere und zusätzlich eine jährliche Pachtzahlung anbieten (Lose 1 und 2) oder eine Einmalzahlung bei Grundstücksübergabe als Zuschuss fordern könne (nur Los 2). Für das Los 3 forderte er vom Bieter die Zahlung des Kaufpreises in einem Betrag.
Nach Nr. VI.3) war es dem Bieter möglich, Angebote für die einzelnen Lose als auch für alle denkbaren Loskombinationen abzugeben. Hier wies der Auftraggeber darauf hin, dass die Bekanntmachung freiwillig erfolge, da den Losen kein Dienstleistungsauftrag zugrunde liege. Ein Nachprüfungsverfahren sei deshalb nicht zulässig.
Bis zum festgesetzten Termin für die Teilnahmeanträge bewarben sich vier Unternehmen/Bietergemeinschaften. Nachdem der Auftraggeber die Nachweise geprüft hatte, versandte er die Ausschreibungsunterlagen und forderte zur Angebotsabgabe auf.
Nach der Leistungsbeschreibung und dem beigefügten Betreibervertrag Rennstrecke beinhaltet das Los 1 den Betrieb einer Hochgeschwindigkeitsrennstrecke / eines Formel-1-tauglichen Rennkurses / der dazugehörigen Nebenanlagen, die Durchführung motorsportlicher und anderer Veranstaltungen, weiterer Aktivitäten im Einklang mit dem Infrastrukturzweck der Anlage sowie die Unterhaltung und Instandhaltung des Betriebsgrundstückes mit allen darauf befindlichen baulichen Anlagen auf eigene Kosten. Der Betreiber ist berechtigt, von Dritten für eingeräumte Nutzungsmöglichkeiten und eventuelle zusätzliche Dienstleistungen ein angemessenes Entgelt zu verlangen. Der Betreiber ist grundsätzlich verpflichtet, den Betrieb im Wesentlichen selbst zu führen. Für die vertraglich eingeräumten Nutzungsrechte am Betriebsgrundstück und an den ihm übergebenen Anlagen, Einrichtungen, Gegenständen und Rechten zahlt der Betreiber an den Eigentümer ein jährliches Entgelt. Alternativ ist der Eige...