Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung bei besonders hohen Streitwerten verfassungsgemäß
Normenkette
RVG § 22 Abs. 2, § 23 Abs. 1 Sätze 1, 3; GKG § 39 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 S. 2
Tenor
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Beschwerdeführerin zu 1), eine aus Rechtsanwälten bestehende Partnerschaftsgesellschaft, wendet sich ebenso wie die in einer Sozietät verbundenen Beschwerdeführer zu 2) unmittelbar gegen die gesetzlichen Regelungen, nach denen der für die Höhe der Vergütung der Rechtsanwälte maßgebliche Gegenstandswert höchstens 30 Millionen Euro, bei mehreren Auftraggebern insgesamt höchstens 100 Millionen Euro, beträgt.
I.
1. Die gesetzliche Regelung der Vergütung der Rechtsanwälte beruht grundsätzlich auf wertbezogenen Gebühren. Zur Ermittlung der Vergütung werden den einzelnen Gebührentatbeständen Gebührensätze zugeordnet. Diese sind die Multiplikatoren für die Gebühr, deren Höhe sich nach dem Gegenstandswert der Angelegenheit bestimmt.
Seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG) vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718) am 1. Juli 2004 sind die Gebührentatbestände in der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, dem Vergütungsverzeichnis (im Folgenden: VV-RVG), geregelt. Dort findet sich beispielsweise für den ersten Rechtszug in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unter Nr. 3100 VV-RVG die Verfahrensgebühr mit dem Faktor 1,3 und unter Nr. 3104 VV-RVG die Terminsgebühr mit dem Faktor 1,2. Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach näherer Maßgabe des § 13 RVG aus einer an den Gegenstandswerten orientierten Gebührentabelle.
Nach § 4 Abs. 1 RVG ist die Vereinbarung einer höheren Vergütung bei Wahrung bestimmter Formerfordernisse grundsätzlich zulässig. Niedrigere Vergütungen können nach § 4 Abs. 2 RVG nur in außergerichtlichen Angelegenheiten vereinbart werden.
2. Bereits die Gebührenordnung für Rechtsanwälte vom 7. Juli 1879 (RGBl S. 176; im Folgenden: RAGebO) beruhte auf dem skizzierten System. Die Höhe des Gegenstandswerts war nach oben nicht begrenzt. Die Gebühren stiegen zunächst degressiv, ab 100.000 Mark linear an. § 93 Abs. 1 Satz 1 RAGebO ließ abweichende Vereinbarungen grundsätzlich zu, verlangte aber auf Seiten des Auftraggebers in § 93 Abs. 2 RAGebO Schriftform und ermöglichte, wenn der Rechtsanwalt “die Grenze der Mäßigung überschritten” hatte, die Herabsetzung der vereinbarten Vergütung im Prozess (§ 93 Abs. 4 RAGebO).
Das Schriftformerfordernis wurde durch Art. I Nr. 20 des Gesetzes über die Gebühren der Rechtsanwälte und die Gerichtskosten vom 18. August 1923 (RGBl I S. 813) aufgehoben und mit der Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Rechtsanwälte vom 21. April 1944 (RGBl I S. 104) in verschärfter Form wieder eingeführt. Nunmehr musste die gesamte Vereinbarung schriftlich getroffen werden und die Urkunde durfte keine anderen Vereinbarungen oder Erklärungen enthalten (§ 93 Abs. 2 Satz 1 und 2 RAGebO).
Die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 26. Juli 1957 (im Folgenden: BRAGO) übernahm diese Bestimmungen im Wesentlichen. Die Gebühren stiegen ursprünglich ab einem Gegenstandswert von 5 Millionen DM linear an. Seit 1970 lag diese Grenze bei 1 Million DM, mit der Euro-Umstellung wurde sie bei 500.000 € angesetzt. Aufgrund der linearen Steigerung jenseits dieser Summe näherten sich die Gebühren einem Grenzwert von 0,3 % des Gegenstandswerts.
Die Vereinbarung einer Vergütung wurde nunmehr in § 3 BRAGO geregelt. Die Regelung wurde ausdrücklich beschränkt auf die Vereinbarung einer höheren Vergütung als gesetzlich vorgesehen. Die Frage der Zulässigkeit einer niedrigeren Vergütung blieb – wie schon zuvor – dem Standesrecht überlassen. Erstmals 1994 wurden mit § 3 Abs. 5 BRAGO und korrespondierend mit § 49b der Bundesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: BRAO) besondere gesetzliche Bestimmungen für die Vereinbarung einer unter den gesetzlichen Gebühren liegenden Vergütung erlassen.
3. Das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz hat mit Wirkung zum 1. Juli 2004 die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte durch das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) ersetzt.
a) Die Bestimmungen über Vergütungsvereinbarungen finden sich nunmehr geringfügig verändert in § 4 RVG. Für die außergerichtliche Beratung gilt nach einem Übergangszeitraum seit dem 1. Juli 2006, dass der Rechtsanwalt auf eine Honorarvereinbarung hinwirken soll (§ 34 Abs. 1 Satz 1 RVG n.F.). Wird eine solche Vereinbarung nicht getroffen, erhält der Rechtsanwalt Gebühren grundsätzlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 34 Abs. 1 Satz 2 RVG n.F.).
Eine Neuerung enthält § 22 Abs. 2 RVG. Die Vorschrift lautete zunächst:
§ 22
Grundsatz
(1) …
(2) Der Wert beträgt in derselben Angelegenheit höchstens 30 Millionen Euro, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Sind in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber, beträgt der Wert für jede Person höchstens 30 Millionen Euro, insgesamt jedoch nicht mehr als 100 Millionen Euro.
Durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung der Justiz (2. Justizmodernisierungsgesetz) vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3416) wurden mit Wirkung zum 31. Dezember 2006 die Wörter “nichts anderes” in § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG durch “kein niedrigerer Höchstwert” ersetzt.
Mit § 22 Abs. 2 RVG korrespondiert die Neuregelung in § 39 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes.
Die Vorschrift lautete zunächst:
§ 39
Grundsatz
(1) …
(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Auch in § 39 Abs. 2 GKG wurden durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung der Justiz mit Wirkung zum 31. Dezember 2006 die Wörter “nichts anderes” durch “kein niedrigerer Höchstwert” ersetzt.
Soweit sich Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, bestimmt sich nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG (ebenso wie zuvor nach § 8 BRAGO) der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühr geltenden Wertvorschriften. Dies gilt auch außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG).
b) Die bislang nach oben nicht begrenzte und im Übrigen unverändert aus der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte übernommene Gebührentabelle erhielt damit eine Kappungsgrenze bei 30 Millionen Euro. Bei einem Auftraggeber beläuft sich eine Gebühr nunmehr auf maximal 91.496 €. Kommt es zum Rechtsstreit vor den Zivilgerichten, fallen im ersten Rechtszug bei einer 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV-RVG) und einer 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG) also maximal netto 228.740 € an. Daneben kann der Rechtsanwalt auf der Grundlage des neu geschaffenen Auslagentatbestandes unter Nr. 7007 VV-RVG eine im Einzelfall gezahlte Prämie für eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden ersetzt verlangen, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge von mehr als 30 Millionen Euro entfällt.
Nach früherem Recht ergab sich bei einem Gegenstandswert von 50 Millionen Euro eine Gebühr von 151.496 €, bei einem Gegenstandswert von 200 Millionen Euro eine Gebühr von 601.496 €. Bei einem Rechtsstreit vor den Zivilgerichten fiel im ersten Rechtszug mit einer Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) und einer Verhandlungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) also bei einem Streitwert von 50 Millionen Euro eine Vergütung von netto 302.992 €, bei 200 Millionen Euro Streitwert eine Vergütung von netto 1.202.992 € an. Kam noch eine Beweisgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) hinzu, erhöhte sich die Vergütung auf netto 454.488 € bei einem Streitwert von 50 Millionen Euro und auf netto 1.804.488 € bei einem Streitwert von 200 Millionen Euro.
c) In dem Entwurf der damaligen Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu einem zunächst beabsichtigten “Rechtsanwaltsvergütungs-Neuordnungsgesetz” vom 14. Mai 2002 wurde die Einführung einer Grenze von 30 Millionen Euro für den Gegenstandswert damit begründet, dass in den letzten Jahren die Verfahren mit sehr hohem Streitwert, “in Einzelfällen … mehrere Milliarden DM”, zugenommen hätten. Die dabei anfallenden sehr hohen Gebühren seien in der Öffentlichkeit auf heftige Kritik gestoßen (vgl. BTDrucks 14/9037, S. 61).
In der Begründung des nachfolgenden Entwurfs eines umfassenden Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 11. November 2003 heißt es zu § 22 Abs. 2 RVG und § 39 Abs. 2 GKG gemeinsam, es könne nur durch diese Regelungen vermieden werden, dass bei hohen Streitwerten unverhältnismäßig hohe Gebühren entstünden. Das Kostenrisiko für die Parteien werde so auf ein angemessenes Maß zurückgeführt (vgl. BTDrucks 15/1971, S. 154, 195).
Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit von Honorarvereinbarungen stimmen beide Entwürfe weitgehend überein. Die Förderung von Honorarvereinbarungen wird als ein Schwerpunkt der Reform bezeichnet (vgl. BTDrucks 14/9037, S. 2; 15/1971, S. 3). Begründet wird dies mit den Zielen der Deregulierung, größerer Transparenz und der Vermeidung von gerichtlichen Streitigkeiten über die Gebührenhöhe sowie mit einer tatsächlichen Zunahme von Honorarvereinbarungen im außergerichtlichen Bereich (vgl. BTDrucks 14/9037, S. 50; 15/1971, S. 147).
II.
1. Die Beschwerdeführerin zu 1) ist eine Partnerschaftsgesellschaft, zu der sich 23 Rechtsanwälte zusammengeschlossen haben, und die weitere 37 angestellte Rechtsanwälte beschäftigt.
a) Nach eigenen Angaben betreibt die Beschwerdeführerin zu 1) eine der im Bereich des Baurechts in Deutschland führenden Anwaltskanzleien. Es sollen in den letzten zehn Jahren etwa 40 Mandate mit Gegenstandswerten jeweils über 30 Millionen Euro, zwei davon mit Gegenstandswerten über 1 Milliarde Euro, bearbeitet worden sein. Alle streitigen Fälle aus diesem Bereich seien nach den Sätzen der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte abgerechnet worden. Es sei davon auszugehen, dass auch in Zukunft in der überwiegenden Anzahl der Fälle mit Gegenstandswerten über 30 Millionen Euro die Mandanten auf einer Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren bestehen würden, insbesondere alle öffentlichen Auftraggeber.
b) Die Beschwerdeführerin zu 1) meint, § 22 Abs. 2 RVG sei verfassungswidrig und nichtig.
aa) Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Insbesondere sei die Beschwerdeführerin zu 1) bereits gegenwärtig beschwert; denn § 22 Abs. 2 RVG behindere sie bereits jetzt bei der Akquise von Aufträgen. Die Frage der Gültigkeit von § 22 Abs. 2 RVG sei aus wirtschaftlichen Gründen entscheidend für die Annahme von extrem aufwändigen Mandaten jenseits der Grenze von 30 Millionen Euro, sofern der Mandant auf einer gesetzlichen Gebührenrechnung bestehe. Es sei ihr außerdem unzumutbar, wegen der Höhe der Vergütung zunächst ein gerichtliches Verfahren gegen den Mandanten zu führen; denn ein vorprogrammierter Streit würde das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant von Anfang an stören.
bb) Da § 22 Abs. 2 RVG gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße, sei die Verfassungsbeschwerde auch begründet.
Gesetzliche Vergütungsregelungen seien an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Daran ändere sich nichts durch die Möglichkeit der Vereinbarung einer höheren als der gesetzlich bestimmten Vergütung. Die gesetzliche Vergütungsordnung sei bewusst als Regelfall der Vergütung festgelegt worden, nicht nur als “Reserveregelung”. Staatliche Gebührenordnung und abweichende private Entgeltfestsetzung stünden in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis; dies sei auch deshalb der Fall, weil bei der unterlegenen Partei nur die gesetzlichen Gebühren liquidiert werden könnten. Dadurch erhielten die staatlichen Gebührensätze de facto eine hohe Verpflichtungskraft. Der Rechtsanwalt, der davon abweichen wolle, müsse seinem Mandanten in der Regel darlegen, dass und warum das Mandat ein im Vergleich zur gesetzlichen Regelung atypischer Sonderfall sei. Trotz Abdingbarkeit sei daher von einem Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Anwalts auszugehen.
Der Eingriff sei nicht durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckt. Der Gesetzgeber habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachtet. Es sei bereits zweifelhaft, ob ein legitimer gesetzgeberischer Zweck für § 22 Abs. 2 RVG ermittelt werden könne. Soweit der Gesetzgeber darauf abstelle, es solle das Entstehen unverhältnismäßig hoher Gebühren verhindert werden, verkenne er, dass in dem bisherigen System unverhältnismäßig hohe Gebühren gar nicht hätten entstehen können. Die Gebühren hätten in einem proportional ausgestalteten rechnerischen Verhältnis zum Streitwert gestanden. Das weitere Argument, das Kostenrisiko solle auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden, sei ebenfalls nicht stichhaltig. Bei Streitwerten über 30 Millionen Euro falle weniger das Kostenrisiko als das Risiko in der Hauptsache ins Gewicht. Die wahre Motivation des Gesetzgebers sei angesichts verlorener Großprozesse offenbar der fiskalische Schutz des Staates als Prozesspartei gewesen.
§ 22 Abs. 2 RVG sei zur Erreichung der Zwecke aber auch weder geeignet noch erforderlich. Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Streitwertsumme auszumachen sei, oberhalb derer die ansonsten geltende proportionale Verknüpfung eines erhöhten Streitwerts mit einer entsprechend erhöhten Arbeitsleistung schlagartig beendet sei, seien weder in der Fachliteratur an irgendeiner Stelle vorgetragen noch in der Gesetzesbegründung angeführt. In jedem Fall verfüge der Gesetzgeber aber über das mildere Mittel, die Entwicklung der Vergütung jenseits oder auch schon vor der 30 Millionen Euro-Marke stärker degressiv auszugestalten.
Schließlich fehle es auch an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Weder die in der Gesetzesbegründung genannten Gründe noch der mutmaßliche fiskalische Gesetzeszweck wögen schwerer als die Belange der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin zu 1). Auch im Rahmen von gesetzlichen Gebührenregelungen, denen eine prinzipiell zulässige Mischkalkulation zugrunde liege, könne nicht erwartet werden, dass ein Rechtsanwalt für eine Gebühr tätig werde, die zu seinem Aufwand in keinem angemessenen Verhältnis stehe und ihm kein ausreichendes Gebührenaufkommen mehr sichere. Für ein großes baurechtliches Mandat, das eine gleichzeitige Befassung auch mehrerer Anwälte über einen mitunter sehr langen Zeitraum erforderlich mache, sei eine Vergütung von etwa 1 Million Euro gut nachvollziehbar und angemessen, nicht aber der jetzige gesetzliche Höchstbetrag. Hätte die Beschwerdeführerin zu 1) schon bisher auf der Basis eines Höchstsatzes von 30 Millionen Euro abrechnen müssen, hätte sie dies längst in die Insolvenz geführt.
Das trotz der Gebühreneinbußen ungeschmälerte Haftungsrisiko könne durch die Auslagenerstattung für eine Versicherung nicht ausgeglichen werden; denn solche Einzelfall-Versicherungen würden wegen des für den Versicherer nicht zu kalkulierenden Risikos praktisch nicht angeboten.
cc) Die angegriffene Norm verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Verbot, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln, werde verletzt, indem denjenigen Anwälten und Kanzleien eine besondere Belastung zu ihrem Nachteil aufgebürdet werde, die sich insbesondere im Bereich des Baurechts auf größere Projekte und Mandate spezialisiert hätten. Ihre durchschnittliche gesetzliche Vergütung werde gekürzt, während andere Anwälte von dieser Vergütungsreduzierung nicht betroffen seien. Zudem werde in willkürlicher Weise wesentlich Ungleiches gleich behandelt, indem Mandate mit einem Streitwert von 30 Millionen Euro ebenso vergütet würden wie Mandate mit einem höheren Streitwert.
2. Die Beschwerdeführer zu 2) sind vier Rechtsanwälte, die sich zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen haben. Ihre Kanzlei befasst sich insbesondere mit den Gebieten des Wirtschafts-, Handels- und Gesellschaftsrechts, ferner mit dem Erbrecht und dem Recht der Unternehmensnachfolge sowie dem Medizinrecht. Es seien bereits in der Vergangenheit Mandate mit einem Streitwert über 30 Millionen Euro bearbeitet worden, deren Abrechnung nach den Gebührensätzen der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte erfolgt sei.
Die Beschwerdeführer zu 2) wenden sich unmittelbar gegen § 22 Abs. 2 und § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 GKG. Sie rügen in erster Linie eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG. Bereits die in der Gesetzesbegründung getroffene Annahme, dass bei hohen Streitwerten unverhältnismäßig hohe Gebühren entstünden, sei wegen des gleichmäßigen Anstiegs der Gebühren entsprechend dem Gegenstandswert unzutreffend. Der Regelung fehle es zudem an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. So seien keine sozialpolitischen Gründe gegeben, die eine gebührenmäßige Privilegierung bei einem Gegenstandswert von mehr als 30 Millionen Euro noch rechtfertigen könnten. Die Justizgewährungspflicht sei ebenfalls nicht berührt, weil den Gebühren ein entsprechend hohes wirtschaftliches Interesse gegenüberstehe.
Mit den nun nur noch zulässigen gesetzlichen Gebühren sei der Rechtsanwalt zudem nicht hinreichend vergütet. Es entspreche forensischer Erfahrung, dass in Rechtsangelegenheiten desto intensiver gestritten werde, je höher der Streitwert sei. Entsprechend steige auch der anwaltliche Arbeitsaufwand. Mehrere tausend Arbeitsstunden seien in solchen Fällen ohne weiteres möglich, während auf der Basis eines angemessenen Stundensatzes von 300 € mit der Begrenzung der Vergütungshöhe nur noch ein Aufwand von etwa 762 Stunden abgegolten werde.
III.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben das Bundesministerium der Justiz für die Bundesregierung, die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein Stellung genommen.
1. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet.
Das Gebührensystem der Rechtsanwälte basiere ganz wesentlich auf einer Mischkalkulation. Mit steigendem Gegenstandswert nehme das mögliche Ausmaß einer Divergenz zwischen tatsächlichem Aufwand und der Gebührenhöhe im Einzelfall zu. So habe in dem Schadensersatzprozess Mülheim-Kärlich die Anwaltsvergütung nach einem Presseartikel mehr als 7 Millionen Euro betragen. Dies hätte ausgereicht, um einen in einer überörtlichen Sozietät im alten Bundesgebiet tätigen Rechtsanwalt 37 Jahre zu beschäftigen; denn der persönliche monatliche Honorarumsatz eines solchen Rechtsanwalts belaufe sich auf durchschnittlich etwa 17.000 €. Dieses Beispiel zeige, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestanden habe.
Die Begrenzung der Gebührenhöhe verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und stelle insbesondere keine unzulässige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit dar. Die Wertgrenze sei vielmehr zur Erreichung des Ziels der Vermeidung unverhältnismäßig hoher Gebühren geeignet. Nach allgemeinen Erfahrungen werde von der im Bereich der außergerichtlichen Vertretung bestehenden Möglichkeit der Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren gerade bei sehr hohen Gegenstandswerten in größerem Umfang Gebrauch gemacht. Dies belege die Notwendigkeit einer Wertgrenze im gerichtlichen Bereich. Gebühren bei extrem hohen Gegenstandswerten könnten sich für den Rechtsuchenden als nicht gerechtfertigte Rechtswegbarriere auswirken und müssten deshalb ausgeschlossen werden.
Auch die Erforderlichkeit der Regelung sei zu bejahen. Die diskutierte Alternative, die Degression der Gebührentabelle zu verstärken, sei nicht weiterverfolgt worden, weil dadurch das Problem des unverhältnismäßig hohen Kostenrisikos nur entschärft, aber nicht hätte beseitigt werden können. Da Verfahren mit Streitwerten über 30 Millionen Euro sehr selten seien, sei die Einführung einer Wertgrenze mit Beibehaltung der Tabellenstruktur gegenüber einer weit früher einsetzenden Degression für die Mehrzahl der Anwälte die weniger belastende Maßnahme.
Die Wertgrenze sei außerdem verhältnismäßig im engeren Sinne. Es gebe auch keinen Automatismus, wonach auch jenseits bereits sehr hoch angesetzter Gegenstandswerte stets auch die Kosten des Anwalts weiter zunähmen. Sofern im Einzelfall die gesetzlichen Gebühren nicht dem Aufwand des Anwalts adäquat sein sollten, bestehe die Möglichkeit einer Honorarvereinbarung. Für den Bereich der Beratung seien die Rechtsanwälte ab Juli 2006 ohnehin gehalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen.
2. Die Bundesrechtsanwaltskammer ist der Auffassung, die Begrenzung des Anwaltsgebührenstreitwerts sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Es liege ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Rechtsanwälte vor, der durch die Möglichkeit einer Honorarvereinbarung zwar abgemildert, jedoch nicht aufgehoben sei (Hinweis auf BVerfGE 83, 1 ≪15≫). Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.
Die sich aus Gegenstandswerten von 30 Millionen Euro ergebende maximale Gebührenhöhe könne bei Großverfahren, die sich über einen langen Zeitraum hinzögen und mehrere Rechtsanwälte beschäftigten, im Einzelfall nicht einmal kostendeckend sein. Höhere Honorare bei höheren Streitwerten seien auch unabhängig von dem Aufwand, der für den Rechtsanwalt mit der Vertretung verbunden sei, nicht unangemessen, weil der Wert der Leistung des Rechtsanwalts entscheidend durch seine Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers bestimmt werde.
Außerdem sei die Angemessenheit des Prozesskostenrisikos auch an dem Maßstab der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens für die Beteiligten zu bestimmen. In Verfahren mit großer wirtschaftlicher Bedeutung sei ein höheres Prozesskostenrisiko angemessen als in Verfahren mit geringer wirtschaftlicher Bedeutung. Selbst wenn man die Auffassung des Gesetzgebers zugrunde lege, bei Streitwerten über 30 Millionen Euro drohe ein unangemessen hohes Kostenrisiko, kämen jedenfalls mildere Mittel, wie etwa die Reduzierung des Gebührenanstiegs oberhalb eines bestimmten Streitwerts, in Betracht.
Auch Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt. Die Streitwertgrenze bewirke eine Gleichbehandlung von Sachverhalten, die nach den Grundgedanken des Gebührensystems ungleich zu behandeln seien. So erhalte etwa ein Rechtsanwalt bei einer Klageforderung in Höhe von 600 Millionen Euro dieselben Gebühren wie ein Anwalt bei einem Streitwert von 30 Millionen Euro. Für diese Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte gebe es keine sachgerechten Gründe.
3. Der Deutsche Anwaltverein hält die Verfassungsbeschwerde für begründet.
Die Beschwerdeführer seien in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Die gesetzliche Kappung der Vergütung des Rechtsanwalts greife in die Preisbildungsfreiheit ein. Es handele sich auch um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, weil das im Übrigen beibehaltene geschlossene Regelungskonzept der streitwertabhängigen Gebührenbemessung durchbrochen werde. Die gesetzlich gewollte Mischkalkulation werde einseitig zu Lasten des Anwalts verschoben, weil ein Ausgleich innerhalb des Vergütungssystems nicht mehr möglich sei. Erschwerend komme hinzu, dass eine Begrenzung der Haftung des Anwalts für Streitwerte jenseits von 30 Millionen Euro nicht vorgesehen sei. Der Auslagenanspruch wegen der Versicherungsprämien sei nutzlos, weil er gegenüber dem Mandanten nicht durchsetzbar sei.
Im Ergebnis könnten mögliche Honorarvereinbarungen den Grundrechtseingriff nicht abmildern. Da der Anwalt seine Mandanten über die fehlende Erstattungsfähigkeit der die gesetzlichen Gebühren übersteigenden Vereinbarungshonorare aufklären müsse, werde er in vielen Fällen ein solches Honorar nicht durchsetzen können. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vereinbarte Honorare, die das Fünffache der gesetzlichen Gebühren überschritten, in aller Regel unangemessen im Sinne des § 4 RVG seien (Hinweis auf BGHZ 162, 98).
Die Erwägung des Gesetzgebers, das Entstehen unverhältnismäßig hoher Anwaltsgebühren solle verhindert und das Kostenrisiko auf ein angemessenes Maß reduziert werden, sei kein ausreichender Grund, um den Eingriff in die Berufsfreiheit zu rechtfertigen. Der Vergütungsbegrenzung lägen keine sozialpolitischen oder sonstigen Erwägungen zugrunde. Eine Begründung für die Annahme, dass eine streitwertabhängige Bemessung der Anwaltsgebühren ab einem Streitwert von 30 Millionen Euro unverhältnismäßig sei, suche man vergeblich.
Die Kappung der Vergütung des Rechtsanwalts verletze zudem Art. 3 Abs. 1 GG. Zunächst würden diejenigen Kanzleien benachteiligt, die sich vermehrt mit der Bearbeitung von Mandaten befassten, die den Streitwert von 30 Millionen Euro überschritten. Weiterhin würden sämtliche Sachverhalte ab einem Streitwert von 30 Millionen Euro willkürlich gleich behandelt. Eine Rechtfertigung hierfür bestünde nur, wenn ab einem Streitwert von 30 Millionen Euro für den Rechtsanwalt typischerweise kein erhöhter Arbeitsaufwand mehr anfallen würde. Davon könne indes nicht ausgegangen werden. Schließlich verstoße die Kappung auch unter dem Gesichtspunkt fehlender Systemgerechtigkeit gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet.
I.
1. Mit beiden Verfassungsbeschwerden wird die Begrenzung der Anwaltsvergütung im Wege der Kappung des maßgeblichen Gegenstandswerts auf 30 Millionen Euro sowohl durch § 22 Abs. 2 RVG als auch durch § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 GKG angegriffen. Zwar nennt die Beschwerdeführerin zu 1) – anders als die Beschwerdeführer zu 2) – in ihrer Verfassungsbeschwerde als angegriffene Norm lediglich § 22 Abs. 2 RVG, obwohl für gerichtliche Verfahren, in denen sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, die Begrenzung des Gegenstandswerts auf 30 Millionen Euro aufgrund der Verweisung in § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG aus § 39 Abs. 2 GKG folgt. Auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist jedoch der Sinn eines Rechtsschutzbegehrens im Wege der Auslegung unter Heranziehung der Begründung des Antrags zu ermitteln und der Verfahrensgegenstand entsprechend zu deuten (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪68 f.≫; 86, 148 ≪210 f.≫). Ausweislich der Begründung der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin zu 1) gegen die Begrenzung des für die Anwaltsvergütung maßgebenden Streitwerts auf 30 Millionen Euro, ohne dabei zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Anwaltstätigkeit zu differenzieren. Im Vordergrund ihrer Argumentation steht die Vergütung für gerichtliche Verfahren; es findet sich indessen kein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Verfassungsbeschwerde dem entgegen auf die Anwaltsvergütung für außergerichtliche Tätigkeit beschränken soll. Um dem offensichtlichen Verfahrensziel der Beschwerdeführerin zu 1) gerecht zu werden, ist die Verfassungsbeschwerde daher so zu verstehen, dass sie sich nicht nur gegen den ausdrücklich genannten § 22 Abs. 2 RVG richtet, sondern auch gegen § 39 Abs. 2 GKG, soweit diese Norm über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG den Gegenstandswert auch für das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmt.
2. Damit ist auch den Zulässigkeitsanforderungen aus § 92 BVerfGG genügt. Nach dieser Vorschrift muss der Beschwerdeführer in der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde auch die Handlung bezeichnen, durch die er sich in seinen Verfassungsrechten verletzt sieht. Auf der Grundlage der Auslegung des Rechtsschutzbegehrens der Beschwerdeführerin zu 1) sind die angegriffenen Bestimmungen hinreichend bezeichnet.
II.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet. § 22 Abs. 2 RVG und § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 GKG verstoßen weder gegen das Grundrecht der Beschwerdeführer auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Art. 12 Abs. 1 GG schützt die freie Berufsausübung, konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung und zielt auf eine möglichst selbstbestimmte berufliche Betätigung (vgl. BVerfGE 101, 331 ≪347≫; 103, 172 ≪182 f.≫). Dieses Grundrecht ist nicht verletzt, da kein Eingriff vorliegt.
a) Die angegriffene Regelung betrifft die Berufsfreiheit der Rechtsanwälte.
Die Berufsfreiheit umfasst die wirtschaftliche Verwertung der beruflich erbrachten Leistung am Markt (vgl. BVerfGE 97, 228 ≪253≫; 115, 205 ≪229≫). Auch der Rechtsanwalt erbringt Leistungen am Markt. Er übt einen freien Beruf aus, der staatliche Kontrolle und Bevormundung prinzipiell ausschließt (vgl. BVerfGE 34, 293 ≪302≫; 50, 16 ≪29≫; 63, 266 ≪283 f.≫). Unter der Herrschaft des Grundgesetzes unterliegt die anwaltliche Berufsausübung der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des Einzelnen, soweit sie nicht durch gesetzliche Regelungen ausgestaltet oder beschränkt wird.
Die berufliche Tätigkeit der Rechtsanwälte ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in ein gesetzliches Vergütungssystem eingebunden ist, das vertragliche Vereinbarungen über die Höhe des anwaltlichen Honorars teilweise entbehrlich macht. Die angegriffene Regelung ändert dieses Vergütungssystem in der Weise, dass ab einer bestimmten Kappungsgrenze Anwälte niedrigere Gebühren als bislang hinnehmen müssen oder ansonsten auf eine Honorarvereinbarung angewiesen sind, wenn sie eine über den jetzt festgeschriebenen gesetzlichen Gebühren liegende Vergütung oder die nach dem bisherigen Recht vorgesehene erzielen wollen. Diese Auswirkungen auf die Berufsausübung betreffen die Berufsfreiheit der Rechtsanwälte.
b) In der angegriffenen Änderung des bestehenden Systems der Anwaltshonorierung hinsichtlich Streitigkeiten mit besonders hohen Gegenstandswerten liegt jedoch weder ein Eingriff in die Berufsfreiheit noch eine Maßnahme mit eingriffsgleicher Wirkung.
aa) Das vor der Neuregelung geltende Gebührenrecht beruhte auf einer Entscheidung des Gesetzgebers über die Zuordnung der unterschiedlichen betroffenen Interessen. Es handelte sich um eine den Schutzauftrag des Gesetzgebers wahrnehmende Ausformung des Rechtsschutzsystems zwecks Sicherung seiner Effektivität, das Auswirkungen auf die Wahrnehmung der beruflichen Vertragsfreiheit der Anwälte hatte. Soweit die bisherige Regelung die Rechtsanwälte durch das System gesetzlicher Gebühren und die zusätzliche Möglichkeit von Honorarvereinbarungen begünstigte, beruhte dies nicht auf einer im Grundgesetz schon enthaltenen Rechtsposition der Rechtsanwälte, sondern auf der gesetzlichen Regelung des Gebührenrechts. Es stellt keine Beeinträchtigung des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit dar, dass innerhalb dieses Regelungssystems Veränderungen vorgenommen und durch die angegriffenen Gesetzesnormen mit Wirkung für die Zukunft Wertgrenzen für die Bestimmung der gesetzlichen Vergütung von Rechtsanwälten eingeführt worden sind. Auf den unveränderten Fortbestand der einmal geschaffenen, grundrechtlich nicht vorgegebenen Gebührenregelung hatte die Rechtsanwaltschaft keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch, dessen Änderung als Grundrechtseingriff anzusehen wäre.
bb) Bereits bisher bestand für die Honorarhöhe der Rechtsanwälte insoweit Vertragsfreiheit, als ein Rechtsanwalt, der nicht bereit war, eine Prozessvertretung zu der gesetzlich vorgesehenen Gebühr zu übernehmen, die Möglichkeit hatte, mit seinem Mandanten eine höhere Vergütung auszuhandeln. Das Gesetz sicherte dem Rechtsanwalt daneben die Möglichkeit, die Prozessvertretung jedenfalls unter Anwendung der gesetzlichen Gebühren zu übernehmen. Insofern hat der Gesetzgeber es nicht bei der sonst bei privatwirtschaftlichem Handeln lediglich gegebenen Chance eines bestimmten Entgelts belassen, sondern zur Sicherung einer leistungsfähigen Anwaltschaft Mindestgebühren vorgesehen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG). Diese Regelung, die vorliegend nicht angegriffen ist, schützt im Interesse der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege die Anwaltschaft. Auch angesichts der starken Konkurrenz der Anwälte untereinander soll kein Anreiz bestehen, die gesetzlich vorgesehene Mindestgebühr zu unterschreiten.
Die gesetzliche Vergütungsregelung dient aber auch dem Schutz der Rechtsuchenden, indem in generalisierender Form für alle anwaltlichen Leistungen Pauschalvergütungssätze vorgesehen sind. Dem Rechtsuchenden ist es regelmäßig nicht möglich, den für die anwaltliche Tätigkeit erforderlichen Aufwand selbst zu beurteilen; die gesetzlichen Gebühren geben ihm Rechtssicherheit bei der Kalkulation der möglichen Kosten und erlauben ihm, selbst zu entscheiden, ob ihm der anwaltliche Beistand gegebenenfalls ein höheres Entgelt wert ist. An diesen Grundsätzen hat die Neuregelung nichts geändert.
Die gesetzliche Regelung geht typisierend vor und sichert daher nicht in jedem Einzelfall, dass die Gebühr genau dem Wert und dem Umfang der anwaltlichen Leistung entspricht. Sie kann im konkreten Fall hinter dem Aufwand zurückbleiben oder ihn übersteigen. Bestimmend ist insofern das gesetzgeberische Ziel, den Anwälten für ihre Tätigkeit insgesamt eine angemessene Vergütung zu ermöglichen. Der Rechtsanwalt kann demnach eine so genannte Mischkalkulation vornehmen und dabei die Vorteile eines umfassenden und geschlossenen Regelungssystems nutzen (vgl. BVerfGE 83, 1 ≪13 f.≫; 107, 133 ≪143≫). Darüber hinaus steht ihm der Weg einer Honorarvereinbarung offen. Der gesetzlichen Gebührenregelung kommt daher nur dispositive Wirkung zu.
cc) An dieser Rechtslage hat sich durch die Neuregelung im Grundsatz nichts geändert. Durch die Festlegung einer Kappungsgrenze zur Berechnung der gesetzlichen Gebühr hat allerdings der Gesetzgeber den rechtlichen Spielraum für eine Honorarvereinbarung, deren faktische Realisierbarkeit sich nach den allgemein für privatwirtschaftliches Handeln geltenden Grundsätzen von Angebot und Nachfrage richtet, ausgeweitet. Die wirtschaftliche Freiheit der Rechtsanwälte wurde dadurch nicht beschnitten.
Die Freiheit der Berufsausausübung würde allerdings beeinträchtigt, wenn ein Grundrechtsträger daran gehindert würde, auf privatautonome Weise zur Festlegung der Vergütung zu gelangen (vgl. BVerfGE 83, 1 ≪13≫). Dies könnte durch gesetzliche Vergütungsregelungen geschehen, welche die Höhe der Vergütung mit verbindlicher Wirkung bestimmen. Solche Vorschriften stellen einen Eingriff in die Berufsausübung dar (vgl. BVerfGE 88, 145 ≪159≫; 101, 331 ≪347≫). So liegt bei der gegenwärtig geltenden Regelung eine Beschränkung der Vertragsfreiheit von Rechtsanwalt und Mandanten durch das Gebührenrecht im grundsätzlichen Verbot der Gebührenunterschreitung in § 4 Abs. 1 RVG. Insoweit hat die angegriffene Regelung jedoch die Wirkung, dass diese Beschränkung oberhalb der Wertgrenze von 30 Millionen Euro nunmehr an Bedeutung verloren hat, die Vertragsfreiheit also erweitert wird.
dd) Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Gebührenregelungen mittelbar über die gesetzlichen Regelungen zur Erstattung von Anwaltskosten im Verhältnis zu Dritten für eine Begrenzung der Zahlungspflichten sorgen, so bei der Kostenerstattung durch die unterliegende Partei sowie bei der Vergütung der Pflichtverteidiger und der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälte.
Diese Erstattungsregelungen, die vorliegend nicht angegriffen sind, haben nicht die Berufstätigkeit der Rechtsanwälte zum Gegenstand. Mit ihnen gestaltet der Gesetzgeber vielmehr das Rechtsschutzsystem, um dessen Effektivität sicherzustellen und so ihm obliegende Schutzpflichten zugunsten der an einem Prozess Beteiligten wahrzunehmen. Durch die Anbindung der Erstattungspflicht an die gesetzliche Gebühr wird insbesondere für denjenigen, der von einem anderen verklagt wird und daher nicht selbst die Initiative für einen Prozess ergriffen hat, vorhersehbar, welche Kosten im Falle eines Prozessverlustes auf ihn zukommen.
Der Umstand, dass Anwaltskosten über die gesetzliche Gebühr hinaus auch bei einem Obsiegen im Prozess nicht erstattungsfähig sind, erschwert allerdings die Verhandlungsposition eines Rechtsanwalts, der gegenüber seinem Mandanten eine höhere Honorarvereinbarung durchsetzen will. Insoweit erhalten die gesetzlichen Gebühren faktisch eine Leitbildfunktion, ändern aber nichts an dem Grundsatz der Vertragsfreiheit.
ee) Art. 12 Abs. 1 GG umfasst keinen Anspruch auf beruflichen Erfolg im Rahmen einer wettbewerblich strukturierten Ordnung (vgl. BVerfGE 105, 252 ≪265≫). Soweit Art. 12 Abs. 1 GG die Freiheit schützt, das Entgelt der angebotenen Leistung selbst festzulegen (vgl. BVerfGE 101, 331 ≪347≫; 106, 275 ≪298≫), reicht dieser Schutz nicht über das Recht der Nachfrager hinaus, zu entscheiden, ob sie zu diesen Bedingungen Leistungen abnehmen. Dass potentielle Mandanten möglicherweise eine anwaltliche Betreuung unter Anwendung der gesetzlichen Gebühr bevorzugen oder vor einer Honorarvereinbarung fragen, mit welcher Leistung des Rechtsanwalts die Abweichung von der gesetzlichen Gebühr begründet ist, entspricht dem Gedanken der Vertragsfreiheit. Gelingt es dem Anwalt nicht, ein höheres Honorar zu vereinbaren, realisiert sich das allgemeine Risiko, das mit der wirtschaftlichen Verwertung einer beruflich erbrachten Leistung am Markt verbunden ist. Die frühere Gebührenregelung, die jenseits der Wertgrenze höhere Gebühren vorsah und daher für die Rechtsanwälte einen geringeren Anreiz für Honorarvereinbarungen enthielt, hat keinen Vertrauensschutztatbestand geschaffen und deshalb den Rechtsanwälten das Risiko eines Misslingens von Honorarverhandlungen nicht mit der Wirkung abgenommen, dass eine Veränderung der gesetzlich geschaffenen Anreizstruktur als Grundrechtseingriff anzusehen wäre. Es fehlt an der Beeinträchtigung einer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition.
ff) Damit kann die angegriffene Neuregelung auch nicht in Ziel und Wirkung einem Eingriff in die anwaltliche Berufsfreiheit gleichkommen. Eine eingriffsgleiche Wirkung ist verfassungsrechtlich bedeutsam, wenn zwar keine unmittelbare rechtliche Beeinträchtigung erfolgt, die mittelbar und faktisch belastende Maßnahme aber nach Wirkung und Zielrichtung einer solchen Beeinträchtigung gleichkommt (vgl. BVerfGE 105, 252 ≪273≫). Eine staatliche Maßnahme kann nur als funktionales Äquivalent eines Eingriffs angesehen werden, wenn sich überhaupt eine grundrechtliche Schutzposition angeben lässt, in die eingegriffen worden sein kann. Eine derartige Position ist hier jedoch nicht ersichtlich.
gg) Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung trotz der gegebenen Möglichkeit von Honorarvereinbarungen angenommen, wenn das geschlossene Regelungskonzept einer anwaltlichen Vergütungsordnung zu Lasten der Rechtsanwälte durchbrochen wird, um aus sozialpolitischen Gründen eine Kostensenkung in sozialgerichtlichen Verfahren zu erreichen (vgl. BVerfGE 83, 1 ≪14 f.≫). Bestimmend war dabei die Annahme, dass die Gebührensenkung im sozialgerichtlichen Verfahren realistischerweise nicht durch eine Honorarvereinbarung vermieden werden kann. Das Gericht hat unter anderem darauf verwiesen, dass Vergütungen, welche die gesetzlichen Gebühren überstiegen, auch im Falle des Obsiegens nicht erstattungsfähig seien und von Rechtsschutzversicherungen grundsätzlich nicht übernommen würden. Rechtsanwälte würden deshalb in sozialgerichtlichen Verfahren Honorarvereinbarungen ihren Mandanten kaum empfehlen können und müssten in den meisten Fällen die Beschränkung auf die gesetzlichen Gebühren hinnehmen (vgl. BVerfGE 83, 1 ≪15≫). Es kann dahinstehen, ob an dieser Sichtweise festzuhalten ist oder ob es nicht auch in der damaligen Fallkonstellation lediglich um die gesetzliche Ausformung des Rechtsschutzsystems ging, ohne dass die davon ausgehenden Wirkungen auf die Anwaltschaft die Qualität eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG hatten. Die hier zu überprüfende Konstellation ist mit der damaligen jedenfalls nicht vergleichbar.
Während im sozialgerichtlichen Verfahren die Mandanten aus den vom Senat geschilderten Gründen (vgl. BVerfGE 83, 1 ≪15≫) zu Honorarvereinbarungen, die die gesetzlichen Gebühren übersteigen, praktisch kaum je bereit und in der Lage sein werden, kann dies für die Honorierung der anwaltlichen Leistung in den vorliegend maßgebenden Großverfahren nicht angenommen werden. Die absolute Summe des Anwaltshonorars ist in solchen Verfahren – wie die Beschwerdeführer selbst ausführen – aus der Sicht der am Streit Beteiligten im Verhältnis zu dem absoluten Wert der im Streit befindlichen Angelegenheit regelmäßig nicht von maßgebender Bedeutung für die Bereitschaft zur Führung eines Prozesses. Dementsprechend wird das Interesse der an solchen Streitigkeiten Beteiligten an einem kompetenten, gegebenenfalls durch eine Mehrzahl spezialisierter Anwälte geleisteten rechtlichen Beistand in vielen Fällen so groß sein, dass sie bereit sein werden, dafür auch ein ausgehandeltes Honorar zu zahlen. Die an solchen Streitigkeiten Beteiligten verfügen regelmäßig selbst über rechtlichen Sachverstand und dürften beurteilen können, was ihnen die Unterstützung durch eine bestimmte Anwaltskanzlei, die ein vereinbartes Honorar verlangt, wert ist.
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der von der Regelung ausgelösten Nachteile ist auch von Bedeutung, dass Honorarvereinbarungen in den letzten Jahren in erheblichem Umfang zugenommen haben, wenn auch – angesichts der gesetzlichen Mindestgebühr bei Prozessvertretungen nicht überraschend – am stärksten außerhalb forensischer Tätigkeit. In den von der Neuregelung am ehesten betroffenen Großkanzleien sollen sie inzwischen 78 % des Umsatzes ausmachen (Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen deutscher Rechtsanwälte, 2006, S. 34). Schon vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die dispositive Gebührenfestlegung für Großverfahren jenseits der Wertgrenze eine Gebührenvereinbarung so stark erschwert wird, dass darin eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit liegt.
Im Übrigen ist die angegriffene Regelung nicht darauf gerichtet, Honorarvereinbarungen auszuschließen. Das Gesetz regelt lediglich, welche Werte maßgebend sind, wenn es zu einer solchen Vereinbarung nicht kommt. Dabei ist der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen, dass in solchen Fällen kompetente Anwälte bereit sein werden, das Mandat zu dem Mindesthonorar (zu dessen Höhe siehe oben A I 3b) zu übernehmen, ohne dadurch auf ein leistungsgerechtes Honorar verzichten zu müssen oder gar grundsätzlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten.
c) Die angegriffene Regelung stellt einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Rechtssystem dar. Die Verfassungsbeschwerden blieben daher selbst dann ohne Erfolg, wenn ein Eingriff oder mit dem Sondervotum eine eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit anzunehmen wäre. Die angegriffenen Bestimmungen werden dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht.
Die verfassungsrechtliche Bewertung der erfolgten Änderung des Gebührenrechts richtet sich dabei nicht allein nach der Perspektive dessen, der durch die Neuregelung eventuell im Tatsächlichen schlechter gestellt wird als durch die vorherige Regelung. Vielmehr müssen die verschiedenen Begünstigungen und Belastungen aller von der Regelung Betroffenen in den Blick genommen werden.
aa) Es ist Ziel der angegriffenen Regelung, im Interesse effektiver Justizgewähr bei hohen Streitwerten das Entstehen unverhältnismäßig hoher Gebühren zu vermeiden. Das Kostenrisiko für die Parteien in Verfahren mit hohen Streitwerten soll so auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden (vgl. BTDrucks 15/1971, S. 154, 195). Diese Zielsetzung steht allerdings nicht isoliert für sich, sondern ist in die für das Anwaltsgebührenrecht insgesamt maßgebende Zielvorstellung eingebettet, wonach es in erster Linie um die Sicherung einer ordnungsgemäß funktionierenden Rechtspflege und damit auch der effektiven Rechtsverfolgung durch die Rechtsuchenden und in diesem Zusammenhang um eine die Leistungsfähigkeit der Anwaltschaft sichernde Vergütung für den anwaltlichen Rechtsbeistand geht. Dementsprechend hat die Prüfung der Angemessenheit des Interessenausgleichs das gesamte System der Anwaltshonorierung in den Blick zu nehmen.
Die Begrenzung des Einkommens von Rechtsanwälten ist im Rahmen der Sicherung der Justizgewährung für sich genommen kein legitimes Ziel. Legitim ist aber das Ziel, im Interesse der Rechtsschutzgewähr einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den verschiedenen am Rechtsschutz Beteiligten vorzunehmen. Der Erreichung dieses Ziels kann die Reduzierung der Anwaltsvergütung auf ein Maß dienen, das die Kosten des Rechtsschutzes begrenzt und zugleich in typisierender Betrachtung für das konkrete Mandat nicht außer Verhältnis zum Aufwand für dessen Bearbeitung steht. Mit der nunmehr erfolgten Kostensenkung soll die faktische Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten vermieden werden, deren Grund in der Furcht vor nicht tragbaren Kostenfolgen im Falle der Niederlage liegt. Eine solche gesetzliche Zielsetzung entspricht der verfassungsrechtlich garantierten Justizgewährung. Danach darf der Zugang zu Gerichten insbesondere aus Kostengründen nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 85, 337 ≪345≫).
bb) Die Eignung und Erforderlichkeit der zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags vorgesehenen Ausgestaltung des Gebührenrechts ist nicht aus der Sicht allein des Rechtsanwalts zu beurteilen, sondern auf das gesetzlich geschaffene System insgesamt zu beziehen. Daher ist nicht zu fragen, ob es eine die Rechtsanwälte weniger belastende, aber gleich geeignete Regelung des Gebührenrechts gäbe, sondern ob die Regelung insgesamt geeignet ist, die Effektivität des Rechtsschutzes unter Einschluss der Leistungsfähigkeit der Anwaltschaft zu sichern. Ferner ist zu prüfen, ob es eine alternative Regelung gäbe, die gleich geeignet wäre, zudem aber die Betroffenen weniger belastete. Auch insoweit ist nicht allein auf die Belastung der Anwälte zu sehen; vielmehr ist diese mit den Belastungen der Rechtsuchenden wertend in Beziehung zu setzen.
(1) Zur Erfüllung der Pflicht des Gesetzgebers, die Effektivität der Rechtspflege sicherzustellen, ist eine Kappung der Gebührengrenze geeignet, wenn sie nicht dazu führt, dass die Rechtsanwaltschaft mangels hinreichender Vergütung ihre Aufgaben nicht mehr sachgerecht erfüllen kann und dadurch die Effektivität des Rechtsschutzes leidet. Bei der Beurteilung der Zwecktauglichkeit der Maßnahme hat der Gesetzgeber einen Einschätzungsspielraum. Wegen der Schwierigkeit einer zutreffenden Voraussage zukünftiger Entwicklungen ist entscheidend, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet sein würde. Die Prognose des Gesetzgebers muss sachgerecht und vertretbar sein (vgl. BVerfGE 30, 250 ≪263≫). Dies ist vorliegend der Fall.
Gegen die Zweckeignung spricht insbesondere nicht, dass eine Reduzierung des Kostenrisikos bei dispositiven Vergütungsregeln nur dann eintritt, wenn tatsächlich nach den gesetzlichen Gebühren abgerechnet wird oder die gesetzlichen Regelungen Honorarvereinbarungen zumindest so weit beeinflussen, dass nach der Gesetzesänderung Anwaltsvergütungen in geringerer Höhe vereinbart werden als bisher. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre und in Großverfahren Honorare in Höhe der bisher geltenden Gebührensätze vereinbart würden, wäre dies aus verfassungsrechtlicher Sicht unschädlich, da die Honorarhöhe in solchen Fällen offenbar nicht von der Bereitschaft zur Rechtsverfolgung abhält. Entlastet ist allerdings die Gegenpartei, wenn sie unterliegt, da die Kostenerstattung für sie limitiert ist.
(2) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wäre es kein gleichwertiges, aber weniger belastendes Mittel, wenn auf die Wertgrenze verzichtet würde, dafür aber die gesetzlichen Gebühren jenseits der Wertgrenze von 30 Millionen Euro geringer anstiegen als bei den unteren Werten. Damit wäre eine Belastung der Rechtsuchenden in allen Fällen hoher Werte verbunden, also auch in solchen, in denen kein Anlass besteht, die anwaltliche Leistung durch eine höhere Gebühr zu honorieren. Dadurch würde das Kostenrisiko nicht in gleicher Weise begrenzt wie durch die Neuregelung.
cc) Der gefundene Ausgleich der unterschiedlichen Interessen ist angemessen.
Auch bei der Bewertung der Angemessenheit ist auf die gesamte Regelung und nicht nur auf die Auswirkung auf die Rechtsanwaltschaft zu sehen. Hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit steht dem Gesetzgeber ebenfalls ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Dieser ist vorliegend nicht überschritten.
Die Regelung gesetzlicher Gebühren für anwaltliche Tätigkeiten, insbesondere die Festlegung der Mindestgebühr, dient auch dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Staat den Rechtsanwälten gleich bleibende oder besonders hohe Gebühren oder auch nur Gebühren in der von den Beschwerdeführern zu 2) der Kostenberechnung zugrunde gelegten Höhe eines Stundensatzes von 300 € garantieren muss. Zu seinem Schutzauftrag gehört es, auch darauf zu achten, dass die Justizgewährung nicht durch die Belastung mit den Kosten zu hoher Anwaltshonorare erschwert wird. Schutz vor übermäßigen Kosten verdient namentlich die Partei, die mit Ansprüchen einer anderen Partei konfrontiert wird und nicht so frei wie jene darüber entscheiden kann, ob und mit welchem Aufwand an Kosten eine vermeintliche Rechtsposition verfolgt werden soll.
Bei Abwägung der Vor- und Nachteile für die jeweils betroffenen Rechtsgüter der Rechtsanwälte einerseits und der Rechtsuchenden andererseits hat der Gesetzgeber mit der angegriffenen Vergütungsregelung seinen Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Es begegnet nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der gewählten Vergütungshöhe keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber durch die veränderte Gebührenregelung den Zugang zum Gericht erleichtert und dadurch den Schutz der rechtsuchenden Bürger verstärkt hat, ohne den Anwälten ein angemessenes Honorar zu verweigern. Es ist nichts dafür ersichtlich und von den Beschwerdeführern auch nicht mit belastbaren Angaben belegt, dass Anwälten mit der Begrenzung auf die Gebühren, die bei einem Streitwert von 30 Millionen Euro entstehen, ein im Verhältnis zu ihrer Leistung angemessenes Honorar verweigert wird und es ihnen dann, wenn der Aufwand eine höhere Honorierung erfordert, grundsätzlich nicht möglich ist, dies durch Honorarvereinbarung zu sichern. Wäre dies einem Anwalt nicht möglich, wäre die Regelung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Justizgewähr nur dann unangemessen, wenn auch andere kompetente Rechtsanwälte nicht in der Lage oder bereit wären, die Rechtsvertretung für das gesetzliche Honorar oder im Zuge einer abzuschließenden Honorarvereinbarung zu übernehmen. Auch dafür ist nichts ersichtlich.
2. Unbegründet sind die Verfassungsbeschwerden auch, soweit sie sich auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG stützen.
a) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Beschwerdeführer, der Gleichheitssatz sei verletzt, weil die gesetzlichen Gebühren für Rechtsanwälte, die Mandate mit einem Streitwert von über 30 Millionen Euro betreuen, gekürzt worden seien, während dies bei anderen Rechtsanwälten nicht geschehen sei.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln; dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Das gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 110, 274 ≪291≫). Entscheidend ist dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 95, 267 ≪316 f.≫; 110, 141 ≪167≫).
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Ungleichbehandlung lediglich von Sachverhalten, weil der Gesetzgeber bei Mandaten unterhalb der Kappungsgrenze mit steigendem Gegenstandswert auch eine höhere gesetzliche Vergütung sichert, während er bei Mandaten über der Kappungsgrenze die Mindestvergütung ungeachtet des Gegenstandswerts festschreibt. Daher ist eine Prüfung am Maßstab des Willkürverbots angezeigt (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪89≫; 60, 329 ≪346≫). Insoweit reichen die im Zusammenhang mit der Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG betrachteten Ziele des Gesetzgebers, also insbesondere die Reduzierung des Kostenrisikos, in jedem Fall als sachliche Gründe für die vorgesehene Ungleichbehandlung aus.
Hingegen gibt es die von Seiten der Beschwerdeführer angeführten Gruppen von Normadressaten – also einerseits jene Rechtsanwälte, die Fälle mit Streitwerten über 30 Millionen Euro bearbeiten, und andererseits die Rechtsanwälte, die dies nicht tun – in dieser Form nicht. Zwar ist es wahrscheinlich, dass die ganz überwiegende Zahl der Rechtsanwälte niemals ein Mandat mit einem Gegenstandswert von über 30 Millionen Euro bearbeiten wird; für jeden Einzelfall sicher auszuschließen ist dies jedoch nicht. Darüber hinaus werden jene Anwälte, die gelegentlich Fälle mit solch hohen Streitwerten betreuen, daneben auch Mandate mit geringeren Werten übernehmen und es ist nicht ausgeschlossen, dass dies auch die Anwälte tun, die sich auf Großverfahren spezialisieren. In der Realität finden sich so viele unterschiedliche Gestaltungen, dass es nicht möglich ist, Rechtsanwälte in die von den Beschwerdeführern genannten Gruppen aufzuteilen und diese mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu vergleichen.
b) Auch soweit die Beschwerdeführer rügen, dass wesentlich Ungleiches gleich behandelt werde, indem Mandate mit Werten von 30 Millionen Euro genauso behandelt würden wie Mandate mit deutlich höheren Werten, bleiben sie ohne Erfolg.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber zwar, wesentlich Ungleiches auch ungleich zu behandeln. Dies gilt jedoch nicht unter allen Umständen. Es bleibt grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl der gleich zu behandelnden Sachverhalte sachgerecht treffen und dabei tatsächliche Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte bedarf es eines vernünftigen, einleuchtenden Grundes (vgl. BVerfGE 108, 52 ≪67 f.≫; 109, 96 ≪123≫; 110, 141 ≪167≫; 115, 381 ≪389≫).
Die Kappung des Gegenstandswerts führt dazu, dass alle Mandate mit Werten über dieser Grenze hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren gleich behandelt werden. Abweichungen durch Honorarvereinbarung sind aber zulässig; die Möglichkeit der Honorarvereinbarung erlaubt eine einverständliche Berücksichtigung des besonderen Werts der anwaltlichen Leistung. Für die Rechtfertigung der Gleichbehandlung aller Fälle oberhalb der Wertgrenzen kann auf die bereits oben herangezogenen Gründe aus der Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden. Wenn diese Gründe die gerade untersuchte Ungleichbehandlung rechtfertigen, dann gilt dies umso mehr für die hier in Rede stehende Gleichbehandlung. Somit genügen auch insoweit die Gründe der Vermeidung unverhältnismäßig hoher Gebühren und der Reduzierung des Kostenrisikos, um eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG zu verneinen.
c) Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG kann schließlich auch nicht aus einer Systemwidrigkeit der angegriffenen Regelungen hergeleitet werden. Selbst wenn der Vergütungsregelung die ausnahmslose und unbegrenzte Zuordnung höherer Gebühren zu höheren Gegenstandswerten als Systematik zugrunde gelegt wird, bedeutet die angegriffene Regelung keinen Systembruch. Die Abweichung von der bisherigen Systematik führt nicht zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Entscheidend kommt es darauf an, ob sie im vorhandenen System der Gebührenregelung sachlich hinreichend gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 81, 156 ≪207≫; 104, 74 ≪87≫; stRspr). Dies wurde als Ergebnis der vorstehenden Prüfung bereits bejaht.
Die Entscheidung ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde, Gaier, Eichberger, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 1768180 |
BB 2007, 1179 |