Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 08.02.2005; Aktenzeichen 3 Qs 651/04) |
LG Darmstadt (Beschluss vom 20.01.2005; Aktenzeichen 3 Qs 651/04) |
Tenor
1. Die Beschlüsse des Landgerichts Darmstadt
vom 20. Januar 2005 und vom 8. Februar 2005 – 3 Qs 651/04 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Sie werden aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Das Land Hessen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Kosten für ein von einem Nebenkläger in Auftrag gegebenes Privatgutachten als notwendige Auslagen im Sinne des § 464a Abs. 2 StPO erstattet werden können.
1.a) Die Beschwerdeführerin ist im Oktober 2001 Opfer eines tätlichen Angriffs durch den von ihr getrennt lebenden Ehemann geworden. Sie wurde dabei erheblich verletzt und musste sechs Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden. In dem nachfolgenden Strafverfahren, in dem die Beschwerdeführerin als Nebenklägerin zugelassen war, verurteilte das Amtsgericht Darmstadt den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin wurden dem Angeklagten auferlegt.
b) Die an die Beschwerdeführerin zu erstattenden notwendigen Auslagen setzte das Amtsgericht Darmstadt durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. November 2004 auf 1.963,71 Euro fest. Berücksichtigt wurden dabei auch Kosten in Höhe von 1.171,77 Euro für ein von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebenes psychiatrisches Kurzgutachten. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, Auslagen für eigene Ermittlungen könnten zwar grundsätzlich nicht als notwendig anerkannt werden. Etwas anderes gelte aber ausnahmsweise, wenn damit gerechnet werden müsse, dass sich die Prozesslage andernfalls erheblich verschlechtere. Dies sei hier der Fall gewesen, weil der Sachverständige in seiner vorläufigen Begutachtung vom Vorliegen des § 20 StGB ausgegangen sei.
c) Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten änderte das Landgericht Darmstadt die Kostenfestsetzung mit Beschluss vom 20. Januar 2005 und setzte die notwendigen Auslagen auf 791,94 Euro fest. Zur Begründung führte es aus: Auslagen für eigene Ermittlungen könnten grundsätzlich nicht als notwendig im Sinne des Kostenrechts anerkannt werden. Die Strafprozessordnung eröffne den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, bei den von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichteten Strafverfolgungsorganen entsprechende Beweiserhebungen anzuregen oder zu beantragen. Im vorliegenden Fall habe das Amtsgericht bereits einen Sachverständigen beauftragt, zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten Stellung zu nehmen. Zwar sei dieser in seinem vorläufigen Gutachten zu der Annahme gelangt, dass die Voraussetzungen des § 20 StGB nicht ausgeschlossen werden könnten. Hierauf habe die Nebenklägerin jedoch kein Privatgutachten in Auftrag geben müssen. Vielmehr habe es zur zweckgemäßen Wahrung ihrer Rechte ausgereicht, einen Beweisantrag gemäß § 397 Abs. 1 StPO zu stellen. Damit sei keine Verschlechterung ihrer Rechtsposition zu besorgen gewesen, weil der Nebenklägerin bei einem Freispruch wegen Schuldunfähigkeit die Möglichkeit zugestanden habe, ein Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.
d) Die mit Schriftsatz vom 3. Februar 2005 erhobene Gegenvorstellung wies das Landgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2005 zurück.
2. Mit der am 18. Februar 2005 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Anders als im Falle des Angeklagten komme dem Nebenkläger nicht der Grundsatz in dubio pro reo zu Gute. Der Nebenkläger könne sich daher nicht darauf beschränken, das Prozessgeschehen passiv zu verfolgen; vielmehr habe er ein zusätzliches Interesse an der Sachaufklärung. Die demnach erforderliche aktive Mitwirkung am Prozessgeschehen könne es gegebenenfalls aber erforderlich machen, ein Privatgutachten in Auftrag zu geben. Jedenfalls dann, wenn sich die Prozesslage für den Nebenkläger ohne Erstellung des Privatgutachtens erheblich verschlechtere, müssten daher auch die Auslagen für die Erstellung des Privatgutachtens als erstattungsfähig bewertet werden. Entsprechend werde von der obergerichtlichen Rechtsprechung auch verfahren.
Die angegriffene Entscheidung verkenne, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige in seiner Begutachtung zunächst vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB ausgegangen sei. Erst daraufhin habe die Beschwerdeführerin die Einholung eines Privatgutachtens veranlasst, mit dessen Hilfe letztendlich die Anwendbarkeit des § 20 StGB durch das Gericht verneint worden sei. Nur durch das von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebene Gutachten sei also im Ergebnis eine Verurteilung des Angeklagten zu erzielen gewesen. Eine passive Haltung der Beschwerdeführerin dagegen habe nicht ausgereicht, um ihre Rechte angemessen zu wahren.
Soweit das Landgericht auf die Möglichkeit eines Beweisantrags verwiesen habe, verkenne dies, dass nur ein fachlich qualifiziertes Sachverständigengutachten, das sich mit dem amtlich erhobenen Gutachterbefund auseinandersetze, eine ausreichende Grundlage darstellen könne, um den bestehenden Erkenntnisstand erfolgreich zu erschüttern. Durch die Einschätzung des gerichtlich bestellten Gutachters habe für die Beschwerdeführerin ein massiver Verfahrensnachteil gedroht. Nur durch den Befund des in Auftrag gegebenen Privatgutachtens sei sie daher in die Lage versetzt worden, die ihr von Gesetzes wegen zustehenden Interessen sachgerecht zu verfolgen.
Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletze sie daher in ihrem Recht auf ein faires Verfahren, weil es letztlich dazu führe, dass die sachgerechte Ausübung prozessualer Rechte nur demjenigen zu Gute komme, der über genügend eigene finanzielle Mittel verfüge, um die Gutachterkosten selbst zu tragen. Im Hinblick auf die bereits bestehende Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens verstoße die Entscheidung zudem gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG.
b) Dem Land Hessen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c BVerfGG liegen vor. Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
1. Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Darmstadt verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf wirkungsvolle Justizgewährung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
a) Die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaates (vgl. BVerfGE 88, 118 ≪123≫; 96, 27 ≪39 f.≫), die vom Grundgesetz nicht nur durch Art. 19 Abs. 4 GG, sondern darüber hinaus im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs garantiert wird. Dieser ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 93, 99 ≪107≫; 107, 395 ≪401≫). Die grundgesetzliche Garantie eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gewährleistet nicht nur den Rechtsweg im Rahmen der jeweiligen einfach-gesetzlichen Verfahrensordnungen, sondern garantiert auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Zugang zu Gericht darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 ≪274 f.≫; 78, 88 ≪99≫; 88, 118 ≪124≫).
b) Auch die Festsetzung der Verfahrenskosten darf daher nicht in einer Weise erfolgen, die dem Betroffenen die Anrufung des Gerichts praktisch unmöglich macht (vgl. BVerfGE 11, 139 ≪143≫; 54, 39 ≪41≫). Eine Kostenregelung darf in ihrer tatsächlichen Auswirkung nicht dazu führen, dass Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten vornehmlich nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eröffnet wird (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪231≫). Andernfalls würde das Kostenrecht zur faktischen Rechtswegsperre, weil ein Unbemittelter oder wirtschaftlich schwächer Gestellter schon aus finanziellen Gründen außerstande wäre, sein Recht zu verfolgen. Eine derartig rechtsschutzhemmende Wirkung liegt aber nicht nur vor, wenn das Kostenrisiko die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen übersteigt. Vielmehr wird die Beschreitung des Rechtswegs oder die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten auch dann faktisch vereitelt, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht, so dass die Inanspruchnahme der Gerichte nicht mehr sinnvoll erscheint (vgl. BVerfGE 85, 337 ≪347≫). Auch die Versagung des Kostenerstattungsanspruchs für die obsiegende Partei widerspricht daher grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Garantien (vgl. BVerfGE 74, 78 ≪94≫).
c) Für den Nebenkläger ergibt sich dies ferner aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und der Waffengleichheit. Es wäre widersprüchlich, wenn einerseits eine Stärkung der aktiven Teilnahme des Verletzten im Strafverfahren angestrebt würde (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Opferrechtsreformgesetz, BTDrucks 15/2536, S. 1), andererseits aber die tatsächliche Ausübung der Nebenklägerrechte von der Finanzkraft des Opfers abhängig wäre. Strukturell ist der Nebenkläger aber darauf angewiesen, aktiv und gestaltend am Verfahren teilzunehmen. Denn im Gegensatz zum Angeklagten, für den die Unschuldsvermutung streitet, kann das Strafinteresse des Nebenklägers nur dann zum Erfolg führen, wenn hinreichende Gewissheit über die Schuld des Angeklagten erzielt werden kann. Die Nebenklage führt daher nur zum Erfolg, wenn die Beweisaufnahme des Gerichts ausreichende Anhaltspunkte für eine Verurteilung zu Tage fördert; sie muss gleichsam den für den Angeklagten sprechenden Grundsatz in dubio pro reo überwinden.
2. Diesen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts nicht. Mit der Auffassung, die Kosten für das von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten seien nicht erstattungsfähig, verkennt das Landgericht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Auslegung des § 464a Abs. 2 StPO.
a) Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall ist zwar grundsätzlich Sache der Instanzgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; stRspr). Verfassungsrechtliche Vorgaben und Ausstrahlungswirkungen hat der Richter jedoch auch bei der Auslegung prozessualer Normen zu beachten. Er darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel oder die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leer laufen” lassen (vgl. BVerfGE 77, 275 ≪284≫; 88, 118 ≪125≫; 96, 27 ≪39≫).
b) Die Auslegung des Landgerichts führt dazu, dass die Beschwerdeführerin die Kosten für das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten zu tragen hat, obwohl sich dieses als notwendig für die Wahrung ihrer Rechte erwiesen hat.
In seinem psychiatrischen Gutachten vom 21. Mai 2003 war der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. V. zu der vorläufigen Einschätzung gelangt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 StGB aus psychiatrischer Sicht anzunehmen seien. Bei Gesamtschau der Erkenntnisse müsse davon ausgegangen werden, dass bei dem Angeklagten „ein plötzlicher Affektdurchbruch erfolgte, der so schwergradig verlief, dass seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben war und er deshalb zum Zeitpunkt der Tat nicht mehr in der Lage war, seine gefühlsmäßigen Regungen zu beherrschen und willensmäßig zu steuern”.
In dieser Situation konnte die Beschwerdeführerin nicht darauf vertrauen, dass ihre Rechte ohne eigenes Zutun ausreichend gewahrt werden würden. Sie musste vielmehr selbst aktiv werden und die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um das sich abzeichnende und für sie nachteilige Beweisergebnis zu verhindern.
c) Entgegen der vom Landgericht geäußerten Meinung wäre hierfür die Möglichkeit eines Beweisantrages in der Hauptverhandlung nicht ausreichend gewesen. Denn ein ohne weitere Sachkunde und fachliche Auseinandersetzung mit dem Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens gestellter Beweisantrag hätte keine Aussicht auf Erfolg versprochen.
Den Umfang der Beweisaufnahme und die Art der Beweismittel bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seiner Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen nach seinem tatrichterlichen Ermessen. Beweisanträge können allerdings nur in den gesetzlich bestimmten Fällen abgelehnt werden. Nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO kann die Anhörung eines weiteren Sachverständigen abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen. Offen bleiben kann hier, ob ein nicht durch ein Privatgutachten untermauerter Antrag vor dem Hintergrund des Ertgebnisses des vorhandenen gerichtlichen Gutachtens nicht bereits mit dem Risiko der Behandlung als bloßer Beweisermittlungsantrag behaftet gewesen wäre (vgl. zu Anträgen „ins Blaue hinein”, BGH, Beschluss vom 5. März 2003 – 2 StR 405/02, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Nr. 39). Jedenfalls konnte die Beschwerdeführerin der begründeten Besorgnis, das Gericht könne auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens die Schuldunfähigkeit des Angeklagten bereits als erwiesen ansehen, wirkungsvoll nur durch einen substantiierten, insbesondere privatgutachterlich unterlegten Angriff auf die Stichhaltigkeit dieses Gutachtens begegnen (vgl. auch BVerwGE 69, 71 ≪73 f.≫; BGH, Urteil vom 9. Januar 2002 – VIII ZR 304/00 –, NJW 2002, S. 1651 ff.). Aus eigener Sachkunde vermochte die Beschwerdeführerin Mängel der vorliegenden Begutachtung im Sinne von § 244 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz StPO nicht aufzuzeigen.
Hinzu kommt, dass sich verbleibende Zweifel nach dem Grundsatz in dubio pro reo stets gegen den Nebenkläger auswirken. Bei verständiger Würdigung der prozessualen Situation durfte die Beschwerdeführerin daher nicht darauf vertrauen, ihre Rechtslage werde sich auch ohne Vorlage eines eigenen Privatgutachtens nicht verschlechtern. Sie musste vielmehr die ihr zustehenden Möglichkeiten ergreifen, um das Gericht mit hinreichenden fachärztlichen Argumenten auszustatten, um – entgegen der vom Sachverständigen angenommene Schuldunfähigkeit – eine die Unschuldsvermutung überdeckende Gewissheit zu erreichen.
Der prozessuale Ablauf des Verfahrens belegt im Übrigen, dass sich die Stellung der Beschwerdeführerin ohne das in Auftrag gegebene Gutachten nachhaltig verschlechtert hätte. Denn der vom Gericht bestellte Sachverständige hat auch in der Hauptverhandlung an seiner Auffassung festgehalten, die Voraussetzungen des § 20 StGB lägen vor. Wenn das Gericht dem im Ergebnis nicht gefolgt ist, kann dies nur Ausfluss des Privatgutachtens gewesen sein. Denn andere Erkenntnismittel als das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten des Dr. G. standen hierfür nicht zur Verfügung. Das erkennende Gericht hat das Gutachten somit zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, was sich im Übrigen bereits aus der Erwähnung im Protokoll der Hauptverhandlung (S. 11) und dem Aktenvermerk des Vorsitzenden vom 27. Juli 2004 (Bl. 182 der Gerichtsakte) ergibt.
d) Soweit das Landgericht darauf verweist, dass sich die fehlende Notwendigkeit schon daraus ergebe, dass die Beschwerdeführerin im Falle des Freispruchs ein Rechtsmittel habe einlegen können, vermag auch dieser Ansatz den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht zu genügen. Folgte man dieser Auffassung, so könnten notwendige Auslagen stets erst im abschließenden Rechtszug entstehen. In der Tatsacheninstanz wäre die Erstattung notwendiger Auslagen daher niemals möglich. Dies ist mit der Konzeption des gerichtlichen Rechtsschutzsystems jedoch nicht vereinbar. Im Übrigen verkennt das Gericht auch die unzumutbaren Nachteile, die sich für die Beschwerdeführerin durch das ihr zugemutete Abwarten der Rechtsmittelzüge ergeben würden.
3. Da die angegriffenen Beschlüsse bereits wegen dieses Grundrechtsverstoßes keinen Bestand haben, können die übrigen von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen auf sich beruhen.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jentsch, Broß, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1436090 |
NJW 2006, 136 |
ZAP 2006, 14 |
DS 2006, 150 |