Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigung einer Änderung des Stellenplans einer gewerblichen Berufsgenossenschaft
Beteiligte
Rechtsanwälte Diethard Heinemann und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Verweigerung der staatlichen Genehmigung einer von der Beschwerdeführerin, einer gewerblichen Berufsgenossenschaft, beschlossenen Änderung des Stellenplanes.
I.
1. Die Vertreterversammlung der Beschwerdeführerin hatte Ende 1995 beschlossen, den Stellenplan für ihre Dienstordnungs-Angestellten des höheren nicht-technischen Verwaltungsdienstes um eine Stelle nach Besoldungsgruppe B 3 der Bundesbesoldungsordnung (BBesO) im Rahmen der Dienstordnung zu erweitern und diese ihrem Geschäftsführer zuzuweisen. Art. VIII § 1 Abs. 5 des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2. BesVNG) vom 23. Mai 1975 (BGBl I S. 1173) sieht für den Posten des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin lediglich einen Zuordnungsrahmen bis einschließlich Besoldungsgruppe B 2 vor. Diese Regelung besteht unverändert fort. In diesem Zeitraum haben sich – was im Wesentlichen von keiner Seite bestritten wird – die Verhältnisse im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung erheblich verändert. Die Berufsgenossenschaften und die ihnen zugewiesenen Aufgaben sind, auch durch die Übernahme der Unfallversicherung in den Beitrittsgebieten, in besonderer Weise gewachsen; eine Anpassung der Besoldungsvorschriften für die Geschäftsführer an diese Entwicklung ist bisher nicht erfolgt.
Das Bundesversicherungsamt als zuständige Aufsichtsbehörde verweigerte die nach § 700 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Reichsversicherungsordnung und jetzt nach § 147 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erforderliche Genehmigung des Versammlungsbeschlusses unter Hinweis auf die entgegenstehende Besoldungsvorschrift. Die dagegen gerichtete Klage vor den Sozialgerichten blieb erfolglos.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Art. 87 Abs. 2, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG.
Sie werde durch Art. VIII § 1 Abs. 5 2. BesVNG und die darauf beruhenden ablehnenden Entscheidungen des Bundesversicherungsamtes und der Sozialgerichte in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt. Dieses leite sich aus Art. 87 Abs. 2 GG und aus den ihr im Sozialgesetzbuch gewährten, weit reichenden selbstverwalterischen Organisationsrechten ab. Ihr sei eine den Gemeinden vergleichbare Stellung und damit ein Art. 28 Abs. 2 GG vergleichbarer Schutzanspruch eingeräumt.
Daneben beruft sich die Beschwerdeführerin auf Art. 33 Abs. 5 GG. Dieser enthalte als einen Grundsatz des Berufsbeamtentums das Prinzip der amtsangemessenen Besoldung. Dieser verpflichte sie nicht nur als Dienstherrin, sondern berechtige sie auch grundrechtlich gegenüber Eingriffen durch andere Organisationseinheiten des Staates. Zudem sei sie in Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, der ihr als Berufsgenossenschaft im Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 5 GG und dem Grundsatz der Selbstverwaltung Schutz vor willkürlicher Behandlung durch den Staat gewähre.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da die Beschwerdeführerin als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht Trägerin materieller Grundrechte sein kann. Ihre Annahme ist daher nicht gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG angezeigt.
1. Die Grundrechte dienen vorrangig dem Schutz der Freiheitssphäre des einzelnen Menschen als natürlicher Person gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt. Darüber hinaus sichern sie Voraussetzung und Möglichkeiten für eine freie Mitwirkung und Mitgestaltung des Einzelnen im Gemeinwesen (vgl. BVerfGE 15, 256 ≪262≫; 21, 362 ≪369≫; 59, 231 ≪255≫; 61, 82 ≪100 f.≫; 65, 1 ≪43≫; 68, 193 ≪205≫). Auf juristische Personen des öffentlichen Rechts sind die materiellen Grundrechte und der zu ihrer Verteidigung geschaffene außerordentliche Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht anwendbar. Jedenfalls gilt dies, soweit die juristischen Personen öffentliche Aufgaben erfüllen (vgl. BVerfGE 21, 362 ≪369 ff.≫; 45, 63 ≪78≫; 61, 82 ≪101≫; 68, 193 ≪206≫). Denn die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch sie vollzieht sich auf Grund von Kompetenzen, die das positive Recht zuordnet, inhaltlich bemisst und begrenzt. Die Regelung dieser Beziehungen und die Entscheidung daraus resultierender Konflikte sind nicht Gegenstand der Grundrechte, weil der unmittelbare Bezug zum Menschen fehlt (vgl. BVerfGE 21, 362 ≪370 f.≫; 61, 82 ≪101≫; 68, 193 ≪206≫).
2. Durch die Versagung der gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigung zu einer Personalmaßnahme im Rahmen der Dienstordnung (vgl. § 144 SGB VII) wird die Beschwerdeführerin in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben (§§ 1, 114 Abs. 1, 121 Abs. 1 SGB VII; vgl. Kater in: Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, Kommentar, 1997, § 1 Rn. 3) betroffen. Der Geschäftsführer, um dessen Vergütung es im vorliegenden Fall geht, ist zur hauptamtlichen Führung der sich aus diesen Aufgaben ergebenden Verwaltungsgeschäfte nach Maßgabe des § 36 SGB IV berufen. Die Beschwerdeführerin ist insoweit Teil der mittelbaren Staatsverwaltung mit dem Recht zur Selbstverwaltung (vgl. Leube, a.a.O., § 114 Rn. 6). Sie kann sich deshalb auf materielle Grundrechte nicht berufen.
3. Auch die von der Beschwerdeführerin angeführten Vorschriften des Grundgesetzes können ihre Grundrechtsfähigkeit nicht begründen.
a) Art. 87 Abs. 2 GG vermittelt keine verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerin, deren Verletzung im Verfahren der Verfassungsbeschwerde geltend werden könnten. Als Kompetenznorm grenzt er die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern ab (vgl. BVerfGE 21, 362 ≪371≫; 39, 302 ≪314 f.≫).
b) Auch die geltend gemachte Verletzung des der Beschwerdeführerin eingeräumten Rechts zur Selbstverwaltung berechtigt nicht zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde. Zum einen ist dieses Recht der Beschwerdeführerin nur auf der Grundlage und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften eingeräumt (vgl. § 29 SGB IV; vgl. auch BVerfGE 36, 383 ≪393≫; 39, 302 ≪314 f.≫). Zum anderen berechtigt die angebliche Verletzung eines Rechts auf Selbstverwaltung zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde nur in den im Grundgesetz und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG; § 91 BVerfGG). Deshalb ist es im Ergebnis ohne Bedeutung, dass das Selbstverwaltungsrecht der gesetzlichen Berufsgenossenschaften im Vergleich zu anderen Trägern der Sozialversicherung als besonders ausgeprägt gilt (vgl. Bieback in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2: Unfallversicherungsrecht, 1996, § 54 Rn. 9).
c) Die Vorschrift des Art. 33 Abs. 5 GG erlaubt keine andere Beurteilung. Sie könnte ohnehin allenfalls entsprechend auf die privatrechtlich beschäftigten Dienstordnungs-Angestellten (vgl. dazu Bieback, a.a.O., § 55 Rn. 3, 18, 19, 20) zur Anwendung kommen. Jedenfalls gewährt Art. 33 Abs. 5 GG der Beschwerdeführerin keine Rechte, die sie als dienstherrenähnliche Arbeitgeberin gegenüber dem Staat geltend machen kann. Soweit der Vorschrift ein grundrechtsgleiches Individualrecht entnommen werden kann (vgl. BVerfGE 8, 1 ≪14≫), ist es dem einzelnen Beamten in Bezug auf seine persönliche Rechtsstellung zur Durchsetzung der dem Staat durch Art. 33 Abs. 5 GG auferlegten Bindungen gewährt.
Im Übrigen wird von der Begründung der Entscheidung abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 565142 |
NVwZ-RR 2001, 93 |
DVBl. 2001, 63 |