Verfahrensgang
Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg (Urteil vom 17.06.2014; Aktenzeichen 1 VB 15/13) |
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft – wie die ihm zugrunde liegende Verfassungsbeschwerde – glücksspielrechtliche Vorschriften. Mit dem Antrag will die Beschwerdeführerin erreichen, den Betrieb von vier Spielhallen vorläufig aufrechtzuerhalten.
I.
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt seit 2012 vier Spielhallen in Heidelberg. Am 30. Juni 2013 liefen ihre Spielhallenerlaubnisse aus. Den Antrag auf Erteilung von vier Erlaubnissen nach § 41 des baden-württembergischen Landesglücksspielgesetzes (im Folgenden: LGlüG) lehnte die Stadt Heidelberg mit Bescheid vom 11. Juni 2013 ab. Entgegen § 42 Abs. 1 LGlüG lägen zwei Spielhallen weniger als 500 Meter voneinander entfernt. Außerdem befänden sich die Spielhallen entgegen § 42 Abs. 2 LGlüG in einem Gebäude unmittelbar nebeneinander. § 42 Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG lautet:
Anforderungen an die Errichtung von Spielhallen |
(1) Spielhallen müssen einen Abstand von mindestens 500 m Luftlinie, gemessen von Eingangstür zu Eingangstür, untereinander haben.
(2) Die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ist ausgeschlossen.
§ 42 Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG geht auf § 25 Abs. 1 und Abs. 2 Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) vom 15. Dezember 2011 (verkündet als Art. 1 des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 ≪GBl. für Baden-Württemberg 2012, S. 385≫) zurück. Dieser bestimmt:
Beschränkungen von Spielhallen |
(1) Zwischen Spielhallen ist ein Mindestabstand einzuhalten (Verbot von Mehrfachkonzessionen). Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen der Länder.
(2) Die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ist ausgeschlossen.
1. Am 30. Juni 2013 erhob die Antragstellerin Verfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, mit der sie sich unter anderem unmittelbar gegen § 42 Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG sowie § 25 Abs. 1 und Abs. 2 GlüStV wandte. Der Staatsgerichtshof erkannte mit Urteil vom 17. Juni 2014 für Recht, dass § 42 Abs. 2 LGlüG in Verbindung mit § 25 Abs. 2 GlüStV mit der Landesverfassung vereinbar und damit gültig seien und wies die Verfassungsbeschwerde insoweit als unbegründet zurück. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Abstandsgebot des § 42 Abs. 1 LGlüG beziehungsweise § 25 Abs. 1 GlüStV richtete, verwarf er diese als unzulässig, weil die Beschwerdeführerin nicht vorgetragen hatte, ob sich im Umkreis von 500 m weitere Spielhallen oder Einrichtungen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen befanden.
Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2014 erhob die Antragstellerin gegen das Urteil des Staatsgerichtshofs Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.
2. Mit vier gleichlautenden Bescheiden vom 9. Oktober 2013 untersagte die Stadt Heidelberg den Betrieb der vier Spielhallen gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO, weil die Spielhallen ohne Erlaubnis betrieben würden. Gegen die Untersagungsanordnungen erhob die Antragstellerin Widerspruch.
Die Stadt Heidelberg ordnete sodann am 18. September 2014 die sofortige Vollziehung der Betriebsuntersagungen vom 9. Oktober 2013 an. Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Betriebsuntersagungen nach § 80 Abs. 5 VwGO wieder herzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 6. März 2015 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 13. Juli 2015 zurück (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Juli 2015 – 6 S 679/15 –, juris).
Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2015 beantragte die Antragstellerin beim Bundesverfassungsgericht, der Stadt Heidelberg im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Untersagungsanordnungen vom 9. Oktober 2013 zwangsweise durchzusetzen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Antragstellerin rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 70 ff. GG sowie eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die beantragte Anordnung diene der Sicherung des bundesverfassungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens. Die Voraussetzungen gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG lägen vor.
1. Die Verfassungsbeschwerde sei weder unzulässig noch (offensichtlich) unbegründet. § 42 Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG sowie § 25 Abs. 1 und Abs. 2 GlüStV seien wegen Verletzung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das „Recht der Wirtschaft ohne das Recht der Spielhallen” verfassungswidrig und verletzten die Antragstellerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und aus Art. 2 Abs. 1 GG.
2. Die Folgenabwägung falle zugunsten der Antragstellerin aus.
a) Bei einem Vollzug der Betriebsuntersagungen drohe ein endgültiger Ausschluss der Antragstellerin von der grundrechtlich geschützten Gewerbetätigkeit. Durch eidesstattliche Versicherung sei glaubhaft gemacht, dass die Insolvenz des Unternehmens unausweichlich sei, weswegen umfassendere Darlegungen oder eine Vorlage entsprechender Verträge nicht erforderlich seien. Eine anderweitige gewerbliche Nutzung der gemieteten Räume biete sich nicht an, gewährleiste jedenfalls nicht Einnahmen, die es der Antragstellerin ermöglichten, ihren umfangreichen Verpflichtungen aus der Finanzierung der erheblichen Anfangsinvestitionen für die Inbetriebnahme der Spielhallen und aus dem langfristigen Mietvertrag nachzukommen. Eine Umnutzung würde zudem einen nicht unerheblichen Investitionsbedarf beinhalten, ohne dass die Antragstellerin auf eine gesicherte Finanzierung zurückgreifen könnte. Der Betrieb der vier Spielhallen mache bei wirtschaftlicher Betrachtung die gesamte gewerbliche Betätigung der Antragstellerin aus.
b) Der Vollzug der Betriebsuntersagungen komme einem vorläufigen Berufsverbot jedenfalls nahe. Vorläufige Berufsverbote seien nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Die Betriebsuntersagungen dienten jedoch nicht der Abwehr konkreter Gefahren, sondern der Umsetzung von Standortbeschränkungen für die Ansiedlung von Spielhallen, die die Abwehr abstrakter Gefahren bezweckten, die mit dem gewerblichen Gewinnspiel verbunden sein könnten.
c) Demgegenüber habe das Interesse der Allgemeinheit an einem zeitnahen Wirksamwerden der mit dem Glücksspielstaatsvertrag beziehungsweise dem Landesglücksspielgesetz zur Eindämmung der Spielsucht vorgenommenen Rechtsänderungen kein hohes Gewicht. Dies folge bereits daraus, dass die landesrechtliche „Eindämmungs-Gesetzgebung” für die quantitativ weit überwiegende Anzahl der Betreiber von Spielhallen nach den insoweit anzuwendenden Übergangsregelungen (vgl. § 51 Abs. 4 LGlüG, § 29 Abs. 4 GlüStV) erst im Sommer 2017 wirksam werde. Außerdem sei es seit Jahrzehnten zulässig gewesen, eine Spielhalle ohne Einhaltung eines Mindestabstands zu anderen Spielhallen oder auch im selben Gebäude zu betreiben. Dass es sich bei den neuen Verbots- und Beschränkungsregelungen um unaufschiebbare Maßnahmen handele, die im Interesse des gemeinen Wohls zur Abwehr konkreter Gefahren zeitnah umgesetzt werden müssten, sei nicht ersichtlich.
III.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, das in der Hauptsache zu verfolgende Begehren erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 132, 195 ≪232≫; 134, 135 ≪137≫; stRspr).
Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde jedoch der Erfolg versagt bliebe (vgl. BVerfGE 131, 47 ≪55≫; 132, 195 ≪232≫; stRspr). Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 131, 47 ≪55≫; 132, 195 ≪232≫; stRspr).
Die Folgenabwägung gemäß § 32 BVerfGG stützt sich auf eine bloße Einschätzung der Entscheidungswirkungen (BVerfGE 94, 166 ≪217≫). Hierbei legt das Bundesverfassungsgericht in aller Regel die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen zugrunde, wie sie in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommen worden sind (vgl. BVerfGE 34, 211 ≪216≫; 36, 37 ≪40≫; BVerfGK 16, 410 ≪415≫).
2. Nach diesen Maßstäben ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht angezeigt.
a) Die Verfassungsbeschwerde erscheint zwar weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet.
b) Die gebotene Folgenabwägung führt gleichwohl nicht zum Erlass der einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin hat einen unter den gegebenen Umständen hinreichend schweren und das Vollzugsinteresse deutlich überwiegenden Nachteil nicht dargelegt.
aa) Erginge die einstweilige Anordnung, hätte die Verfassungsbeschwerde aber keinen Erfolg, würden die vom Landesgesetzgeber mit § 42 Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG verfolgten Belange einstweilen nicht verwirklicht. Wendet sich der Antragsteller, wie hier, gegen den Vollzug eines Gesetzes, wird eine Aussetzung regelmäßig für die Gesamtheit der betroffenen Normadressaten und nicht nur für den Beschwerdeführer vorzunehmen sein (vgl. etwa BVerfGE 12, 276 ≪280≫; 14, 153 f.; 29, 120 ≪125≫; 43, 47 ≪51 f.≫; 83, 162 ≪170 f.≫; 91, 320 ≪326 f.≫). Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, allerdings nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, weil dies einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers darstellt (vgl. BVerfGE 122, 374 ≪384≫; 131, 47 ≪61≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13. Mai 2015 – 1 BvQ 9/15 –, NJW 2015, S. 1815 ≪1816≫; stRspr). Schon wenn die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellation einander in etwa gleichgewichtig gegenüberstehen, verbietet es die gegenüber der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers notwendige Zurückhaltung des Gerichts daher, das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt ist, ob es vor der Verfassung Bestand hat (vgl. BVerfGE 104, 51 ≪60≫; 106, 369 ≪376≫; 108, 45 ≪51≫; BVerfGK 6, 178 ≪181≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13. Mai 2015 – 1 BvQ 9/15 –, NJW 2015, S. 1815 ≪1816≫).
Bei der hier in Rede stehenden Verhinderung der Spiel- und Wettsucht (vgl. § 1 Nr. 1 und Nr. 3 GlüStV; Erläuterungen zu §§ 24 bis 26 des Glücksspielstaatsvertrags, Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 15/1570, S. 41) handelt es sich zudem um ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel. Spielsucht kann zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen (vgl. BVerfGE 102, 197 ≪216≫; 115, 276 ≪304 f.≫). Erginge die einstweilige Anordnung, so würde die Verwirklichung dieses aus der Sicht des Gesetzgebers überragenden Zieles bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde unterbunden.
bb) Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, entstünden der Antragstellerin durch den Vollzug der Betriebsuntersagungen zwar erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Sie wäre bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde an dem Betrieb der vier Spielhallen gehindert und somit in ihrer Berufsfreiheit empfindlich beeinträchtigt.
Die Schutzwürdigkeit der Antragstellerin wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass sie nicht substantiiert dargetan hat, dass sie die Nachteile, die ihr durch den Vollzug der Betriebsuntersagungen entstehen, nicht hätte vermeiden können (vgl. BVerfGE 55, 1 ≪4 f.≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1994 – 1 BvR 2132/93 –, juris, Rn. 19). Insoweit hätte es zumindest nachprüfbarer und konkreter Darlegungen bedurft (vgl. BVerfGE 106, 351 ≪357≫; BVerfGK 7, 188 ≪192≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. September 1999 – 2 BvR 1646/98 –, NVwZ-RR 2000, S. 16), dass die mit § 42 Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG verbundenen Rechtsfolgen für sie nicht vermeidbar waren. Das war nicht der Fall.
Der Glücksspielstaatsvertrag, auf den § 42 Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG zurückgeht, wurde bereits am 15. Dezember 2011 geschlossen. Ein Entwurf, der – jedenfalls soweit er hier relevant ist – mit der endgültigen Fassung übereinstimmt, lag bereits am 18. November 2011 vor (vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 15/849, S. 1). Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags stammt vom 17. April 2012 und wurde am selben Tag beim Landtag eingebracht. Die entsprechende Drucksache datiert vom 25. April 2012 (vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 15/1570, S. 1).
Die Baugenehmigung für die Umgestaltung der hier in Rede stehenden Spielhallen der Antragstellerin wurde erst am 26. April 2012 erteilt, zu einem Zeitpunkt also, zu dem diese damit rechnen musste, dass sich die Rechtslage ändern würde. Die Spielhallenerlaubnisse gemäß § 33i GewO hat die Antragstellerin sogar erst am 30. Mai 2012 beantragt und mit Bescheiden der Stadt Heidelberg vom 28. Juni 2012 erhalten. Diese wurden zudem mit der Begründung bis zum 30. Juni 2013 befristet, dass zum 1. Juli 2012 der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft treten werde, der für die Antragstellerin eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2013 vorsehe. Danach seien Mehrfachkonzessionen nicht mehr möglich und müssten Mindestabstände eingehalten werden. Die Antragstellerin durfte daher jedenfalls im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung nicht mehr von einem dauerhaften Bestand der Spielhallen ausgehen und hätte sich auf die neue Rechtslage einstellen müssen. Dass die Rechtslage vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags vom 15. Dezember 2011 mehrere Jahre unverändert bestanden hatte, vermag hieran nichts zu ändern. Die Antragstellerin hat im Übrigen nicht dargelegt, ob und inwieweit sie den Übergangszeitraum zur Vorbereitung und Anpassung ihres Geschäftsbetriebs auf beziehungsweise an die veränderte Rechtslage genutzt und welche konkreten Maßnahmen sie unternommen hat.
Hinzukommt, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin zwar eidesstattlich versichert hat, diese könnte nach Schließung der Spielhallen Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen und die Gesellschaft müsse dann Insolvenz anmelden. Die Antragstellerin verhält sich allerdings nicht dazu, ob sich die laufenden Kosten für Raummiete, Leasing und Miete von Spielgeräten sowie Personal im Falle einer Betriebsschließung nicht deutlich und kurzfristig reduzieren lassen. Auch äußert sie sich nicht zur ihrer Liquiditätssituation. Diesbezügliche Ausführungen wären jedoch deshalb angezeigt gewesen, weil der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 13. Juli 2015 das Fehlen entsprechender Angaben bemängelt hatte (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 34). Auch wenn die Antragstellerin mit Blick auf die eidesstattliche Versicherung umfassendere Darlegungen nicht für erforderlich hält, wären diese Angaben notwendig gewesen, um dem Bundesverfassungsgericht eine Nachprüfung eventueller Nachteile für die Antragstellerin im Sinne einer Plausibilitätskontrolle zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 106, 351 ≪357≫; BVerfGK 7, 188 ≪192≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. September 1999 – 2 BvR 1646/98 –, NVwZ-RR 2000, S. 16).
Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein präventives Berufsverbot oder eine in ihren Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahe kommende vorläufige Berufsausübungsregelung nur unter strengen Voraussetzungen und nur zur Abwehr konkreter Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter sowie unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪274≫; 44, 105 ≪117 ff.≫; BVerfGK 2, 89 ≪94≫; 16, 320 ≪323 ff.≫; 18, 180 ≪185≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Oktober 2003 – 1 BvR 2025/03 –, NVwZ 2004, S. 93 ≪94≫; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. April 2007 – 1 BvR 2403/06 –, juris, Rn. 9; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. April 2010 – 1 BvR 2709/09 –, NJW 2010, S. 2268 ≪2268≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2011 – 1 BvR 1611/11 –, NVwZ 2012, S. 104 ≪105≫), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die von der Antragstellerin angefochtenen Untersagungsverfügungen nur den Betrieb der konkreten vier Spielhallen, nicht aber ihre gesamte gewerbliche Betätigung als Spielhallenbetreiberin betreffen. Auch hat sie nicht substantiiert geltend gemacht, dass sie versucht hätte, andere Standorte für Spielhallen zu finden, ihr dies aber wegen des Abstands- und des Verbundverbots nach § 42 Abs. 1 und Abs. 2 LGlüG unmöglich gewesen sei (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 29 f.). Die Behauptung, die Realisierbarkeit anderer gewerblicher Betätigungsmöglichkeiten zeichne sich nicht konkret ab, reicht insoweit nicht.
cc) Vor diesem Hintergrund kann ein deutliches Überwiegen der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe nicht festgestellt werden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Huber, Müller, Maidowski
Fundstellen