Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 26.04.2007; Aktenzeichen 28 Qs 97/07) |
AG Aschersleben (Beschluss vom 04.04.2007; Aktenzeichen 2 Ds 224 Js 26487/06) |
AG Aschersleben (Beschluss vom 28.03.2007; Aktenzeichen 2 Ds 224 Js 26487/06) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
I.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts richtet, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Beide Entscheidungen sind durch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts prozessual überholt.
II.
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts richtet, ist sie unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen aus §§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, 92 BVerfGG nicht genügt.
a) Die Vorschriften der Strafprozessordnung über die notwendige Mitwirkung und die Bestellung eines Verteidigers im Strafverfahren stellen sich als Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung dar. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass das Recht auf ein faires Verfahren zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, insbesondere des Strafverfahrens mit seinen möglichen einschneidenden Auswirkungen für den Beschuldigten zählt. Der Beschuldigte darf nicht nur Objekt des Verfahrens sein; ihm muss vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Dies gewährleistet das Institut der Pflichtverteidigerbestellung in den §§ 140, 141 Abs. 1 StPO (vgl. BVerfGE 46, 202 ≪210≫; 63, 380 ≪391≫; 70, 297 ≪322 f.≫; BVerfGK 6, 326 ≪331≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. September 2001 – 2 BvR 1152/01 –, NStZ 2002, S. 99 f.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Februar 2006 – 2 BvR 178/06 –, juris, Abs.-Nr. 4 und 5).
Dabei ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht nur in den in der Vorschrift des § 140 StPO genannten Fällen – die ihrerseits Ausprägungen des Gebots fairer Verfahrensführung sind –, sondern stets dann erforderlich, wenn die Ablehnung der Beiordnung den Beschuldigten aus anderen Gründen in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren verletzen würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Würdigung aller Umstände – gegebenenfalls in Verbindung mit den Tatsachen, die schon bei der Beurteilung der in § 140 Abs. 2 StPO genannten Voraussetzungen der Verteidigerbestellung zu beachten waren – das Vorliegen eines “schwerwiegenden Falles” (BVerfGE 39, 238 ≪243≫) ergibt und der Beschuldigte die Kosten eines gewählten Verteidigers nicht aufzubringen vermag. Ob es sich um einen schwerwiegenden Fall handelt, ist dabei maßgeblich aus der Interessenlage des Beschuldigten heraus zu beurteilen, dessen Schutz das Gebot fairer Verfahrensführung und seine durch § 140 Abs. 2 StPO erfolgten Konkretisierungen vornehmlich bezwecken (vgl. BVerfGE 46, 202 ≪210 f.≫; 63, 380 ≪391≫; 70, 297 ≪322 f.≫; BVerfGK 6, 326 ≪331≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. März 2001 – 2 BvR 403/01 –, juris, Abs.-Nr. 2).
b) Der Beschwerdeführer legt nicht hinreichend dar, dass nach diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben die Weigerung des Landgerichts, den von ihm gewählten Verteidiger zum Pflichtverteidiger zu bestellen, sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
aa) Eine Verletzung des Gebots eines fairen Verfahrens in seiner Ausgestaltung durch § 140 Abs. 2 StPO ist nicht hinreichend dargetan. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen von § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht vorliegen. Eine die Bestellung eines Pflichtverteidigers gebietende Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage hat es mit dem zutreffenden Argument verneint, es sei nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand weder von einer längeren Verfahrensdauer noch von einer umfangreichen Beweisaufnahme auszugehen und die im Strafverfahren zu klärende Frage der Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers werfe keine schwierigen Rechtsfragen auf. Ebenso zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass auch die – nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung zu beurteilende – Schwere der Tat keine Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich mache, weil der Beschwerdeführer nach gegenwärtigem Stand allenfalls eine Geldstrafe zu erwarten habe und sonstige schwerwiegende Nachteile einer Verurteilung nicht ersichtlich seien. Schließlich führt das Landgericht überzeugend aus, es gebe gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschwerdeführer nicht selbst verteidigen könne, und es sei nicht ersichtlich, dass eine sachgerechte Verteidigung eine vorherige – nur dem Verteidiger zustehende – Akteneinsicht verlange. Soweit der Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren vorträgt, bereits seine geringe Schulbildung – Schulabgang nach der sechsten Klasse – und sein beruflicher Werdegang, in dem er nur eine Qualifikation als Teilfacharbeiter erreicht habe, belegten eine Unfähigkeit der Selbstverteidigung, wahrt die Verfassungsbeschwerde nicht den Grundsatz der Subsidiarität. Weder dem mitgeteilten Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung noch der mitgeteilten Beschwerdebegründung ist zu entnehmen, dass er dies vor den Fachgerichten vorgetragen hat.
bb) Dass die Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers den Beschwerdeführer aus anderen Gründen in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren verletzte, ist ebenfalls nicht dargetan. Sein Hinweis auf die geringe Schulbildung und seinen Beruf als Hilfsarbeiter ist nicht geeignet, einen “schwerwiegenden Nachteil” darzutun. Beide Umstände sind – auch in der Gesamtschau – nicht geeignet, erhebliche Zweifel an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung zu begründen, zumal der Tatvorwurf ausweislich der auszugsweise mitgeteilten Anklageschrift überschaubar ist. Ob dem Beschuldigten ohne Bestellung eines Pflichtverteidigers ein schwerwiegender Nachteil droht, hängt im Übrigen maßgeblich von der drohenden Sanktion ab (vgl. BVerfGE 46, 202 ≪212≫). Dass diese gravierend ausfallen könnte, ist derzeit nicht ersichtlich. Zur Unfähigkeit, die Kosten für den von ihm gewählten Verteidiger aufzubringen, sind die Ausführungen des Beschwerdeführers zu allgemein gehalten.
c) Da das Landgericht die Pflichtverteidigerbestellung mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt hat, ist für den gerügten Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) kein Raum.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch deshalb unzulässig, weil die angefochtene Entscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht isoliert anfechtbar ist.
a) Die Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist eine Zwischenentscheidung. Verfassungsbeschwerden gegen Zwischenentscheidungen sind grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 21, 139 ≪143≫). Die isolierte Anfechtbarkeit einer Zwischenentscheidung kommt nur in Betracht, wenn diese einen bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen hat, der sich später gar nicht oder nicht vollständig beheben lässt (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪120≫ m.w.N.). Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Betroffene etwaige durch die Zwischenentscheidung bewirkte Verfassungsverstöße nicht mit der Anfechtung der Endentscheidung im fachgerichtlichen Verfahren rügen kann (vgl. BVerfGE 21, 139 ≪143 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 1994 – 2 BvR 1547/94 –, NJW 1995, S. 316) oder die durch die Zwischenentscheidung eintretende Grundrechtsverletzung irreparabel ist.
b) Beides ist hier nicht ersichtlich. Sollte – wie der Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerdeschrift vorträgt – der von ihm gewählte Verteidiger für den Fall der Nichtbestellung zum Pflichtverteidiger sein Mandat niederlegen, wäre der Beschwerdeführer im Strafverfahren ohne Verteidiger. Dass er trotz notwendiger Verteidigung unverteidigt blieb, kann er in der Revision mit einer auf die Verletzung der §§ 338 Nr. 5, 140 Abs. 2 Satz 1 StPO gestützten Verfahrensrüge geltend machen (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. März 1999 – 3 Ss 244/98 –, NJW 1999, S. 3061; Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Januar 2001 – 2 Ss 133/00 –, NStZ-RR 2001, S. 373; Krekeler/Werner, in: Krekeler/Löffelmann, Anwaltkommentar, StPO, § 141 Rn. 13; Laufhütte, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl. 2003, § 140 Rn. 27, § 141 Rn. 14; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 338 Rn. 41). Dass ihm die Rüge der Hauptverhandlung in Abwesenheit des notwendigen Verteidigers im revisionsgerichtlichen Verfahren nicht zumutbar und aus diesem Grund eine isolierte Anfechtbarkeit des die Pflichtverteidigerbestellung ablehnenden Beschlusses geboten sei, ist nicht dargetan, sondern vom Beschwerdeführer nur pauschal behauptet. Eine hierfür erforderliche “Sondersituation” (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Zweiten Senats vom 3. Dezember 2003 – 2 BvR 2000/03 –, juris, Abs.-Nr. 4; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. September 2001 – 2 BvR 1152/01 –, NStZ 2002, S. 99) ist nicht ersichtlich. Der drohende Nachteil einer Wiederholung der Hauptverhandlung wegen eines Verfahrensfehlers genügt für sich genommen regelmäßig nicht, die Unzumutbarkeit des fachgerichtlichen Verfahrens zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 25. April 1995 – 2 BvR 62/95, 2 BvR 765/95 –, juris, Abs.-Nr. 1; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Dezember 2003 – 2 BvR 2000/03 –, juris, Abs.-Nr. 4; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Februar 2006 – 2 BvR 178/06 –, juris, Abs.-Nr. 7).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen