Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 03.06.2022; Aktenzeichen 19 O 87/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 03.06.2022, Az. 19 O 87/20, - unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.934,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.06.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin 66 % und die Beklagte 34 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 16.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die beklagte "Kreditinstitut" auf Nachzahlung von Zinsen aus einem gekündigten Sparvertrag "S-Prämiensparen flexibel" in Anspruch.

Der Sparvertrag wurde am 26.09.1996 abgeschlossen und sah monatliche Sparraten von jeweils 500,00 DM (=255,65 EUR) vor. Zum Zinssatz war bestimmt:

"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit 4% verzinst."

Darüber hinaus verpflichtete sich die Beklagte, am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche Prämie auf die vertragsgemäß geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres zu zahlen und zwar gestaffelt erstmals nach dem 3. Sparjahr in Höhe von 3% bis zu 50 % nach dem 15. Sparjahr.

In dem Sparvertrag wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die "Bedingungen für den Sparverkehr" und ergänzend die "Sonderbedingungen für den Sparverkehr" einbezogen

In den "Bedingungen für den Sparverkehr" war - neben einer Kündigungsfrist von drei Monaten - (u.a.) bestimmt:

"3.1 Zinshöhe

Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet "Kreditinstitut" dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Geschäftsraum bekannt gegebenen Zinssatz. [...]

3.3 Zinskapitalisierung

Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden die aufgelaufenen Zinsen zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Kapital hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst. [...]"

Die Klägerin zahlte die Sparraten regelmäßig ein.

Der Sparvertrag wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 25.06.2018 zum 30.09.2018 gekündigt.

Die Klägerin hält die Verzinsung für unzureichend. Sie verlangt mit der Klage für die Zeit bis zum 28.12.2018 einen Zinsbetrag von 14.318,91 EUR. Sie stützt sich dabei auf ein Privatgutachten (Dipl.-Betrw. (FH) V....), das diesen Betrag auf der Grundlage eines Referenzzinses aus den Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer Laufzeit von 10 Jahren und einem gleitenden Durchschnitt (WX 4260) errechnet. Dabei geht sie von einem Referenzzins von 7,67 % zu Vertragsbeginn unter Beibehaltung eines relativen Zinsabstandes von 52,15 % aus.

Die entsprechende Zahlungsaufforderung der Klägerin an die Beklagte blieb fruchtlos.

Die Klägerin meint, dass die Vereinbarte Zinsanpassungsklausel zu unbestimmt und damit unwirksam sei. Der Berechnungsmaßstab müsse ein gleitender Referenzzins für langfristige Spareinlagen sein, der monatlich ohne Anpassungsschwelle angepasst werde und der den anfänglichen relativen Abstand zwischen Vertrags- und Referenzzins wahre. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Beklagte den Sparvertrag nicht vor Ablauf von 15 Jahren habe kündigen können.

Die Beklagte hält die Zinsanpassungsklausel für wirksam und meint, die Klageforderung sei verjährt oder zumindest verwirkt. Jedenfalls sei eine Zinsanpassung unter Wahrung des absoluten Zinsabstandes vorzunehmen und es seien die Möglichkeit der dreimonatigen Kündigung und der monatlichen Verfügung von bis zu 2.000 EUR zu berücksichtigen.

Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W... eingeholt, die Beklagte in der Hauptsache zur Zahlung von 6.612,55 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. In dieser Höhe stehe der Klägerin aus dem Sparvertrag i.V.m. § 700 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zinsnachzahlung zu. Die vertragliche Zinsänderungsklausel sei gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweise. Die dadurch entstandene Lücke sei durch ergänzende Vertragsauslegung anhand einer objektiv-generalisierenden Sicht auf die typischen Vorstellungen der beteiligten Verkehrskreise zu füllen. Zu berücksichtigen seien die monatlichen (nicht verpflichtenden) Sparraten, die Höhe der Verzinsung zum Vertragsbeginn, die verzinslichen Sparprämien, die gegenseitigen Möglichkeiten der ordentlichen Kündigung, die Gutschrift und Wiederanlage aufgelaufener Zinsen zum Jahresende und die Möglichkeit des Sparers, Beträge von bis zu 2.000 EUR ohne Kündigung zurück zu erhalten.

Die Zinsanpassung sei monatlich, nicht gleitend, relativ und ohne Anpassungsschwelle in Anlehnung an einen Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen vorzunehmen. Dafür sei eine Kombination der von der Bundesbank v...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge