Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 30. November 2001 – 21 U 4137/01 – und das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Juni 2001 – 30 O 21972/00 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
Das Urteil des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Freistaat Bayern hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin richtet sich gegen eine zivilrechtliche Verurteilung zur Unterlassung eines Boykottaufrufs sowie eine darauf gestützte Ordnungsgeldfestsetzung.
1. Die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits ist Inhaberin der Nutzungsrechte zum Vertrieb der Werke des amerikanischen Schriftstellers L. Ron Hubbard, des Gründers der Scientology-Bewegung. Sie warb auf angemieteten Plakatflächen in München für dessen Buch “Die Grundlagen des Denkens”.
Die Beschwerdeführerin, Nachwuchsorganisation der CSU in München, gab aus diesem Anlass am 22. August 2000 eine Pressemitteilung heraus, in der es unter der Überschrift “Scientology wirbt wieder öffentlich in München – Junge Union veröffentlicht ab sofort immer die Namen der Werbefirmen und ruft zum Boykott auf” unter anderem heißt:
Mit Plakaten versucht die umstrittene Sekte Scientology derzeit in München auf Mitgliederfang zu gehen. Geworben wird für das Buch “Scientology – Die Grundlagen des Denkens” von L. Ron Hubbard. … Die Sekte, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht und der auch zahlreiche Prominente angehören, ist seit langem im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik.
Die Junge Union München fordert von den Verantwortlichen der Stadt, gegen diese Kampagne vorzugehen.
Joachim Haedke, MdL und Bezirksvorsitzender der Jungen Union München, sagte hierzu wörtlich: “Immer wieder lassen sich Plakatfirmen zu solchen Buchungen hinreißen. Offensichtlich ist die Aussicht auf ein paar Mark hier wichtiger als die Überzeugung. Daher veröffentlichen wir diese Werber. Damit muss jetzt jeder rechnen, der für Scientology Werbung macht. Die Informationen erhalten jeweils die Münchner Medien, sind aber auch auf unserer Homepage unter “Pressemeldungen” nachlesbar.
2. Beim Landgericht München I nahm die Klägerin die Beschwerdeführerin erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch. Die Berufung wies das Oberlandesgericht München zurück.
Der Boykottaufruf greife in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin ein und sei auch vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt. Auch wenn die Beschwerdeführerin mit ihrem Aufruf ein gesellschaftlich bedeutsames Anliegen verfolge, so sei doch das dazu eingesetzte Mittel nicht zu billigen. Ein Boykottaufruf genieße den umfassenden Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG nur dann, wenn er sich auf den Einsatz von Mitteln der geistigen Auseinandersetzung beschränke. Die Ausübung von wirtschaftlichem Druck, der den Angesprochenen die Möglichkeit zu freier Entscheidung nehme, sei auch zur Verfolgung billigenswerter Ziele nicht zulässig. Gerade solcher Druck werde im vorliegenden Fall auf die Firmen ausgeübt, die der Klägerin ihre Werbeflächen vermieteten. Durch die Ankündigung der Veröffentlichung der Namen würden diese Firmen an den Pranger gestellt. Da die Beschwerdeführerin keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Anliegen der Klägerin anstrebe, sei dies im Rahmen der gebotenen Abwägung als unzulässig anzusehen.
Wegen eines angenommenen Verstoßes gegen den austitulierten Unterlassungsanspruch wurde gegen die Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 11. November 2002 ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro festgesetzt.
3. Gegen die Urteile des Landgerichts München I und des Oberlandesgerichts München sowie gegen den Ordnungsmittelbeschluss richtet sich die Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG, in Bezug auf die Ordnungsgeldfestsetzung auch von Art. 2 Abs. 1 GG.
Sie meint, ihr Boykottaufruf sei als Meinungsäußerung zulässig. Zwar könne ein Boykottaufruf untersagt werden, wenn er sich auf die Ausübung wirtschaftlichen Drucks beschränke. Hier hätten die Gerichte aber verkannt, dass der Aufruf sich nicht an die Werbefirmen, sondern an die Öffentlichkeit richte, die Aufträge an diese Werbefirmen vergebe. Gegenüber diesen Kunden der Werbefirmen sei keinerlei Druck ausgeübt worden. Gegenüber der Klägerin und den Werbefirmen selbst sei ihr Verhalten notwendig, angemessen und im Ergebnis billigenswert gewesen. Insbesondere sei eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Belangen von Scientology ihr, der Beschwerdeführerin, weder möglich noch angesichts der hinreichend bekannten Gefahren dieser Organisation überhaupt erforderlich gewesen.
Abgesehen hiervon hätten die Gerichte ihren Vortrag nicht vollständig berücksichtigt und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. In Bezug auf das Ordnungsgeld liege zudem eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG vor.
Entscheidungsgründe
II.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Präsident des Bundesgerichtshofs und die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits geäußert.
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in Bezug auf die Verurteilung zur Unterlassung gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93c BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG angezeigt. Die Voraussetzungen einer stattgebenden Kammerentscheidung nach § 93c BVerfGG liegen vor. Hinsichtlich des Ordnungsmittelbeschlusses sind die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG dagegen nicht gegeben.
1. Gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bestehen in Bezug auf die Verurteilung selbst keine Bedenken. Der Einlegung einer im Gesetz nicht vorgesehenen Gegenvorstellung gegen das Urteil des Oberlandesgerichts bedurfte es zur Erschöpfung des Rechtsweges nicht (vgl. zur Frage der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von Rechtsbehelfen BVerfGE 107, 395 ≪401 ff.≫). Dahinstehen kann, ob die Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend begründet worden ist, weil jedenfalls die auf Art. 5 Abs. 1 GG gestützte Grundrechtsrüge im Ergebnis durchgreift.
2. Hinsichtlich eines Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 GG ist die gegen die Urteile gerichtete Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet.
a) Die angegriffenen Entscheidungen greifen in die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin ein.
Die untersagte Pressemitteilung ist eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Auch ein Boykottaufruf, dem eine bestimmte Meinungskundgabe zugrunde liegt, kann in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallen (vgl. BVerfGE 25, 256 ≪264≫; 62, 230 ≪243 f.≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. Oktober 1987 – 1 BvR 385/85 –, NJW 1989, S. 381). Die Pressemitteilung beschränkt sich im Übrigen nicht auf den Aufruf zu bestimmten Boykottmaßnahmen, sondern enthält auch wertende Elemente, aus denen die Adressaten auf eine ablehnende Position der Beschwerdeführerin gegenüber der Tätigkeit der Klägerin und der betreffenden Vermieter von Plakatflächen schließen können.
Da die Entscheidung der Gerichte dazu führt, dass die Beschwerdeführerin ihre Pressemitteilung jedenfalls nicht mehr in der gewünschten Weise veröffentlichen darf, liegt auch ein Eingriff in die Meinungsfreiheit vor.
b) Die Gründe, aus denen die Gerichte diesen Eingriff auf § 823 Abs. 1, § 1004 BGB als allgemeine Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG gestützt haben, halten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
aa) Berührt eine zivilgerichtliche Entscheidung die Meinungsfreiheit, so fordert Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, dass die Gerichte der Bedeutung dieses Grundrechts bei der Auslegung und Anwendung des Privatrechts Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪206 ff.≫; 102, 347 ≪362≫; stRspr). Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf den einzelnen Fall ist Sache der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht kann nur eingreifen, wenn Fehler erkennbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall erheblich sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; stRspr).
bb) Im vorliegenden Fall haben die Gerichte die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin unzutreffend gewichtet.
(1) Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits und der Verfassungsbeschwerde ist der Aufruf, nicht etwa die Nennung von Namen konkret betroffener Plakatflächenvermieter. Eine solche Personalisierung wird lediglich angekündigt.
Die Beschwerdeführerin ruft dazu auf, die Klägerin des Ausgangsverfahrens bei der Anmietung von Plakatflächen zu boykottieren. Mit der verfassungsmäßigen Rechtfertigung des Verbots von Boykottaufrufen hat sich das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach unter dem Blickwinkel des Art. 5 Abs. 1 GG befasst. Ob der in der Untersagung eines Boykottaufrufs liegende Eingriff in die Meinungsfreiheit gerechtfertigt ist, hängt danach von einer Abwägung der wechselseitig betroffenen Interessen ab. Wesentlich sind zunächst die Motive und, damit verknüpft, das Ziel und der Zweck des Aufrufs. Findet dieser seinen Grund nicht in eigenen Interessen wirtschaftlicher Art, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit, dient er also der Einwirkung auf die öffentliche Meinung, dann spricht dies dafür, dass der Schutz durch Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich Vorrang hat, auch wenn dadurch private und namentlich wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt werden (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪219≫; vgl. auch 25, 256 ≪264≫; 62, 230 ≪244 f.≫). Die Verfolgung der Ziele des Aufrufenden darf aber das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung des Angegriffenen oder betroffener Dritter nicht überschreiten (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪215≫; 62, 230 ≪244 f.≫). Schließlich müssen die Mittel der Durchsetzung des Boykottaufrufs verfassungsrechtlich zu billigen sein. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn der Aufrufende sich gegenüber dem Adressaten auf den Versuch geistiger Einflussnahme und Überzeugung, also auf Mittel beschränkt, die den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪221≫), nicht aber, wenn zusätzlich Machtmittel eingesetzt werden, die der eigenen Meinung Nachdruck verleihen sollen und die innere Freiheit der Meinungsbildung zu beeinträchtigen drohen (vgl. BVerfGE 25, 256 ≪266≫; 62, 230 ≪244 ff.≫).
(2) Hiervon ausgehend nehmen die Gerichte zutreffend an, dass die Beschwerdeführerin keine eigennützigen wirtschaftlichen Ziele, sondern ein gesellschaftliches Anliegen verfolgt und deshalb der Ausübung der Meinungsfreiheit grundsätzlich das größere Gewicht zukommt, auch wenn Interessen Dritter berührt werden. Die Verfolgung von nicht wirtschaftlichen Interessen ist im Zuge der Abwägung auch dann von Belang, wenn als Nebeneffekt eines Aufrufs wirtschaftliche Folgen eintreten, selbst wenn diese mitbeabsichtigt sind. Meinungsäußerungen, sei es in der Form eines Boykottaufrufs, sei es in anderer Form, tragen das Risiko in sich, für bestimmte Personenkreise wirtschaftlich nachteilige Wirkungen mit sich bringen zu können, wenn die angesprochenen Kreise aufgrund der Meinungsäußerung ihr bisheriges Verhalten ändern und dadurch wirtschaftliche Folgen auslösen.
(3) Bei dem Aufruf der Beschwerdeführerin handelt es sich um einen Aufruf zu einem Boykott in gestaffelter Hinsicht: Ihr Aufruf richtet sich unmittelbar an die Plakatflächenvermieter, die aufgefordert werden, von Werbebuchungen für Scientology Abstand zu nehmen. Gleichzeitig richtet sich die Beschwerdeführerin an die allgemeine Öffentlichkeit und kündigt an, dass die Namen derjenigen, die der Aufforderung nicht nachkommen, öffentlich gemacht werden. Offenbar sollen die Plakatflächenvermieter durch diese öffentliche Anprangerung und die dadurch verursachte Sorge, eventuell andere Kunden zu verlieren, veranlasst werden, Buchungen für Scientology zu unterlassen. Dies wiederum soll dazu beitragen, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht mehr auf Plakaten für das Buch von L. Ron Hubbard werben kann.
(a) Gegenüber der Öffentlichkeit und den Kunden der Plakatflächenvermieter beschränkt sich die Beschwerdeführerin zunächst auf einen Versuch geistiger Einflussnahme ohne Hinzunahme weiterer Machtmittel, so dass die von ihr gewählte Maßnahme in dieser Hinsicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
(b) Gegenüber den Plakatflächenvermietern selbst dagegen geht die Maßnahme der Beschwerdeführerin mit der Ankündigung der Namensnennung für den Fall fortgesetzter Werbung über einen bloßen Appell hinaus. Diese Ankündigung soll Druck erzeugen, dass die Plakatflächenvermieter bewegt werden, die Werbung für Scientology einzustellen. Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist das Gewicht, das die Gerichte der Inaussichtstellung dieser “Prangerwirkung” beigemessen haben.
Die zivilgerichtliche Rechtsprechung nimmt eine Prangerwirkung dann an, wenn ein allgemeines Sachanliegen durch identifizierende Herausstellung einer Einzelperson und damit durch Personalisierung eines als negativ bewerteten Geschehens verdeutlicht werden soll (vgl. BGH, VersR 1994, S. 1116 ≪1118≫). Anprangernde Wirkungen können von der Verbreitung zutreffender, aber allgemein als negativ bewerteter Tatsachen ausgehen, aber auch mit Werturteilen verbunden sein (vgl. BGH, VersR 1994, S. 57 ≪59≫; VersR 1994, S. 1116 ≪1118≫). Die mit einer anprangernden Personalisierung des Angriffs verbundene Wirkungssteigerung der Meinungsäußerung muss der Betroffene nach der Rechtsprechung nur hinnehmen, wenn eine Abwägung mit den Belangen der Meinungsfreiheit ergibt, dass der Schutz des beeinträchtigten Rechts zurückzutreten hat (vgl. BGH, VersR 1994, S. 57 ≪59≫). Bedeutsam ist dabei etwa, ob dem Betroffenen ein lediglich auf moralischer Ebene verbleibender Vorwurf gemacht wird oder ob ihm ein strafrechtlich relevantes Verhalten angelastet wird (vgl. BGH, NJW 1978, S. 1797 ≪1801≫). Auch kann es darauf ankommen, ob eine konkrete Person aus der Masse derjenigen herausgegriffen wird, die ein aus der Sicht des Äußernden vergleichbar beanstandungswürdiges Verhalten gezeigt haben (vgl. BGH, VersR 1994, S. 57 ≪59≫; VersR 1994, S. 1116 ≪1118≫). Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Mai 2006 – 1 BvR 1060/02 u.a. –, Umdruck S. 11 f.)
Bei der Bestimmung des Gewichts des Aufrufs der Beschwerdeführerin als Ausgangspunkt der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin zwar ihre Bekanntheit als Jugendorganisation einer großen politischen Partei einsetzt, aber keine wirtschaftliche Machtstellung nutzt, um ihrem Aufruf Nachdruck zu verleihen. Sie setzt nicht selbst wirtschaftlichen Druck ein, sondern appelliert an andere, ihre wirtschaftliche Stellung zur Erfüllung des Anliegens der Beschwerdeführerin zu nutzen. Darüber hinaus kündigt sie an, dass gegenüber den betroffenen Plakatwerbefirmen eine auf einen moralischen Vorwurf zielende Tatsachenbehauptung veröffentlicht werden soll, die noch dazu je nach Sichtweise des Angesprochenen unterschiedlich bewertet werden kann. Strafrechtliche oder sonst in rechtlicher Hinsicht relevante Anschuldigungen wären mit einer solchen Veröffentlichung der Namen nicht verbunden gewesen. Hinzu tritt, dass die Beschwerdeführerin nicht bestimmte Plakatflächenvermieter etwa wegen ihrer besonderen Bekanntheit willkürlich herausgreifen und der Öffentlichkeit als Beispiel für ein verwerflich handelndes Unternehmen vorführen wollte, sondern plante, sämtliche Plakatflächenvermieter namhaft zu machen, die sich in der kritisierten Weise verhalten.
Soweit das Bundesverfassungsgericht die Untersagung eines Boykottaufrufs in einer Konstellation des doppelten Boykotts für zulässig erachtet hat (vgl. BVerfGE 62, 230), ging es um eine andere Ausgangssituation. Die Entscheidung betraf, worauf der Senat ausdrücklich hinweist, einen Boykottaufruf, durch den aktiv in den wirtschaftlichen Wettbewerb zur Förderung fremden Wettbewerbs eingegriffen werden sollte. Darüber hinaus hielt der Senat es für erheblich, dass es sich um eine Aktion handelte, die sich nicht an die Allgemeinheit richtete, sondern speziell an den Fachhandel, und die insofern nicht auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung allgemein zielte. Es habe sich vielmehr um einen Versuch gehandelt, in einer partikularen Auseinandersetzung auf wirtschaftlichem Gebiet die Interessen einer Gruppe von Unternehmungen gegenüber denjenigen einer anderen durchzusetzen oder zumindest zu solcher Durchsetzung beizutragen (vgl. BVerfGE 62, 230 ≪245 ff.≫).
Vorliegend bezweckt die Maßnahme der Beschwerdeführerin nicht die Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs. Auch wendet sich die Beschwerdeführerin nicht gezielt nur an diejenigen, mit deren Hilfe sie ein Boykottpotential aufbauen könnte, nämlich die Vermieter von Plakatflächen, sondern an die allgemeine Öffentlichkeit. Schon dies lässt erkennen, dass sie ihre Ziele jedenfalls nicht ausschließlich auf dem Wege der Ausübung mittelbaren wirtschaftlichen Drucks auf die Plakatflächenvermieter erreichen, sondern den Streit in die Öffentlichkeit tragen und sich dadurch auch an der Auseinandersetzung über den Umgang mit Scientology beteiligen wollte. Dafür spricht ebenfalls, dass ihr Aufruf auch eine Aufforderung an die Verantwortlichen der Stadt enthielt, gegen die Kampagne von Scientology vorzugehen. Das weitgehende Fehlen von Sachargumenten in der Pressemeldung steht dieser Einschätzung nicht entgegen, denn auch wer seine Haltung zu einer umstrittenen und öffentlich diskutierten Frage mitteilt, ohne diese näher zu begründen, kann mit dieser Stellungnahme einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten.
3. Im Ergebnis haben daher die Gerichte die abwägungsrelevanten Gesichtspunkte hinsichtlich des Gewichts der Meinungsfreiheit nicht zutreffend in die Abwägung einbezogen. Auf dieser fehlerhaften Gewichtung beruhen die angegriffenen Entscheidungen auch, denn es kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis anders ausfällt, wenn die Gerichte die Meinungsfreiheit in der gebotenen Weise höher gewichten und so in die Abwägung mit den ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen der Klägerin des Ausgangsverfahrens aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einbringen.
4. Hinsichtlich des Ordnungsmittelbeschlusses liegen die Annahmevoraussetzungen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde fehlt insoweit die Erfolgsaussicht, weil sie unzulässig ist.
Da der der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Titel mit einem Verfassungsverstoß behaftet ist, steht der Beschwerdeführerin mit den einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen ein einfacherer Weg zur Verfügung, ihr Verfahrensziel zu erreichen.
5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Nichtannahme in Bezug auf den Ordnungsgeldbeschluss fällt gegenüber der Entscheidung in der Hauptsache nicht ins Gewicht.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen