Leitsatz (amtlich)
1. Für den Netzbetreiber, der bei der erstmaligen Festsetzung der Erlösobergrenzen am vereinfachten Verfahren teilnimmt und der keine Erhöhung der Netzentgelte auf der Datengrundlage des Jahres 2006 beantragt hat, wird die Kostenbasis der letzten Netzentgeltgenehmigung unverändert zur Grundlage für die Festlegung der Erlösobergrenzen gemacht, lediglich korrigiert um einen Inflationsfaktor für jedes Jahr vor dem Jahr 2006 (sog. doppelt vereinfachtes Verfahren).
2. Im doppelt vereinfachten Verfahren kommt allein eine Anpassung der Kostenbasis der letzten Netzentgeltgenehmigung in Betracht, soweit es die Kosten des vorgelagerten Netzes angeht. Eine Anpassung der Verzinsung des Eigenkapitals an die von der Regulierungsbehörde festgelegten und bekannt gemachten Eigenkapitalzinssätze und die Anpassung der hiervon abhängigen kalkulatorischen Gewerbesteuer ist dagegen ausgeschlossen.
3. Ein pauschalierter Investitionszuschlag kann im vereinfachten Verfahren nicht gewährt werden. Dies benachteiligt die Netzbetreiber, die am vereinfachten Verfahren teilnehmen, ggü. den am Regelverfahren teilnehmenden Netzbetreibern nicht unangemessen.
4. Eine Anpassung der Erlösobergrenze auf Grund einer nachhaltigen Veränderung der Versorgungsaufgabe (Erweiterungsfaktor) kommt im ersten Jahr der ersten Regulierungsperiode nicht in Betracht. Die Anpassung der Erlösobergrenze setzt begrifflich eine bereits festgelegte Erlösobergrenze voraus.
5. Im ersten Jahr der ersten Regulierungsperiode kann auch keine Anpassung der Erlösobergrenze unter Hinweis auf stark gestiegene Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie als Härtefall erfolgen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Härtefall vorliegt, müssen alle Umstände des Einzelfall berücksichtigt werden. Selbst exorbitante Preissteigerungen können deshalb nicht die Annahme einer unzumutbaren Härte begründen, wenn sich aus der Zusammenschau aller Kosten ergibt, dass die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie eine untergeordnete Bedeutung haben.
6. Für einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor enthält das Energiewirtschaftsgesetz keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Die Ermächtigung zur Berücksichtigung der auf die Gesamtwirtschaft bezogenen Inflationsrate bei der Festsetzung der Erlösobergrenzen rechtfertigt nicht die Einführung eines sektorbezogenen Produktivitätsfaktors, der den Inflationsausgleich teilweise aufhebt. Da der generelle sektorale Produktivitätsfaktor keine auf den individuellen Netzbetreiber zugeschnittene Effizienzvorgabe darstellt, kann seine Einführung auch nicht auf die Verordnungsermächtigung für Effizienzvorgaben gestützt werden.
Normenkette
GG Art. 3, 80; EnWG §§ 21a, 4 Abs. 1, 3-4, §§ 6, 8-10, 11 Abs. 2 Nr. 4, §§ 24-25; ARegV § 34 Abs. 3; StromNEV § 7 Abs. 6
Verfahrensgang
Landesregulierungsbehörde Brandenburg bei dem Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten (Beschluss vom 09.12.2008; Aktenzeichen 34 PVU-1/2008 AS) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Bescheid der Landesregulierungsbehörde Brandenburg bei dem Ministerium für Wirtschaft vom 9.12.2008 - 34 PVU-1/2008 AS - aufgehoben und die Landesregulierungsbehörde Brandenburg verpflichtet, die Erlösobergrenze der 1. Regulierungsperiode von 2009 bis 2013 für die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bestimmen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführerin zu ½ und die Landesregulierungsbehörde Brandenburg und die Bundesnetzagentur jeweils zu ¼. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz, das sie zum 1.1.2007 von ihrer Muttergesellschaft übernommen hat. Die Beschwerdegegnerin ist die für das Land Brandenburg zuständige Landesregulierungsbehörde (LRB). Weiter am Beschwerdeverfahren beteiligt ist die Bundesnetzagentur.
Die Muttergesellschaft der Beschwerdeführerin erhielt am 28.7.2006 eine bestandskräftig gewordene Netzentgeltgenehmigung auf Basis der Daten des Geschäftsjahres 2004. Dieser Bescheid war zunächst bis zum 31.12.2007 befristet, wurde jedoch auf Antrag der Beschwerdeführerin vom 13.9.2007 bis zum 31.12.2008 verlängert. In dem Antrag versicherte die Beschwerdeführerin, dass sie auf einen weiteren Antrag auf Genehmigung von Entgelten nach § 23a EnWG verzichte und dass sich die Kostenlage im Jahr 2006 nicht wesentlich von der Kostenlage und damit von dem Kostenblock unterscheide, der der Entgeltgenehmigung auf Basis des Jahres 2004 zugrunde lag.
Die Beschwerdeführerin, die zu den 20 kleinen Netzbetreibern im Bereich Strom gehört, beantragte am 13.12.2007 - wie 17 weitere kleine Netzbetreiber auch - die Teilnahme am vereinfachten Verfahren der Anreizregulierung gem. § 24 ARegV. Diesem Antrag gab die LRB mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.12.2007 statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 25.2.2008...