Tierhalter haften auch für mittelbar verursachte Verletzungen eines Helfers
Das OLG Frankfurt hat sich ausführlich mit dem Umfang der Tierhalterhaftung auseinandergesetzt. Nach einer Entscheidung des OLG umfasst die Tierhalterhaftung nicht nur unmittelbar durch ein Tier verursachte Schäden, sondern auch solche Schäden, die erst mittelbar durch das couragierte Eingreifen eines Helfers entstehen.
Nachbarhund griff Nachbarkater an
Die Parteien des vom OLG entschiedenen Rechtsstreits sind Nachbarn und beide Tierhalter. Im Januar 2015 waren beide Nachbarn gleichzeitig damit beschäftigt, Schnee von ihren Grundstücken zu entfernen. Während der Arbeiten tauchte der Hund des Beklagten plötzlich auf dem Grundstück der Klägerin auf und ging dort auf deren Kater los.
Sturz auf schneeglattem Untergrund
Die Klägerin versuchte mithilfe eines Besens die beiden sich ineinander verhakenden Tiere zu trennen. Sie befürchtete, dass der Hund sich in ihren Kater verbeißen könne, weil der Hund den Kopf des Katers bereits mit seinen Zähnen umfasst hatte. Dabei machte die Klägerin auf dem schneeglatten Boden einige Schritte nach vorne, kam zu Fall und zog sich diverse Verletzungen an Hand- und Kniegelenk zu.
Hundehalter verweigerte Schmerzensgeldzahlung
Hierauf forderte die Halterin des Katers vom Hundehalter die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Da dieser die Zahlung verweigerte, nahm die Halterin des Katers den Hundehalter gerichtlich auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch.
Genaue Sturzursache streitig
Das Gesamtgeschehen war zwischen den Parteien weitgehend unstreitig. Streitig war allein die Frage, ob die Klägerin infolge des Versuchs, die Tiere zu trennen, zu Fall gekommen oder ob der Sturz die Folge einer zu schnellen Vorwärtsbewegung auf dem schneeglatten Grundstück war.
Verletzung muss nur mittelbare Folge des Tierverhaltens sein
Nach Auffassung des OLG kam es für die Haftung des Beklagten auf die Frage der exakten Ursache des Sturzes nicht an. Entscheidend für die verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters gemäß § 833 BGB sei, dass die Verletzung eines Geschädigten adäquat kausal auf ein Tierverhalten zurückzuführen sein. Die Verletzung als solche müsse nicht unmittelbar durch das Tier bewirkt werden.
Hundeangriff war kausal für helfendes Eingreifen
Im konkreten Fall war nach Auffassung des OLG davon auszugehen, dass der Hund des Beklagten durch einen Angriff auf den Kater der Klägerin objektiv eine Gefahr für die Gesundheit des Katers herbeigeführt hatte. Dieser Angriff auf ihren Kater habe die Klägerin zu einem helfenden Eingreifen veranlasst, das damit kausal auf den Angriff auf ihren Kater zurückzuführen sei.
Angemessene Hilfehandlung für bedrohten Kater
Das Verhalten der Klägerin war nach der Bewertung des Senats im konkreten Fall auch adäquat, auch wenn ein möglicherweise überschnelles Vorpreschen auf schneeglattem Grund aus objektiver Sicht nicht besonders klug gewesen sei. Dennoch sei das helfende Eingreifen der Klägerin auch bei objektiver Betrachtungsweise eine verständliche, naheliegende Reaktion gewesen.
Hundehalter haftet
Im Ergebnis muss der Hundehalter gemäß § 833 BGB für den seitens der Klägerin erlittenen Schaden einstehen. Allerdings hat das OLG die Eintrittspflicht des Beklagten zunächst nur dem Grunde nach festgestellt. Über die Höhe des festzusetzenden Schmerzensgeldes muss noch weiterer Beweis erhoben werden.
(OLG Frankfurt, Urteil v. 18.1.2023, 4 U 249/22)
Hintergrund:
Die verschuldensunabhängige Haftung des § 833 für Tiergefahren ist in der Praxis häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.
Hund auf dem Fahrradweg bedeutet Verwirklichung der Tiergefahr
Das OLG Frankfurt hat den mittelbar durch einen plötzlich auf einen Radweg springenden Hund ausgelösten Sturz eines Fahrradfahrers als eine die verschuldensunabhängige Tierhalterhaftung auslösende Verwirklichung einer Tiergefahr bewertet.
Schmerzensgeldhöhe häufig streitig
Hinsichtlich der Höhe des in diesen Fällen zu zahlenden Schmerzensgeldes gehen die Erwartungen der Verletzten häufig über die bei den Gerichten üblichen Schmerzensgeldbeträge hinaus. Im konkreten Fall hatte der Radfahrer einen erheblichen Verlust seiner Lebensqualität geltend gemacht, da er die von ihm gepflegten Freizeitsportarten wie Fahrrad- und Motorradfahren über mehrere Wochen nicht ausüben konnte. Das vom LG erstinstanzlich dem Radfahrer zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 Euro für eine Verletzung an der Hand und am Arm sah das OLG auch angesichts der Folgen als angemessen und ausreichend an und wies die Berufung des Radfahrers, der ein höheres Schmerzensgeld anstrebte, gegen das erstinstanzliche Urteil zurück (OLG Frankfurt, Beschluss v. 20.12.2022, 11 U 89/21).
Schmerzensgeld bis zu 50.000 Euro bei Schlaganfall
In besonders gelagerten Fällen können aber auch deutlich höhere Schmerzensgeldbeträge angemessen sein. So hat das OLG Karlsruhe in einem Fall, in dem eine Frau in Folge eines Hundebisses eine Lungenembolie und als weitere Folge einen Schlaganfall erlitt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro für angemessen gehalten, von dem der Halter des verursachenden Hundes aber nur die Hälfte zahlen musste. Die Frau war ebenfalls Halterin eines Hundes, der mit dem Hund des Gegners in eine wechselseitige Beißerei geraten war (OLG Karlsruhe, Urteil v. 18.9.2019, 7 U 24/19).
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