Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmässigkeit des Sachenrechtsbereinigungsgesetz
Beteiligte
Professor Dr. Friedrich Ebel |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 121 Abs. 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks im Beitrittsgebiet. Ihm ist das Grundstück nach dem Vermögensgesetz (VermG) mit bestandskräftigem Bescheid vom Dezember 1993 zurückübertragen worden. Die Kläger des Ausgangsverfahrens mieteten 1963 eine Wohnung des Hauses, das sie seit 1991 allein bewohnen. 1990 kauften sie das Grundstück vom Rat der Gemeinde; der Kaufvertrag wurde nicht vollzogen. Nunmehr begehren sie den Ankauf nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) vom 21. September 1994 (BGBl I S. 2457).
Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung der Anspruchsberechtigung der Kläger nach diesem Gesetz stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage dagegen abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Kläger die Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt (vgl. VIZ 1999, S. 418). Die Kläger hätten gegen den Beschwerdeführer Ansprüche nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG. Diese Vorschrift bestimme, jedenfalls soweit sie das hier zu beurteilende Verhältnis des Nutzers zum Restitutionsberechtigten betreffe, in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des Grundeigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs. Er rügt die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und 3 GG.
§ 121 Abs. 1 und 2 SachenRBerG sei verfassungswidrig. Weder biete Art. 135 a Abs. 2 GG eine Rechtsgrundlage für § 121 Abs. 2 SachenRBerG noch entfalte Art. 143 Abs. 3 GG Sperrwirkung gegenüber Art. 14 GG. Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz bevorzuge unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes den Nutzer. Dies sei gegenüber der Schutzposition des Eigentümers aus Art. 14 GG sachlich nicht gerechtfertigt, weil die Rechtsstellung des Nutzers sich in der Nutzung erschöpfe und sich nicht auf die Sachwertfunktion bis hin zur Möglichkeit der Veräußerung oder Belastung beziehe.
§ 121 Abs. 2 SachenRBerG enthalte keine Inhalts- und Schrankenbestimmung, sondern eine Legalenteignung. Ohne weiteren vermittelnden Akt werde in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts eingegriffen. Es handele sich nicht nur um die Beschneidung zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, sondern um einen Entzug des Grundeigentums. Der Nutzer könne auf den Abschluss eines Kaufvertrags klagen, wenn es zwischen ihm und dem Eigentümer zu keiner Einigung komme. Nach dem Konzept des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes solle der gesamte Inhalt des „Zwangsvertrags” unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen sein. Die Enteignungsregelung verstoße gegen die Allgemeinwohlklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, weil sie allein den privaten Interessen der Grundstücksnutzer diene.
§ 121 Abs. 2 SachenRBerG verstoße ferner gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Er umfasse Fälle, in denen – wie hier – eine Restitution vor In-Kraft-Treten des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes erfolgt und Eigentum des Restitutionsberechtigten wieder begründet worden sei, ohne dass dieses mit einem Ankaufsrecht des Nutzers belastet gewesen wäre. Für diese Rückwirkung gebe es keinen zureichenden Grund. Der Restitutionsberechtigte habe nicht vorhersehen können, dass ihm das zurückerlangte Eigentum unter Berufung auf einen so genannten „hängenden” Kaufvertrag wieder entzogen werde.
3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Justiz, das Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg sowie das Sächsische Staatsministerium der Justiz Stellung genommen. Sie halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, weil die für ihre Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind (vgl. vor allem BVerfGE 95, 48; 101, 54; 101, 239). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Eigentumsgrundrechts angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffene Entscheidung verstößt weder gegen Art. 14 GG noch gegen die Grundsätze zum Schutz gegenüber rückwirkenden Gesetzen, der in dieser Norm eine eigenständige Ausprägung erfahren hat (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪257≫ m.w.N.).
1. Die vom Bundesgerichtshof angewandte Regelung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG ist, soweit sie das hier in Rede stehende Verhältnis zwischen Grundstücksnutzer und Grundstückseigentümer betrifft, dem das Grundstückseigentum nach dem Vermögensgesetz zurückübertragen worden ist, mit der Eigentumsgarantie vereinbar.
a) Eine Überprüfung dieser Regelung am Maßstab des Art. 14 GG ist nicht wegen Art. 135 a Abs. 2 oder Art. 143 Abs. 3 GG entbehrlich. § 121 Abs. 2 SachenRBerG betrifft keine der in Art. 135 a Abs. 2 GG genannten Verbindlichkeiten und regelt auch nicht in Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (BGBl II S. 1237) Entschädigungsmodalitäten im Zusammenhang mit der Wiedergutmachung rechtsstaatswidriger Vermögensverluste in der Deutschen Demokratischen Republik (vgl. zur Bedeutung des Art. 135 a Abs. 2 GG für solche Regelungen BTDrucks 11/7760, S. 355 ≪359≫; BVerfGE 84, 90 ≪128 f.≫). Auch ist § 121 Abs. 2 SachenRBerG keine Regelung, die in Durchführung des Art. 41 des Einigungsvertrags (BGBl 1990 II S. 889) vorsieht, dass Eingriffe in das Eigentum im Beitrittsgebiet nicht mehr rückgängig gemacht werden. Er setzt vielmehr die Restitution des betreffenden Grundstücks oder Gebäudes voraus (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, VIZ 2000, S. 491 ≪492≫ m.w.N.).
b) Das dem Nutzer eines fremden Grundstücks in § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 2, 3 Nr. 1, Abs. 3, § 61 und § 68 SachenRBerG eingeräumte Ankaufsrecht steht mit Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang. Die Regelung über dieses Recht bestimmt in zulässiger Weise den Inhalt und die Schranken des (Grundstücks-)Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, ZOV 2001, S. 92 ≪93 ff.≫). Dies gilt auch für die Fälle des § 121 Abs. 2 SachenRBerG.
aa) In der Ausdehnung des Ankaufsrechts auf die Nutzer, die die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen, liegt keine Enteignung der betroffenen Grundstückseigentümer im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG. Enteignung ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen. Ihrem Zweck nach ist sie auf die vollständige oder partielle Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪259≫). Darum geht es dem § 121 Abs. 2 SachenRBerG nicht. Ziel der Regelung ist es vielmehr, Rechtsverhältnisse, die in der Deutschen Demokratischen Republik aufgrund von Kaufverträgen über Eigenheime und Eigenheimgrundstücke entstanden sind, an das Immobiliarsachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzugleichen und dabei die betroffenen privaten Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. § 121 Abs. 2 SachenRBerG bestimmt daher wie die Regelungen über das Ankaufsrecht in den übrigen vom Sachenrechtsbereinigungsgesetz erfassten Fällen (vgl. dazu BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, ZOV 2001, S. 92 ≪93≫) Inhalt und Schranken des (Grundstücks-)Eigentums.
bb) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung (vgl. dazu BVerfGE 101, 54 ≪75 f.≫; 101, 239 ≪259≫; BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, ZOV 2001, S. 92 ≪93 f.≫) sind dabei gewahrt.
aaa) § 121 Abs. 2 SachenRBerG dient einem legitimen Regelungsziel. Mit der Einbeziehung der von der Vorschrift erfassten Käufer von Eigenheimen und Eigenheimgrundstücken in die Sachenrechtsbereinigung sollen die für diesen Personenkreis mit der Restitution dieser Immobilien verbundenen Härten abgemildert werden (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, VIZ 2000, S. 491 ≪492 f.≫). Zugleich sollen nach der Stellungnahme der Bundesregierung wirtschaftliche Chancengleichheit und soziale Sicherheit der betroffenen Bevölkerungskreise in den neuen Ländern gewährleistet (so auch Wittmer, in: Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, § 121 Rn. 106 ≪Stand: November 1999≫) sowie endgültiger Rechtsfrieden hergestellt werden. Das liegt im öffentlichen Interesse.
bbb) Die Ausdehnung des Ankaufsrechts nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz auf die in § 121 Abs. 2 SachenRBerG erwähnten Nutzer führt auch zu einem angemessenen, die Belange der betroffenen Grundstückseigentümer hinreichend berücksichtigenden Interessenausgleich.
(1) Bei der Wiedervereinigung stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, zur Herbeiführung des Rechtsfriedens einen sozial verträglichen Ausgleich herzustellen zwischen einerseits dem Interesse der früheren Eigentümer und ihrer Rechtsnachfolger, Wiedergutmachung für den während der Teilung Deutschlands erfolgten rechtsstaatswidrigen Verlust von Vermögenswerten zu erlangen, und andererseits dem Interesse der Erwerber solcher Vermögenswerte oder ihrer Rechtsnachfolger, die Vermögenswerte zu behalten. Bei der Abwägung zwischen diesen widerstreitenden Interessen hatte der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Er durfte sich zugunsten der früheren Eigentümer und ihrer Rechtsnachfolger für den Grundsatz entscheiden, teilungsbedingt entzogene oder erzwungenermaßen veräußerte Vermögenswerte seien vom Erwerber in Natur zurückzugeben (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 VermG), brauchte diesen Grundsatz jedoch nicht ausnahmslos zu verwirklichen. Vielmehr konnte er in § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG den Ausschluss der Restitution im Fall des redlichen Erwerbs vorsehen, um einen sozial verträglichen Ausgleich zu erreichen (vgl. BVerfGE 95, 48 ≪58 f.≫; 101, 239 ≪259 ff.≫).
Der Gesetzgeber durfte zur Sicherung des Vorrangs der Restitution in § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG auch einen Stichtag festlegen, bis zu dem der Vertrauensschutz Vorrang genießt und ab dem die Restitution zugunsten des früheren Eigentümers oder seines Rechtsnachfolgers uneingeschränkt zum Zuge kommt. Auf diese Weise konnte er einerseits dem Vertrauensschutzinteresse der Erwerber Rechnung tragen, die aufgrund ihres gesetzestreuen Verhaltens beim Erwerb und aufgrund einer regelmäßig schon länger ausgeübten Rechtsinhaberschaft besonders schützenswert erschienen, und andererseits in Fällen erst kurzfristig ausgeübter Rechtsherrschaft dem Restitutionsinteresse der früheren Eigentümer Vorrang einräumen (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪261≫).
(2) Dies hinderte den Gesetzgeber aber von Verfassungs wegen nicht, bei der abschließenden sachenrechtlichen Behandlung restituierter Grundstücke die auf den Erwerb gerichteten Erwartungen der Käufer von Eigenheimen und damit bebauten Grundstücken sowie die auf den Fortbestand ihres Eigentums gerichteten Erwartungen derjenigen, die noch vor der Restitution des Gebäudes oder Grundstücks als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren, zu berücksichtigen. Diese Erwartungen wurden vor allem durch das Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl I S. 157; im Folgenden: Verkaufsgesetz; vgl. §§ 2, 4 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes und dazu auch BVerfGE 101, 239 ≪241 f.≫) und dessen Vollzug durch die Staatsorgane der Deutschen Demokratischen Republik nach den ersten freien Wahlen zur Volkskammer hervorgerufen. Das Handeln staatlicher Stellen war ab diesem Zeitpunkt geeignet, bei den Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik Vertrauen in seine Rechtmäßigkeit zu begründen. Zwar ist das Vertrauen in den Fortbestand der auf der Grundlage des Verkaufsgesetzes erworbenen Rechte durch die von der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik erlassene Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche vom 11. Juli 1990 (GBl I S. 718) zerstört worden (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪267≫). Dies berechtigte den Gesetzgeber, im Wege einer echten Rückwirkung die Restitution auch in den Fällen anzuordnen, in denen die in das Grundbuch eingetragenen Käufer zwar redlich gehandelt, den Kaufvertrag aber erst nach dem 18. Oktober 1989 angebahnt und abgeschlossen hatten (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪266≫), verwehrte ihm jedoch nicht die Beachtung der Interessen sowohl dieser als auch der nicht mehr ins Grundbuch gelangten Käufer im Rahmen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes.
Der Gesetzgeber durfte vielmehr berücksichtigen, dass insbesondere die – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪261 f.≫) – Auslegung des Erwerbsbegriffs in § 4 Abs. 2 VermG durch die Verwaltungsgerichte und die Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG für etliche Käufer von Eigenheimen und Eigenheimgrundstücken zu Härten geführt hatten. Die Regelung über den Restitutionsausschluss wegen redlichen Erwerbs hat es nicht vermocht, die damit angestrebte Befriedung des Verhältnisses zwischen Alteigentümern und Nutzern herbeizuführen. Der Gesetzgeber hat daher mit der Bestimmung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG diesen Konflikt aus dem Vermögensrecht herausgelöst und dem im Sachenrechtsbereinigungsgesetz normierten Grundsatz der hälftigen Teilung des Bodenwerts unterworfen. Damit wird vermieden, dass allein den Interessen der Alteigentümer oder allein den Interessen der Nutzer Geltung verschafft wird. Dem Alteigentümer bleibt sein Restitutionsanspruch in den Fällen erhalten, in denen sein Eigenheim oder Grundstück erst nach der politischen Wende in der Deutschen Demokratischen Republik veräußert worden ist; er wird insoweit nicht auf eine Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz verwiesen. Der Erwartung der Nutzer, gekaufte Gebäude und Grundstücke zu erwerben, wird durch deren Einbeziehung in die Sachenrechtsbereinigung Rechnung getragen. Dies stellt sich als sachgerechter und angemessener Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwischen Alteigentümern und Nutzern dar und ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch BVerfGE 102, 254 ≪306 f.≫).
ccc) Das im Gewährleistungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigende Vertrauensschutzprinzip zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung. § 121 Abs. 2 SachenRBerG enthält vor allem keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.
(1) Allerdings bewirkt die Vorschrift in den Fällen, in denen der Nutzer sein Ankaufsrecht ausübt, eine echte Rückwirkung. Der Grundstückseigentümer, dem das Eigentum am Grundstück nach dem Vermögensgesetz zurückübertragen worden ist, muss das Grundstück nach § 121 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1, § 15 Abs. 1 und den §§ 61 ff. SachenRBerG an den Nutzer verkaufen und ihm in Erfüllung des Kaufvertrags das restituierte Eigentum übertragen. Damit verliert er sein gerade wieder erlangtes Eigentum an den Nutzer. Das begegnet jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
(2) Zwar ist eine echte Rückwirkung verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, tritt aber zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Ferner kommt Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot erfordern (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪263 f., 268≫ m.w.N.). So liegt der Fall hier.
(a) Schützenswertes Vertrauen auf den uneingeschränkten Verbleib des restituierten Eigentums beim Alteigentümer konnte in Fällen der hier in Rede stehenden Art nicht entstehen.
Mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) hat der Gesetzgeber zur Aufrechterhaltung des status quo der bei der Wiedervereinigung im Beitrittsgebiet vorgefundenen Nutzungsverhältnisse bis zur Bereinigung des Sachenrechts das so genannte sachenrechtliche Moratorium eingeführt (vgl. dazu BVerfGE 98, 17 ≪21 ff.≫). Nutzer fremder Grundstücke erhielten danach in Anbetracht der bis dahin – rechtlich oder faktisch – entstandenen Nutzungsverhältnisse in näher beschriebenen Fällen ein gesetzliches Besitzrecht (vgl. Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Ein solches Besitzrecht steht auch demjenigen zu, der ein auf dem Grundstück errichtetes Gebäude gekauft oder den Kauf beantragt hat (vgl. Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe d EGBGB). Gemäß Satz 3 des Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB, der durch Art. 2 § 5 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Sachenrechtsänderungsgesetzes vom 21. September 1994 (BGBl I S. 2457) eingefügt worden ist, besteht dieses Besitzrecht unter anderem in den Fällen des § 121 SachenRBerG bis zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz fort. Diese Regelung ist ebenso wie das Sachenrechtsmoratorium (vgl. dazu BVerfGE 98, 17 ≪36 ff.≫) mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 13. März 2001 – 1 BvR 1974/98 –).
Mit Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe d EGBGB sind die nicht vollzogenen, so genannten hängenden Kaufverträge über Gebäude in das Sachenrechtsmoratorium einbezogen worden, weil die Nutzer mit dem Abschluss des Kaufvertrags alles ihnen Mögliche getan haben, um das Gebäude zu erwerben (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 78; Czub, in: Ders./Schmidt-Räntsch/Frenz, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, § 121 Rn. 41 ≪Stand: 1995≫). Ob diese Vorschrift – wie § 121 Abs. 2 SachenRBerG (vgl. dazu BGH, VIZ 1999, S. 605 ≪606≫) – über ihren Wortlaut hinaus auch auf Kaufverträge über Eigenheimgrundstücke anzuwenden ist, ist eine einfachrechtliche Frage, die von den Zivilgerichten zu beantworten ist. Eine entsprechende Auslegung erscheint jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn berücksichtigt wird, dass nach § 4 Abs. 2 Verkaufsgesetz beim Kauf eines Eigenheims das volkseigene Grundstück hinzuerworben werden konnte und sachliche Gründe dafür, warum nur der Gebäudekäufer und nicht auch derjenige, der zum Gebäude außerdem das Grundstück gekauft hat, zum Besitz des gekauften Vermögenswerts berechtigt sein soll, nicht ersichtlich sind. Daher mussten die Grundstückseigentümer zumindest in Fällen der vorliegenden Art damit rechnen, dass künftige Regelungen über die Bereinigung sachenrechtlicher Nutzungsverhältnisse sowohl nicht vollzogene als auch bereits vollzogene Kaufverträge über Gebäude und bebaute Grundstücke und damit auch ihr restituiertes Eigentum erfassen würden.
(b) Abgesehen davon ist die durch § 121 Abs. 2 SachenRBerG bewirkte echte Rückwirkung auch durch überragende Belange des gemeinen Wohls gerechtfertigt. Mit dieser Regelung soll zwar den Erwerbserwartungen der Käufer von Eigenheimen und Eigenheimgrundstücken Rechnung getragen werden. Sie dient aber nicht nur den Privatinteressen dieser Käufer. Vielmehr sollen – wie oben unter II 1 b bb aaa schon dargelegt – im öffentlichen Interesse auch die wirtschaftliche Chancengleichheit und die soziale Sicherheit dieses Personenkreises gewährleistet werden. Die Einbeziehung der Käufer von Eigenheimen und damit bebauten Grundstücken in die Sachenrechtsbereinigung verfolgt ferner den ebenfalls im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, endgültig Rechtsfrieden zwischen diesen Käufern und den betroffenen Grundstückseigentümern herzustellen. Diese Gemeinwohlziele sind – wie auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme angenommen hat – so gewichtig, dass sie eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot zu Lasten der Grundstückseigentümer rechtfertigen können.
2. Dass der Bundesgerichtshof bei der Auslegung und Anwendung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG Bedeutung und Tragweite von Art. 14 Abs. 1 GG verkannt haben könnte (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 79, 292 ≪303≫), ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 635272 |
VIZ 2001, 483 |
WM 2001, 1337 |
ZMR 2001, 609 |
ZfIR 2001, 558 |
NJ 2001, 529 |
WuM 2001, 331 |