Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Urheberrechtsstreit, der eine Abwägung von Rechten des geistigen Eigentums gegen die Meinungs- und Pressefreiheit erforderte.
I.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind Inhaberinnen von Bild- und Tonträgerrechten an Musik-CDs und -DVDs. Der im Ausgangsverfahren beklagte Verlag (Beklagter) betreibt einen Nachrichtendienst im Internet.
Dort veröffentlichte er im Jahr 2005 einen Artikel über die Software „AnyDVD”, einen Treiber, der im Hintergrund automatisch und unbemerkt eingelegte DVD-Filme entschlüsselt. In dem Artikel wurde auch erwähnt, dass die Umgehung von Kopierschutzsoftware unter anderem in Deutschland und Österreich verboten sei. Mehrere Wörter des Artikels waren als (Hyper-)Link ausgestaltet; ein Link führte zum Internetauftritt des Unternehmens, das „AnyDVD” anbot und zum Herunterladen bereitstellte.
Die Beschwerdeführerinnen wandten sich an den Beklagten und forderten ihn zur Unterlassung dieses Links auf. In weiteren Internet-Artikeln berichtete der Beklagte daraufhin über dieses Abmahnverfahren und verlinkte darin seinen ursprünglichen Artikel.
2. Mittels einstweiliger Verfügung ließen die Beschwerdeführerinnen dem Beklagten verbieten, den Bezug der Software „AnyDVD” durch das Setzen eines Hyperlinks auf einen Internetauftritt der Herstellerfirma, auf dem diese Software zum Download angeboten wird, zu ermöglichen.
Gegen das im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes letztinstanzliche Urteil (OLG München, MMR 2005, S. 768) legte der Beklagte Verfassungsbeschwerde ein. Diese wurde von der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 3. Januar 2007 – 1 BvR 1936/05 – (BVerfGK 10, 153) nicht zur Entscheidung angenommen, weil der Grundsatz der Subsidiarität verletzt sei; die aufgeworfenen Rechtsfragen seien zunächst im Hauptsacheverfahren durch die Fachgerichte zu klären.
Auch in der Hauptsache obsiegten die Beschwerdeführerinnen vor dem Landgericht (LG München I, CR 2008, S. 186 = MMR 2008, S. 192) und dem Oberlandesgericht (OLG München, GRUR-RR 2009, S. 85). Hiergegen richtete sich die Revision des Beklagten.
3. Der Bundesgerichtshof hat mit dem angegriffenen Urteil (BGHZ 187, 240 – AnyDVD) das Berufungsurteil aufgehoben, das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. In seinem Urteil führt der Bundesgerichtshof – zusammengefasst – aus:
a) Rechtlich unbedenklich sei zwar die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Beschwerdeführerinnen seien zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche wegen Verletzung des § 95a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) berechtigt, weil sie bei den von ihnen hergestellten Bild- und Tonträgern wirksame Kopierschutzmaßnahmen im Sinne dieser Bestimmung verwendeten (Rn. 15 des angegriffenen Urteils). Jedoch stehe den Beschwerdeführerinnen ein Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Teilnehmerhaftung nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95a Abs. 3 UrhG jedenfalls deshalb nicht zu, weil die beanstandeten Handlungen des Beklagten vom Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 6 EUV i.V.m. Art. 11 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und vom Recht auf freie Berichterstattung nach Art. 6 EUV i.V.m. Art. 11 Abs. 2 GR-Charta und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst würden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei bei der rechtlichen Beurteilung der beanstandeten Beiträge des Beklagten streng zwischen der – sich von „AnyDVD” distanzierenden und daher grundsätzlich als zulässig anzusehenden – redaktionellen Berichterstattung als solcher und der Linksetzung zu unterscheiden, werde dem Gewährleistungsgehalt dieser Grundrechte nicht gerecht.
Die Vorschrift des § 95a UrhG beruhe auf Art. 6 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Urheberrechtsrichtlinie; ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10). Nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten bei Verletzungen der in der Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vorzusehen und alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um deren Anwendung sicherzustellen. Die betreffenden Sanktionen müssten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Bei der Auslegung der Richtlinie sowie des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts (§ 95a UrhG) seien nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GR-Charta die in dieser niedergelegten Grundrechte zu beachten.
Der Grundrechtsschutz umfasse die Meinungs- und Pressefreiheit in sämtlichen Aspekten (Rn. 21). Er erstrecke sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Meinungsäußerung oder Berichterstattung. Der beanstandete Link gehöre in diesem Sinne zum geschützten Bereich der freien Berichterstattung (Rn. 22). Er beschränke sich nicht auf eine bloß technische Erleichterung für den Aufruf der betreffenden Internetseite, sondern erschließe vergleichbar einer Fußnote zusätzliche Informationsquellen, in diesem Fall über das Herstellerunternehmen der Software. Die verschiedenen Links in den genannten Artikeln des Beklagten seien in die Beiträge und in die in ihnen enthaltenen Stellungnahmen als Belege und ergänzende Angaben eingebettet und würden schon aus diesem Grund nicht nur vom Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit, sondern auch von der Meinungsfreiheit erfasst (Rn. 24).
Das Berufungsgericht habe darüber hinaus dem Umstand, dass der Beklagte Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Softwareangebots hatte, ein zu großes Gewicht beigemessen (Rn. 25 ff.). Grundsätzlich dürfe auch über Äußerungen, durch die in rechtswidriger Weise Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigt worden seien, trotz der in der Weiterverbreitung liegenden Perpetuierung oder sogar Vertiefung des Ersteingriffs berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse bestehe und der Verbreiter sich die berichtete Äußerung nicht zu eigen mache. Ein solches überwiegendes Informationsinteresse könne auch gegeben sein, wenn die Berichterstattung eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung zum Gegenstand habe. Gerade die Schwere des in Frage stehenden Verstoßes könne ein besonderes Informationsinteresse begründen. Demgegenüber sei nicht ersichtlich, dass der Eingriff in die urheberrechtlichen Befugnisse der Beschwerdeführerinnen durch die Setzung des Links erheblich vertieft worden sei. Denn für den durchschnittlichen Internetnutzer sei es bereits aufgrund der Angabe des Namens des Herstellerunternehmens mit Hilfe von Suchmaschinen ohne Weiteres möglich gewesen, dessen Internetauftritt aufzufinden. Ferner habe das Berufungsgericht außer Acht gelassen, dass in den Beiträgen des Beklagten deutlich auf die Rechtswidrigkeit des Downloadangebots hingewiesen worden sei (Rn. 28).
b) Aus denselben Gründen stünden den Beschwerdeführerinnen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch nicht nach den Grundsätzen der Störerhaftung zu. Die Frage, ob diese Grundsätze bei Verstößen gegen § 95a UrhG überhaupt zur Anwendung gelangen, könne daher offenbleiben.
c) Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Auslegung der durch den Streitfall aufgeworfenen Fragen des Unionsrechts bedürfe es nicht. Die anzuwendenden Grundsätze seien durch die Rechtsprechung der europäischen Gerichte geklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihres durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten geistigen Eigentums.
Das verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Verfügungs- und Verbotsrecht des Urhebers sei einfachrechtlich in §§ 15 ff., § 97 UrhG normiert; ergänzende Schutzbestimmungen enthalte unter anderem § 95a UrhG. Die Kopierschutzknacker-Software „AnyDVD” sei danach verboten. Das Oberlandesgericht habe zu Recht die Verurteilung des Beklagten auf die Grundsätze der Teilnehmerhaftung wegen der Förderung des rechtswidrigen Gebarens des Softwareunternehmens durch die Linksetzung gestützt. Das aufhebende Urteil des Bundesgerichtshofs leide – zu Lasten des geistigen Eigentums – an einem Abwägungsdefizit im Sinne der Kammerrechtsprechung in den Geräteabgabefällen (Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2010 – 1 BvR 2742/08 –, ZUM 2011, S. 313, Rn. 17 ff., und – 1 BvR 2760/08 –, GRUR 2011, S. 223, Rn. 17 ff.).
Zum einen verkenne der Bundesgerichtshof, dass sich selbst dann nichts am Ergebnis der Abwägung des Oberlandesgerichts ändern würde, wenn man die Linksetzung nicht nur von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Medienfreiheit), sondern auch von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (Meinungsfreiheit) gedeckt sähe. In jedem Falle diene die Linksetzung nur der Ergänzung und stehe nicht im Zentrum der Berichterstattung. Zum zweiten übergehe der Bundesgerichtshof seine eigene, zutreffende Rechtsprechung (BGHZ 158, 343 ≪352 ff.≫ – Schöner Wetten), wonach der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des verlinkten Angebots entscheidende Bedeutung für die Bejahung einer Haftung des Linksetzers zukomme.
Die positive Kenntnis des Beklagten von der Rechtswidrigkeit des Softwareangebots habe im Streitfall schon aufgrund des eigenen Hinweises in dem Artikel auf die Rechtswidrigkeit festgestanden. Ohne seine „Schöner Wetten”-Entscheidung zu erwähnen, werfe der Bundesgerichtshof dem Berufungsgericht eine Überbewertung der Kenntnis des Beklagten von der Rechtswidrigkeit des verlinkten Angebots vor. Auf den vorangegangenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Januar 2007 (a.a.O.) habe sich der Bundesgerichtshof dabei nicht stützen können. Die Frage, ob sich der Linksetzer den verlinkten Inhalt „zu eigen mache”, sei kein maßgebliches Kriterium. Wolle man hingegen mit dem Bundesgerichtshof die Linksetzung der Meinungsfreiheit unterstellen, müsse man auch davon ausgehen, dass sich der Linksetzer den gegebenenfalls rechtswidrigen Inhalt zu eigen mache, und zwar unabhängig von etwaigen distanzierenden Äußerungen. Es gelte dann nichts anderes, als wenn der Beklagte die Software selbst zum Download angeboten hätte.
Auch das Argument des Bundesgerichtshofs, gerade die Schwere des in Frage stehenden Verstoßes könne ein besonderes Informationsinteresse begründen, trage nicht. So dürfe in einem Beitrag über Kinderpornografie auch nicht auf kinderpornografische Seiten verlinkt werden. Das Argument des Bundesgerichtshofs müsse daher umgedreht werden: Je schwerwiegender der Verstoß sei, desto weniger sei seine Verlinkung zulässig.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Weder kommt ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist sie zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt. Ob sie wegen Fehlens einer verfassungsrechtlich tragfähigen und damit ausreichend substantiierten Begründung (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) bereits unzulässig ist, kann dahinstehen. Jedenfalls besitzt die Verfassungsbeschwerde keine Erfolgsaussicht in der Sache.
1. Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Im Einzelnen ist es Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen (vgl. BVerfGE 31, 229 ≪240 f.≫; 79, 1 ≪25≫).
Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪9≫). Auch in urheberrechtlichen Streitigkeiten ist es allerdings regelmäßig nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. Juli 2011 – 1 BvR 1916/09 Le-Corbusier-Möbel –, ZUM 2011, S. 825, Rn. 87). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist vielmehr erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪9 f.≫; 95, 28 ≪37≫; 97, 391 ≪401≫; 112, 332 ≪358 f.≫).
Als konkurrierende Grundrechtsposition ist hier, wie der Bundesgerichtshof erkannt hat und die Beschwerdeführerinnen nicht in Abrede stellen, die Meinungs- und Pressefreiheit des Beklagten zu berücksichtigen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu die grundrechtlichen Maßstäbe zutreffend herausgearbeitet (Rn. 21 ff. des angegriffenen Urteils).
Eine gesetzliche Regelung zur Zulässigkeit und zu den Grenzen von Hyperlinks existiert nicht. Das Urheberrechtsgesetz enthält mit § 95a lediglich eine Vorschrift, die technische Maßnahmen, welche ihrerseits dem Schutz von Urheberrechten dienen, vor Umgehung schützen soll. Hierzu zählen etwa Kopiersperren auf CDs und DVDs, wie sie von der Software „AnyDVD” entschlüsselt werden können. Mangels einer gesetzlichen Regelung hat die Abwägung der konkurrierenden Grundrechtspositionen anhand der anerkannten presserechtlichen und urheberrechtlichen Maßstäbe zu erfolgen, wie sie von der Rechtsprechung herausgearbeitet worden sind.
2. So verfährt auch der Bundesgerichtshof im angegriffenen Urteil. Seine Grundrechtsabwägung begegnet dabei keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Die Prüfung der Abwägung im Streitfall befindet sich im Rahmen der Jurisdiktionsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts; sie ist anhand des Maßstabes der deutschen Grundrechte vorzunehmen.
Zwar wäre die Regelung des § 95a UrhG selbst an den EU-Grundrechten zu messen, weil ein Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten insofern nicht ersichtlich ist (vgl. auch BVerfGK 10, 153 ≪157 f.≫). Der deutsche Gesetzgeber hat keinen solchen Spielraum gesehen; er hat sich vielmehr wegen des Harmonisierungszwecks der Urheberrechtsrichtlinie (vgl. dazu deren Erwägungsgründe 1, 4, 6 und 7) im Sinne einer „in diesem Bereich besonders wichtige(n) einheitliche(n) Anwendung und Auslegung in allen Mitgliedstaaten” (BTDrucks 15/38, S. 26) für eine eng am Wortlaut der Richtlinie orientierte Umsetzung entschieden.
Darauf kommt es jedoch im Streitfall nicht an. Denn Gegenstand des angegriffenen Urteils ist nicht eine grundrechtliche Überprüfung von § 95a UrhG, sondern die Frage, ob ein nach den Grundsätzen der Teilnehmerhaftung in Verbindung mit § 95a UrhG möglicherweise bestehender zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch im konkreten Fall wegen der entgegenstehenden Grundrechtsposition des Beklagten zu versagen ist. Die Abwägung der konkurrierenden Grundrechtspositionen der Beteiligten ist vom Bundesverfassungsgericht am Maßstab des Grundgesetzes zu messen. Die einschlägige Richtlinie ist zwar ihrerseits im Lichte der europäischen Grundrechte, also insbesondere Art. 11, Art. 17 Abs. 2 GR-Charta, auszulegen, enthält aber keine vollharmonisierende Regelung für die notwendige Abwägung zwischen dem Schutz vor Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie einerseits und der Meinungs- und Pressefreiheit andererseits (zur Nichtanwendbarkeit deutscher Grundrechte bei Umsetzung vollharmonisierenden Unionsrechts vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. Juli 2011, a.a.O., Rn. 91).
Grundsätzliche, gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zwingende Zweifel bestehen weder am Fehlen einer diesbezüglichen Regelung in der Richtlinie noch an der Erforderlichkeit, bei ihrer Anwendung die Meinungs- und Pressefreiheit in die Abwägung einzubeziehen. Zutreffend verweist der Bundesgerichtshof auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Rn. 30).
b) Bei Zugrundelegung anerkannter presserechtlicher und urheberrechtlicher Maßstäbe des Verfassungsrechts ist gegen die Abwägung des Bundesgerichtshofs nichts zu erinnern, auch wenn ein anderes Ergebnis ebenfalls verfassungsrechtlich vertretbar gewesen sein mag (vgl. Barnitzke, K&R 2011, S. 329 ≪330 f.≫).
aa) So begegnet es keinen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof das Setzen eines Links in einem Online-Artikel wegen seiner Einbettung in eine pressetypische Stellungnahme neben der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterstellt. Denn es ist Teil des meinungsbildenden Diskussionsprozesses, dessen Schutz Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Sinn hat, sich und andere auch über Stellungnahmen Dritter zu informieren (vgl. BVerfGE 85, 1 ≪22≫). Die Pressefreiheit schützt – insoweit darüber hinausgehend – auch die bloß technische Verbreitung von Äußerungen Dritter, selbst soweit damit keine eigene Meinungsäußerung des Verbreiters verbunden ist (vgl. BVerfGE 21, 271 ≪278 f.≫).
Soweit in der Verfassungsbeschwerde das vom Bundesgerichtshof gefundene Abwägungsergebnis als – selbst bei Hinzutreten des Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG – nicht zwingend angegriffen wird, übersehen die Beschwerdeführerinnen, dass in einer Konstellation, in der sich konkurrierende Grundrechtspositionen gegenüberstehen, die Verfassungsbeschwerde regelmäßig nur mit dem Argument Erfolg haben könnte, dass abwägungsrelevante Umstände oder Rechtspositionen nicht oder fehlerhaft berücksichtigt oder grundrechtsrelevant fehlgewichtet wurden. Dies zeigt die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht auf. Der Bundesgerichtshof gelangt zum Überwiegen der Meinungs- und Pressefreiheit des Beklagten im Übrigen insbesondere deswegen, weil die Linksetzung nicht auf eine technische Dienstleistung zu reduzieren und dadurch isoliert zu betrachten sei, sondern wegen ihres informationsverschaffenden Charakters am grundrechtlichen Schutz teilhabe. Diese Einschätzung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
bb) Dem angegriffenen Urteil kann nicht mit verfassungsrechtlicher Relevanz entgegengehalten werden, es weiche in einem entscheidenden Punkt von der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der „Schöner Wetten”-Entscheidung ab. Dabei kann dahinstehen, ob dies überhaupt zutrifft (vgl. Bölke, NJW 2011, S. 2440; Lederer, jurisPR-ITR 9/2011 Anm. 4).
Jedenfalls wäre selbst eine Abweichung von früherer Rechtsprechung, gleich ob sie offengelegt wird oder nicht, für sich genommen nicht geeignet, ein grundrechtlich relevantes Abwägungsdefizit zu begründen. Die Zivilgerichte müssen bei der Entscheidung des ihnen unterbreiteten Einzelfalls die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪9≫). Unrichtige Anschauungen von Grundrechten sind insbesondere dann verfassungsrechtlich bedeutsam, wenn darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen leidet (vgl. BVerfGE 112, 332 ≪358 f.≫). Gegebenenfalls kann ein Gericht sogar gehalten sein, frühere Rechtsprechung zu revidieren, um eine verfassungsgemäße Entscheidung treffen zu können. Eine Rechtsprechungsänderung mag im Einzelfall unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes Bedeutung erlangen (vgl. BVerfGE 122, 248 ≪277 f.≫ m.w.N.); ein Gleichheitsproblem (vgl. BVerfGE 19, 38 ≪47≫) oder ein Abwägungsdefizit liegt in ihr aber grundsätzlich nicht.
cc) Weiter geht die Verfassungsbeschwerde fehl, soweit sie die Frage, ob sich der Linksetzer den verlinkten Inhalt zu eigen mache, für nicht maßgeblich hält (vgl. BVerfGK 10, 153 ≪156 f.≫). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen wird der Inhalt der durch einen Link in Bezug genommenen Internetseite nicht schon qua Verlinkung zum Teil der vom Presseorgan geäußerten eigenen Meinung.
dd) Schließlich bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Erwägung des Bundesgerichtshofs, gerade die Schwere des in Frage stehenden Verstoßes könne ein besonderes Informationsinteresse begründen. Entgegen der Darstellung in der Verfassungsbeschwerde behauptet der Bundesgerichtshof nicht, schon das durch die Schwere des Rechtsverstoßes ausgelöste Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertige ohne Weiteres die Linksetzung. Der Bundesgerichtshof wendet sich vielmehr umgekehrt gegen die Meinung der Vorinstanz, ein schwerer Urheberrechtsverstoß gebiete schon für sich ein Zurücktreten der Pressefreiheit.
Zutreffend nimmt der Bundesgerichtshof in seiner Abwägung zusätzlich in den Blick, dass die Linksetzung als solche den Eingriff in Urheberrechte nicht erheblich vertiefe, weil die Seite des Softwareherstellers auch über eine Suchmaschine problemlos gefunden werden könne.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Gaier, Paulus, Britz
Fundstellen