Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten um den von der Ehefrau geltend gemachten Trennungsunterhalt. In dem zwischen ihnen geführten Rechtsstreit ging es primär um die Frage, ob die unterhaltsberechtigte Ehefrau durch Aufnahme einer gleichgeschlechtlichen Beziehung aus der intakten Ehe ausgebrochen war und den Unterhaltsanspruch dadurch verwirkt hatte. Ferner berief sich der Ehemann hinsichtlich seines gestiegenen Einkommens auf einen unerwarteten Karrieresprung, die Ehefrau berief sich auf ihre dauerhafte Arbeitsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über Trennungsunterhalt für die Zeit vom 1.5.2001 bis zur Rechtskraft der Scheidung am 11.3.2003.
Sie hatten im Jahre 1975 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren fünf zwischen 1975 und 1990 geborene Kinder hervorgegangen. Die Trennung der Eheleute erfolgte Anfang Februar 2000. An diesem Tag war die Ehefrau aus der Ehewohnung aus- und bei ihrer neuen Partnerin eingezogen. Die drei jüngeren noch im Haushalt der Eheleute lebenden Kinder blieben bei ihrem Vater.
Die Ehefrau hatte eine Ausbildung als Finanzökonomin absolviert und war während des ehelichen Zusammenlebens viele Jahre berufstätig. In dem Unterhaltszeitraum war sie keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Der Ehemann hatte ursprünglich eine Ausbildung als Diplom-Ingenieur absolviert und arbeitete in leitender Position bei der P. GmbH. Während des ehelichen Zusammenlebens hatte er ein Studium absolviert und dieses Anfang 2000 erfolgreich abgeschlossen.
Während des Unterhaltszeitraums bezog die Ehefrau Krankengeld. Seit Mitte Juli 2002 erhielt sie Sozialhilfe. Trennungsunterhalt leistete der Ehemann nicht.
Das AG hat nach einer Beweisaufnahme und Zeugenvernehmung der neuen Partnerin der Klägerin sowie der beiden in den Jahren 1981 und 1984 geborenen Kinder der Parteien zur Frage des Vorliegens einer intakten Ehe der Parteien bzw. zur Aufnahme intimer Beziehungen zwischen der Klägerin und der Zeugin die Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe ihren Anspruch auf Unterhalt nach § 1579 Nr. 6 BGB wegen Ausbruchs aus der intakten Ehe verwirkt.
Gegen das erstinstanzliche Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Nach teilweiser Berufungsrücknahme begehrte sie auch weiterhin Zahlung von Unterhalt für den Zeitraum von Mai 2001 bis zur Rechtskraft der Ehescheidung.
Der Ehemann hielt den Unterhaltsanspruch für vollständig verwirkt und berief sich ferner darauf, sein jetziges Einkommen entspreche nicht den ehelichen Lebensverhältnissen, es liege ein unerwarteter Karrieresprung vor. Im Übrigen habe die Ehefrau ihre Erwerbs- oder Arbeitsunfähigkeit nicht schlüssig vorgetragen.
Das Rechtsmittel der Ehefrau gegen das erstinstanzliche Urteil war überwiegend erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG ging von einer Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes für den streitbefangenen Zeitraum aus.
Entgegen der Auffassung des AG könne von den Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beklagten sowie zur Höhe des angemessenen Bedarfs und des ungekürzten Trennungsunterhaltsanspruchs der Klägerin nicht abgesehen werden. Die im Rahmen der §§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB vorzunehmende umfassende Interessenabwägung zur Beurteilung einer von § 1579 BGB vorausgesetzten groben Unbilligkeit, auf die sich der Beklagte berufe, sei ohne die konkrete Ermittlung der Einkommensverhältnisse des Unterhaltsschuldners nicht möglich (vgl. hierzu Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4 Rz. 619; Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1579 Rz. 44).
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt in der ausgeurteilten Höhe beruhe auf §§ 1361 Abs. 1, 1613 Abs. 1 BGB. Das Maß des eheangemessenen Unterhalts bestimme sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt bemesse sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Stand der wirtschaftlichen Verhältnisse, an deren Entwicklung bis zur Scheidung die Ehegatten gemeinschaftlich teilgehabt hätten. Veränderungen der Einkommensverhältnisse nach der Trennung der Ehegatten bis zur Scheidung beeinflussten grundsätzlich die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse. Anderes gelte nur dann, wenn sie auf einer unerwarteten und vom Normalfall abweichenden Entwicklung beruhten. Ein solcher Ausnahmefall sei hier entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gegeben. Sein eingetretener beruflicher Aufstieg sei nicht unerwartet und außergewöhnlich. Der Grundstein für die Übernahme wichtiger Leitungsfunktionen sei bereits während des ehelichen Zusammenlebens der Parteien gelegt worden.
Aufseiten der Klägerin ging das OLG bei der Unterhaltsmessung von ihren tatsächlichen Einkünften im Trennungsunterhaltszeitraum aus. Eine auf die Verletzung einer Erwerbsobliegenheit gestützte Zurechnung fiktiven Arbeitseinkommens sei nicht vorzunehmen. Der mit der Erstellung eines Gutachtens beauftra...