Entscheidungsstichwort (Thema)

Trennungsunterhalt. Ausbruch aus der intakten Ehe, Karrieresprung des Unterhaltspflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine sexuelle Umorientierung der Unterhaltsberechtigten und Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung stellt eine objektive naturbedingte Gegebenheit und personale Entwicklung dar, die im Hinblick auf die enge Verzahnung mit verfassungsrechtlichen Grundrechten nicht negativ sanktioniert werden darf.

Eine Anwendung der Härteklausel des § 1579 Nr. 6 BGB kommt bei einer gleichgeschlechtlichen Neuorientierung des Unterhaltsberechtigten nicht in Betracht.

 

Normenkette

BGB § 1361 Abs. 1, 3, § 1613 Abs. 1, § 1579

 

Verfahrensgang

AG Schwedt (Urteil vom 20.06.2003; Aktenzeichen 4 F 267/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.04.2008; Aktenzeichen XII ZR 7/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG Schwedt vom 20.6.2003 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Trennungsunterhalt von

  • insgesamt 1.423 EUR für Mai bis September 2001,
  • monatlich 337 EUR für Oktober bis Dezember 2001,
  • monatlich 593 EUR für Januar bis März 2002,
  • monatlich 564 EUR für April und Mai 2002,
  • 557 EUR für Juni 2002,
  • monatlich 560 EUR vom 1. bis zum 10.7.2002,
  • monatlich 748 EUR vom 11. bis zum 31.7.2002,
  • monatlich 826 EUR für August und September 2002,
  • monatlich 842 EUR für Oktober und November 2002,
  • 813 EUR für Dezember 2002 und
  • monatlich 971 EUR für Januar bis zum 10.3.2003

zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 64 % und der Klägerin zu 36 % auferlegt.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen dem Beklagten zu 61 % und der Klägerin zu 39 % zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten über Trennungsunterhalt ab 1.5.2001.

Die am ... 8.1953 geborene Klägerin und der am ... 12.1953 geborene Beklagte waren miteinander verheiratet. Die Eheschließung erfolgte am 5.4.1975 und die Trennung am 7.2.2000. An diesem Tag zog die Klägerin aus der Ehewohnung in S. aus und nach L. um.

Durch Urteil des AG vom 23.1.2003 wurde die Ehe der Parteien geschieden (4 F 11/01). Der Scheidungsausspruch ist seit dem 11.3.2003 rechtskräftig.

Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen.

  • O., geboren am ... 1973,
  • A., geboren am ... 1975,
  • K., geboren am ... 1981,
  • M., geboren am ... 1984,
  • J., geboren am ... 1990.

Im Zeitpunkt der Trennung lebten nur noch die drei jüngeren Kinder im Haushalt der Parteien. Sie blieben nach dem Auszug der Klägerin beim Beklagten. Seit Ende 2001 lebt auch K. in einer eigenen Wohnung.

Die Klägerin hat eine Ausbildung als Finanzökonomin und war während des ehelichen Zusammenlebens viele Jahre berufstätig. Im Unterhaltszeitraum hat sie nicht gearbeitet, und sie geht auch heute keiner Arbeit nach. Der Beklagte, der ursprünglich eine Ausbildung als Diplom-Ingenieur absolviert hat, arbeitet in leitender Position bei der P. GmbH. Er hat während des Zusammenlebens der Parteien ein Studium absolviert und dieses Anfang 2000 erfolgreich abgeschlossen.

Die Klägerin hat im Unterhaltszeitraum anfangs Krankengeld bezogen. Seit Mitte Juli 2002 erhält sie Sozialhilfe. Trennungsunterhaltszahlungen sind vom Beklagte nicht geleistet worden.

Das AG hat nach einer Beweisaufnahme und Zeugenvernehmung der neuen Partnerin der Klägerin sowie der Kinder M. und K. zur Frage des Vorliegens einer intakten Ehe der Parteien bzw. zur Aufnahme intimer Beziehungen zwischen der Klägerin und der Zeugin M. die Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe ihren Anspruch auf Unterhalt nach § 1579 Nr. 6 BGB verwirkt, da sie am 7.2.2000 aus der Ehewohnung ausgezogen und bei ihrer Freundin in L. eingezogen sei. Damit sei ein Ausbruch aus intakter Ehe verbunden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die insbesondere geltend macht:

  • Ein Verwirkungstatbestand sei entgegen der Auffassung des AG nicht gegeben. Abgesehen davon hätte das AG selbst bei Bejahung eines Verwirkungstatbestands Billigkeitsabwägungen vornehmen müssen, die jedoch unterblieben seien.
  • Der Beklagte sei darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass sie aus einer intakten Ehe ausgebrochen sei. Dieser Nachweis sei ihm nicht gelungen.

Tatsächlich und abweichend von den Aussagen ihrer beiden Kinder sei ihre Ehe nämlich schon lange Zeit vor der Trennung nicht mehr intakt gewesen, und sie habe bereits 1999 ihre Trennungsabsicht ggü. der Familie zum Ausdruck gebracht.

  • Ihr stehe der errechnete Trennungsunterhaltsanspruch zu, da sie chronisch krank sei und ihre Lungenerkrankung nicht mehr geheilt werden könne. Auch befinde sie sich wegen depressiver Reaktionen in psychotherapeutischer Beh...

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