Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 13.09.2006; Aktenzeichen 3 A 809/06) |
VG Köln (Urteil vom 13.01.2006; Aktenzeichen 27 K 8944/04) |
Tenor
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2006 – 3 A 809/06 – und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 13. Januar 2006 – 27 K 8944/04 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, mit denen eine auf Beseitigung der Folgen einer Äußerung der Bundeszentrale für Politische Bildung (im Folgenden: Bundeszentrale) gerichtete Klage abgewiesen wurde.
1. Der Beschwerdeführer ist emeritierter Professor der Politikwissenschaft. Im Jahr 2004 erschien ein von ihm verfasster Aufsatz mit dem Titel „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte” in der Zeitschrift „Deutschland Archiv”, die ein privater Verlag im Auftrag der Bundeszentrale herausgibt. Der Aufsatz befasst sich unter anderem mit der Verbreitung des Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung während der Zeit des Nationalsozialismus. Er vertritt unter Berufung auf Zeitzeugen die These, dass die Mehrheit der Deutschen seinerzeit nicht antisemitisch eingestellt gewesen sei, sondern mit den verfolgten Juden sympathisiert habe. In diesem Zusammenhang spricht er unter anderem von einer „deutsch-jüdischen Symbiose unter dem Hakenkreuz”.
Die den Aufsatz des Beschwerdeführers enthaltende Ausgabe des Deutschland Archivs wurde am 1. April 2004 an die mehreren tausend Abonnenten der Zeitschrift ausgeliefert. Erst danach erlangte die Leitungsebene der Bundeszentrale Kenntnis von dem Inhalt des Aufsatzes. Sie entschied, dass dieser mit ihrem Selbstverständnis unvereinbar sei, und richtete am folgenden Tag ein Schreiben mit folgendem Wortlaut an die Abonnenten:
„Sehr geehrte Abonnentinnen und Abonnenten des ‚Deutschland Archivs’,
die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und der W. Bertelsmann Verlag distanzieren sich aufs Schärfste von dem im soeben erschienenen Heft 2/2004 des ‚Deutschland Archivs’ veröffentlichten Text ‚Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte’ von L..
Der Verfasser vertritt Ansichten zum Antisemitismus im 20. Jahrhundert in Deutschland, die weder mit dem Selbstverständnis der Bundeszentrale für politische Bildung noch mit dem des W. Bertelsmann Verlages vereinbar sind. Die Bundeszentrale setzt sich seit Jahrzehnten intensiv mit dem Nationalsozialismus und dem Antisemitismus, einer seiner Grundlagen, auseinander und sieht durch eine derartige Veröffentlichung ihre Arbeit desavouiert.
Wir bedauern diesen Vorgang außerordentlich. Weder die Bundeszentrale für politische Bildung, in deren Auftrag der W. Bertelsmann Verlag die Zeitschrift herausgibt, noch der Beirat der Zeitschrift hatten von der geplanten Veröffentlichung Kenntnis.
Im nächstmöglichen Heft wird ein Beitrag von Prof. Dr. B., erscheinen, der Entwicklung und Bedeutung des Antisemitismus in Deutschland untersucht.
Der Rest der Auflage von Heft 2/2004 wird makuliert.
Dieser in der langen Geschichte beider Häuser und des ‚Deutschland Archivs’ einmalige Vorgang wird sich nicht wiederholen. Wir bitten alle Leserinnen und Leser der Zeitschrift sowie diejenigen, welche sich durch den Beitrag von L. verunglimpft fühlen, um Entschuldigung.”
Der Vorgang fand einen Widerhall in den Feuilletons mehrerer überregionaler Zeitungen; auf Artikel in der Süddeutschen Zeitung und der Welt reagierte der Beschwerdeführer mit Leserbriefen, die abgedruckt wurden.
2. a) Mit seiner Klage beim Verwaltungsgericht Köln begehrte der Beschwerdeführer die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger der Bundeszentrale, sich bei ihm zu entschuldigen und den Urteilsinhalt den Empfängern des Schreibens vom 2. April 2004 bekannt zu geben. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit seinem hier angegriffenen Urteil vom 13. Januar 2006 ab. Zur Begründung führte es aus, dass dem Beschwerdeführer ein Folgenbeseitigungsanspruch nicht zustehe, weil er durch das Schreiben der Bundeszentrale nicht in seinen Grundrechten verletzt sei. Insbesondere verletze das streitgegenständliche Schreiben nicht die als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundrechtlich geschützte Ehre des Beschwerdeführers. Es enthalte weder herabwürdigende wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen noch Werturteile, die als Schmähkritik oder Formalbeleidigung oder aus anderen Gründen den sozialen Geltungsanspruch des Beschwerdeführers in rechtswidriger Weise beeinträchtigten. Auf den Umstand, dass sich die Beklagte als Hoheitsträger nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen könne, komme es hierbei nicht an. Auch einem Hoheitsträger sei es nicht verwehrt, sich am „Kampf der Meinungen” zu beteiligen. Zwar müsse er dabei das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Sachlichkeitsgebot einhalten, diese seien hier aber nicht verletzt.
Auch in das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG greife das Schreiben der Bundeszentrale nicht ein. Denn der Beschwerdeführer werde durch es weder in dem Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung noch in der Verbreitung der gewonnenen Erkenntnisse beeinträchtigt. Ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ergebe sich auch nicht daraus, dass das Ansehen des Klägers als Wissenschaftler infolge des Schreibens Schaden genommen habe, denn das Grundrecht schütze nicht die fachliche Reputation eines Wissenschaftlers.
b) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 13. September 2006 ab. Keiner der in dem Antrag geltend gemachten Gründe rechtfertige die Zulassung der Berufung. Insbesondere zeige das Vorbringen des Beschwerdeführers ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
3. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 GG. Er meint, die Ausführungen im Schreiben vom 2. April 2004 seien für ihn sowohl als Mensch als auch als Wissenschaftler in mehrfacher Weise rufschädigend und herabsetzend. Das Schreiben müsse so verstanden werden, dass ihm von Seiten der Bundeszentrale antisemitische Einstellungen unterstellt würden. Insbesondere die mehrfache Nennung seines Namens sowie die Ankündigung einer „Makulierung” der Restauflage führten zu einer besonderen Stigmatisierung. Dieses Verhalten der Bundeszentrale könne allenfalls im Fall einer extremen wissenschaftlichen Entgleisung gerechtfertigt sein. Eine solche liege jedoch mit seinem Aufsatz nicht vor. Die Bundeszentrale wolle eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den von ihm vertretenen Auffassungen unterdrücken. Aufgrund des Schreibens und des Echos, das dieses in der Presse gefunden habe, sei es ihm seither wesentlich erschwert, an der wissenschaftlichen Diskussion teilzunehmen. Auch der verantwortliche Redakteur des Deutschland Archivs habe angekündigt, weitere Beiträge von ihm in der Zeitschrift nicht mehr zu veröffentlichen. Ferner sei er von mehreren Vortragsveranstaltungen ausgeladen worden.
4. a) Gelegenheit zur Äußerung hatten die Bundesregierung, das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und das Bundesverwaltungsgericht. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Äußerung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts übersandt, in der dieser auf sein Urteil vom 15. Dezember 2005 (7 C 20.04) sowie auf die weitere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Widerruf und Folgenbeseitigungsanspruch nach ehrverletzenden Äußerungen von Hoheitsträgern hinweist. Weitere Stellungnahmen sind nicht erfolgt.
b) Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahrens vorgelegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Das gilt insbesondere für den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber ehrverletzenden oder rufschädigenden Äußerungen (vgl. BVerfGE 99, 185 ≪193≫; 114, 339 ≪346≫) sowie für die Zulässigkeit derartiger Äußerung von staatlicher Seite (vgl. BVerfGE 105, 252 ≪268 ff.≫; 279 ≪301 ff.≫).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG offensichtlich begründet.
a) Die angegriffenen Entscheidungen berühren den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Dieses Grundrecht schützt, ohne seinem Träger einen Anspruch darauf zu vermitteln, nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 ≪269≫), nicht nur die Ehre, sondern auch weitere Aspekte des sozialen Geltungsanspruchs. Namentlich umfasst es den Schutz vor Äußerungen, die – ohne im engeren Sinn ehrverletzend zu sein – geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BVerfGE 99, 185 ≪193 f.≫; 114, 339 ≪346≫). Jedenfalls dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat verbietet es das allgemeine Persönlichkeitsrecht darüber hinaus aber auch, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung abschätzig zu kommentieren.
b) Eine solche herabsetzende Wirkung geht von dem beanstandeten Schreiben der Bundeszentrale aus. Unabhängig von der durch die Gerichte verneinten Frage, ob es eine Schmähkritik gegen den Beschwerdeführer enthält, muss sein Inhalt jedenfalls dahingehend verstanden werden, dass der Beschwerdeführer mit seinem Aufsatz nach Auffassung der Bundeszentrale eine Position vertreten habe, die außerhalb des hinnehmbaren Meinungsspektrums liege. Weiter wird die Veröffentlichung des Aufsatzes als Desavouierung der eigenen Position bezeichnet und zugleich als naheliegend hingestellt, dass sich ein erheblicher Teil des Publikums durch diesen „einmaligen Vorgang” „verunglimpft” gefühlt haben könnte, so dass man sich von seinen Thesen nicht nur distanzieren, sondern für deren Abdruck sogar entschuldigen müsse. Aus Sicht des durchschnittlichen Lesers des Deutschland Archivs – der davon ausgehen darf, dass die Bundeszentrale politische Neutralität zu wahren hat und daher ein gewisses Maß an Meinungspluralität zulassen muss (vgl. § 6 des Erlasses des BMI über die Bundeszentrale für politische Bildung) – wird der Beschwerdeführer hierdurch als Autor eines Aufsatzes dargestellt, der nicht mehr diskursiv erörtert, sondern nur noch makuliert werden kann. Namentlich im Zusammenhang mit Fragen des angesichts der deutschen Geschichte besonders sensiblen Themas Antisemitismus kann dies eine erhebliche Stigmatisierung des Betroffenen mit sich bringen, die im Falle des Beschwerdeführers, der unwidersprochen die Ausladung von Vortragsveranstaltungen geltend macht offenbar bereits praktische Folgen gezeitigt hat. Darauf, ob die Deutung des Verwaltungsgerichts, wonach das Schreiben dem Beschwerdeführer nicht vorwerfe, selbst nationalsozialistische oder antisemitische Auffassungen zu vertreten, zutrifft, kommt es angesichts dessen nicht an.
Die somit gegebene Grundrechtsbeeinträchtigung erfüllt zwar nicht die Voraussetzungen eines Eingriffs im klassischen Sinn, weil sie insbesondere nicht auf einer unmittelbaren Regelungswirkung beruht. Gleichwohl bedarf sie der Rechtfertigung in dem Sinne, dass die Äußerung der Bundeszentrale, um vor Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG Bestand haben zu können, ein legitimes Ziel verfolgen und sich gemessen daran als verhältnismäßig erweisen muss (vgl. BVerfGE 105, 279 ≪299 ff.≫). Entgegen der mindestens missverständlichen Ausdrucksweise der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, die insoweit von einem „freien Kommunikations- und Interaktionszusammenhang” zwischen Bürger und Staat spricht und staatlichen Stellen ein gewisses Recht zur Teilhabe am „Meinungskampf” zubilligen will, kann eine solche Rechtfertigung mangels Grundrechtsberechtigung der Bundeszentrale nicht wie in einem Rechtsstreit zwischen Privaten in der Meinungsfreiheit gefunden werden. Vielmehr kommt hier allein die kompetenzielle Rechtsgrundlage in Betracht, auf der die Tätigkeit der Bundeszentrale überhaupt fußt. Hierbei handelt es sich um die der Bundesregierung zukommende Aufgabe der Staatsleitung, die, ohne dass es darüber hinaus einer besonderen gesetzlichen Eingriffsermächtigung bedürfte, staatliches Informationshandeln legitimieren kann. Namentlich gestattet sie es der Bundesregierung, die Bürger mit solchen Informationen zu versorgen, deren diese zur Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung bedürfen (vgl. BVerfGE 105, 279 ≪302≫). Angesichts dessen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bundesregierung eine Bundeszentrale für politische Bildung unterhält, die ihrerseits publizistische Foren für politische Debatten betreibt. Eingebunden in einen Bildungsauftrag ist diese auch nicht von vornherein darauf verwiesen, alle im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungen formal gleich zu behandeln; vielmehr kann sie insoweit auch wertende Unterscheidungen treffen, hat dabei aber Ausgewogenheit und rechtsstaatliche Distanz zu wahren. Hierbei können insbesondere Kriterien wie Qualität und Repräsentativität eine maßgebliche Rolle spielen; insofern ist es der Bundeszentrale für politische Bildung nicht grundsätzlich verwehrt, Extremmeinungen am Rande des politischen Spektrums und solche, die von der Wissenschaft nicht ernst genommen werden, nicht zu berücksichtigen, sie als solche zu bezeichnen und sich demgegenüber auf die Präsentation von Hauptströmungen zu konzentrieren.
Vorliegend steht jedoch nicht eine durch Rechtsstaatlichkeit, Ausgewogenheit und Distanz getragene bloße Übergehung der Position des Beschwerdeführers in Frage, sondern die explizite Distanzierung von dieser durch ein engagiertes Schreiben an die Abonnenten. Zwar kann mit der legitimen Aufgabenwahrnehmung durch die Bundeszentrale im Einzelfall auch die Befugnis verbunden sein, das der Öffentlichkeitsarbeit zugrunde gelegte Konzept der Behörde durch Äußerungen, die auch Dritte betreffen, zu bestätigen oder zu verteidigen. Dazu kann auch das Recht gehören, zu der Meinung eines Bürgers urteilend Stellung zu beziehen. Im Hinblick auf den allein zulässigen Zweck einer rechtsstaatlichen distanzierten Aufgabenwahrnehmung kommt dies aber nur in Grenzen in Betracht. Von vornherein ausgeschlossen sind Äußerungen gegenüber Einzelnen, die allein dem Bestreben dienen, eine behördliche Auffassung, namentlich eine von der Bundeszentrale für richtig gehaltene spezifische Geschichtsinterpretation zur Geltung zu bringen und als einzig legitim oder vertretbar hinzustellen. Vielmehr kann es insoweit nur um die Erhaltung des zur Funktionsfähigkeit der Behörde notwendigen Mindestmaßes an öffentlichem Vertrauen in die eigene Glaubwürdigkeit und Integrität gehen (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪291≫; BGH, Urteil vom 22. April 2008 – VI ZR 83/07 –, NJW 2008, S. 2262 ≪2265≫). Gerade bei einer Einrichtung wie der Bundeszentrale, die keine Eingriffsverwaltung betreibt und auch nicht über die rechtlichen Mittel hierzu verfügt, sondern deren Aufgabe die Information der Bürger ist, gehört zu den Grundlagen der eigenen Tätigkeit auch das öffentliche Ansehen als zuverlässig und ausgewogen. Daher kann es ein legitimes Interesse darstellen, sich von ihr zuzurechnenden Beiträgen, die von dem Anspruch einer ausgewogenen Informationstätigkeit auffällig abweichen, weil sie etwa extreme oder extremistische Meinungen vertreten, zu distanzieren, um so die eigene Reputation wiederherzustellen. Bei der Frage, ob und welche Maßnahmen als öffentliche Reaktion auf einen drohenden Glaubwürdigkeitsschaden zu ergreifen sind, steht der Bundeszentrale ein Einschätzungs- und Handlungsspielraum zu. Etwaige von ihr ergriffene Maßnahmen müssen allerdings die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips beachten.
Dessen Grenzen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gewahrt. Das hier beanstandete Schreiben geht über das der Bundeszentrale zuzubilligende Anliegen, den Anschein zu beseitigen, sie biete unter Missachtung ihrer Pflicht zur politisch ausgewogenen Haltung extremistischen Positionen ein publizistisches Forum, deutlich hinaus. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass die vom Beschwerdeführer vertretenen Thesen, auch wenn sie als Bewertungen historischer Ereignisse die Grenze zur Strafbarkeit oder Verfassungsfeindlichkeit nicht überschreiten, aus sachlichen Gründen von der Bundeszentrale im Rahmen eines von rechtsstaatlicher Neutralität getragenen Veröffentlichungskonzepts als für einen Abdruck ungeeignet bewertet werden durften und auch nach der – später als Fehlentscheidung angesehenen – Veröffentlichung editorische Konsequenzen wie das den Abdruck einer kritischen Gegenmeinung erlaubt hätten. Ob dabei im Einzelfall zur Ansehenswahrung auch eine aktive Distanzierung der Bundeszentrale von einem zuvor veröffentlichtem Beitrag, der die Grenze zur Strafbarkeit oder Verfassungsfeindlichkeit nicht überschreitet, zulässig sein kann, kann dabei offen bleiben. Denn jedenfalls ist vorliegend nicht ersichtlich, dass das Schreiben der Bundeszentrale den ihr einzuräumenden Einschätzungs- und Handlungsspielraum wahrt und als erforderliche und angemessene Reaktion auf den Artikel des Beschwerdeführers angesehen werden kann. Weder hinsichtlich der Ankündigung der Makulierung noch hinsichtlich der Entschuldigung für eine etwaige Verunglimpfung ist erkennbar, dass diese von dem legitimen Zweck gedeckt sein können.
c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf dieser Grundrechtsverletzung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte, hätten sie einen Eingriff in das Grundrecht bejaht, anders entschieden, nämlich der Klage stattgegeben hätten. Der hier geltend gemachte Folgenbeseitigungsanspruch ist einfachrechtlich anerkannt. Er ist begründet, wenn eine Grundrechtsverletzung vorliegt, wobei der konkrete Anspruchsinhalt nicht allgemein zu umschreiben ist, vielmehr im Einzelfall ermittelt werden muss (vgl. allgemein zum Folgenbeseitigungsanspruch BVerwG, Urteil vom 19. Juli 1984 – 3 C 81/82 –, NJW 1985, S. 817).
d) Ob der Beschwerdeführer darüber hinaus auch in weiteren Grundrechten, insbesondere in seiner Wissenschaftsfreiheit verletzt ist, kann offen bleiben.
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Masing
Fundstellen