Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Juni 2007 – III ZR 305/06 – (BauR 2008, S. 486) und die vorangegangenen Entscheidungen des Kammergerichts und des Landgerichts, die im Falle einer sogenannten „isolierten” eigentumsverdrängenden Planung (§ 40 BauGB) eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung von § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 vorgenommen haben. Sie rügt eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Gerichte hätten eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 willkürlich unterlassen. Die Auslegung der Gerichte widerspreche bereits dem klaren Wortlaut der Norm, wonach § 42 Abs. 1 bis 3 und 5 bis 10 BauGB auf die bei Wirksamwerden des Beitritts nach § 34 BauGB zulässigen Nutzungen keine Anwendung finde. Durch die im vorliegenden Fall geltende gesetzliche Verweisungskette nach den § 43 Abs. 1 Satz 3, § 95 Abs. 2 Nr. 7, § 40, § 43 Abs. 3 Satz 2, § 42 BauGB habe die Vorschrift des § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 auch im Rahmen des Anspruchs gemäß § 40 BauGB gegolten. Die Auslegung der Gerichte setze sich zudem in Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers, der für einen Übergangszeitraum während der Transformationsphase der deutschen Einigung eine Überplanung mit Bebauungsplänen nach Maßstab des Baugesetzbuchs habe ermöglichen wollen, ohne dass sich die Gemeinden durch die wegen des Planungsschadensrechts drohenden finanziellen Risiken hiervon abhalten lassen sollten. § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 werde in seinem Anwendungsbereich durch die angefochtenen Entscheidungen so massiv eingeschränkt, dass das gesetzgeberische Ziel verfehlt werde.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchst. a BVerfGG auf, da die Grundsätze des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sind. Eine Annahme zur Durchsetzung des Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kommt ebenfalls nicht in Betracht (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG). Nur ein willkürliches Absehen von der Pflicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG verletzt Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (1). Eine solche willkürliche Nichtvorlage unter Überschreitung der Grenzen der verfassungskonformen Auslegung (2) liegt im Fall der Beschwerdeführerin jedoch nicht vor (3).
1. Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Gegen diese Garantie kann auch dadurch verstoßen werden, dass ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer Acht lässt (stRspr, vgl. bereits BVerfGE 13, 132 ≪143≫, m.w.N.). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch in der Regel erst verletzt, wenn ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage willkürlich außer Acht lässt (vgl. BVerfGE 42, 237 ≪241≫; 76, 93 ≪96≫; 79, 292 ≪301≫). Das gilt auch für die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 117, 330 ≪356≫).
2. Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist dann geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck des Gesetzes mehrere Deutungen möglich sind, von denen nicht alle, aber zumindest eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Durch den Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und den Gesetzeszweck werden der verfassungskonformen Auslegung Grenzen gezogen. Ein Normverständnis, das in Widerspruch zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers treten würde, kann auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht begründet werden (vgl. BVerfGE 98, 17 ≪45≫; 101, 54 ≪85 f.≫; 112, 164 ≪182 f.≫; 118, 212 ≪234≫; 119, 247 ≪274≫; je m.w.N.). Eine verfassungskonforme Auslegung darf den normativen Gehalt der auszulegenden Vorschrift daher nicht grundlegend neu bestimmen, das gesetzgeberische Ziel darf nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (vgl. BVerfGE 8, 71 ≪78 f.≫; 34, 165 ≪200≫; 45, 393 ≪400≫; 54, 277 ≪299 f.≫; 119, 247 ≪274≫).
3. Hieran gemessen liegt eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine willkürliche einschränkende Auslegung des § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 unter Überschreitung der Grenzen verfassungskonformer Auslegung nicht vor. Ohne Erfolg bringt die Beschwerdeführerin vor, die verfassungskonforme Auslegung durch den Bundesgerichtshof sei willkürlich, weil sie dem klaren Wortlaut des § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 widerspreche. Zwar trifft es zu, dass über § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB auch bei Ansprüchen nach § 40 BauGB die Regelungen des § 42 BauGB Anwendung finden und daher nach dem Wortlaut des § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 die Auslegung möglich ist, dass auch in diesen Fällen § 42 BauGB keine Anwendung finden solle.
Jedoch ist die von der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Wortlaut geforderte Auslegung nicht die einzig mögliche. Denn § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 nennt § 40 BauGB als nicht anwendbare Vorschrift nicht. Zudem bezieht sich § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 nicht nur auf die Absätze 2, 3, 5 bis 10 von § 42 BauGB, die die Bemessung der Entschädigung regeln, sondern auch auf den Entschädigungstatbestand des § 42 Abs. 1 BauGB. Der Wortlaut lässt daher die Auslegung zu, der Gesetzgeber habe nicht generell eine Bemessung der Entschädigung nach § 42 Abs. 2, 3 und 5 bis 10 BauGB ausschließen wollen, sondern allein den Fall der Bodenwertminderung regeln wollen. Vertretbar ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis des Bundesgerichtshofs darauf, dass nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Erläuterungen der Bundesregierung zu den Anlagen zum Einigungsvertrag zum Ausdruck komme, die Entschädigung nach § 40 BauGB von § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 unberührt bleiben solle. Der Hinweis ist sachlich zutreffend (vgl. BTDrucks 11/7817, S. 171) und erlaubt dem Bundesgerichtshof ohne Verstoß gegen das Willkürverbot den Schluss, § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 habe für Ansprüche nach § 40 BauGB keine Bedeutung.
Legt man diese vertretbare Auffassung des Bundesgerichtshofs zugrunde, dass § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 Fälle des § 40 BauGB nicht erfasse, fehlt es auch an der behauptet unzulässigen Auslegung gegen den Gesetzeszweck. Auf dieser Grundlage kann willkürfrei angenommen werden, der Gesetzgeber habe sein Ziel, die gemeindliche Planungshoheit im Beitrittsgebiet besonders zu schützen, für Ansprüche nach § 40 BauGB generell nicht verfolgt. Auf die Frage, ob es – wie der Bundesgerichtshof meint – ansonsten im Falle der „isolierten” eigentumsverdrängenden Planung auch einer verfassungskonformen Auslegung des § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB 1990 bedürfte, kommt es danach nicht mehr an.
4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Eichberger, Masing
Fundstellen