Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Sie werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig.
1. Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG kann zwar bei Bundestagswahlen eine Verletzung aller fünf Wahlrechtsgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden (vgl. BVerfGE 99, 1 ≪7≫). Zulässig sind unter den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen insbesondere unmittelbar gegen Wahlrechtsvorschriften gerichtete Verfassungsbeschwerden (vgl. BVerfGE 1, 208 ≪237 f.≫; 3, 19 ≪23≫; 82, 322 ≪336≫). Gleiches gilt für Verfassungsbeschwerden gegen im Zusammenhang mit Bundestagswahlen getroffene Entscheidungen und Maßnahmen, soweit sich diese nicht unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 1987 – 2 BvR 64/87 –, NVwZ 1988, S. 817 ≪818≫).
2. Demgegenüber können Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden (vgl. BVerfGE 74, 96 ≪101≫; 83, 156 ≪158≫). Für die Wahlen zum Deutschen Bundestag sehen Art. 41 GG in Verbindung mit § 48 BVerfGG, § 49 BWahlG und das Wahlprüfungsgesetz insoweit die ausschließlich statthaften Rechtsbehelfe vor.
a) Die Wahl im großräumigen Flächenstaat erfordert eine Fülle von Einzel- entscheidungen zahlreicher Wahlorgane (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫). Der reibungslose Ablauf einer Parlamentswahl kann nur gewährleistet werden, wenn die Rechtskontrolle der zahlreichen Einzelentscheidungen der Wahlorgane während des Wahlverfahrens begrenzt und im Übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 16, 128 ≪129 f.≫). Wären alle Entscheidungen, die sich unmittelbar auf die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum Deutschen Bundestag beziehen, vor dem Wahltermin mit Rechtsmitteln angreifbar, käme es in dem Wahlorganisationsverfahren, das durch das ebenenübergreifende Zusammenspiel der einzelnen Wahlorgane mit zahlreichen zu beachtenden Terminen und Fristen geprägt ist, zu erheblichen Beeinträchtigungen. Umfangreichere Sachverhaltsermittlungen und die Klärung schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Fragen wären kaum ohne erhebliche Auswirkungen auf den Ablauf des Wahlverfahrens möglich. Daher ist es von Verfassungs wegen gerechtfertigt, dass gemäß § 49 BWahlG bei der Wahl zum Deutschen Bundestag die Rechtskontrolle der unmittelbar auf das Wahlverfahren bezogenen Entscheidungen während des Wahlablaufs eingeschränkt ist und im Übrigen die Kontrolle von Wahlfehlern einem nach der Wahl durchzuführenden Prüfungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫; 16, 128 ≪129 f.≫; 29, 18 ≪19≫; 74, 96 ≪101≫; 83, 156 ≪158≫; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. April 1994 – 2 BvR 2686/93 –, NVwZ 1994, S. 893 ≪894≫ und vom 24. August 2009 – 2 BvR 1898/09 und 2 BvQ 50/09 –, juris).
b) Zu den nur nach der Wahl anfechtbaren wahlorganisatorischen Entscheidungen und Maßnahmen im Sinne des § 49 BWahlG gehört auch die Entscheidung über die Zulassung der Wahlvorschläge (vgl. Schreiber, BWahlG, 8. Aufl. 2009, § 49 Rn. 7). Das Bundesverfassungsgericht kann daher wegen der Ablehnung von Wahlvorschlägen nach § 28 BWahlG im Rahmen einer Bundestagswahl nicht unmittelbar, sondern erst nach Durchführung der Wahlprüfung durch den Deutschen Bundestag angerufen werden (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫; 28, 214 ≪219≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 28. November 1990 – 2 BvQ 18/90 –, juris; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2009 – 2 BvR 1898/09 und 2 BvQ 50/09 –, juris). Verfassungsbeschwerden sind aufgrund dieser sich aus der besonderen Natur des Wahlverfahrens (Art. 38 und Art. 41 GG) ergebenden Sonderregelung ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫).
c) Soweit die Beschwerdeführer einwenden, die einfachgesetzliche Vorschrift des § 49 BWahlG könne die Verfassungsnorm des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG nicht derogieren, handelt es sich bei § 49 BWahlG um eine verfassungskonforme Konkretisierung des sich aus der Verfassung selbst ergebenden Grundsatzes, dass Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden können (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫; 16, 128 ≪129 f.≫; 29, 18 ≪19≫).
3. Die beschränkten Anfechtungsmöglichkeiten bei Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, führen entgegen der Annahme der Beschwerdeführer nicht zu einer gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßenden Verkürzung ihres Rechtsschutzes.
a) Die deutsche Rechtsentwicklung auf dem Gebiete der Wahlprüfung ist seit der Einführung demokratischer Wahlrechte wesentlich durch die Ausbildung eines eigenständigen, besonderen Regeln unterworfenen Verfahrens geprägt. Die Ausgestaltung war zwar im Einzelnen verschieden. In einigen Verfassungen wurde dem Parlament die ausschließliche Entscheidungsbefugnis zuerkannt. Andere Verfassungen engten diese Befugnis ein und begründeten ein Mischsystem parlamentarischer und gerichtlicher Zuständigkeiten. Immer aber wurde die Wahlprüfung als eine spezielle, von anderen Verfahren deutlich abgehobene Rechtskontrolle betrachtet (vgl. BVerfGE 28, 214 ≪218 f.≫).
b) An diese Entwicklung schließt Art. 41 GG an, wenn er die Wahlprüfung als „Sache des Bundestages” bezeichnet (vgl. BVerfGE 28, 214 ≪218 f.≫). Er entzieht damit die Korrektur etwaiger Wahlfehler, einschließlich solcher, die Verletzungen subjektiver Rechte enthalten, dem Rechtsweg des Art. 19 Abs. 4 GG. Stattdessen ist gegen die Entscheidung des Bundestages gemäß Art. 41 Abs. 2 GG die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht statthaft (vgl. BVerfGE 22, 277 ≪281≫; 34, 81 ≪94≫; 46, 196 ≪198≫; 66, 232 ≪234≫).
c) Das Bundesverfassungsgericht kann auch in dem Verfahren nach Art. 41 Abs. 2 GG der ihm übertragenen Aufgabe des Grundrechtsschutzes gerecht werden (vgl. BVerfGE 34, 81 ≪94 f.≫).
aa) Gegenstand der Wahlprüfung ist zwar in erster Linie nicht die Verletzung subjektiver Rechte, sondern die Gültigkeit der Wahl als solcher (vgl. BVerfGE 89, 291 ≪299≫). Das Wahlprüfungsverfahren dient der Gewährleistung der gesetzmäßigen Zusammensetzung des Parlaments. Dementsprechend können grundsätzlich nur solche festgestellten Gesetzesverletzungen zu Eingriffen der Wahlprüfungsinstanzen führen, die auf die gesetzmäßige Zusammensetzung der Volksvertretung, also auf die konkrete Mandatsverteilung, von Einfluss sind oder sein können. Mit dieser Maßgabe dient das Wahlprüfungsverfahren jedoch auch der Verwirklichung des subjektiven aktiven und passiven Wahlrechts (vgl. BVerfGE 85, 148 ≪158 f.≫; 99, 1 ≪11 f.≫; vgl. auch BVerfGE 103, 111 ≪134≫).
bb) Das Verfahren nach Art. 41 Abs. 2 GG ist ein eigenständiges, nicht auf die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wahl beschränktes Verfahren (vgl. BVerfGE 89, 243 ≪249≫). Das Bundesverfassungsgericht prüft im Wahlprüfungsverfahren den angegriffenen Beschluss des Deutschen Bundestages nicht nur in formeller Hinsicht und darauf, ob Vorschriften des materiellen Rechts zutreffend angewandt worden sind (vgl. BVerfGE 97, 317 ≪322≫), sondern auch daraufhin, ob das angewandte Wahlgesetz mit der Verfassung in Einklang steht (vgl. BVerfGE 16, 130 ≪136≫; 21, 200 ≪204≫; 34, 81 ≪95≫; BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 – 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 –, NVwZ 2009, S. 708 ≪709≫). Etwaige Grundrechtsverstöße stellt es fest und zieht aus ihnen, soweit sie sich möglicherweise auf die Mandatsverteilung ausgewirkt haben, auch Folgerungen für die Gültigkeit der Wahl (vgl. BVerfGE 34, 81 ≪95≫).
cc) Durch die auch bei fehlender Mandatsrelevanz im Wahlprüfungsverfahren mögliche Feststellung der Verletzung subjektiver Wahlrechte durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 41 Rn. 53 ≪Feb. 2004≫; Lang, Subjektiver Rechtsschutz im Wahlprüfungsverfahren, 1997, S. 349; Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2. Aufl. 1998, § 56 Rn. 138; Meyer, KritV 1994, S. 312 ≪359≫; Morlok, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 41 Rn. 13; Ortmann, ThürVBl 2006, S. 169 ≪171≫; Roth, Subjektiver Wahlrechtsschutz und seine Beschränkungen durch das Wahlprüfungsverfahren, in: Pfeiffer/Burger- meister/Roth, Der verfasste Rechtsstaat, Festgabe für Karin Graßhof, S. 53 ≪63≫; Schreiber, BWahlG, 8. Aufl. 2009, § 49 Rn. 42; ders., Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 7. Aufl. 2002, § 49 Rn. 11; Seifert, Bundeswahlrecht, Kommentar, 3. Aufl. 1976, Art. 41 Rn. 9), von der das Bundesverfassungsgericht auch Gebrauch macht (vgl. BVerfGE 4, 370 ≪373≫; 89, 243 ≪255 ff.≫), wird auch in diesen Fällen dem subjektiven Wahlrechtsschutz hinreichend Rechnung getragen.
dd) Die von den Beschwerdeführern angeregte Unterscheidung zwischen Maßnahmen vor der Wahl, gegen die eine Verfassungsbeschwerde zulässig sein solle, und nach der Wahl, die nur im Wahlprüfungsverfahren geprüft werden sollen, findet im Grundgesetz keine Stütze. Die Erwägung, dass die Wahl im großräumigen Flächenstaat eine Fülle von Einzelentscheidungen zahlreicher Wahlorgane erfordert und die Wahl nur gleichzeitig und termingerecht durchgeführt werden kann, wenn die Rechtskontrolle dieser Entscheidungen während des Wahlablaufs begrenzt wird und im Übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 28, 214 ≪219 f.≫), bezieht sich gerade auf die Erfordernisse im Zeitraum vor der Wahl.
4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Mellinghoff, Lübbe-Wolff
Fundstellen