Verfahrensgang

LG Neuruppin (Entscheidung vom 03.04.2007; Aktenzeichen 2 O 381/06)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3. April 2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin, Az.: 2 O 381/06, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Beklagte stützt sein Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe verkannt, dass der Sturz der Geschädigten M... nicht auf einen durch Annäherung des Hundes verursachten Schreck zurückzuführen sei. Zu dem Sturz sei es erst zu einem späteren Zeitpunkt gekommen, als die Geschädigte versucht habe, vom Fahrrad abzusteigen. Insoweit fehle jedenfalls der innere Zusammenhang zwischen einer von ihm möglicherweise geschaffenen Gefahrenlage und dem eingetretenen Schaden. Der Beklagte macht damit einen Rechtsfehler geltend, auf dem das Urteil beruhen kann, § 513, 546 ZPO.

2.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der Beklagte haftet der Klägerin aus übergegangenem Recht gem. § 833 S. 2 BGB in Verbindung mit § 116 SGB X wegen vermutetem Verschulden in Höhe von 8.986,68 EUR. Bei dem Hund des Beklagten, der sich der Geschädigten genähert hat, handelt es sich um ein Haustier, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit bzw. dem Unterhalt des Beklagten zu dienen bestimmt ist. Erfasst von dieser Vorschrift ist auch der Hütehund eines Schäfers (Sprau in Palandt, BGB, Kommentar, 66. Aufl., § 833, Rn. 17). Vorliegend hat der Beklagte erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass er hauptberuflich als Schäfer tätig ist und der Hund, der sich der Geschädigten genähert hat, speziell als Hütehund ausgebildet ist sowie entsprechend eingesetzt wird. Das erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte Bestreiten dieses Vortrags durch die Klägerin ist mangels Darlegung der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr beachtlich. Insbesondere ein Fall des § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben, da das Landgericht von der Anwendbarkeit des § 833 S. 2 BGB ausgegangen ist, wenngleich es den Entlastungsbeweis im Ergebnis verneint hat. Der Sturz der Geschädigten M..., der zu den unfallbedingten Verletzungen geführt hat, ist durch ein Verhalten des vom Beklagten gehaltenen Hundes verursacht worden, in welchem sich zugleich eine spezifische Tiergefahr realisiert hat. Erforderlich ist hierzu, dass ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbständiges Verhalten vorliegt (BGH NJW-RR 2006, S. 813; NJW 1999, S. 3119; NJW 1976, S. 2130; std. Rspr.). Dabei muss das tierische Verhalten nicht die einzige Ursache des Schadens sein, eine adäquate Mitverursachung ist ausreichend (BGH NJW-RR 2006 a. a. O.). Auch ist eine unmittelbare Schadenherbeiführung nicht erforderlich; es genügt ein mittelbarer Zusammenhang (OLG Schleswig VersR 1988, S. 700; Belling/Eberl-Borges in Staudinger, BGB, Kommentar, 13. Bearb., § 833, Rn. 24; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, Kommentar, § 833, Rn. 11). Ein solcher mittelbarer ursächlicher Zusammenhang liegt z. B. vor, wenn ein Mensch durch das Verhalten eines Tieres in Angst und Schrecken versetzt wird, infolge dessen stürzt und sich verletzt (OLG Schleswig, a. a. O.; OLG Nürnberg NJW-RR 1991, S. 741; OLG Nürnberg NJW 1965, S. 694; OLG Köln VersR 1999, S. 1293; Belling/Eberl-Borges, a. a. O., Rn. 26; Spindler, a. a. O., Rn. 11). Der Zurechnungszusammenhang ist erst unterbrochen, wenn die Reaktion des Betroffenen als nicht mehr durch das Gebaren des Tieres verursacht angesehen werden kann, weil sie völlig ungewöhnlich und damit durch das haftungsbegründende Ereignis nicht mehr herausgefordert ist (OLG Köln, a. a. O.; OLG Koblenz VersR 1999, S. 508). Abzustellen ist dabei auf die Bevölkerungsgruppe, der der Verletzte angehört, insbesondere bei Kindern, Kranken oder sehr alten Menschen kann bereits das Anbellen durch einen Hund adäquat kausal für eine zum Schaden führende Schreckreaktion sein (Belling/Eberl-Borges, a. a. O., Rn. 26). Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht unterbrochen, wenn zwar das tierische Verhalten, das Auslöser für die Schreckreaktion gewesen ist, nicht mehr anhält, die Schrecksituation selbst aber noch nachwirkt (BGH NJW 1999, S. 3119, zum Sturz eines durch das Verhalten des Pferdes verunsicherten Reitanfängers, nachdem das Pferd bereits zum Stehen gekommen war; Belling/Eberl-Borges, a. a. O., Rn. 24; Spindler, a. a. O., Rn. 11).

Vorliegend ist der Sturz der Geschädigten durch ein der spezifischen Tiergefahr des Hütehundes des Beklagten zuzurechnendes Verhalten verursacht worden. Dabei kann dahinstehen, ob sich das Geschehen wie von der Klägerin geschildert oder entsprechend den Angaben des Beklagten zugetragen hat. Soweit die Geschädigte - wie von der Klägerin behauptet - ...

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