Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn das beanstandete Vergabeverfahren der Sache nach auf Vereinbarung einer der vergaberechtlichen Nachprüfung grundsätzlich nicht unterliegenden Dienstleistungskonzession gerichtet ist, ist dennoch der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen gegeben, wenn geltend gemacht wird, die Leistungen seien ohne Gesetzesverstoß nur unter Beachtung des für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen geltenden Vergaberechts zu beschaffen.
2. Die Frage, ob die Vergabe einer Dienstleistungskonzession nach gesetzlichen Regelungen untersagt ist, die selbst nicht zu den Bestimmungen über das Vergaberecht zu rechnen sind, ist von den Nachprüfungsinstanzen inzidenter zu beantworten.
3. Die Abwasserbeseitigungspflichtigen können nach § 56 Satz 1 WHG und § 66 Abs. 1 Satz 1 BbgWG bei der Abwasserbeseitigung zwar einen Erfüllungsgehilfen zuziehen. Es ist jedoch gesetzeswidrig, dass ein Konzessionär im eigenen Namen Abwasserbeseitigungsverträge schließen und Entgelte sowie Baukostenzuschüsse erheben soll. Die Ausschreibung einer solchen Dienstleistungskonzession ist deshalb vom Auftraggeber aufzuheben.
Normenkette
GWB § 97 Abs. 7, § 99; WHG § 56; BbgWG § 66; KAGBbg § 6; KAG BB § 8
Verfahrensgang
Vergabekammer des Landes Brandenburg (Beschluss vom 19.12.2011; Aktenzeichen VK 53/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 19.12.2011 - VK 53/11 - aufgehoben.
Die Auftraggeberin wird angewiesen, die Ausschreibung "Dienstleistungskonzession Abwasser" für das Satzungsgebiet der Stadt Z. aufzuheben und bei fortbestehender Vergabeabsicht ein Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats durchzuführen.
Die Gebühren und Auslagen des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin hat die Auftraggeberin zu tragen. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben - sowie die Kosten des Verfahrens gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB jeweils einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin hat die Auftraggeberin zu tragen.
Der Wert des Verfahrens der sofortigen Beschwerde und derjenige des Verfahrens auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde werden auf je 2.068.220 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Auftraggeberin, die Stadt Z., ist gem. § 66 Abs. 1 Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG) abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft in ihrem Stadtgebiet mit Ausnahme einzelner Ortsteile. Zur Durchführung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung hat sie den Entwässerungsbetrieb der Stadt Z. als Eigenbetrieb gegründet. Dessen Aufgabe ist es nach § 2 der Betriebssatzung, an Anlagen der Abwasserentsorgung Eigentum zu erwerben und diese zu betreiben. Die technische und kaufmännische Betriebsführung der Anlagen hat die Auftraggeberin mittels Betriebsführungsvertrages der Beigeladenen zu 1) übertragen.
Die Auftraggeberin beabsichtigt, die Aufgabe der Abwasserbeseitigung künftig von einem privaten Unternehmen wahrnehmen und von diesem insbesondere Abwasserbeseitigungsentgelte privatrechtlich erheben zu lassen. Zu diesem Zweck schrieb sie die Vergabe einer Dienstleistungskonzession "Abwasserbeseitigung" im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus.
In der am 26.7.2011 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Bekanntmachung führte die Auftraggeberin in Ziff. VI. 3) aus:
"Diese Bekanntmachung erfolgt freiwillig. Das Verfahren der Vergabe einer Dienstleistungskonzession unterliegt weder dem gesetzlichen Vergaberechtsverfahren (§§ 97 ff. GWB) noch den gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien. Es finden die Grundsätze des EU-Vertrages bezüglich der Publizität, des Wettbewerbs, der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung Anwendung. Es soll daher ein Höchstmaß an Transparenz und Wettbewerb gewährleistet werden. Insofern wird die Vergabe in Anlehnung an die Vorschriften der VOL/A wie ein Verhandlungsverfahren gestaltet. Der Auftraggeber bindet sich hiermit jedoch nicht an die Vorschriften des GWB oder der VOL/A ...".
Zur Beschreibung des Auftrages enthält die Bekanntmachung unter Ziff. II.1.5) im Wesentlichen folgende Angaben:
"Der Konzessionär soll von der Stadt beauftragt werden, diese als Erfüllungsgehilfe bei der Durchführung der Abwasserbeseitigung zu unterstützen. Eine Pflichtenübertragung findet nicht statt. Der Konzessionär wird ermächtigt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung privatrechtliche Entgelte von den Abwasserkunden im Satzungsgebiet der Stadt Z. zu erheben und sich so zu refinanzieren. Die Anlagen zur Abwasserbeseitigung verbleiben im Eigentum des Eigenbetriebs Entwässerungsbetrieb der Stadt Z.. Mit der Ausschreibung der Abwas...