Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsrechtliche Anforderung an die Zurückverweisung von Beweisanträgen
Beteiligte
Rechtsanwälte Lothar Hinz und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde eines türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit gegen sein Asylbegehren ablehnende verwaltungsgerichtliche Entscheidungen betrifft im Wesentlichen Fragen nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zurückweisung von Beweisanträgen.
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde besitzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG durch die Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge ist nicht ersichtlich.
a) Die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung des Zeugen O. dafür, dass der Beschwerdeführer wegen seiner politischen Aktivitäten in der Türkei dort von den türkischen Sicherheitskräften gesucht bzw. nach ihm gefahndet worden sei, findet im Prozessrecht eine Stütze. Das Verwaltungsgericht hat mit nachvollziehbaren Gründen zum Ausdruck gebracht, dass es das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Vorfluchtgeschehen insgesamt für unglaubhaft hält, weil die vagen und sehr undetaillierten Angaben den Eindruck vermittelten, dass der Beschwerdeführer den Vorlauf für ein konstruiertes Verfolgungsschicksal schildere. Hält das Gericht die Schilderung, die der Asylkläger von seinem persönlichen Verfolgungsschicksal gibt, in wesentlichen Punkten für unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich, so braucht es – auch substantiierten – Beweisanträgen zum Verfolgungsgeschehen nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989 – BVerwG 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, S. 38). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung gebilligt und die Ablehnung auch substantiierter Beweisanträge für Behauptungen, für die es mangels einer in sich stimmigen Verfolgungsgeschichte an einem plausiblen Anhaltspunkt fehlt, in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht beanstandet (vgl. Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Mai 1994 – 2 BvR 1183/92 –, DVBl 1994, S. 1403 und vom 10. März 1997 – 2 BvR 323/97 –, nur in JURIS veröffentlicht). Hiernach durfte das Verwaltungsgericht, selbst wenn der Beweisantrag im Hinblick auf das schriftsätzliche Vorbringen als ausreichend substantiiert anzusehen war, diesen in prozessrechtlich und damit auch verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ablehnen.
b) Hinsichtlich des Beweisantrags auf Einholung von Auskünften hat sich das Verwaltungsgericht der Einschätzung des Auswärtigen Amtes in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Bremen vom 21. Juli 1997 angeschlossen. Aufgrund dieser amtlichen Auskunft ist das Verwaltungsgericht zu dem Schluss gekommen, dass angesichts der hohen Zahl von rückgeführten türkischen Asylbewerbern ein einziger verifizierter Fall von Misshandlung nicht genüge, um in einer rechtlich relevanten Weise davon ausgehen zu können, dass auch der Beschwerdeführer bei Abschiebung in die Türkei eine menschenrechtswidrige Behandlung erdulden müsste. Das Verwaltungsgericht hat somit seine eigene Sachkunde verwertet. Damit wird die Ablehnung eines (weiteren) Sachverständigenbeweises durch das Prozessrecht gestützt: Ein Antrag auf Sachverständigenbeweis kann nach tatrichterlichem Ermessen gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei abgelehnt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2000 – BVerwG 9 B 518.99 –, NvWZ-Beilage 9/2000, S. 99 ff.).
Da diese Auskunft nach der Darstellung im verwaltungsgerichtlichen Urteil offenbar auf Untersuchungen zu sämtlichen rückgeführten türkischen Asylbewerbern beruht, unabhängig von deren Nähe zur PKK und unabhängig von der Anwendbarkeit des deutsch-türkischen Briefwechselverfahrens vom 10. März 1995, kam es für das Verwaltungsgericht auf die Frage, ob die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landgericht Koblenz diesen in die Nähe von PKK-Aktivisten gebracht hat und das Urteil den türkischen Sicherheitskräften über den regelmäßigen Strafnachrichtenaustausch zwischen der Türkei und der Bundesrepublik bekannt geworden ist, nicht entscheidungserheblich an.
Damit kann offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht verfassungsrechtlich unbedenklich den Vortrag des Beschwerdeführers zur Verurteilung durch das Landgericht als verspätet und damit präkludiert ansehen durfte.
2. Da das Verwaltungsgericht die Beweisanträge in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt hat, scheidet damit auch eine Verletzung der ihm durch Art. 16a Abs. 1 GG in verfahrensrechtlicher Hinsicht auferlegten Aufklärungspflicht aus.
Das Verwaltungsgericht hat auch den ihm eingeräumten asylspezifischen Wertungsrahmen (vgl. BVerfGE 76, 143 ≪161 f.≫) eingehalten:
Soweit es um das Vorfluchtgeschehen geht, hat es dieses insgesamt als unglaubhaft und konstruiert angesehen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu die Angaben des Beschwerdeführers bei der Bundesamtsanhörung verwertet, was die Verfassungsbeschwerde nicht in substantiierter Weise angegriffen hat.
Hinsichtlich der Nachfluchtgründe, insbesondere der exilpolitischen Aktivitäten des Beschwerdeführers, käme eine Verletzung des Art. 16a Abs. 1 GG nur dann in Betracht, wenn sich die Nachfluchttatbestände als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatland vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellen würden (vgl. BVerfGE 74, 51 ≪66≫). Dies scheidet nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedoch aus, da dem Vorfluchtgeschehen kein Glauben zu schenken sei.
3. Schließlich verstößt der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Er beruht nicht auf überzogenen Anforderungen an den Berufungszulassungsgrund der Versagung rechtlichen Gehörs.
Dabei kann offen bleiben, ob die dem Beschwerdeführer angesonnene Wiederholung des Zeugenbeweisantrags in der mündlichen Verhandlung die Anforderungen an eine erfolgreiche Gehörsrüge überspannt. Der Beweisantrag wurde, wie bereits ausgeführt, jedenfalls in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Forderung, dass Rügen gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Präklusion noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden müssen, überzogen ist. Diese Erwägung ist nicht entscheidungstragend; der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung von Sachverständigengutachten verfassungsrechtlich tragfähig mit dem Verweis auf die eigene Sachkunde des Gerichts gebilligt.
Von einer weiter gehenden Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Sommer, Broß, Mellinghoff
Fundstellen