Die kommunale Bettensteuer ist verfassungsgemäß
Gegenstand der Beschwerdeverfahren vor dem BVerfG waren vier Verfassungsbeschwerden gegen die Erhebung einer kommunalen Steuer (im Volksmund „Bettensteuer“) auf entgeltliche, nicht beruflich veranlasste Übernachtungen in der Freien und Hansestadt Hamburg, der Freien und Hansestadt Bremen sowie in Freiburg im Breisgau.
Kommunale Übernachtungssteuern von bis zu 5 % des Übernachtungspreises
In Deutschland ist die kommunale Übernachtungssteuer in Form der Erhebung einer Abgabe von bis zu 5% auf den Übernachtungspreis in Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben nicht unüblich. Die Steuer war jedoch bisher verfassungsrechtlich umstritten. Die Hotelbranche unterstützte die Verfassungsbeschwerden von vier Betreibern von Beherbergungsbetrieben und hoffte auch wegen der erheblichen Belastungen der Hotelbranche infolge der Corona-Pandemie auf eine positive Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts.
Kompetenz der Kommunen zur Erhebung örtlicher Aufwandsteuern
Das BVerfG hat die kommunale Übernachtungssteuer nun für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt. Insbesondere haben die Kommunen nach Auffassung des ersten Senats des BVerfG die Kompetenz zum Erlass entsprechender Gesetze. Gemäß Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG sei die Übernachtungssteuer als zulässige örtliche Aufwandsteuer zu qualifizieren. Die Erhebung einer kommunalen Übernachtungssteuer sei auch nicht durch eine gleichartige Bundessteuer gesperrt, denn die Übernachtungssteuer sei keiner bundesrechtlich geregelten Steuer – insbesondere auch nicht der Umsatzsteuer – ähnlich.
Steuerschuldner sind die Beherbergungsbetriebe
Die Erhebung der Übernachtungssteuer ist in den Städten und Gemeinden, in denen eine solche Regelung gilt, weitgehend einheitlich geregelt. Von dem Nettoentgelt für nicht beruflich veranlasste Übernachtungen wird in der Regel für jeden Übernachtungsgast ein niedriger Prozentsatz der Übernachtungskosten als Übernachtungssteuer erhoben. Der jeweilige Beherbergungsbetrieb führt als Steuerschuldner die Übernachtungssteuer an das Finanzamt ab.
Beschwerdeführer rügen Verletzung von Grundrechten
Die Beschwerdeführer rügten unter anderem die Verletzung ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit, die Verletzung ihrer vermögensrechtlichen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 GG.
Übernachtungssteuer ist vom Übernachtungsgast zu tragen
Nach den Entscheidungen des BVerfG verletzt die Erhebung der Übernachtungssteuer die vermögensrechtliche Handlungsfreiheit der Beschwerdeführer nicht. Ihrem Sinn nach werde die Übernachtungssteuer letztlich nicht von den Beherbergungsbetrieben erhoben, vielmehr sei sie eine vom Beherbergungsgast zu tragende Steuer, die an den steuerbegründenden Tatbestand der Übernachtung anknüpfe. Die Übernachtungssteuer sei in diesem Sinne eine Abwälzungssteuer, die die Beherbergungsbetriebe von den Übernachtungsgästen ohne weiteres vereinnahmen könnten.
Steuererhebung unmittelbar bei Hotelgästen wäre zu kompliziert
Die Qualifizierung der Beherbergungsbetriebe als Steuerschuldner ändere an diesem Charakter der Besteuerung der Übernachtungsgäste für die durchgeführten Übernachtungen nichts. Die Form der indirekten Erhebung unter Einschaltung der Beherbergungsbetriebe als Steuerschuldner sei aufgrund der unmittelbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Beherbergungsbetriebe zum Steuergegenstand gerechtfertigt und im Sinne einer gleichheitsgerechten Steuererhebung ohne unnötigen Verwaltungsaufwand auch sinnvoll und sachgerecht. Eine unmittelbare Erhebung der Steuer bei den Hotelgästen durch die jeweilige Kommune sei ungleich komplizierter und aufwändiger.
Gleichheitsgrundrecht nicht verletzt
Das Gleichheitsgrundrecht gemäß Art. 3 Abs. 1 GG ist nach der Bewertung des BVerfG durch die Steuer nicht verletzt. Insbesondere führten die Ausnahmen von der Besteuerung für beruflich veranlasste Übernachtungen nicht zu einer Ungleichbehandlung. Der kommunale Gesetzgeber darf laut BVerfG zwischen beruflich veranlassten und nicht beruflich veranlassten Übernachtungen differenzieren, er muss es aber nicht. Die Anknüpfung der Steuer an nicht beruflich veranlasste entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben könne aus Sicht der jeweiligen Kommune z.B. unter dem Gesichtspunkt der lokalen Wirtschaftsförderung durchaus sachgerecht sein.
Berufsfreiheit nur minimal tangiert
Schließlich sah das BVerfG in der Übernachtungssteuer auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer. Die Inanspruchnahme der Beherbergungsbetriebe quasi als Zahlstelle für die Übernachtungssteuer sei aus Gründen der Praktikabilität der Erhebung und Durchsetzung der Steuerpflicht sachgerecht. Die Pflicht zur Mitwirkung der Beherbergungsbetriebe durch Anmeldung der Steuer sowie Abführung an die Kommune sei ein zumutbarer und damit nicht unverhältnismäßiger Aufwand.
Übernachtungssteuer vom Steuerfindungsrecht der Städte und Gemeinden gedeckt
Insgesamt unterfällt nach den Entscheidungen des BVerfG die Übernachtungssteuer dem Steuerfindungsrecht der Städte und Gemeinden.
(BVerfG, Beschlüsse v. 22.3.2022, 1 BvR 2868/15; 1 BvR 354/16, 1 BvR 2886/15; 1 BvR 2887/15)
Hintergrund:
Die Übernachtungssteuer wurde im Jahr 2010 von der Stadt Köln als erster deutscher Kommune eingeführt. Hintergrund war u.a. die im gleichen Jahr eingeführte Entlastung der Beherbergungsbetriebe durch die Absenkung der Umsatzsteuer von 19 % auf 7 %. Inzwischen existiert die Steuer bundesweit in etwas über 30 Gemeinden unter teilweise unterschiedlichen Bezeichnungen wie Beherbergungssteuer, Kulturfördererabgabe oder Citytax.
Auch beruflich veranlasste Übernachtungen können besteuert werden
Die Beschränkung der bisherigen Übernachtungssteuern auf beruflich nicht veranlasste Übernachtungen geht auf ein Urteil des BVerwG aus dem Jahr 2012 zurück. Nach dieser Entscheidung sind beruflich zwingende Übernachtungen von der Übernachtungssteuer ausgenommen (BVerwG, Urteil v. 11.7.2012, 9 CN 1.11). Dies gilt nach den jetzigen Entscheidungen des BVerfG nicht mehr. Nach den Begründungen der Beschlüsse sind Städte und Gemeinden aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht daran gehindert, auch beruflich veranlasste Übernachtungen in die Besteuerung einzubeziehen. Dies hat erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, da berufsbedingte Übernachtungen in Deutschland insgesamt weit mehr als 50 % der Hotelübernachtungen ausmachen.
Kleinere Betriebe tragen Übernachtungssteuern häufig selbst
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) zeigte sich über die jetzigen Entscheidungen des BVerfG geradezu entsetzt und weist darauf hin, dass besonders kleine Betriebe nach der Corona-Pandemie die Übernachtungssteuer aus Furcht vor negativen Auswirkungen auf die Übernachtungszahlen lieber selbst tragen, als sie den Übernachtungsgästen aufzubürden.
Bettensteuer künftig in immer mehr Städten und Gemeinden?
Die jetzigen Entscheidungen des BVerfG könnten zu einer bundesweiten Verbreitung der bisher lediglich in gut 30 Gemeinden geltenden Übernachtungssteuern führen. Diese Befürchtung des DEHOGA ist nicht unbegründet, zumal künftig auch beruflich veranlasste Übernachtungen mit umfasst werden könnten.
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