Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 16.07.2007; Aktenzeichen 4 S 1163/07) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auswahlentscheidung zur Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Freiburg.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24≫; 96, 245 ≪248≫). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Der Beschwerdeführer ist nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt.
a) Obgleich der Beschwerdeführer – ebenso wie die hierzu seitens des Dienstherrn vorgesehene Beigeladene des Ausgangsverfahrens – auf die ausgeschriebene Stelle lediglich zu versetzen ist, ist diese Auswahl vorliegend an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen, da der Dienstherr die betreffende Stelle auch für Beförderungsbewerber öffnete. Entscheidet sich der Dienstherr im Rahmen seines Organisationsermessens bei einer konkreten Stellenbesetzung Beförderungs- und Versetzungsbewerber gleichzubehandeln und hat er die Stellen entsprechend ausgeschrieben, so hat er durch diese “Organisationsgrundentscheidung” seine Freiheit, die Stellen durch Versetzungen oder Umsetzungen zu besetzen, beschränkt und ist aus Gründen der Gleichbehandlung gehalten, die sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Auswahlkriterien auch gegenüber den Versetzungsbewerbern anzuwenden (vgl. BVerwGE 122, 237 ≪242≫).
b) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Der Grundsatz der Bestenauslese ist demnach von der Verfassung verbindlich und vorbehaltlos vorgeschrieben (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. April 1996 – 2 BvR 169/93 –, NVwZ 1997, S. 54 ≪55≫; BVerwGE 122, 237 ≪239≫). Daher können Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist (vgl. BVerwGE 124, 99 ≪102≫). Dabei folgt aus einer Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der einzelne Beamte oder Richter hat lediglich einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr eine am Leistungsgrundsatz orientierte und ermessens- sowie beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung trifft (vgl. BVerfGK 1, 292 ≪295 f.≫).
c) Hiervon ausgehend liegt keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG vor.
aa) Soweit er geltend macht, dass nicht ausreichend auf frühere Beurteilungen abgestellt wurde, trägt dieser Einwand nicht. Den für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Leistungsvergleich der Bewerber hat der Dienstherr nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig anhand aussagekräftiger, also hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Dies sind regelmäßig die aktuellen Beurteilungen (vgl. BVerwGE 124, 99 ≪103≫). Im Hinblick auf das dem Dienstherrn zustehende Ermessen ist das wesentliche Abstellen auf die aktuelle Beurteilung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sofern sich hieraus verlässliche Bewertungen zur Frage der Eignung ergeben. Dies war vorliegend der Fall, da die Anlassbeurteilung umfassende, differenzierte und aussagekräftige Feststellungen zu fachlichen und persönlichen Eigenschaften der beiden Bewerber enthielt. Im Übrigen wurden auch die früheren Beurteilungen (vgl. zum Erfordernis deren zusätzlicher Berücksichtigung BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 – 2 C 16/02 –, NVwZ 2003, S. 1397 ≪1398≫) ergänzend herangezogen, was sich aus der Begründung der Auswahlentscheidung des Dienstherrn vom 9. März 2007 ergibt.
bb) Durch das entscheidende Abstellen auf die soziale Kompetenz und die Führungskompetenz der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens verstieß der Dienstherr ebenfalls nicht gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Dabei bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen und unterliegt nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst (vgl. BVerwGE 68, 109 ≪110≫). Enden dienstliche Beurteilungen von Konkurrenten – wie hier – mit dem gleichen abschließenden Gesamturteil, verstößt es nicht gegen das Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG, wenn der Dienstherr die Kandidaten im Anschluss hieran anhand der für das Beförderungsamt wesentlichen Einzelaussagen der dienstlichen Beurteilungen weiter vergleicht. Gerade bei gleichem Gesamtergebnis kommt den Einzelaussagen nach dem Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilung, über Leistung und Eignung der Beamten ein differenziertes Bild zu geben, besondere Bedeutung zu (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 17. Dezember 1999 – 10 B 12176/99 –, NVwZ-RR 2000, S. 803). Hierbei ist es nicht zu beanstanden, wenn den ausgewiesenen sozialen Kompetenzen sowie den Führungskompetenzen eines der Konkurrenten eine für die Auswahlentscheidung maßgebende Bedeutung beigemessen wird. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ist es Sache des Dienstherrn, festzulegen, welchen Eignungsmerkmalen er bei einer konkreten Stelle ein größeres, für die Besetzungsentscheidung ausschlaggebendes Gewicht beimisst. Dies bei der Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht mit Erwägungen zur sozialen Kompetenz und zur Führungskompetenz zu tun, stellt sich nicht als ermessensfehlerhaft dar, zumal nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg der Vorsprung des Beschwerdeführers im Bereich der Fachkompetenz nicht verkannt wurde, dieser jedoch nicht so groß sei, dass von einer unausgewogenen Entscheidung ausgegangen werden müsse. Dem Vorsitzenden Richter kommt aufgrund seiner Leitungsfunktion vermehrt die Aufgabe der Organisation, Delegation und auch der Mitarbeiterführung sowohl innerhalb der Kammer als auch als exponierter Vertreter der Kammer innerhalb des Gerichts zu. Hierbei verstärkte soziale Kompetenzen sowie Fähigkeiten im Bereich der Führungsverantwortung zu verlangen, kann grundsätzlich keinen Ermessensfehler des Dienstherrn begründen. Lediglich auf die Nachprüfung dieser Ermessenserwägungen beschränkten sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs. Dieser hat damit nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Behörde gesetzt.
cc) Der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof dem noch anhängigen Antrag auf Änderung der Anlassbeurteilung keine Erfolgsaussichten beigemessen hat, verletzt den Beschwerdeführer im Rahmen des Auswahlverfahrens nicht in Art. 33 Abs. 2 GG. Da dienstliche Beurteilungen vorrangige Grundlage für am Leistungsprinzip orientierte Entscheidungen über die Verwendung und das dienstliche Fortkommen des Beamten sind, muss die Beurteilungspraxis diesen Anforderungen gerecht werden. Andernfalls fehlt es grundsätzlich an einer tragfähigen, dem Gebot der Bestenauslese entsprechenden Grundlage für die Auswahlentscheidung (vgl. BVerfGK 1, 292 ≪297≫). Dienstliche Beurteilungen von Beamten sind jedoch nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nur beschränkt überprüfbar. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich nur darauf zu erstrecken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerwGE 60, 245 ≪246≫ m.w.N.). Dies hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 2002 – 2 BvR 723/99 –, NVwZ 2002, S. 1368). Insoweit eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG selbst mit den Begriffen “Eignung, Befähigung und fachliche Leistung” einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, der nur eingeschränkter Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Für dienstliche Beurteilungen mit Prognosecharakter besteht schon von Verfassungs wegen nur eine begrenzte verwaltungsgerichtliche Kontrollbefugnis (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 2002 – 2 BvR 723/99 –, NVwZ 2002, S. 1368). Hiernach unterliegt die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Beurteilung des Beschwerdeführers rechtlich bedenkenfrei sei, keinen verfassungsrechtlichen Einwänden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beurteilung etwa auf unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen beruht oder ihr eine hinreichende Beurteilungsgrundlage fehlt, sind nicht ersichtlich.
2. Dadurch, dass dem Beschwerdeführer interne Vermerke des Justizministeriums nicht vorgelegt wurden, ist dieser nicht in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG verletzt. Zwar begründet Art. 19 Abs. 4 GG für jeden Bürger den Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382 ≪401≫). Daraus folgt gerade für den beamtenrechtlichen Eilrechtsschutz, bei welchem durch die Ernennung regelmäßig irreversible Nachteile drohen, dass das Gericht das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden muss, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 79, 69 ≪75≫; 97, 298 ≪315≫). Zur Sicherung dieses Gebotes folgt daher aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG auch die Verpflichtung, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 – unter III. 2. c, Seite 9). Nur hierdurch wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach der Antragsgegner des Ausgangsverfahrens glaubhaft gemacht habe, die Akten seien vollständig, ist eine Frage richtiger Sachverhaltsfeststellung und daher nicht Gegenstand verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Soweit die Nichtvorlage eines internen Vermerks zur Vorlage an die Hausspitze angegriffen wird, stellt dieser Umstand keine Verkürzung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten für den Beschwerdeführer dar. Maßgebend hierfür ist die – erteilte – Begründung für die Auswahlentscheidung. Die hierin mitgeteilten Erwägungen ermöglichen dem Beschwerdeführer effektiven Rechtsschutz. Die Kenntnis interner, die Auswahlentscheidung der Hausspitze lediglich vorbereitender und insoweit erläuternder Vermerke, welche oftmals aus Gründen des Verwaltungsablaufs mündlichen Vortrag nur ersetzen, ist grundsätzlich zur effektiven Rechtsschutzgewährung nicht notwendig. Da auch vorliegend nichts dafür ersichtlich ist, dass in dem internen Vermerk tragende Auswahlerwägungen niedergelegt wurden, bedurfte es nicht dessen Vorlage.
3. Der Beschwerdeführer ist auch nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Da die Fachgerichte nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden haben, ist ein Verstoß gegen die Berücksichtigungspflicht nur dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfGE 65, 293 ≪295≫; 87, 363 ≪392 f.≫; 96, 205 ≪216 f.≫). Eine Pflicht, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, besteht namentlich nicht bei letztinstanzlichen Entscheidungen (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289≫; 71, 122 ≪135 f.≫; 81, 97 ≪106≫; 104, 1 ≪8≫). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit sämtlichen Einwänden des Beschwerdeführers in den Gründen des angefochtenen Beschlusses auseinandergesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde, bestehen nicht. So erfolgt ein Eingehen auf die Frage der Vollständigkeit der Aktenvorlage. Wie in der Entscheidung zur Gehörsrüge ausgeführt, bedurfte es nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht der Vorlage eines Notenspiegels, so dass nicht zu beanstanden ist, wenn in der letztinstanzlichen Entscheidung hierzu ausdrückliche Ausführungen fehlen. Auch macht er Ausführungen zur Aussagekräftigkeit der aktuellen Anlassbeurteilungen sowie älteren Beurteilungen. Auch verschließt der Verwaltungsgerichtshof sich nicht der Überprüfung des Ermessens. Der Umstand, dass er insoweit zu einer anderen rechtlichen Würdigung kommt und nicht auf jede einzelne Aussage des Beschwerdeführers eingeht, stellt keine Gehörsverletzung dar.
Mit der Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Di Fabio, Gerhardt, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1807976 |
NVwZ-RR 2008, 433 |