Zwangsunterbringung bei grobem Verfahrensverstoß unzulässig
Die Zwangsunterbringung von psychisch auffälligen Menschen ist in der Regel nicht nur mit erheblichen Einschränkungen der Freiheitsrechte der Betroffenen verbunden, sie führt häufig auch zu gesellschaftlicher Stigmatisierung mit weitreichenden Folgen für die weitere Lebensführung nach der Beendigung der Unterbringung. Deshalb ist die einschneidende Maßnahme der Unterbringung an strenge Verfahrensvorschriften geknüpft.
Dauerhafte Unterbringung im Schnellverfahren
In dem vom LG Stuttgart entschiedenen Fall wurde die unter Betreuung stehende Beschwerdeführerin am 25.1.2022 nach einer entsprechenden Eilentscheidung des AG für die Dauer von sechs Wochen stationär auf einer psychiatrischen Station untergebracht. Auf Anregung des Betreuers erteilte das AG der auf der Unterbringungsstation tätigen Assistenzärztin den Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens über den psychischen Zustand der Beschwerdeführerin. Bereits am 31.1.2022 lag das fertige Gutachten vor. Nach einer noch am gleichen Tag durchgeführten Anhörung der Beschwerdeführerin erteilte das Gericht die Genehmigung zur dauerhaften Unterbringung innerhalb einer Woche nach der Erstentscheidung.
Unterbringungsverfahren mit vielen Rechtsmängeln
Auf die Beschwerde der Betroffenen hob das LG die Anordnung zur dauerhaften Unterbringung auf. Die Vorgehensweise des AG rügte das Beschwerdegericht als in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Das Verfahren entspreche nicht den Vorschriften über die Unterbringung betreuter Personen in §§ 1906 BGB, 312 ff FamFG. So habe das AG den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör gemäß § 103 Abs.1 GG, § 319 FamFG dadurch verletzt, dass das Gericht der Beschwerdeführerin die Beauftragung einer Sachverständigen nicht vorab mitgeteilt habe. Der Betroffenen stehe bei der Beauftragung einer Gutachterin ein Prüfungs- und auch ein Ablehnungsrecht zu. Diese Rechte habe das AG nicht beachtet.
Behandelnde Ärzte sind nicht die Gutachter der Wahl
Ein weiterer Verfahrensfehler liegt nach Auffassung des LG darin, dass das AG die Assistenzärztin als Sachverständige bestellt hatte, ohne deren Qualifikation für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu prüfen. Behandelnde Stationsärzte seien in der Regel auch nicht die in solchen Fällen geeigneten Sachverständigen und dürften gemäß § 321 Abs. 1 Satz 5 FamFG nur in begründeten Ausnahmefällen mit der Erstellung des Unterbringungsgutachtens beauftragt werden.
Gutachten mit inhaltlichen Mängeln
Schließlich rügte das Gericht das Gutachten als inhaltlich fehlerhaft. Die Ausführungen der Assistenzärztin enthielten weder eine Darstellung der von ihr durchgeführten Untersuchungen noch eine medizinische Darlegung der erhobenen Befunde, von einer wissenschaftlichen Begründung ganz zu schweigen. Die medizinische Befunderhebung, die Darlegung der erstellten Diagnosen sowie eine wissenschaftliche Begründung für die gefundenen Ergebnisse seien unabdingbare Bestandteile eines tragfähigen medizinischen Unterbringungsgutachtens.
Gutachten muss rechtzeitig übermittelt werden
Schließlich rügte das Beschwerdegericht eine weitere Verletzung des Anhörungsrechts der Beschwerdeführerin. Diese sei erst in dem Termin am 31.1.2022 mit den Ergebnissen des Gutachtens konfrontiert worden. Das Recht der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme zu dem erstellten Gutachten setze aber voraus, dass die Betroffene sich mit den gutachterlichen Feststellungen dezidiert auseinandersetzen könne. Hierzu habe sie das Recht auf Kenntnisnahme des schriftlichen Gutachtens so rechtzeitig vor der entscheidenden mündlichen Verhandlung, dass sie eine realistische Möglichkeit zu einer sachlichen und gegebenenfalls fachlichen Stellungnahme habe.
Unterbringungsbeschluss aufgehoben
Wegen erheblicher Verfahrensmängel gab das LG daher der Beschwerde statt und hob den erstinstanzlichen Unterbringungsbeschluss auf. Die Vorinstanz muss nun erneut unter Beachtung der maßgeblichen Verfahrensgrundsätze entscheiden.
(LG Stuttgart, Beschluss v. 10.2.2022, 19 T 46/22)
HintergrundDas Recht der Zwangsunterbringung ist in verschiedenen Gesetzen geregelt. Grundlage können sowohl Landes- als auch Bundesgesetze sein. Länderspezifische UnterbringungsgesetzeDie Länder regeln die Unterbringung bei psychischen Krankheiten in der Regel in besonderen Unterbringungsgesetzen (PsychKG). Die Unterbringung erfolgt auch hier in der Regel zweistufig. Die zunächst vorläufige Unterbringung ist grundsätzlich an eine Gefährdungslage geknüpft, wobei sowohl die Selbst- als auch die Fremdgefährdung die entscheidenden Anknüpfungspunkte sind. Dabei ist für die längerfristige Unterbringung grundsätzlich ein dezidiertes Sachverständigengutachten eines psychiatrischen Facharztes erforderlich. Die betreuungsrechtliche UnterbringungDie Unterbringung von betreuten Personen erfolgt auf der Grundlage des § 1906 BGB in Verbindung mit §§ 312 ff FamFG. In der Regel regt der Betreuer die Unterbringung an. Die Unterbringung ist vom Betreuungsgericht zu genehmigen. Voraussetzungen der gerichtlichen Genehmigung sind
Die Unterbringung darf die Dauer von zwei Jahren nicht überschreiten. Im Unterschied zu den PsychKGs der Länder ist hier die Fremdgefährdung kein Unterbringungsgrund. Die Unterbringung im Kindes- und JugendalterDie Unterbringung im Kindes- und Jugendalter ist gesondert in § 1631b BGB geregelt. Diese darf nur zum Wohl des Kindes zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung erfolgen. Es ist ein strenger Verhältnismäßigkeitsmaßstab anzulegen, d.h. es darf kein milderes Mittel denkbar sein, mit dem die Gefahrenlage abgewendet werden könnte. Die strafrechtliche UnterbringungSchließlich existiert die Möglichkeit der Unterbringung von Straftätern u.a. bei einer krankhaften seelischen Störung gemäß §§ 63ff StGB. |
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