Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebot der Nennung aller inländischen Gesellschafter auf dem Briefpapier einer Anwaltssozietät
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Der beschwerdeführende Rechtsanwalt wendet sich gegen das für die in einer Sozietät zusammengeschlossenen Rechtsanwälte geltende Gebot, auf ihren Briefbögen die Namen sämtlicher deutscher Gesellschafter aufzuführen.
1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (im Folgenden: BORA; BRAK-Mitt 1996, S. 241) müssen auf Briefbögen auch bei Verwendung einer Kurzbezeichnung die Namen sämtlicher Gesellschafter mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen aufgeführt werden.
a) Der Beschwerdeführer – ein deutscher Staatsangehöriger, der als Rechtsanwalt beim Landgericht Düsseldorf zugelassen ist und seinen Kanzleisitz in Düsseldorf hat – ist Mitglied einer Partnership englischen Rechts. Die Partnership mit rund 250 Partnern und etwa 1.000 Rechtsanwälten hat ihren Sitz in London. In dem vom Beschwerdeführer verwendeten Briefkopf findet sich lediglich die auffällig herausgestellte Kurzbezeichnung der Partnership sowie der Name des Beschwerdeführers. In der Fußzeile heißt es „Die Liste der Partner ist bei der oben angegebenen Adresse einsehbar”. Ferner wird auf die Abrufbarkeit dieser Liste im Internet hingewiesen.
b) Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf gab unter Berufung auf § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA dem Beschwerdeführer auf, sämtliche Partner, die als Rechtsanwälte bei einem deutschen Gericht zugelassen sind, auf seinem Briefbogen aufzuführen. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (NJW 2002, S. 1419) ist § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA verfassungsgemäß. Diese Vorschrift habe ihre Grundlage in § 59 b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 3, 4, 5 Buchstabe a und Nr. 8 BRAO. Der mit § 10 Abs. 1 BORA verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) sei durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig. Die Vorschrift diene dem Informationsinteresse der Rechtsuchenden. Wer anwaltliche Leistungen in Anspruch nehme, wolle ohne komplizierte Nachfrage wissen, wem er die Wahrnehmung seiner rechtlichen Belange anvertraue und ob der Beauftragte nicht zugleich widerstreitende Interessen vertrete oder auf sonstige Weise in der Gefahr einer Interessenkollision stehe. Diese Informationsfunktion bestehe trotz der elektronischen Medien. Dass der Satzungsgeber in § 10 Abs. 1 BORA nur die Angabe der Gesellschafter und nicht der angestellten Rechtsanwälte, in Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte und freien Mitarbeiter fordere und die Rechtsanwaltskammer den Kanzleien bei Veränderungen in der Zusammensetzung der Gesellschafter eine Frist zur Änderung der Briefbögen einräume, erscheine vertretbar, weil der dargelegte Zweck der Regelung noch deutlich besser erfüllt werde als durch den Verzicht auf die Information. Durch diese Einschränkungen werde auch dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung getragen. Das Benennungsgebot sei auch bei einer großen Zahl von Sozien nicht unerfüllbar. Neben dem Kopfbogen könne die Rückseite des Kopfbogens, notfalls ein weiterer Bogen verwendet werden. Ein weniger einschneidendes Mittel zur Erreichung des Normzwecks fehle. Sowohl die Anforderung einer Liste der Partner oder der Abruf übers Internet erforderten Aktivitäten auf Seiten der Rechtsuchenden.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage für § 10 Abs. 1 BORA. Jedenfalls sei diese Norm materiell verfassungswidrig, da sie unverhältnismäßig sei. Das Gesellschafternennungsgebot sei nicht erforderlich, da ausreichend andere Mittel zur Information zur Verfügung stünden: der Vertrag, die Aufforderung der Bekanntgabe bei Vertragsabschluss oder der Verweis auf das Internet. Außerdem kenne kein anderer Beruf ein dem § 10 Abs. 1 BORA entsprechendes Briefkopfgebot. Das Gebot sei auch unzumutbar, da es bei großen und internationalen Sozietäten angesichts der ständigen Fluktuation der Sozien praktisch nicht mehr erfüllbar sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass zu der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Freiheit der Berufsausübung jede Tätigkeit gehört, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. In den Bereich berufsbezogener Tätigkeiten fällt auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten. Staatliche Maßnahmen, die ihn dabei beschränken, sind Eingriffe in diese Freiheit (vgl. BVerfGE 85, 248 ≪256≫; 94, 372 ≪389≫). Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung erfordern nicht nur eine gesetzliche Grundlage, sondern sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 76, 196 ≪207≫; 94, 372 ≪389 f.≫; 101, 331 ≪347 ff.≫).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
a) Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof in § 59 b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 3, 4, 5 Buchstabe a und Nr. 8 BRAO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA sieht.
b) Außerdem ist es auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA für materiell verfassungsgemäß – insbesondere für mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar – ansieht.
aa) Dem Bundesgerichtshof ist darin zuzustimmen, dass diese Vorschrift gewichtigen Belangen des Gemeinwohls dient. Die Norm dient in erster Linie dem Informationsinteresse der Rechtsuchenden. Der Briefbogen ist für die Mandanten eine wichtige Informationsquelle über die Personen der Gesellschafter (vgl. Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. 2000, § 10 BORA Rn. 2; Römermann, in: Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl. 2001, § 10 BORA Rn. 29). Der Mandant kann so erkennen, ob die Gefahr der Vertretung widerstreitender Interessen besteht oder ob eine anderweitige Interessenkollision zu befürchten ist.
bb) Das Benennungsgebot ist auch ein geeignetes Mittel für die Erreichung des verfolgten Zwecks. Selbst wenn sich das angestrebte Ziel möglicherweise durch eine strengere Regelung noch besser erreichen ließe, wird dadurch die Eignung der Regelung nicht in Frage gestellt (vgl. BVerfGE 101, 331 ≪349≫). Weder ist zu beanstanden, dass sich der Satzungsgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums darauf beschränkt hat, auf dem Briefkopf lediglich die Angabe der Namen der Gesellschafter zu verlangen und nicht zusätzlich die Nennung der angestellten Rechtsanwälte, der in Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte und freier Mitarbeiter, noch kann der Beschwerdeführer Rechte aus der nachsichtigen Handhabung der Norm (die Rechtsanwaltskammer gewährt Fristen zur Änderung des Briefbogens und verlangt nur die Angabe der inländischen Gesellschafter) ableiten. Damit werden wenigstens die nötigsten Vorkehrungen in Ansehung der Gemeinwohlbelange getroffen.
cc) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der vom Satzungsgeber verfolgte Zweck mit einem weniger beeinträchtigenden Mittel hätte erreicht werden können. Nachvollziehbar weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die Anforderung einer Liste der Partner in der Kanzlei, aus einem Register oder aus dem Internet besondere Aktivitäten des Rechtsuchenden erfordert, zu denen der Mandant nur aus gegebenem Anlass greifen wird. Von einem Rechtsanwalt, der als wesentliche Grundpflicht akzeptiert, dass er jeden Interessenkonflikt vermeiden muss, kann die Einsicht erwartet werden, dass er insoweit umso mehr auf die Aufmerksamkeit seiner Mandanten angewiesen ist, je größer die Kanzlei ist, der er angehört. Die Bedeutung der Briefkopf-Information hat mit dem Anwachsen der Kanzleizusammenschlüsse eher zugenommen. Mildere Mittel sind nicht solche, die dem Mandanten ein Mehr an Initiative und Kontrollpflichten überbürden.
dd) Die Beschränkung seiner Berufsausübungsfreiheit ist dem Beschwerdeführer auch zuzumuten. Es leuchtet ein, wenn der Bundesgerichtshof ausführt, dass das Informationsinteresse des Rechtsuchenden und der anderen Beteiligten um so gewichtiger ist, je unübersichtlicher die Verhältnisse sind. Damit der Mandant erkennen kann, ob ein Gesellschafter bereits die Gegenpartei vertritt, ist es für ihn wichtig, durch den Briefkopf über die Namen der Gesellschafter informiert zu werden. Demgegenüber führt der Beschwerdeführer letztlich nur an, dass er die Vorschrift für lästig und antiquiert hält. Diese Belange haben deutlich geringeres Gewicht. Im Übrigen sind die technischen Probleme der Briefkopfgestaltung auch bei einer großen Anzahl von Gesellschaftern – wie der vorliegend eingereichte Kopfbogen zeigt überwindbar.
c) Das Gebot, die Gesellschafter auf dem Briefkopf aufzuführen, verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Da das Verbot widerstreitender Interessen nur für Rechtsanwälte – und zum Beispiel nicht für Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer – gilt, ist es sachlich gerechtfertigt, für Rechtsanwälte spezielle Regelungen vorzusehen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 771817 |
NJW 2002, 2163 |
NVwZ 2002, 1233 |
ZAP 2002, 868 |
BRAK-Mitt. 2002, 182 |
KammerForum 2002, 255 |
KammerForum 2002, 268 |
Mitt. 2002, 425 |