Leitsatz (amtlich)
1. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen dem Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern sowie die Freiheit des Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle.
2. In der Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes liegt ein Eingriff in das freie Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, der im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt sein kann. Dieser Eingriff unterliegt strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen und bedarf einer Rechtsgrundlage, die den Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts genügt.
3. Die im Jahr 1990 mit dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG) (BGBl I S. 2954 ≪2970≫) geschaffenen § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG stellen eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende Rechtsgrundlage für die Beobachtung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages dar, auch wenn darin nicht ausdrücklich auf die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG Bezug genommen wird.
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Verfahren werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
2. Die Anträge im Organstreitverfahren werden verworfen.
3. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2010 – BVerwG 6 C 22.09 – verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
4. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die im Verfassungsbeschwerdeverfahren notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Gegenstand der Verfahren des Organstreits und der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, ob die Beobachtung von Abgeordneten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz – das dem Antragsgegner zu 1. untersteht – beobachtet einzelne Mitglieder des Deutschen Bundestages, die der Fraktion DIE LINKE angehören. Von den 53 Mitgliedern der Fraktion wurden in der 16. Legislaturperiode 27 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet (vgl. BTDrucks 16/14159, S. 5 und BTDrucks 17/372, S. 3), darunter der Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren, der zugleich der Antragsteller zu 1. im Organstreitverfahren ist. Dieser war ab Oktober 1999 Mitglied des Thüringer Landtags. Von Oktober 2005 bis September 2009 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und der Fraktion DIE LINKE sowie deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Seit Herbst 2009 ist er Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag.
Im Organstreitverfahren wendet er sich gemeinsam mit der Bundestagsfraktion DIE LINKE gegen die Weigerung des Bundesministers des Innern und der Bundesregierung, das Bundesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, die Beobachtung zu beenden. Mit der Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2010 an, mit dem die Sammlung personenbezogener Informationen über ihn durch das Bundesamt für Verfassungsschutz in der Zeit ab der Aufnahme seines Landtagsmandats im Oktober 1999 gebilligt wurde.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt seit 1986 über den Beschwerdeführer eine Personenakte, in der Informationen gesammelt sind, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen. Die Informationen stammen nach den Feststellungen der Fachgerichte aus allgemein zugänglichen Quellen, wobei der Beschwerdeführer bezweifelt, dass auf die Methoden heimlicher Informationsbeschaffung vollständig verzichtet wurde. Die gesammelten Informationen betreffen die Tätigkeit des Beschwerdeführers in der und für die Partei sowie ab 1999 auch seine Abgeordnetentätigkeit, jedoch ohne sein Abstimmungsverhalten und seine Äußerungen im Parlament sowie in den Ausschüssen. Zugleich haben die Fachgerichte festgestellt, dass parlamentarische Drucksachen ausgewertet werden. Auch über sonstige politische Aktivitäten des Beschwerdeführers gewinnt das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen.
Nach den Feststellungen der Fachgerichte ist der Beschwerdeführer individuell nicht verdächtig, Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verfolgen. Seine Beobachtung wird ausschließlich mit seiner Mitgliedschaft und seinen Funktionen in der Partei DIE LINKE beziehungsweise zuvor der PDS und der Linkspartei.PDS begründet.
II.
Die Sammlung von Informationen über den Beschwerdeführer stützt sich auf § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 Buchstabe c, Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG, BGBl I 1990 S. 2954 ≪2970≫). Die maßgeblichen Vorschriften dieses Gesetzes lauten wie folgt:
§ 2 Verfassungsschutzbehörden
(1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern unterhält der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde. Es untersteht dem Bundesministerium des Innern. […]
§ 3 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden
(1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über
1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben,
[…]
(3) Die Verfassungsschutzbehörden sind an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes).
§ 4 Begriffsbestimmungen
(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind […]
c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen.
(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:
- das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
- die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
- das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
- die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
- die Unabhängigkeit der Gerichte,
- der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
- die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
§ 8 Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz
(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. […]
(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. […]
(3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. […]
(5) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.
III.
1. Mit der Beobachtung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages durch das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde der Deutsche Bundestag in der 16. Wahlperiode im Rahmen Kleiner Anfragen mehrfach befasst (vgl. BTDrucks 16/1397; BTDrucks 16/1808; BTDrucks 16/2342; BTDrucks 16/3763 und BTDrucks 16/13886 sowie die Antworten der Bundesregierung, BTDrucks 16/1590; BTDrucks 16/2098; BTDrucks 16/2412; BTDrucks 16/3964 und BTDrucks 16/13990).
Eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE und ihr zugehöriger Abgeordneter, darunter der Beschwerdeführer, betreffend die Beobachtung dieser Fraktion und ihrer Mitglieder (BTDrucks 16/3763) beantwortete die Bundesregierung am 21. Dezember 2006 (BTDrucks 16/3964) wie folgt:
„1. Auf welcher Rechtsgrundlage und zu welchem Zweck hat das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Sachakte über die Fraktion DIE LINKE. angelegt?
Rechtsgrundlage für die Beobachtungstätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist § 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) […]. Die Bundesregierung hat seit Jahren kontinuierlich dargelegt, dass die ‚Linkspartei.PDS' – bis zu ihrer Umbenennung im Juli 2005 ‚Partei des Demokratischen Sozialismus' (PDS) – insgesamt in ihren Aussagen und ihrer politischen Praxis tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen im Sinne der §§ 3, 4 BVerfSchG bietet. […]
Für die Bewertung der Gesamtpartei ist […] deren gesamtes Auftreten in der Öffentlichkeit, insbesondere deren programmatische Aussagen und politische Praxis, maßgebend. In diesem Zusammenhang können auch die Einstellung einer Partei zum Parlamentarismus oder deren Verhalten im Parlament, gegebenenfalls dessen Instrumentalisierung, von Bedeutung sein. Insofern unterliegt auch die Teilnahme der ‚Linkspartei.PDS' an parlamentarischen Wahlen der Informationsauswertung. Soweit die parlamentarische Tätigkeit oder parlamentarische Funktionen für die Bewertung der Partei von Bedeutung sind, werden diese ebenfalls sach- und personenbezogen in einer diesbezüglichen Sachakte festgehalten. Das BVerfSchG sieht in Bezug auf den gesetzlichen Auftrag des BfV keine privilegierende Sonderbehandlung von Mitgliedern parlamentarischer Körperschaften vor. Insoweit sind die gesetzlichen Vorschriften ohne Ansehen der Person anzuwenden. Sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Abgeordnete in einem oder für einen extremistischen Personenzusammenschluss aktiv sind, werden zu ihnen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften Informationen gesammelt und ausgewertet.
2. Welche Art von Daten beinhaltet die Sachakte über die Fraktion DIE LINKE. beim Bundesamt für Verfassungsschutz?
3. Enthält die Sachakte Informationen über jedes Mitglied der Fraktion DIE LINKE., und wenn nein, über welche Mitglieder enthält sie Informationen und nach welchen Kriterien wurden die Fraktionsmitglieder ausgewählt? […]
7. Über wie viele Abgeordnete sind in der Sachakte Informationen enthalten, die über die Angaben im Amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages hinausgehen?
- Um welche Angaben handelt es sich dabei?
- Um welche Abgeordnete handelt es sich dabei?
8. Über wie viele Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. hat das Bundesamt für Verfassungsschutz vermeintliche Erkenntnisse ‚über extremistische Aktivitäten'? […]
Die Bundesregierung äußert sich zu den geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten der Nachrichtendienste des Bundes, insbesondere zu deren Arbeitsweise, Strategie und Erkenntnisstand in Bezug auf bestimmte Personen oder Organisationen, grundsätzlich nur in den dafür vorgesehenen besonderen Gremien des Deutschen Bundestages.
Der Verweis auf diesen Umstand bedeutet nicht, dass die in der Vorbemerkung der Fragesteller und den diesbezüglichen Fragen enthaltenen Annahmen und Feststellungen inhaltlich zutreffen.
Bei Offenlegung der gespeicherten Informationen könnten vorliegend Rückschlüsse auf Erkenntnisstand und Arbeitsweise des BfV in Bezug auf die ‚Linkspartei.PDS' gezogen werden. Dadurch könnte die künftige Aufgabenerfüllung des BfV im Bereich der Beobachtung linksextremistischer Bestrebungen der ‚Linkspartei.PDS' zumindest wesentlich erschwert, ggf. sogar unmöglich gemacht werden.
Im Übrigen hat die Bundesregierung gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium in der Sitzung vom 5. April 2006 ausführlich und insbesondere zu den Rechtsgrundlagen, zum Verfahren und der Praxis bei der Beobachtung von Abgeordneten durch das BfV berichtet.
6. Hat das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Erstellung der Sachakte nachrichtendienstliche Mittel angewandt, und wenn ja, welche, in welchem Zeitraum und gegen welche Personen bzw. Gremien?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die PDS bzw. die ‚Linkspartei.PDS' ohne Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Dies gilt selbstverständlich auch in Bezug auf die Abgeordneten der Partei. Die gesammelten und ausgewerteten Informationen umfassen insbesondere Publikationen und Veröffentlichungen der Partei selbst oder zur Partei. Entsprechendes gilt für ihre Untergliederungen und Funktionäre.
10. Glaubt die Bundesregierung ausschließen zu können, dass eine Auswirkung auf die Ausübung des Mandats und damit die Funktionsfähigkeit des Parlaments vorliegt, wenn Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Abgeordneten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Fraktionen befürchten müssen, im Rahmen einer ‚Sachakte' erfasst zu werden und sich dadurch möglicherweise veranlasst sehen, ein Vermeidungsverhalten zu entwickeln (bitte begründen)?
11. Berücksichtigen das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie andere Nachrichtendienste die Ausführungen des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes vom 8. Mai 2006 (‚Parlamentarische Kontrolle der Beobachtung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz') auch hinsichtlich der Anlage von Sachakten über Fraktionen des Deutschen Bundestages, und wenn ja, in welchem Umfang?
Das vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages für den Ältestenrat erstattete Gutachten vom 8. Mai 2006 (‚Parlamentarische Kontrolle der Beobachtung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz') kommt zu dem Ergebnis, dass eine Beobachtung von Abgeordneten bzw. der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nur dann unzulässig ist, wenn die Funktionsfähigkeit des Parlaments bzw. die innerparlamentarischen Statusrechte des Abgeordneten beeinträchtigt werden (S. 11, 14 des Gutachtens). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden auf die parlamentarische Willensbildung bzw. die parlamentarische Tätigkeit des Abgeordneten als solche direkt oder indirekt Einfluss nehmen würde (z.B. Beeinflussung des Abstimmungsverhaltens oder der Redebeiträge). Vorbehaltlich solcher statusbeeinträchtigender Rechtswirkungen auf die verfassungsmäßigen Rechte nach den Artikeln 46 und 38 GG ist eine Beobachtung von Abgeordneten grundsätzlich zulässig. Durch die in den Antworten zu den Fragen 1 und 6 näher umschriebene Sammlung und Auswertung von Informationen durch das BfV wird weder die Ausübung des Mandats noch die Funktionsfähigkeit des Parlaments beeinträchtigt.
12. Beabsichtigt die Bundesregierung, das Bundesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, die Sachakte zur Fraktion DIE LINKE. umgehend zu schließen und den Betroffenen die Inhalte mitzuteilen, und wenn nein, warum nicht?
Die Bundesregierung sieht für eine solche Anweisung im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtmäßigkeit der Informationssammlung keine Veranlassung.”
2. Die Antragstellerin zu 2. stellte am 27. Mai 2007 den Antrag (BTDrucks 16/5455), der Deutsche Bundestag möge feststellen, dass die Beobachtung von Abgeordneten und die Anlage einer sogenannten Sachakte über sie gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 sowie gegen Art. 46 Abs. 1 GG verstoße und die Funktionsweise des Parlaments gefährde. Weiter sollte festgestellt werden, dass die Überwachung nicht vom Bundesverfassungsschutzgesetz gedeckt sei, da die Antragstellerin zu 2. die Voraussetzungen für eine Beobachtung nicht erfülle, dass dadurch gegen die in Art. 21 GG garantierte Chancengleichheit von Parteien verstoßen werde und dass das Bundesamt sowie die Landesämter für Verfassungsschutz die ihnen zur Verfügung gestellten steuerlichen Mittel entgegen Art. 104a ff. GG verwendeten, wenn sie Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE und die Linkspartei.PDS überwachten. Zudem wurde beantragt, die Bundesregierung aufzufordern, die Überwachung unverzüglich einzustellen und die erhobenen Daten zu löschen sowie die angelegten Akten zu vernichten. Darüber hinaus sollte sie aufgefordert werden, auf die Landesregierungen einzuwirken, entsprechend zu verfahren. Der Deutsche Bundestag lehnte den Antrag in seiner 225. Sitzung am 29. Mai 2009 ab (BT-Plenarprotokoll 16/225, S. 24908).
IV.
Der Verfassungsbeschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Der Beschwerdeführer hatte zunächst Auskunft beim Bundesamt für Verfassungsschutz über die personenbezogenen Daten, die über ihn gespeichert worden waren, begehrt. Die Auskunft wurde teilweise – mit Bescheid vom 27. Mai 2003 – erteilt, im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Der Beschwerdeführer erhob daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht. Auf Aufforderung des Verwaltungsgerichts legte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Personenakte des Beschwerdeführers vor, die teilweise Auslassungen und Schwärzungen enthielt. Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer, blieb jedoch letztlich erfolglos: Mit Beschluss vom 23. Juli 2010 – 20 F 8/10 – entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass der Antrag unbegründet und die Unkenntlichmachungen rechtmäßig seien. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht daraufhin teilweise für erledigt. Den nicht von der Erledigungserklärung umfassten Klageantrag des Beschwerdeführers – die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, ihm Auskunft zu erteilen bezüglich aller seine Person betreffenden Informationen, über die das Bundesamt für Verfassungsschutz außerhalb seiner Personenakte verfügt – wies das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 13. Dezember 2007 – 20 K 6242/03 – ab. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt. Der Beschwerdeführer erhob Verfassungsbeschwerde, die von der 1. Kammer des Ersten Senats mit Beschluss vom 17. Mai 2011 – 1 BvR 780/09 – ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen wurde.
2. In einem weiteren Verfahren stellte das Verwaltungsgericht Köln – nach Abtrennung des auf den Zeitraum ab 1999 bezogenen Antrags, welcher Ausgangspunkt des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist – durch Urteil vom 23. April 2009 – 20 K 5429/07 – fest, dass die Erhebung personenbezogener Informationen über den Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig gewesen sei, soweit es sich um Informationen handle, die bis zur Aufnahme des Landtagsmandats im Oktober 1999 erhoben worden seien: Die Erhebung personenbezogener Informationen in einer Personenakte „wegen seiner Nähe zur DKP” stelle sich jedenfalls als unverhältnismäßig dar. Der Beschwerdeführer sei nie Mitglied der DKP gewesen und auch nicht für diese Partei tätig geworden. Im Übrigen – soweit der Beschwerdeführer eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sammlung von Informationen begehrt hatte, die sich außerhalb der Personenakte, zum Beispiel in Sachakten befinden – wies das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig ab. Das Urteil wurde rechtskräftig.
3. a) In dem Verfahren, das der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegt, stellte das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 13. Dezember 2007 – 20 K 3077/06 – fest, dass die Sammlung personenbezogener Informationen über den Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig sei, soweit es sich um Informationen handle, die während des Zeitraums der Wahrnehmung seines Landtagsmandats im Thüringer Landtag und seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter erhoben worden seien und noch erhoben würden.
b) Auf die Berufung der Bundesrepublik Deutschland änderte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 13. Februar 2009 – 16 A 845/08 – das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Köln teilweise ab und stellte fest, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig Informationen über den Beschwerdeführer in der Zeit der Wahrnehmung seines Landtagsmandats von Oktober 1999 bis Oktober 2005 sowie in der Zeit von der Übernahme seines Bundestagsmandats im Oktober 2005 bis zum 13. Februar 2009 aus allgemein zugänglichen Quellen erhoben habe. Ferner verurteilte es die Bundesrepublik Deutschland, es zu unterlassen, über den Beschwerdeführer künftig personenbezogene Daten aus allgemein zugänglichen Quellen zu erheben.
Im Übrigen – soweit der Beschwerdeführer dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorgeworfen hatte, ihn mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten – wies es die Klage ab, da die Beweisaufnahme ergeben habe, dass solche Mittel nicht eingesetzt worden seien und keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass ein solcher Einsatz konkret beabsichtigt sei. Dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz solche Maßnahmen grundsätzlich vorbehalten habe, stelle lediglich einen allgemeinen Vorbehalt dar. Eine Veränderung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die es dazu veranlassen könne, nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, sei nicht erkennbar.
Zwar bedürfe die offene Beobachtung von Abgeordneten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz – bei der Informationen aus offenen Quellen gesammelt und ausgewertet werden – keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage. Auch lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung vor. Es handle sich bei der Partei DIE LINKE um einen Personenzusammenschluss im Sinne des § 4 Abs. 1 BVerfSchG. Die Auswertung der vorliegenden Unterlagen habe in ausreichender Zahl gewichtige Hinweise dafür ergeben, dass es noch immer verfassungsfeindliche Strömungen gebe, die die Richtung der Partei bestimmten. Gruppierungen, die eine mit zentralen Verfassungswerten unvereinbare sozialistische Revolution und eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung im klassisch marxistisch-leninistischen Sinn anstrebten, seien die Kommunistische Plattform, das Marxistische Forum und die anerkannte Jugendorganisation Linksjugend ['solid]. Den Äußerungen dieser Gruppierungen komme im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau maßgebliche Bedeutung zu, weil sie nach ihrer satzungsmäßigen Stellung, der Zahl ihrer Mitglieder, ihrem Rückhalt bei der Gesamtheit der Parteimitglieder und dem sich hieraus ergebenden Einfluss nennenswertes Gewicht innerhalb der Partei besäßen. Ferner lägen dem Senat Dokumente der Gesamtpartei und Äußerungen führender Parteimitglieder – die diesen Gruppierungen nicht angehörten – vor, die Anhaltspunkte für Zweifel an der Verfassungstreue der Partei begründeten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine offene Beobachtung des Beschwerdeführers seien allein schon wegen seiner politischen Betätigung in der Partei gegeben. Das Fehlen hinreichender eigener verdächtiger Verhaltensweisen führe nicht zur Unzulässigkeit der Beobachtung.
Die Beobachtung des Beschwerdeführers sei aber unverhältnismäßig. Sie diene zwar einem legitimen öffentlichen Zweck, zu dem sie auch geeignet sei, denn bei der Beurteilung der von einer Partei ausgehenden Gefahren komme den Äußerungen der Spitzenfunktionäre erhebliche Bedeutung zu. Sie sei auch erforderlich, denn das Ziel, verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei aufzuklären, ließe sich ohne eine Beobachtung des Beschwerdeführers nicht ebenso effektiv erreichen. Jedoch stehe im Einzelfall des Beschwerdeführers das freie Mandat einer offenen Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz entgegen. Die sich aus der Beobachtung ergebenden Beeinträchtigungen für seine Tätigkeit als Abgeordneter und – als mittelbare Folge hiervon – der Freiheit und Unabhängigkeit des Deutschen Bundestages seien zwar gering. Er müsse sie jedoch nicht hinnehmen. Eine unmittelbar drohende Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung sei nicht gegeben. Die Partei habe in ihrer parlamentarischen Arbeit und bei Regierungsbeteiligungen bislang keine Aktivitäten unternommen, die Ansätze für eine Überwindung der herrschenden Staats- und Gesellschaftsordnung erkennen ließen. Den Gruppierungen innerhalb der Partei, bei denen Anhaltspunkte für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen bestünden, komme zwar nennenswerter, bislang aber nicht bestimmender Einfluss zu.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sei ohne die Beobachtung des Beschwerdeführers in seiner Aufgabenwahrnehmung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die möglichen zusätzlichen Erkenntnisse seien für die Gefahrenabschätzung von verhältnismäßig geringer Bedeutung. Das freie Mandat stehe einer offenen Beobachtung des Beschwerdeführers insgesamt entgegen. Eine Differenzierung zwischen Tätigkeiten, die er als Abgeordneter wahrnehme, und Tätigkeiten in seiner Eigenschaft als Parteifunktionär scheide aus. Der die Abgeordnetentätigkeit beeinträchtigende Vertrauensverlust sei Folge der Beobachtung durch Verfassungsschutzbehörden als solcher und entfalle nicht bei Beschränkung der Beobachtung auf außerparlamentarische Bereiche.
c) Das Bundesverwaltungsgericht hob mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Urteil vom 21. Juli 2010 die stattgebenden Urteile auf und wies die Klage in vollem Umfang ab.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG decke die Erhebung von Informationen über den Beschwerdeführer mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung, weil Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Partei DIE LINKE verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge, und die Informationserhebung auf den Beschwerdeführer als eines ihrer herausgehobenen Mitglieder erstreckt werden dürfe.
Bei den Parteien PDS, Linkspartei.PDS und DIE LINKE handle es sich um Personenzusammenschlüsse im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG, weil – nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts – bei ihnen im streitigen Zeitraum tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorgelegen hätten. Unter den Begriff der Personenzusammenschlüsse im Sinne dieser Vorschrift fielen auch Parteien. Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, wonach „durchaus namhafte Teile der Partei” eine politische Umgestaltung der Bundesrepublik durch eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im „klassisch marxistisch-leninistischen Sinne einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung” anstrebten, könne revisionsgerichtlich nicht beanstandet werden.
Das Oberverwaltungsgericht habe bei seiner Würdigung verfassungsfeindliche Bestrebungen nur bei einzelnen Gruppierungen innerhalb der Partei DIE LINKE festgestellt und damit den rechtlichen Rahmen nicht verlassen, der ihm durch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs.1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG gezogen gewesen sei. Anhaltspunkte für Bestrebungen einer Partei, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, seien nicht nur dann gegeben, wenn die Partei in ihrer Gesamtheit solche Bestrebungen entfalte. Vielmehr sei es ausreichend, wenn die innere Zerrissenheit einer Partei, Flügelkämpfe und eine Annäherung an extremistische Gruppierungen oder Parteien eine Beobachtung erforderten. Nur so sei festzustellen, in welche Richtung sich die Partei entwickeln könne.
Die verfassungsfeindlich ausgerichteten Gruppierungen könnten sich mit ihren Bestrebungen auf jedenfalls mehrdeutige und unklare Aussagen in dem Programm der Gesamtpartei berufen, mit der Folge, dass sie nicht als Außenseiter angesehen werden könnten, die für die Ausrichtung der Partei gänzlich vernachlässigt werden müssten. Das Oberverwaltungsgericht habe zutreffend eine Gesamtbetrachtung angestellt, bei der die Bedeutung einzelner Umstände erst im Lichte anderer hervortrete. Das Oberverwaltungsgericht habe darüber hinaus festgestellt, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen in politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG eingemündet seien.
Dass der Einfluss der offen verfassungsfeindlichen Gruppierungen nicht merklich gewachsen sei – und diese seit langem bestünden, ohne dass es ihnen gelungen sei, die Partei zu dominieren –, rechtfertige noch nicht die Annahme, diese Gruppierungen und ihre Ziele hätten nach so langer Zeit nicht mehr das notwendige Gewicht, um Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei insgesamt zu liefern. Bestünden über die Jahre unverändert Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen und ließen sich diese Anhaltspunkte trotz mehrjähriger Beobachtung nicht ausräumen, rechtfertigten sie nach wie vor die Beobachtung einer Partei. Es bestehe ein berechtigtes öffentliches Interesse daran, die Entwicklung der neu zusammengesetzten Partei DIE LINKE und ihrer maßgeblichen Funktionäre zu beobachten. Insbesondere bedürfe der Aufklärung, ob es den extremistischen Kräften gelinge, die verbreiterte Basis der Partei für ihre Zwecke zu nutzen.
Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als eines „herausgehobenen Mitglieds” der Parteien PDS, Linkspartei.PDS und heute DIE LINKE rechtfertige es, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über ihn mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung erhebe. Diese Maßnahme sei verhältnismäßig. § 4 Abs. 1 Buchstabe c BVerfSchG erfordere lediglich eine Mitgliedschaft in dem Personenzusammenschluss. Die Beobachtung des Beschwerdeführers sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil er in eigener Person keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolge.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG seien auf Abgeordnete des Deutschen Bundestages oder eines Landesparlaments anwendbar. Die Vorschriften beschränkten zulässigerweise den Grundsatz des freien Mandats aus Art. 38 Abs. 1 GG. Die Freiheit des Mandats könne durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden. Hierzu gehöre das Prinzip der streitbaren Demokratie. § 8 BVerfSchG konkretisiere dieses einfachrechtlich. Für eine solche Beschränkung der Mandatsfreiheit bedürfe es keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage. Die für die Verwirklichung des freien Mandats wesentlichen Entscheidungen habe der Gesetzgeber mit § 3 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c, § 8 BVerfSchG getroffen. Es bestehe kein allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz, wonach Maßnahmen gegen Abgeordnete nur mit Zustimmung des Parlaments zulässig seien. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Partei zum Anknüpfungspunkt für Maßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu machen, sei zudem mit dem Parteienprivileg vereinbar.
Die Erhebung von Informationen über den Beschwerdeführer mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung wahre den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei nicht deshalb ungeeignet, weil sie sich über zehn Jahre erstrecke und fortdauere, ohne beim Beschwerdeführer selbst verfassungsfeindliche Bestrebungen aufgedeckt zu haben. Der Beschwerdeführer betätige sich nach wie vor in einer Partei, bei der auch aktuell tatsächliche Anhaltspunkte für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen vorlägen. Das Oberverwaltungsgericht stütze seine Einschätzung der Partei auf Quellen, die auch aus jüngerer Zeit stammten. Es bestehe mit Blick auf den Zusammenschluss der Linkspartei.PDS mit der WASG zur Partei DIE LINKE ein berechtigtes öffentliches Interesse daran, die Entwicklung der neu zusammengesetzten Partei und ihrer maßgeblichen Funktionäre zu beobachten.
Die Beobachtung des Beschwerdeführers sei erforderlich. Ohne sie lasse sich das Ziel, verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei DIE LINKE aufzuklären, nicht ebenso effektiv erreichen. Um ein umfassendes Bild über die Partei zu gewinnen, verspreche die Beobachtung von Spitzenfunktionären, die selbst keine eigenen verfassungsfeindlichen Aktivitäten entfalteten, – wenn auch vergleichsweise geringfügige – zusätzliche Erkenntnisse. Welche Entfaltungsmöglichkeiten für verdächtige Parteimitglieder bestünden, hänge entscheidend davon ab, wie sich die Spitzenfunktionäre positionierten und welche Freiräume sie anderen Strömungen gäben.
Die Erhebung von Informationen über den Beschwerdeführer verstoße nicht gegen das Gebot des geringsten Mittels aus § 8 Abs. 5 Satz 1 BVerfSchG. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verzichte auf den Einsatz der Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung im Sinne des § 8 Abs. 2 BVerfSchG. Es erhebe in der hier in Rede stehenden Zeit Informationen allein aus allgemein zugänglichen Quellen, wie parlamentarischen Drucksachen, Berichten in den Medien und Pressemitteilungen des Beschwerdeführers oder seiner Partei. Es habe darüber hinaus den Kernbereich der parlamentarischen Tätigkeit des Beschwerdeführers, nämlich sein Abstimmungsverhalten sowie seine Äußerungen im Parlament und dessen Ausschüssen, von der Beobachtung ausgenommen.
Die Beobachtung des Beschwerdeführers sei verhältnismäßig im engeren Sinne (§ 8 Abs. 5 Satz 2 BVerfSchG). Auf der einen Seite erleide dieser durch die Erhebung von Informationen über ihn Nachteile bei seiner Tätigkeit als Abgeordneter, die Gewicht hätten. Zugleich gingen Erkenntnisse verloren, die für den Willensbildungsprozess des Parlaments in seiner Gesamtheit von Bedeutung seien, denn nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sei die Erhebung von Informationen für ihn mit einer Stigmatisierung verbunden, die ihm den Zugang zu dem überwiegenden Teil der Bevölkerung erschweren könne, der sich als verfassungstreu betrachte. Unabhängig von ihren Auswirkungen auf das freie Mandat könne sich eine Beobachtung auch nachteilig auf die politische Betätigung in Parlament und Partei auswirken. Wer sich beobachtet wisse, verhalte sich beispielsweise bei politischen Äußerungen oder der Unterschrift unter Aufrufe möglicherweise zögerlich oder ängstlich, könne sich jedenfalls in seiner politischen Arbeit gehemmt fühlen.
Diese Nachteile würden aber dadurch erheblich gemildert, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz auf die offene Informationsbeschaffung beschränke. Zudem bleibe der Kernbereich der parlamentarischen Arbeit ausgenommen. Ferner habe das Oberverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass der Beschwerdeführer sich durch die Beobachtung inhaltlich in seiner politischen Arbeit beeinflussen lassen könnte. Eine solche Beeinflussung habe der Beschwerdeführer ausdrücklich verneint. Zwar möge die Informationsbeschaffung über den Beschwerdeführer im Vergleich zu den Informationen über die Partei als solche und die in ihr aktiven radikalen Kräfte nur einen begrenzten zusätzlichen Erkenntnisgewinn bieten. Jedoch sei dieser nicht zu vernachlässigen.
Dem Beschwerdeführer sei zuzumuten, die verbleibenden Nachteile hinzunehmen. Er habe durch seine herausgehobene politische Betätigung in einer Partei, bei der Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bestünden, einen ihm zurechenbaren Anlass für die Erhebung von Informationen über ihn durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geschaffen.
V.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde, die sich gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2010 richtet, rügt der Beschwerdeführer, sein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 GG), das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie seine Rechte aus Art. 38 Abs. 1 GG auf chancengleiche Teilnahme an der Wahl und auf Gewährleistung seines passiven Wahlrechts sowie sein freies Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG seien verletzt.
Im Wesentlichen trägt er vor, die Maßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz verfolgten auch die Intention, ihm die Ausübung seines Mandats zu erschweren. Der Schutzbereich des Behinderungsverbots gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 48 Abs. 2 GG sei daher berührt.
Es fehle an einer bereichsspezifischen und hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage für seine Beobachtung. Die §§ 8, 4 BVerfSchG seien tatbestandlich nicht einschlägig, denn danach müsste er gerade in seiner Eigenschaft als Abgeordneter in einem oder für einen verfassungsfeindlichen „Personenverband” tätig geworden sein und diesen „in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt” haben. Dass die Parlamente keinen derartigen Personenverband bildeten, liege auf der Hand. Aber auch den Fraktionen werde im angegriffenen Urteil nicht vorgeworfen, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu entfalten, die er nachdrücklich unterstützt haben könnte.
Den Tatbeständen des § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG fehlten die Normenklarheit und Bestimmtheit; sie verstießen somit gegen das Rechtsstaatsprinzip. Zudem sei die Rechtsanwendung des Bundesverwaltungsgerichts willkürlich. Das Gericht gehe mit keinem Wort auf die berechtigte Frage ein, wie jemand lediglich aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer Partei, die ihrerseits nicht in ihrer Gesamtheit als verfassungsfeindlich eingestuft werden könne, sondern in der jene Personenzusammenschlüsse lediglich Untergliederungen oder Nebenorganisationen darstellten, als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen liefern könne.
In Bezug auf den Zeitraum seines Landtagsmandats von Oktober 1999 bis Oktober 2005 beruft er sich auf seine Abgeordnetenrechte gemäß Art. 53 ff. ThürVerf und macht hierzu im Wesentlichen geltend, auch Bundesbehörden seien aufgrund des Legalitätsprinzips an die Regelungen der Landesverfassung gebunden.
Ergänzend legt der Beschwerdeführer ein Rechtsgutachten von Professor Dr. Dietrich Murswiek vom März 2011 vor. Darin wird unter anderem die Auffassung vertreten, dass danach differenziert werden müsse, ob Verhaltensweisen des Mitglieds oder Funktionsträgers beobachtet, oder ob systematisch Informationen über das Mitglied oder den Funktionsträger als Person gesammelt würden. Im ersteren Falle sei die Partei – und nur diese – Beobachtungsobjekt. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne, dass die herangezogene Ermächtigungsgrundlage nur zur Beobachtung von Personenvereinigungen, nicht jedoch von Einzelpersonen ermächtige. Der Beschwerdeführer werde nicht lediglich insoweit vom Verfassungsschutz beobachtet, wie er als Funktionsträger der Partei tätig sei, sondern das Bundesamt führe eine besondere Personenakte über ihn. Damit sei er selbständiges Beobachtungsobjekt.
VI.
1. Im Organstreitverfahren haben die Antragsteller mit ihrer Antragsschrift vom 20. Juni 2007, die am selben Tag beim Bundesverfassungsgericht eingegangen ist, zunächst die aus dem Rubrum ersichtlichen Anträge gestellt.
Mit am 17. Dezember 2012 eingegangenem Schriftsatz vom 14. Dezember 2012 haben sie ihre Anträge wie folgt ergänzt:
Der Antrag zu 2 ist dahingehend erweitert worden, dass die Feststellung der Verletzung der Rechte nicht nur des Antragstellers zu 1., sondern auch „weiterer von der Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz betroffener Abgeordneter des Deutschen Bundestages” beantragt wird. Festgestellt werden soll zudem nicht nur eine Rechtsverletzung dadurch, dass die Antragsgegner es unterlassen haben, das Bundesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, die Beobachtung des Antragstellers zu 1. einzustellen, sondern auch eine Rechtsverletzung dadurch, dass sie es unterlassen haben, das Bundesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, die Beobachtung „weiterer dem Deutschen Bundestag angehörender Abgeordneter” einzustellen.
Darüber hinaus ist der Antrag zu 2 dahingehend erweitert worden, festzustellen, dass durch das Unterlassen der begehrten Anweisung des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht nur gegen Art. 46 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern auch gegen Art. 38 Abs. 3 GG verstoßen worden sei.
Der Antrag zu 3 ist ebenfalls dahingehend erweitert worden, dass nicht nur die Feststellung eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und den Grundsatz der Verfassungsorgantreue sowie gegen die Grundsätze der Finanzverfassung gemäß Art. 104a ff. GG beantragt wird, sondern nunmehr auch ein Verstoß gegen „die Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 3 GG”.
Darüber hinaus ist dem Antrag zu 3 ein Hilfsantrag beigefügt worden, der wie folgt lautet:
„Der Deutsche Bundestag hat mit Erlass des Bundesverfassungsschutzgesetzes und der hierzu ergangenen Änderungsgesetze, soweit hierdurch die Beobachtung des Antragstellers zu 1 und weiterer der Antragstellerin zu 2 angehörender Abgeordneter durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ermöglicht wird, gegen den Grundsatz der Funktionsfähigkeit der Antragstellerin zu 2 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verstoßen und dadurch die Antragstellerin zu 2 in ihren Rechten aus diesen Vorschriften verletzt.”
Als Antragsgegner des Hilfsantrags zu 3 benennen die Antragsteller den Deutschen Bundestag.
2. Die Antragsteller halten ihre Anträge für zulässig und begründet.
a) Die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG sei gewahrt. Sie habe am 22. Dezember 2006 zu laufen begonnen. Am Vortag sei der Antragstellerin zu 2. die Antwort auf die Kleine Anfrage (BTDrucks 16/3964) zugeleitet worden, aus der sich ergebe, dass die Antragsgegner nicht gewillt seien, einzuschreiten.
Den Antragstellern könne auch das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Insbesondere könne die Antragstellerin zu 2. nicht auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen werden, da es ihr auch und gerade darauf ankomme, ihre mit dem Fraktionsstatus verbundenen Rechte aus der Verfassung zu wahren. Die Rechtswidrigkeit der nachrichtendienstlichen Überwachung sei lediglich eine Vorfrage. Entscheidend sei der Grundsatz der Verfassungsorgantreue, der vor den Fachgerichten nicht geltend gemacht werden könne.
Beide Antragsteller verfolgten teils eigene Rechte, teils Rechte des Deutschen Bundestages, letztere in Prozessstandschaft. Die Antragstellerin zu 2. nehme keine Rechte ihrer Mitglieder in Prozessstandschaft wahr. Sie stelle alle drei Anträge als Prozessstandschafterin für den Deutschen Bundestag.
b) Die Statusrechte einzelner Abgeordneter – in erster Linie des Antragstellers zu 1. – aus Art. 46 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 GG seien verletzt.
In der Beobachtung liege ein unzulässiger Eingriff in das freie Mandat. Es fehle bereits an der notwendigen Rechtsgrundlage. Ein auch für Abgeordnete geltendes Verfassungsschutzgesetz müsse auf Abwägungen basieren, die den statusrechtlichen Besonderheiten Rechnung trügen. Bei Erlass des Verfassungsschutzgesetzes habe der Gesetzgeber diese Problematik nicht gesehen. Zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig. Es handle sich um eine routinemäßige Anlage von Dossiers über Bundestagsabgeordnete und damit um den Fall einer per se unzulässigen Dauerbeobachtung ohne erkennbare Anknüpfungspunkte für eine realistisch erscheinende Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
c) Auch der Deutsche Bundestag sei in seinen Rechten verletzt. Die Verletzung der Statusrechte der Abgeordneten beeinträchtige zugleich die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Willensbildung. In der repräsentativen Demokratie im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG sei die Repräsentationsfunktion gestört, wenn Mitglieder des Deutschen Bundestages, deren Zahl und Namen noch nicht einmal genau bekannt seien, in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch die Beobachtungstätigkeit der Verfassungsschutzbehörden beeinträchtigt würden.
Die Maßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz verstießen des Weiteren gegen die Grundsätze der Finanzverfassung gemäß Art. 104a ff. GG und verletzten dadurch die Rechte des Deutschen Bundestages. Dieser habe einen Anspruch darauf, dass Haushaltsmittel nach den von ihm gesetzten Vorgaben ausgegeben würden.
Die Antragsgegner seien verpflichtet, gegen die Rechtsverletzungen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz einzuschreiten und ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen. Da die Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz verfassungswidrig sei, erwachse aus der Aufsichtsbefugnis eine Verpflichtung der Antragsgegner, gegen sie einzuschreiten. Eine Pflicht, die Beobachtung der Antragsteller zu unterbinden, folge zudem aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue und des Interorganrespekts, der unabhängig von der exakten dogmatischen Begründung jedenfalls der Entschärfung des dem Prinzip der Gewaltenteilung innewohnenden Konfliktpotentials diene. Die Antragsgegnerin zu 2. sei verpflichtet, einzuschreiten, weil ihr die Geheimdienste insgesamt unterstünden und sie entsprechende Koordinierungsaufgaben innehabe.
d) Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2012 haben die Antragsteller ihre Ausführungen dahingehend ergänzt, dass die Antragstellerin zu 2. den Antrag zu 3 auch aus eigenem Recht stelle. Ebenso wie der Deutsche Bundestag insgesamt sei auch die Antragstellerin in ihrer Handlungs- und Funktionsfähigkeit als Fraktion bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nachhaltig beeinträchtigt, wenn sie davon ausgehen müsse, dass einzelne ihrer Mitglieder in Kenntnis und mit Billigung der Antragsgegner der Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz unterlägen.
Zum Hilfsantrag zu 3 vertreten die Antragsteller die Auffassung, der Streitgegenstand des Organstreitverfahrens sei in Abhängigkeit von der Auslegung des Bundesverfassungsschutzgesetzes unterschiedlich. Das Bundesverfassungsschutzgesetz stelle keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine Beobachtungstätigkeit der Verfassungsschutzbehörden gegenüber Abgeordneten des Deutschen Bundestages dar. Es gehe danach nicht um Inhalt und Reichweite einer einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, sondern darum, dass das Gesetz zum fraglichen Gegenstand überhaupt keine Regelung und damit keine Eingriffsermächtigung enthalte.
Folge man dieser Auffassung, liege der Streitgegenstand in der Verletzung der Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 3 GG und der verfassungsrechtlichen Einschreitenspflicht der Antragsgegner gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Folge man hingegen der Auffassung, dass das Bundesverfassungsschutzgesetz eine hinreichende Rechtsgrundlage enthalte, sei Streitgegenstand die Frage der Vereinbarkeit des Gesetzes mit Art. 38 GG. Antragsgegner sei in diesem Falle der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber. Die Antragstellerin zu 2. mache insoweit eigene Rechte im Hinblick auf ihre Funktionsfähigkeit als Fraktion geltend.
Auch hinsichtlich des Hilfsantrags zu 3 sei die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG nicht verstrichen. Bei normativen Maßnahmen stelle das Bundesverfassungsgericht auf den Zeitpunkt ab, in dem die Norm eine aktuelle rechtliche Betroffenheit auszulösen vermöge. Diese habe bei der Antragstellerin zu 2. mit Kenntnisnahme von der Tatsache eingesetzt, dass sie als Fraktion Gegenstand der Beobachtungstätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz sei, also mit der Kenntnis der Antwort der Bundesregierung vom 22. Dezember 2006.
VII.
Die Antragsgegner beantragen, die Anträge in den Organstreitverfahren zu verwerfen.
Alle Anträge seien unzulässig, weil sie keine im Organstreitverfahren zu entscheidende verfassungsrechtliche Streitigkeit beträfen. Die Antragsteller wendeten sich nicht gegen eine Beobachtung durch die Antragsgegner, sondern gegen eine Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieses sei jedoch kein Verfassungsorgan. Es stehe auch nicht in einem verfassungsrechtlichen Verhältnis zu Abgeordneten oder zum Deutschen Bundestag. Andernfalls könnte jede nicht verfassungsrechtliche Streitigkeit, sobald an ihr ein Verfassungsorgan beteiligt sei, unter Verweis auf die Weisungsbefugnisse zu einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit gemacht werden. Dies entspreche weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG.
In Bezug auf die Anträge zu Nummer 1 und 2 fehle es an der Verfahrensführungsbefugnis der Antragstellerin zu 2. Diese könne weder Rechte des Antragstellers zu 1. noch eine mittelbare Beeinträchtigung der Rechte des Deutschen Bundestages, die sich aus einer Verletzung der Rechte einzelner Abgeordneter ergeben solle, zulässig im Wege der Prozessstandschaft geltend machen. Entsprechendes gelte für den Antrag zu Nummer 3.
Schließlich habe die Antragstellerin zu 2. den Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht beachtet. Es müsse abgewartet werden, bis die verwaltungsgerichtlichen Verfahren der einzelnen Abgeordneten rechtskräftig abgeschlossen seien.
Des Weiteren sei die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG nicht gewahrt. Der Antragsteller zu 1. habe spätestens seit einem auf seinen Antrag ergangenen Bescheid des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 27. Mai 2003 gewusst, dass dieses Informationen über ihn erhoben habe. Spätestens seit der Antwort der Bundesregierung vom 22. Mai 2006 (BTDrucks 16/1590 vom 23. Mai 2006, S. 2) auf die Kleine Anfrage zum Thema „Überwachung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages durch den Verfassungsschutz” (BTDrucks 16/1397) sei ihm bekannt gewesen, dass die Bundesregierung die Maßnahmen des Verfassungsschutzes als rechtmäßig erachte. Die Bundesregierung habe diese Position in ihrer Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage noch einmal bekräftigt (BTDrucks 16/2098 vom 30. Juni 2006, S. 2). Da die Bundesregierung von der Rechtmäßigkeit der Beobachtung ausgegangen sei, sei offensichtlich gewesen, dass sie Maßnahmen, wie sie der Antragsteller begehre, nicht ergreifen würde. Der Lauf der Frist des § 64 BVerfGG sei auch nicht dadurch wieder in Gang gesetzt worden, dass die Antragsteller nach Ablauf dieser Frist eine weitere Kleine Anfrage als Nachfrage gestellt hätten (BTDrucks 16/3763, S. 3). Die Antwort der Antragsgegnerin zu 2. hierauf sei erwartungsgemäß ausgefallen (BTDrucks 16/3964 vom 22. Dezember 2006, S. 4).
Zudem fehle es an einem zulässigen Angriffsgegenstand. Das Unterlassen einer Maßnahme im Organstreit sei nur dann rechtserheblich, wenn eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Vornahme der unterlassenen Maßnahme nicht ausgeschlossen werden könne. Dies sei hier indes der Fall. Die in § 2 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG normierte Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht begründe weder subjektive noch organschaftliche Rechte auf ein Einschreiten des Antragsgegners zu 1.
Wären die Anträge zulässig, so wären sie jedenfalls unbegründet. Die Erhebung von Informationen über den Antragsteller zu 1. durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sei in dem gesamten relevanten Zeitraum rechtmäßig gewesen.
VIII.
In den Organstreitverfahren wurde dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, dem Bundespräsidenten, den Landesregierungen sowie allen Landesparlamenten Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Von Stellungnahmen wurde abgesehen.
Zur Verfassungsbeschwerde hat die Bundesregierung Stellung genommen, zuletzt mit Schreiben vom 8. Juli 2013. Die übrigen Äußerungsberechtigten haben von der Gelegenheit zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, das Bundesverfassungsschutzgesetz sei auf Abgeordnete anwendbar. Anderes wäre vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik, in der Kommunisten wie Nationalsozialisten im Reichstag ihre Parlamentstätigkeit zur Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen missbraucht hätten, unverständlich. Ein verfassungsschutzfreier parlamentarischer Raum bestehe nicht. Zwar statuiere das Grundgesetz verschiedene Privilegien für Abgeordnete, insbesondere in Art. 46 ff. GG. Der Anwendungsbereich dieser Privilegien sei indes eng begrenzt. Keines davon schließe eine verfassungsschutzbehördliche Beobachtung von Abgeordneten aus.
Auch das freie Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG stehe einer Beobachtung nicht grundsätzlich entgegen. Der Verfassungsgeber sei vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrung davon ausgegangen, dass Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung auch von Abgeordneten ausgehen könnten, so dass der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der wehrhaften Demokratie auch Eingriffe in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen könne. Sofern eine Partei überhaupt Abgeordnete stelle, entspreche es dem Regelfall, dass hierzu jedenfalls die wichtigsten Parteifunktionäre gehörten. Es wäre deshalb sinnwidrig, diese nicht beobachten zu dürfen.
Die einschlägigen Vorschriften seien zwar auslegungsbedürftig, sie unterschritten dabei jedoch nicht das verfassungsrechtlich gebotene Maß an Normenklarheit und Bestimmtheit. Der Gesetzgeber habe die Entscheidung getroffen, dass auch Abgeordnete der Beobachtung unterlägen. Er habe nur für bestimmte besondere Fälle der Post- und Telekommunikationsüberwachung Sonderregelungen getroffen, die dem Status der Abgeordneten Rechnung trügen, und damit bekundet, dass es ansonsten bei den allgemeinen Regelungen bleibe.
Ob und inwieweit bei der Auslegung und Anwendung des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem besonderen Status von Abgeordneten und dem durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten freien Mandat Rechnung zu tragen sei, sei keine Frage, die einer eigenständigen gesetzlichen Regelung spezifisch für Abgeordnete bedürfe. Es handle sich um eine Auslegungsfrage. Abgeordnete seien nicht die einzigen Personen, bei denen sich eine besondere Schutzbedürftigkeit ergeben könne. Entsprechendes gelte etwa für Geistliche, Rechtsanwälte, Ärzte, Angehörige der Heilberufe sowie Journalisten.
Ob und inwieweit Mitglieder der Landtage gegenüber bundesrechtlichen Eingriffen geschützt seien, bestimme sich nicht nach Landesverfassungsrecht, sondern anhand der materiellen Maßstäbe, wie sie in Art. 38 Abs. 1, Art. 46 und Art. 47 GG zum Ausdruck kämen und über Art. 28 Abs. 1 GG sowie gemäß dem Prinzip der Bundestreue auch gegenüber Mitgliedern der Landtage zu beachten seien. Die Rücksichtnahmepflicht vermittle den Landtagsabgeordneten jedenfalls keinen weitergehenden Schutz als den Bundestagsabgeordneten.
IX.
1. Mit Schreiben vom 18. April 2013 haben in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren die Bundesregierung und in dem Organstreitverfahren die Antragsgegner mitgeteilt, dass seit Ende 2012 keine Beobachtung der Gesamtpartei DIE LINKE durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mehr stattfinde. Die Beobachtungstätigkeit fokussiere sich seither auf sogenannte offen extremistische Strukturen und Zusammenschlüsse dieser Partei. Nachrichtendienstliche Mittel kämen unverändert nicht zum Einsatz. Die Umstellung der Beobachtungspraxis berühre nicht die Recht- und Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Beobachtung der Gesamtpartei DIE LINKE einschließlich ihrer hochrangigen Vertreter und Repräsentanten wie des Beschwerdeführers und Antragstellers zu 1. In den Jahren der Beobachtung der Gesamtpartei hätten tatsächliche Anhaltspunkte für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen der Gesamtpartei festgestellt werden können, die größtenteils von den offen extremistischen Zusammenschlüssen der Partei ausgegangen seien und weiterhin ausgingen. Zur Abschätzung des bestehenden Gefährdungspotentials für die freiheitliche demokratische Grundordnung erscheine es tragbar, in Zukunft nur mehr die offen extremistischen Zusammenschlüsse der Partei DIE LINKE zu beobachten und darin insbesondere auch deren Einfluss auf die Gesamtpartei miteinzubeziehen.
2. Die Antragsteller im Organstreitverfahren und der Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren haben mit Schreiben vom 28. Mai 2013 beziehungsweise 29. Mai 2013 Stellung genommen. Sie vertreten die Auffassung, dass eine Einstellung der Beobachtung der Gesamtpartei DIE LINKE die Zulässigkeit der jeweiligen Verfahren nicht berühre.
Der Beschwerdeführer erklärt, dass sein Rechtsschutzinteresse nicht entfallen sei. Die Bundesregierung habe nicht dargelegt, dass auch er von der Beobachtungstätigkeit ausgenommen werde. Ferner dürfe er aus Rehabilitationsgründen eine Entscheidung über seine Verfassungsbeschwerde erwarten.
Die Antragsteller tragen vor, eine Einstellung auch ihrer Beobachtung hätten die Antragsgegner nicht behauptet. Der Antragstellerin zu 2. gehörten zudem einzelne Abgeordnete an, die zu einer der Untergliederungen gehörten, deren Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nach den Angaben der Antragsgegner fortgesetzt werde. Unabhängig hiervon hätten die Antragsteller ein berechtigtes Interesse an Rechtsklarheit auch für die Zukunft. Aus der Einstellung einer Beobachtungstätigkeit ergebe sich nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen deren Wiederaufnahme zulässig wäre.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdeführer auch insoweit beschwerdefähig, als er sich – zunächst nur konkludent, nunmehr auch ausdrücklich – auf seine Rechte als Abgeordneter aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG beruft.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Abgeordneter zwar nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde um seine Abgeordnetenrechte mit einem Staatsorgan streiten (vgl. BVerfGE 32, 157 ≪162≫; 43, 142 ≪148, 150≫; 64, 301 ≪312≫; 99, 19 ≪29≫). Die Verfassungsbeschwerde ist kein Mittel zur Austragung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Staatsorganen (BVerfGE 15, 298 ≪302≫; 43, 142 ≪148≫; 64, 301 ≪312≫).
Art. 38 GG ist jedoch von § 90 Abs. 1 BVerfGG insoweit mitumfasst, als diese Norm in ähnlicher Weise wie die übrigen Vorschriften des Grundgesetzes, in die sie eingereiht ist, Individualrechte garantiert. Dies geschieht nicht nur durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern unter Umständen auch durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 108, 251 ≪266≫). Schon der Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG spricht nicht dafür, dass das Grundgesetz die Bedeutung der Rechte des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG durch Herausnahme dieser Vorschrift dadurch schmälern wollte, dass es die verfassungsrechtliche Kontrolle auf deren Wahrung nicht erstreckt (vgl. BVerfGE 108, 251 ≪268≫).
Dies zugrundegelegt kann der Beschwerdeführer sich nach dem Durchlaufen des Verwaltungsrechtswegs mit der Verfassungsbeschwerde auf eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Er behauptet im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine Rechtsverletzung durch das von ihm angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses Urteil betrifft nicht sein Verhältnis zu einem anderen Verfassungsorgan oder zu dessen Teilen, sondern sein Verhältnis zum Bundesamt für Verfassungsschutz als einer Bundesoberbehörde.
Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers für die Feststellung einer Verletzung seiner Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG durch das angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts besteht ungeachtet dessen, dass er bereits im September 2009 aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden ist und unabhängig davon, ob seine Beobachtung gegenwärtig noch fortdauert. Eine Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzinteresses (vgl. dazu BVerfGE 103, 44 ≪58 f.≫; 104, 220 ≪230 f.≫; 105, 239 ≪246≫; 106, 210 ≪214≫) ist hierdurch nicht eingetreten, denn der Verwaltungsrechtsstreit betraf von vornherein auch den in der Vergangenheit liegenden Beobachtungszeitraum von Oktober 1999 bis zum 13. Februar 2009 (vgl. A.IV.3.b und c).
Die Verfassungsbeschwerde ist auch zulässig, soweit das mit ihr angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts den Zeitraum des Landtagsmandats des Beschwerdeführers betrifft, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 GG verletzt ist.
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2010 – das im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des Verfassungsrechts uneingeschränkter Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt (vgl. BVerfGE 108, 282 ≪294 f.≫) – verletzt das freie Mandat des Beschwerdeführers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, in Bezug auf den Zeitraum des Landtagsmandats des Beschwerdeführers in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 GG.
In der Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes liegt ein Eingriff in das freie Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, dessen Rechtfertigung hohen Anforderungen unterliegt (I.). Diesen Anforderungen trägt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2010 nicht hinreichend Rechnung. Es verkennt damit Inhalt und Reichweite der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (II.). Ob daneben weitere Rechte des Beschwerdeführers verletzt sind, kann offen bleiben (III.).
I.
Das freie Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet die freie Willensbildung des Abgeordneten und damit auch eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen dem Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern (1.) sowie die Freiheit des Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle (2.). Dies gilt über Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Mitglieder der Volksvertretungen der Länder (3.). In der Beobachtung eines Abgeordneten durch Verfassungsschutzbehörden sowie der damit verbundenen Sammlung und Speicherung personenbezogener Daten liegt ein Eingriff in diesen Gewährleistungsgehalt (4.). Ein solcher Eingriff kann im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt sein, er unterliegt jedoch strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen und bedarf einer Rechtsgrundlage, die den Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts genügt (5.).
1. Das freie Mandat gewährleistet gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG die freie Willensbildung der Abgeordneten und damit auch eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen den Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern.
a) Grundlage des freien Mandats ist Art. 38 Abs. 1 GG. Diese Norm schützt nicht nur den Bestand, sondern auch die tatsächliche Ausübung des Mandats (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪218≫; 99, 19 ≪32≫; 118, 277 ≪324≫). Der Abgeordnete ist – vom Vertrauen der Wähler berufen – Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger eines freien Mandats und, gemeinsam mit der Gesamtheit der Mitglieder des Parlaments (vgl. BVerfGE 56, 396 ≪405≫; 118, 277 ≪324≫), Vertreter des ganzen Volkes (vgl. BVerfGE 112, 118 ≪134≫; 118, 277 ≪324≫). Er hat einen repräsentativen Status inne, übt sein Mandat in Unabhängigkeit, frei von jeder Bindung an Aufträge und Weisungen, aus und ist nur seinem Gewissen unterworfen (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪314, 316≫; 76, 256 ≪341≫; 118, 277 ≪324≫).
b) Das Gebot freier Willensbildung des Abgeordneten gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 44, 125 ≪138 ff.≫). Der von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG bezweckte Schutz der Willens- und Entscheidungsbildung der Mitglieder des Deutschen Bundestages als Vertreter des Volkes setzt den Schutz der Kommunikationsbeziehung zwischen den Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern vor gezielter staatlicher Beeinflussung und staatlicher Abschreckung voraus.
In der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes vollziehen sich die Willensbildung des Volkes und die Willensbildung in den Staatsorganen in einer kontinuierlichen und vielfältigen Wechselwirkung: Politisches Programm und Verhalten der Staatsorgane wirken unablässig auf die Willensbildung des Volkes ein und sind selbst Gegenstand der Meinungsbildung des Volkes; Meinungen aus dem Volk, häufig vorgeformt und gestaltet vor allem in den politischen Parteien, in Verbänden und über Massenmedien, wirken auf die Willensbildung in den Staatsorganen ein. Regierung und Opposition sowie die sie tragenden politischen Kräfte im Parlament werden bei ihrem Verhalten stets auch die Wählerinnen und Wähler im Blick haben. Dies alles ist Teil des politischen Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie das Grundgesetz ihn versteht (vgl. BVerfGE 44, 125 ≪139 f.≫).
In dem Wechselspiel zwischen gesellschaftlicher und staatlicher Willensbildung hat der Abgeordnete – in ähnlicher Weise wie die politischen Parteien (vgl. BVerfGE 41, 399 ≪416 f.≫) – eine Transformationsfunktion (Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 38 Rn. 135): Er sammelt und strukturiert die politischen Auffassungen und Interessen, die an ihn herangetragen werden, und entscheidet, ob, wie und mit welcher Priorität er sich bemüht, sie in staatliche Entscheidungen umzusetzen. Seine Aufgabe ist es, unterschiedliche politische Auffassungen und Interessen aufzunehmen, auszugleichen und in die Willensbildung von Partei, Fraktion und Parlament zu überführen, und umgekehrt den Bürgern den guten Sinn der in Parlament getroffenen politischen Entscheidungen zu vermitteln oder bessere Alternativen aufzuzeigen und für sie zu werben. Er ist ein Verbindungsglied zwischen Parlament und Bürger (vgl. auch Härth, Die Rede- und Abstimmungsfreiheit der Parlamentsabgeordneten in der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 142). Repräsentation erfordert Vermittlung von Informationsströmen in doppelter Richtung (Benda, ZParl 1978, S. 510 ≪513≫). Um diese in Gang zu halten, gehört es zu den Hauptaufgaben des Mandats, engen Kontakt mit der Partei, den Verbänden und nicht organisierten Bürgern, insbesondere im eigenen Wahlkreis, zu halten (H. Meyer, VVDStRL 33 ≪1975≫, S. 7 ff. ≪95≫). Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG liegt das Bild eines Abgeordneten zugrunde, der im Parlament durch Plenar- und Ausschusssitzungen, in der Fraktion und Partei durch Sitzungen und inhaltliche Arbeit sowie im Wahlkreis und der sonstigen Öffentlichkeit durch Veranstaltungen der verschiedensten Art, nicht zuletzt durch Wahlvorbereitungen und Wahlversammlungen in Anspruch genommen wird (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪312≫).
c) Der kommunikative Prozess, bei dem der Abgeordnete nicht nur Informationen weitergibt, sondern auch Informationen empfängt, ist vom Schutz des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst. Das freie Mandat schließt die Rückkoppelung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk ein und trägt dem Gedanken Rechnung, dass die parlamentarische Demokratie auf dem Vertrauen des Volkes beruht (vgl. BVerfGE 118, 277 ≪353≫). Sie schützt daher – neben dem speziellen Schutz der vertraulichen Kommunikation des Abgeordneten durch das in Art. 47 GG gewährte Zeugnisverweigerungsrecht – die Kommunikationsbeziehungen des Abgeordneten als Bedingung seiner freien Willensbildung und gewährleistet dabei insbesondere, dass die von ihm zu vertretenden, in die politische Willensbildung des Deutschen Bundestages einzuspeisenden Meinungen und Interessen ihn unverzerrt und ohne staatliche Beeinflussung erreichen können. Die Vielzahl der Abgeordneten soll die Chance eröffnen, dass die unterschiedlichen Ideen und Interessen in der Bevölkerung in den parlamentarischen Willensbildungsprozess eingebracht werden (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 38 Rn. 134).
Bei alledem ist der Gewährleistungsgehalt des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auf das gesamte politische Handeln des Abgeordneten bezogen und umfasst nicht nur dessen Tätigkeit im parlamentarischen Bereich. Die Sphären des Abgeordneten „als Mandatsträger”, „als Parteimitglied” sowie als politisch handelnder „Privatperson” lassen sich nicht strikt trennen; die parlamentarische Demokratie fordert insoweit den Abgeordneten als ganzen Menschen (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪313≫; 118, 277 ≪355≫).
d) Der Schutz der Kommunikationsbeziehungen des Abgeordneten dient zugleich der in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Repräsentationsfunktion des Deutschen Bundestages, die dem Abgeordneten gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Parlaments zukommt (vgl. BVerfGE 104, 310 ≪329 f.≫; 130, 318 ≪342≫). Auch wenn das Grundgesetz den einzelnen Abgeordneten als „Vertreter des ganzen Volkes” bezeichnet, so kann er dieses doch nur gemeinsam mit den anderen Parlamentsmitgliedern repräsentieren. Wird das Volk bei parlamentarischen Entscheidungen nur durch das Parlament als Ganzes, das heißt durch die Gesamtheit seiner Mitglieder, angemessen repräsentiert, so muss die Mitwirkung aller Abgeordneten bei derartigen Entscheidungen nach Möglichkeit und im Rahmen des im demokratisch-parlamentarischen System des Grundgesetzes Vertretbaren sichergestellt sein (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫; s. ferner BVerfGE 80, 188 ≪217 f.≫; 84, 304 ≪321≫; 104, 310 ≪329 f.≫). Das freie Mandat stellt auch insoweit eine Vorkehrung zum Schutz der Integrität des Zustandekommens und der Willens- und Entscheidungsbildung der staatlichen Organe dar (vgl. BVerfGE 44, 125 ≪140≫). Durch eine Behinderung der parlamentarischen Arbeit des einzelnen Abgeordneten werden die vom Volke festgelegten Mehrheitsverhältnisse verändert (BVerfGE 104, 310 ≪329≫). Wird die Kommunikationsbeziehung zwischen Abgeordnetem und Bürgern gestört, so ist folglich die parlamentarische Willensbildung und infolgedessen die demokratische Repräsentationsfunktion des Parlaments berührt.
2. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet in diesem Zusammenhang die Freiheit der Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle und steht insoweit in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.
a) Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG etabliert einen spezifischen Kontrollzusammenhang zwischen Bundestag und Bundesregierung als zentrales Bindeglied zwischen Gewaltenteilung und Demokratieprinzip (vgl. Möllers, JZ 2011, S. 48 ≪50≫; Gusy, ZRP 2008, S. 36). Dieser Kontrollzusammenhang geht von den gewählten Abgeordneten aus; er verläuft mit dem demokratischen Legitimationsstrang vom Deutschen Bundestag hin zur Bundesregierung, nicht hingegen umgekehrt von der Regierung zum Parlament. Während die Kontrolle von Regierung und Verwaltung zum Kernbereich der parlamentarischen Aufgaben gehört, das parlamentarische Regierungssystem mithin grundlegend durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 ≪130≫), wird das Parlament seinerseits durch andere Verfassungsorgane nicht in vergleichbarer Weise kontrolliert (vgl. aber zur allgemeinen wechselseitigen Gewaltenkontrolle BVerfGE 95, 1 ≪15≫ m.w.N.). Eine demokratische „Kontrolle” des Parlaments erfolgt vor allem durch die Wähler, die im Akt der Wahl gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG die Konsequenz aus ihrer Beurteilung der Tätigkeit von regierender Mehrheit und Opposition ziehen.
b) Gleichwohl sind die einzelnen Abgeordneten nicht von vornherein jeder exekutiven Kontrolle entzogen. Diese ist jedoch in erster Linie eine eigene Angelegenheit des Deutschen Bundestages, der dabei im Rahmen der Parlamentsautonomie handelt. Das Grundgesetz statuiert deshalb in den von ihm geregelten Fällen von Maßnahmen gegen Abgeordnete ausdrücklich ein Genehmigungserfordernis für den Zugriff der Exekutive auf einen Abgeordneten (vgl. Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG) und errichtet damit prozedurale Hindernisse, die nicht nur dem Schutz des einzelnen Abgeordneten, sondern, vermittelt durch diesen Schutz, in erster Linie der Wahrung der Parlamentsautonomie dienen (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪235 f.≫; 104, 310 ≪332≫). Das Parlament entscheidet dabei grundsätzlich in eigener Verantwortung, ob es die Genehmigung erteilt oder versagt. Kern dieser politischen Entscheidung ist eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des Parlaments und den anderen Hoheitsträgern aufgegebenen Gemeinwohlbelangen, wobei dem Bundestag ein weiter Entscheidungsspielraum zukommt (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪220≫; 84, 304 ≪322≫; 104, 310 ≪332≫). Auch die Überprüfung eines Abgeordneten auf eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erfolgt vor dem Hintergrund der davon berührten Parlamentsautonomie ausschließlich durch das Parlament selbst, und zwar im Rahmen einer Kollegialenquete aufgrund einer speziellen Rechtsgrundlage im Abgeordnetengesetz (§ 44c Abs. 2 AbgG; zum inhaltsgleichen § 44b Abs. 2 AbgG a.F., vgl. BVerfGE 94, 351; 99, 19).
3. Die Freiheit des Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle gewährleistet Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG vermittelt über Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Mitglieder der Volksvertretungen in den Ländern (a) und kann im vorliegenden Fall auch insoweit mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden (b).
a) Das Grundgesetz geht von der grundsätzlichen Verfassungsautonomie der Länder aus (vgl. BVerfGE 36, 342 ≪361≫; 64, 301 ≪317≫; 90, 60 ≪84≫); die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder stehen im föderativ gestalteten Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich selbständig nebeneinander (vgl. BVerfGE 103, 332 ≪350≫; 107, 1 ≪10≫). Die Bedeutung der parlamentsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes und der zu ihnen ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich darauf, den nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG zu gewährleistenden Grundsätzen der verfassungsmäßigen Ordnung in den Ländern in Bezug auf das Landesparlament Konturen zu geben. Die Bestimmungen über den Status der Bundestagsabgeordneten und die Stellung des Bundestages sind dabei nicht in ihren konkreten Ausgestaltungen, sondern nur in ihren essentiellen, den deutschen Parlamentarismus prägenden Grundsätzen für die Verfasstheit der Länder von Bedeutung (BVerfGE 102, 224 ≪234 f.≫).
Bei der Gewährleistung einer von staatlicher Beeinflussung freien Kommunikationsbeziehung zwischen dem Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern sowie der Freiheit des Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle handelt es sich um Grundbedingungen des freien Mandats, die im Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip wurzeln. Diese Essentialien, die wegen Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch im Verfassungsbereich der Länder Beachtung verlangen, können mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts durchgesetzt werden, sofern kein anderer gleichwertiger Rechtsschutz zur Verfügung steht (vgl. für Art. 48 Abs. 3 GG bereits BVerfGE 40, 296 ≪319≫).
b) Zwar sind Rechte, deren Geltung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung der Länder durch Art. 28 Abs. 1 GG gewährleistet ist, darum nicht ohne Weiteres auch vor dem Bundesverfassungsgericht einklagbar (vgl. BVerfGE 99, 1 ≪8, 11 ff.≫). Etwas anderes kann aber jedenfalls insoweit gelten, als die Landesstaatsgewalt, einschließlich des Landesverfassungsgerichts, zur Gewährleistung eines effektiven Schutzes des betreffenden Rechts aus prinzipiellen Gründen, die in der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes angelegt sind, nicht in der Lage ist. Dies ist hier der Fall, weil eine Verletzung des Rechts durch die Entscheidung eines Bundesgerichts in Rede steht.
4. Gewährleistet Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG nach alledem die freie, von staatlicher Beeinflussung unberührte Kommunikationsbeziehung des Abgeordneten mit den Wählerinnen und Wählern und damit auch die Freiheit der Abgeordneten von exekutiver Beaufsichtigung und Kontrolle, so stellt bereits die systematische Sammlung und Auswertung öffentlich zugänglicher – ohne den Einsatz von Methoden der heimlichen Beschaffung erlangter – Informationen über den Abgeordneten einen Eingriff in das freie Mandat dar (vgl. BVerfGE 120, 378 ≪398 f.≫ m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die gesammelten Informationen nicht digitalisiert sind (vgl. zu dieser Konstellation BVerfGE 120, 378 ≪398 f.≫ m.w.N.).
Ferner beeinträchtigt die Sammlung von Informationen über einen Abgeordneten dessen freie Mandatsausübung, weil die hiermit verbundene Stigmatisierung Wählerinnen und Wähler von einer Kontaktaufnahme und von eigener inhaltlicher Auseinandersetzung mit seinen politischen Tätigkeiten und denen seiner Partei und Fraktion abhalten und damit die von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Kommunikationsbeziehung mit den Bürgern nachteilig beeinflussen kann. Die bloße Möglichkeit einer staatlichen Registrierung von Kontakten kann eine abschreckende Wirkung entfalten und schon im Vorfeld zu Kommunikationsstörungen und Verhaltensanpassungen führen (vgl. entsprechend BVerfGE 65, 1 ≪43≫; 93, 181 ≪188≫; 100, 313 ≪359≫; 107, 299 ≪313≫; 125, 260 ≪331≫; s. auch, zum Eingriff in das Recht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Erwähnung eines Presseorgans im Verfassungsschutzbericht, BVerfGE 113, 63 ≪78≫). In dieser Möglichkeit eines Abschreckungseffekts liegt ein Eingriff in das Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 124, 161 ≪195≫; anders noch BVerfGE 40, 287 ≪292 f.≫).
Die Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes stellt schließlich auch deshalb einen Eingriff in die Freiheit des Abgeordnetenmandats dar, weil damit der im Grundgesetz vorgesehene typische Kontrollzusammenhang zwischen Legislative und Exekutive umgekehrt wird. Darin liegt eine Beeinträchtigung des normativen Status des Abgeordneten, ohne dass es dabei auf eine faktische Beeinflussung der parlamentarischen Willens- und Entscheidungsbildung ankäme (vgl. auch Möllers, JZ 2011, S. 48 ≪50≫).
5. Der in der Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes und der damit verbundenen Sammlung und Speicherung von Daten liegende Eingriff in das freie Mandat kann im Einzelfall im Interesse des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt sein (a), er unterliegt jedoch strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen (b) und bedarf einer Rechtsgrundlage, die den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügt (c).
a) aa) Die Freiheit des Mandats ist nicht schrankenlos gewährleistet. Sie kann durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden. Anerkannte Rechtsgüter in diesem Sinne sind insbesondere die Repräsentationsfunktion und die Funktionsfähigkeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫; 84, 304 ≪321≫; 96, 264 ≪279≫; 99, 19 ≪32≫; 112, 118 ≪140≫; 118, 277 ≪324≫; 130, 318 ≪348≫).
bb) Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann ein Grund für die zulässige Beschränkung verfassungsrechtlich geschützter Güter sein. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass eine Beschränkung von Freiheitsrechten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zulässig sein kann, weil das Grundgesetz sich für eine streitbare Demokratie entschieden hat (vgl. BVerfGE 5, 85 ≪137 ff.≫; 13, 46 ≪49 f.≫; 28, 36 ≪48 f.≫; 30, 1 ≪19 ff.≫). Verfassungsfeinde sollen nicht unter Berufung auf Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören dürfen (vgl. Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 GG).
Die Sammlung von Unterlagen zum Zwecke des Verfassungsschutzes lässt das Grundgesetz ausdrücklich zu, indem es die Gesetzgebungskompetenz hierfür regelt und die Schaffung von Behörden ermöglicht, die diese Aufgabe wahrnehmen (Art. 73 Nr. 10b i.V.m. Art. 70 Abs. 1 GG, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. BVerfGE 30, 1 ≪19 ff.≫).
Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Güter durch Behörden des Verfassungsschutzes sind allerdings nur rechtfertigungsfähig, wenn und weil diese an Verfassung und Gesetze gebunden sind und ihre Verfassungs- und Gesetzesbindung parlamentarischer und richterlicher Kontrolle unterliegt (vgl. Gusy, Grundrechte und Verfassungsschutz, 2011, S. IX und S. 11). Dabei darf das Prinzip der streitbaren Demokratie nicht als unspezifische, pauschale Eingriffsermächtigung missverstanden werden. Ob ein Eingriff mit dem Zweck des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt werden kann, ist vielmehr im jeweiligen Einzelfall anhand der Auslegung der konkreten „streitbaren” Verfassungsbestimmungen zu klären.
cc) Missbraucht ein Abgeordneter sein Amt zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, bestehen – soweit die diesbezüglichen Voraussetzungen vorliegen – die Möglichkeiten eines Parteiverbotsverfahrens gemäß Art. 21 Abs. 2 GG (vgl. auch BVerfGE 70, 324 ≪384≫) oder eines Verfahrens gemäß Art. 18 GG. Dass letzteres gegen Abgeordnete zulässig ist, belegt Art. 46 Abs. 3 GG, der diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht und an eine Genehmigung des Deutschen Bundestages knüpft.
Soweit der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die Beobachtung von Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes sichergestellt werden soll, handelt es sich allerdings um eine Einwirkung der Exekutive auf Teile der Legislative, die die repräsentative demokratische Willensbildung berührt. Für deren Rechtfertigung müssen zumindest ähnlich strenge Anforderungen gelten wie für besonders schwere Eingriffe in die Rechte der Abgeordneten durch das Parlament selbst.
Die Gefahr, dass die „streitbare Demokratie” sich „gegen sich selbst” wendet (vgl. BVerfGE 30, 33 ≪45 f.≫), ist gerade im Hinblick auf die Beobachtung von gewählten Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes besonders hoch. Denn in diesem Fall geht es nicht nur um eine Beeinflussung der gesellschaftlichen Meinungsbildung, sondern um eine Beeinflussung der Willens- und Entscheidungsbildung des gewählten Repräsentationsorgans des Volkes, dem in der Demokratie des Grundgesetzes die wesentlichen Entscheidungen anvertraut sind.
b) Der Eingriff in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, der in der Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes liegt, unterliegt daher strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass nur das Notwendige zum Schutz eines von der Verfassung anerkannten Rechtsgutes – hier: der freiheitlichen demokratischen Grundordnung – im Gesetz vorgesehen und im Einzelfall angeordnet werden darf (vgl. BVerfGE 7, 377 ≪397 ff.≫; 30, 1 ≪20≫). Die Einschränkung des freien Mandats darf nicht weiter reichen, als dies erforderlich ist (vgl. BVerfGE 130, 318 ≪353≫). Zudem darf die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪173≫; 92, 277 ≪327≫; 109, 279 ≪349 ff.≫; 115, 320 ≪345≫; 125, 260 ≪368≫; 126, 112 ≪152 f.≫).
Danach ist die Beobachtung eines Abgeordneten durch Verfassungsschutzbehörden nur dann zulässig, wenn sie erforderlich ist und die Abwägung im Einzelfall ergibt, dass dem Interesse am Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Vorrang vor den Rechten des betroffenen Abgeordneten gebührt. Erweist sich, dass die weitere Beobachtung des Abgeordneten zum Schutz der freiheitlichen Ordnung nicht notwendig ist, gebietet es der Grundsatz der Erforderlichkeit, die Beobachtung umgehend zu beenden (vgl. BVerfGE 113, 63 ≪84≫).
Ein Überwiegen des Interesses am Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft.
Im Übrigen kommt es auf eine Abwägung aller berührten Interessen und Umstände an. In deren Rahmen ist eine Gesamtbeurteilung des Gewichts des Eingriffs, des Grades der von dem Abgeordneten ausgehenden Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und des Gewichtes der durch eine Beobachtung zu erwartenden Informationen für den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorzunehmen. Dabei ist das Verhältnis des Abgeordneten zu seiner Partei von Verfassungs wegen nicht jeder Berücksichtigung entzogen, denn der Abgeordnete besitzt zwar im Verhältnis zu Partei und Fraktion einen eigenständigen, originären verfassungsrechtlichen Status (vgl. BVerfGE 2, 143 ≪164≫; 4, 144 ≪149≫; 95, 335 ≪349≫; 112, 118 ≪134 f.≫; 118, 277 ≪328 f.≫; stRspr). Er bewegt sich dabei jedoch in einem besonderen Spannungsverhältnis zwischen seinem freien und gleichen Mandat und seiner Einordnung in die Fraktion. Dieses Spannungsverhältnis liegt in seiner Doppelstellung als Vertreter des gesamten Volkes und zugleich als Exponent einer konkreten Parteiorganisation und wird in Art. 21 und Art. 38 GG erkennbar (vgl. BVerfGE 2, 1 ≪72 f.≫; 95, 335 ≪349≫; 112, 118 ≪134 f.≫; 118, 277 ≪328 f.≫).
Die Parteimitgliedschaft des Abgeordneten kann daher ein Aspekt der gebotenen Gesamtbeurteilung sein. Dabei ist nach der Wertung von Art. 21 GG – der den Parteien eine wesentliche Rolle für die politische Willensbildung des Volkes in der demokratischen Verfassungsordnung des Grundgesetzes zuweist (vgl. BVerfGE 1, 208 ≪225≫; 11, 239 ≪243≫; 12, 276 ≪280≫; 13, 54 ≪82≫; 18, 34 ≪37≫; 20, 56 ≪101≫; 107, 339 ≪358≫; stRspr) – davon auszugehen, dass ein parteipolitisches Engagement, welches seinerseits auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht, diese stärkt. Für sich genommen vermag die bloße Parteimitgliedschaft daher nur eine vorübergehende Beobachtung zu rechtfertigen, die der Klärung der Funktionen des Abgeordneten, seiner Bedeutung und Stellung in der Partei, seines Verhältnisses zu verfassungsfeindlichen Strömungen sowie der Beurteilung von deren Relevanz innerhalb der Partei und für das Wirken des Abgeordneten dient. Von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der von dem Abgeordneten ausgehenden Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist insoweit die Feststellung, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß das politische Verhalten des Abgeordneten beeinflusst ist von den gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Gruppierungen und Strömungen innerhalb der Partei.
Darüber hinaus muss die Sammlung von Informationen über den betreffenden Abgeordneten in ihren Mitteln verhältnismäßig sein. Insbesondere sind gemäß Art. 46 Abs. 1 GG Äußerungen eines Abgeordneten der Informationserhebung und -sammlung entzogen, wenn er diese im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getan hat. Gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 GG darf ein Abgeordneter zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages „zur Verantwortung gezogen” werden. Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern und den Abgeordneten zu schützen (vgl. BVerfGE 104, 310 ≪332 f.≫), weit zu verstehen. Der Schutz des Art. 46 Abs. 1 GG erstreckt sich damit auch auf Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörden (vgl. auch Magiera, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 8, Art. 46 Rn. 69 ≪Februar 2011≫; H.-P. Schneider, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 46 Rn. 8 ≪August 2002≫; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 46 Rn. 17; Brenner, in: Festschrift für Peter Badura, 2004, S. 25 ≪40≫). Der gegen ein weites Normverständnis gerichtete Einwand, die Beobachtung durch Behörden des Verfassungsschutzes habe keinen Sanktionscharakter, weil sie keine unmittelbaren Folgen nach sich ziehe (vgl. Löwer, in: Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutz. Bestandsaufnahme und Perspektiven, 1998, S. 240 ≪259≫), vermag nicht zu überzeugen. Auf eine Unmittelbarkeit der Folgen kommt es für das Vorliegen eines Eingriffs in ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut nicht an (vgl. oben C.I.4.).
c) Eine Beschränkung des freien Mandats durch die Beobachtung von Abgeordneten bedarf darüber hinaus einer gesetzlichen Grundlage, die den rechtsstaatlichen Anforderungen der Bestimmtheit und Klarheit genügt.
Es kann offenbleiben, ob sich dieses Erfordernis bereits aus dem Gesetzgebungsauftrag in Art. 38 Abs. 3 GG ergibt, weil dieser sich auf den gesamten Absatz 1 der Vorschrift bezieht und der Gesetzgeber nicht nur in Bezug auf das Wahlrecht, sondern auch bezüglich des Abgeordnetenstatus „das Nähere” bestimmt. Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Regelung durch Parlamentsgesetz folgt jedenfalls aus dem Vorbehalt des Gesetzes, wie er durch die Wesentlichkeitsdoktrin des Bundesverfassungsgerichts ausgeformt worden ist. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 49, 89 ≪129≫; 61, 260 ≪275≫; 73, 280 ≪294, 296≫; 82, 209 ≪224 f., 227≫; 83, 130 ≪142≫; 108, 282 ≪311≫; 120, 378 ≪407≫; 128, 282 ≪317≫). Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs müssen hinreichend klar und bestimmt geregelt sein (vgl. BVerfGE 128, 282 ≪317≫). Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfGE 49, 168 ≪181≫; 59, 104 ≪114≫; 78, 205 ≪212≫; 103, 332 ≪384≫; 128, 282 ≪317≫). Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können (vgl. BVerfGE 103, 332 ≪384≫; 113, 348 ≪375≫; 128, 282 ≪317≫), und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden (vgl. BVerfGE 110, 33 ≪54≫; 113, 348 ≪375≫; 128, 282 ≪317 f.≫).
Die notwendige Bestimmtheit fehlt aber nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerfGE 45, 400 ≪420≫; 117, 71 ≪111≫; 128, 282 ≪317≫; stRspr). Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn die Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (vgl. BVerfGE 17, 67 ≪82≫; 83, 130 ≪145≫; 127, 335 ≪356≫). Es ist in erster Linie Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären (vgl. BVerfGE 31, 255 ≪264≫; 127, 335 ≪356≫) und Auslegungsprobleme mit den herkömmlichen Mitteln juristischer Methode zu bewältigen (vgl. BVerfGE 83, 130 ≪145≫; 127, 335 ≪356≫ m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten auch für die wesentlichen Regelungen über die Ausübung des Mandats durch die gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Bestimmung des Verhältnisses des freien Mandats der demokratisch gewählten Abgeordneten einerseits und des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung andererseits. Die danach zu treffende Abwägung zwischen den Interessen des Parlaments und des gewählten Abgeordneten einerseits sowie der im Sinne der „streitbaren Demokratie” agierenden Exekutive andererseits, die „Synthese aus ‚streitbarer Demokratie' und der Idee des auf gegenseitige Toleranz angelegten parlamentarisch-demokratischen Rechtsstaats” (Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 207 f.), bedürfen, auch soweit es um die Beobachtung von Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes geht, einer Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers. Das Parlament muss selbst die wesentliche Entscheidung treffen, ob es eine Beobachtung seiner Mitglieder – im Rahmen des verfassungsrechtlich Erlaubten – zulässt oder nicht und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall sein soll.
II.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2010 (BVerwGE 137, 275) trägt diesen Maßstäben nicht hinreichend Rechnung. Es verkennt damit Inhalt und Reichweite des freien Mandats des Beschwerdeführers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Beobachtung des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Verfassungsschutz einschließlich der Sammlung und Speicherung der dabei gewonnenen personenbezogenen Informationen verletzt dessen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, denn die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung des Eingriffs in die freie Mandatsausübung liegen nicht vor.
1. In der Beobachtung des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Verfassungsschutz liegt nach den vorstehenden Maßstäben (vgl. oben C.I.4.) ein Eingriff in dessen freie Mandatsausübung. Der Senat geht dabei von der Feststellung der Fachgerichte aus, dass die Informationserhebung ohne den Einsatz von Methoden der heimlichen Informationsbeschaffung erfolgt. Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Verfassungsschutz wende auch Methoden der heimlichen Informationsbeschaffung an, hat er verfassungsrechtlich relevante Verstöße der Fachgerichte bei der gegenteiligen Feststellung nicht aufgezeigt.
Bei der Informationssammlung handelt es sich um einen Eingriff, ohne dass es darauf ankäme, ob sie durch die Exekutive dazu bestimmt ist, ein bestimmtes parlamentarisches Verhalten des Beschwerdeführers herbeizuführen, und ob das Verhalten des Beschwerdeführers tatsächlich beeinflusst wird.
2. Dieser Eingriff in das freie Mandat des Beschwerdeführers ist nicht gerechtfertigt. Zwar stellen die maßgeblichen Normen im Bundesverfassungsschutzgesetz eine den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügende, hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage dar (a). Die Beobachtung des Beschwerdeführers einschließlich der Sammlung und Speicherung der gewonnenen Informationen wahrt jedoch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (b).
a) Die im Jahr 1990 mit dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz geschaffenen § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG stellen eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende Rechtsgrundlage für die Beobachtung des Beschwerdeführers dar, auch wenn darin nicht ausdrücklich auf die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG Bezug genommen wird.
Die wesentliche Entscheidung, ob Mitglieder des Deutschen Bundestages der Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz unterzogen werden dürfen, hat der Gesetzgeber mit diesen Vorschriften selbst getroffen und sie bejaht. Zugleich hat er auch über die wesentlichen Voraussetzungen einer solchen Beobachtung entschieden, und zwar dahingehend, dass für die Beobachtung von Abgeordneten die gleichen tatbestandlichen Voraussetzungen gelten wie für die Beobachtung von Privatpersonen. Es war bei Erlass des Bundesverfassungsschutzgesetzes im Jahr 1990 allgemein bekannt, dass auch Abgeordnete beobachtet wurden (vgl. hierzu nur BTDrucks 10/6584 vom 27. November 1986, S. 126 ff., mit einer umfangreichen Auflistung von beobachteten Landtags- und Bundestagsabgeordneten). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beobachtung von Abgeordneten von diesen 1990 geschaffenen Vorschriften im Bundesverfassungsschutzgesetz nicht umfasst sein sollte.
Der besonderen Schutzwürdigkeit von Abgeordneten hat der Gesetzgeber ausreichend Rechnung getragen, indem § 8 Abs. 5 BVerfSchG die einfachgesetzliche Anordnung enthält, dass die Beobachtung verhältnismäßig sein muss. Danach hat das Bundesamt von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Die Befugnisnorm in § 8 BVerfSchG ermöglicht und verlangt folglich die Berücksichtigung aller betroffenen Belange und damit auch der Tatsache, dass die Tätigkeit der beobachteten Person dem besonderen Schutz des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegt. Da Abgeordnete nach Maßgabe von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG nicht von vornherein einer Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz entzogen sind, kommt es insoweit auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an, für deren Beurteilung die oben (C.I.5.b) angeführten Aspekte heranzuziehen sind.
b) Die langjährige Beobachtung des Beschwerdeführers einschließlich der Sammlung und Speicherung der gewonnenen Informationen genügt den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht. Bei einer Gesamtabwägung aller Umstände stehen die vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen geringfügigen zusätzlichen Erkenntnisse für die Ermittlung eines umfassenden Bildes über die Partei (vgl. BVerwGE 137, 275 ≪311, Rn. 88≫) außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs in das freie Mandat des Beschwerdeführers.
Im fachgerichtlichen Verfahren wurden tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen lediglich in Bezug auf einzelne Untergliederungen – namentlich die Kommunistische Plattform, das Marxistische Forum und die anerkannte Jugendorganisation Linksjugend [`solid] – festgestellt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Februar 2009 – 16 A 845/08 –, juris, Rn. 67 ff., vgl. auch BVerwGE 137, 275 ≪290 ff., Rn. 41 ff. und insbes. Rn. 45, sowie S. 303, Rn. 63≫).
Zugleich wurde ausdrücklich festgestellt, dass der Beschwerdeführer individuell nicht verdächtig ist, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu verfolgen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Februar 2009 – 16 A 845/08 –, juris, Rn. 104; vgl. auch BVerwGE 137, 275 ≪303, Rn. 67 f.≫). Der Beschwerdeführer hatte zwar wichtige Parteiämter inne; unter anderem gehörte er ab Oktober 2004 dem Parteivorstand an, war bis 2008 Bundeswahlkampfleiter der Partei und nahm ab Oktober 2005 die Aufgabe eines Beauftragten für die Parteineubildung im Rahmen des Zusammenschlusses der Linkspartei.PDS mit der WASG wahr. Zudem war er im 16. Deutschen Bundestag stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Februar 2009 – 16 A 845/08 –, juris, Rn. 6 f.). Das Oberverwaltungsgericht hat dies dahingehend gewürdigt, dass der Beschwerdeführer ein „Spitzenfunktionär der Partei” sei (OVG NRW a.a.O., Rn. 163); in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird von der Tätigkeit des Beschwerdeführers als eines „herausgehobenen Mitglieds” gesprochen (BVerwGE 137, 275 ≪302, Rn. 64≫) sowie davon, dass der Beschwerdeführer eine „führende Rolle” in der Partei spiele (BVerwGE 137, 275 ≪303 f., Rn. 68≫).
Der Beschwerdeführer gehört jedoch weder zu den Angehörigen noch zu den Unterstützern der betreffenden Untergliederungen innerhalb der Partei. Das Oberverwaltungsgericht führt in seiner Entscheidung dazu aus, dass der Beschwerdeführer keiner Gruppierung innerhalb der Partei angehöre, bei welcher der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen bestehe. Auch im Übrigen lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich an gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen beteilige oder beteiligt habe (OVG NRW a.a.O., Rn. 104, 163).
Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass das politische Verhalten des Beschwerdeführers als Abgeordneter von den gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Anschauungen betreffenden Gruppierungen beeinflusst worden wäre. Von dem Beschwerdeführer selbst geht folglich auch unter Einbeziehung seines Verhältnisses zu der Partei DIE LINKE und den dort vorhandenen Strömungen kein relevanter Beitrag für eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus. Im Übrigen könnte das Verhalten des Beschwerdeführers – insbesondere, ob er die radikalen Kräfte aktiv bekämpft – seine Beobachtung allenfalls dann rechtfertigen, wenn diesen Kräften bereits ein bestimmender Einfluss innerhalb der Partei zukäme. Dafür ist im fachgerichtlichen Verfahren nichts festgestellt.
Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist nach den obigen Maßstäben die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei dennoch objektiv geeignet, die verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu unterstützen; gefährlich für die freiheitliche demokratische Grundordnung könnten auch Personen sein, die selbst auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stünden, jedoch bei objektiver Betrachtung durch ihre Tätigkeit verfassungsfeindliche Bestrebungen förderten, ohne dies zu erkennen oder als hinreichenden Grund anzusehen, einen aus anderen Beweggründen unterstützten Personenzusammenhang zu verlassen (vgl. BVerwGE 137, 275 ≪304, Rn. 69≫). Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verkennt insoweit, dass nach der Wertung von Art. 21 GG – der den Parteien eine wesentliche Rolle für die politische Willensbildung des Volkes in der demokratischen Verfassungsordnung des Grundgesetzes zuweist (vgl. BVerfGE 1, 208 ≪225≫; 11, 239 ≪243≫; 12, 276 ≪280≫; 13, 54 ≪82≫; 18, 34 ≪37≫; 20, 56 ≪101≫; 107, 339 ≪358≫; stRspr) – ein parteipolitisches Engagement, das seinerseits auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht, diese stärkt. Dies gilt auch und gerade dann, wenn es in einer Partei stattfindet, in der unterschiedliche Kräfte und Strömungen miteinander um Einfluss ringen.
Nach alledem stellt sich der vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Gewinn an geringfügigen zusätzlichen Erkenntnissen für die Ermittlung eines umfassenden Bildes über die Partei (vgl. BVerwGE 137, 275 ≪311, Rn. 88≫) im Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs in das freie Mandat des Beschwerdeführers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als nachrangig dar.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt darüber hinaus, dass auch die eingesetzten Mittel des Bundesamtes für Verfassungsschutz unverhältnismäßig sind, soweit das Verhalten des Beschwerdeführers im von Art. 46 Abs. 1 GG besonders geschützten parlamentarischen Bereich betroffen ist. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht einerseits festgehalten, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz „den Kernbereich der parlamentarischen Tätigkeit” des Beschwerdeführers, „nämlich sein Abstimmungsverhalten sowie seine Äußerungen im Parlament und in dessen Ausschüssen, von der Beobachtung ausgenommen” habe (vgl. BVerwGE 137, 275 ≪313, Rn. 92≫). Zugleich wird aber ausgeführt, dass unter anderem eine Sammlung und Auswertung parlamentarischer Drucksachen erfolgt sei (vgl. BVerwGE 137, 275 ≪312, Rn. 91≫, sowie die diesbezügliche Feststellung durch das OVG NRW im Urteil vom 13. Februar 2009 – 16 A 845/08 –, juris, Rn. 135). Die insoweit erforderliche Abwägung hat nicht stattgefunden.
III.
Ob das angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts darüber hinaus die vom Beschwerdeführer ebenfalls als verletzt gerügten Grundrechte und sonstigen Rechte, insbesondere das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 GG), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie das Recht auf chancengleiche Teilnahme an Parlamentswahlen verletzt, oder ob diese Rechte bereits tatbestandlich nicht einschlägig sind, weil sie zu den Abgeordnetenrechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in einem Verhältnis wechselseitiger Ausschließlichkeit stehen (vgl. dazu zuletzt BVerfGE 99, 19 ≪29≫; 118, 277 ≪320≫), kann offenbleiben. Bereits die Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung (vgl. BVerfGE 128, 226 ≪268≫).
D.
Die Anträge in den Organstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG sind unzulässig und können durch Beschluss gemäß § 24 Satz 1 BVerfGG verworfen werden.
Der Entscheidung sind die Anträge in der ursprünglichen Fassung der Antragsschrift vom 20. Juni 2007 zugrundezulegen, die am selben Tag beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen ist. Die mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2012 erfolgten Erweiterungen der Anträge zu 2 und 3 sind nicht innerhalb der Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG anhängig gemacht worden (I.). In der hiernach maßgeblichen Fassung der Antragsschrift sind die Anträge unzulässig, weil sie nicht statthaft beziehungsweise die Antragsteller jeweils nicht antragsbefugt sind (II.). Die im Schriftsatz vom 14. Dezember 2012 gestellten Hilfsanträge zu 3 sind ebenfalls unzulässig, weil sie die Frist gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG nicht wahren (III.).
I.
Der Entscheidung sind die Anträge in der ursprünglichen Fassung der Antragsschrift zugrundezulegen. Die mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2012 erfolgten Erweiterungen der Anträge zu 2 und 3 sind beim Bundesverfassungsgericht am 17. Dezember 2012 und damit nicht innerhalb der Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG anhängig gemacht worden. Die in § 64 Abs. 3 BVerfGG normierte Frist findet auf die Erweiterungen der Anträge zu 2 und 3 Anwendung (1.). Sie lief am 21. Juni 2007 ab (2.).
1. Die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG findet auf die Änderungen der Anträge zu 2 und zu 3 Anwendung, denn hierbei handelt es sich um Erweiterungen des Streitgegenstandes, die nicht mehr von dessen ursprünglicher Fassung umfasst sind.
a) Der Streitgegenstand im Organstreitverfahren wird durch das angegriffene Verhalten des Antragsgegners und durch die Bestimmungen des Grundgesetzes begrenzt, gegen die diese Maßnahme oder Unterlassung verstoßen haben soll, § 64 Abs. 2 BVerfGG. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht nicht an die Wortfassung eines Antrags gebunden ist, so bleibt doch die verfassungsgerichtliche Prüfung auf den durch den Antrag umschriebenen Verfahrensgegenstand beschränkt (vgl. BVerfGE 2, 347 ≪367 f.≫; 68, 1 ≪68≫; 129, 356 ≪364 f.≫). § 64 Abs. 2 BVerfGG ist eine zwingende Verfahrensvorschrift (BVerfGE 2, 143 ≪172≫; 68, 1 ≪63≫). Einer nachträglichen Änderung des Streitgegenstandes durch Änderung des Antrags kann daher die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG entgegenstehen (BVerfGE 68, 1 ≪63≫).
b) Bei den Änderungen der Anträge zu 2 und zu 3 handelt es sich um Erweiterungen des Streitgegenstandes, die nicht mehr von dessen ursprünglicher Fassung umfasst sind.
Im Falle der Anträge zu 2 liegt eine Erweiterung des Streitgegenstandes vor, weil die Antragsteller damit die Feststellung der Rechtsverletzung zusätzlicher selbständiger Rechtsträger, nämlich „weiterer” Abgeordneter begehren. Auch die Ergänzung der als verletzt angesehenen Rechtsnormen um eine weitere selbständige Vorschrift – nämlich Art. 38 Abs. 3 GG – verlässt den durch den bisherigen Antrag gezogenen Rahmen. Gleiches gilt für die nunmehr mit den Anträgen zu 3 ebenfalls begehrte Feststellung eines Verstoßes gegen „die Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 3 GG”. Soweit die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 14. Dezember 2012 ergänzend vorgetragen haben, sie stellten den Antrag zu 3 (nunmehr) auch aus eigenem Recht, liegt darin eine Ergänzung des Streitgegenstandes um das Begehren der Feststellung einer Rechtsverletzung einer Fraktion und damit eines selbständigen, weiteren Trägers von Verfassungsrechten.
2. Die hiernach maßgebliche Frist gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG begann an dem auf den 21. Dezember 2006 – dem Zeitpunkt der Zuleitung der Antwort auf die Kleine Anfrage (BTDrucks 16/3964) an die Antragstellerin zu 2. – folgenden Tag und lief sechs Monate später, am 21. Juni 2007, ab.
Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt, von dem an eine Maßnahme beim jeweiligen Antragsteller eine aktuelle rechtliche Betroffenheit auszulösen vermag (vgl. BVerfGE 118, 277 ≪321≫). Im Falle eines Unterlassens beginnt die Frist daher erst dann, wenn ein entsprechender Verstoß mit hinreichender Sicherheit feststeht oder sich die Antragsgegnerin erkennbar weigert, die Maßnahmen zu treffen, die der Antragsteller zur Wahrung der Rechte aus seinem verfassungsrechtlichen Status für erforderlich hält (BVerfGE 92, 80 ≪89≫; 103, 164 ≪170 f.≫; 107, 286 ≪297≫; 114, 107 ≪118≫; 129, 356 ≪371≫; 131, 152 ≪191≫). Der Lauf der Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG kann jedenfalls nicht vor einer eindeutigen Weigerung des zuständigen Ressortministers beginnen (vgl. BVerfGE 21, 312 ≪319 f.≫; 131, 152 ≪190 f.≫). Diese Weigerung kann grundsätzlich auch konkludent erfolgen (vgl. BVerfGE 103, 164 ≪170 ff.≫; 107, 286 ≪293≫; 129, 356 ≪373≫).
Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall am 21. Dezember 2006 – dem Zeitpunkt der Zuleitung der Antwort auf die Kleine Anfrage (BTDrucks 16/3964) an die Antragstellerin zu 2. – erfüllt. In dieser Kleinen Anfrage wurde ausdrücklich die Frage nach einer Anweisung der Bundesregierung an das Bundesamt für Verfassungsschutz gestellt, und die Bundesregierung hat mit ihrer Antwort eine solche Anweisung abgelehnt.
Ein früherer Fristbeginn wird durch die zeitlich davor liegenden Antworten der Antragsgegnerin zu 2. auf die Kleinen Anfragen der Antragstellerin zu 2. sowie auf die Kleinen Anfragen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht begründet. Die betreffenden Fragen und Antworten waren zu unspezifisch formuliert, als dass sie den Lauf der Frist für Anträge des hier zu beurteilenden Inhalts hätten in Gang setzen können.
Lief folglich die Frist gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG am 21. Juni 2007 ab, so ist zwar die Antragsschrift am 20. Juni 2007 noch rechtzeitig eingegangen. Die Erweiterungen der Anträge zu 2 und 3 im Schriftsatz vom 14. Dezember 2012 sind jedoch zu spät anhängig gemacht worden.
II.
In der maßgeblichen Fassung der Antragsschrift sind die Anträge unzulässig, weil sie nicht statthaft (1.) beziehungsweise die Antragsteller nicht antragsbefugt sind (2.).
1. Der Antrag zu 1 ist bereits deshalb unstatthaft, weil mit ihm weder eine konkrete rechtserhebliche Maßnahme noch ein solches Unterlassen beanstandet wird (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 57, 1 ≪5≫; 68, 1 ≪74 f.≫; 80, 188 ≪209≫; 96, 264 ≪277≫; 97, 408 ≪414≫; 103, 81 ≪86≫).
2. Die Anträge zu 2 und 3 sind unzulässig, weil die Antragsteller jeweils aus unterschiedlichen Gründen nicht antragsbefugt sind.
a) Ein Antrag ist gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG zulässig, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsgegner Rechte des Antragstellers, die aus einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, durch die beanstandete rechtserhebliche Maßnahme oder Unterlassung verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪362 f.≫; 99, 19 ≪28≫; 104, 310 ≪325≫; 108, 251 ≪271 f.≫; 118, 277 ≪317≫). Das Organstreitverfahren ist als kontradiktorische Parteistreitigkeit ausgestaltet. Es dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht der davon losgelösten Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪69 ff.≫; 73, 1 ≪29 f.≫; 80, 188 ≪212≫; 104, 151 ≪193 f.≫; 118, 244 ≪257≫; 126, 55 ≪67 f.≫). Lassen sich aus der geltend gemachten Vorschrift keine eigenen Rechte oder Zuständigkeiten herleiten, die durch die Maßnahme oder das Unterlassen verletzt sein könnten, fehlt es an der Antragsbefugnis (vgl. BVerfGE 93, 195 ≪204≫).
Auch im Organstreitverfahren ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG eine über die bloße Bezeichnung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 64 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG hinausgehende nähere Substantiierung der Begründung der behaupteten Rechtsverletzung erforderlich (vgl. BVerfGE 24, 252 ≪258≫). Die Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte im oben dargelegten Sinne muss sich aus dem Sachvortrag des Antragstellers als mögliche Rechtsfolge ergeben (BVerfGE 57, 1 ≪5≫; 60, 374 ≪381≫; 82, 322 ≪336≫; stRspr). Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn diese schlüssig dargelegt wurde und nach dem Vortrag möglich erscheint (BVerfGE 93, 195 ≪203≫; 102, 224 ≪232≫).
b) Hieran gemessen fehlt den Antragstellern jeweils die Antragsbefugnis für den Antrag zu 2: Im Falle des Antragstellers zu 1. sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Einschreiten durch die Antragsgegner nicht dargetan (aa). Die Antragstellerin zu 2. ist überdies schon deshalb nicht antragsbefugt, weil sie sich lediglich auf die Verletzung fremder, nicht auf die Verletzung eigener Rechte beruft (bb).
aa) Dem Antragsteller zu 1. fehlt die Antragsbefugnis für den Antrag zu 2, weil die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechte durch die Ablehnung der Antragsgegner, gegen die Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz einzuschreiten, nicht hinreichend dargetan ist. Hierfür hätten die Voraussetzungen eines verfassungsrechtlich begründeten Anspruchs auf Einschreiten dargelegt werden müssen. Daran fehlt es.
Zwar hat der Antragsteller zu 1. die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG durch das Bundesamt für Verfassungsschutz aufgezeigt (vgl. dazu oben C.I.). Auch besteht gemäß dem in Art. 65 Satz 2 GG verankerten Prinzip der Ministerialaufsicht, dem § 2 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG Rechnung trägt, eine umfassende Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht des Antragsgegners zu 1. über das Bundesamt für Verfassungsschutz, die bis hin zur Möglichkeit des Selbsteintritts reicht. Rechtsverstöße einer nachgelagerten Behörde können einer Aufsichtsbehörde jedoch nicht ohne Weiteres „als eigene” zugerechnet werden. Zudem besitzen aufsichtsrechtliche Vorschriften nicht ohne Weiteres einen subjektiv-rechtlichen Gehalt zugunsten des Einzelnen, sondern dienen regelmäßig dem öffentlichen Interesse an der Gesetzmäßigkeit und demokratischen Legitimation der Verwaltung (vgl. entsprechend zur Bundesaufsicht BVerwG, Beschluss vom 1. September 1976 – VII B 101.75 –, NJW 1977, S. 118 f.; Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 90 Rn. 69 ≪März 2007≫; Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 90 Rn. 62; Schoch, Jura 2006, S. 188 ≪196≫). Auch die Ministerialaufsicht ist ein Fall der Behördenaufsicht. Durch sie kann der Minister die Einhaltung der hierarchischen Ordnung innerhalb der Verwaltung steuern und so seiner Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament (Art. 65 Satz 2 GG) nachkommen (vgl. Schiedermair, Selbstkontrolle der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2009, § 48, Rn. 23).
Vor diesem Hintergrund hätte es einer eingehenderen Begründung bedurft, dass und weshalb die Ministerialaufsicht gemäß Art. 65 Satz 2 GG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG auch Individualinteressen des Antragstellers zu 1. schützt. Diese Darlegungsanforderungen sind hier nicht erfüllt.
Der Antragsteller zu 1. verweist lediglich pauschal auf die Besonderheit eingeschränkten Rechtsschutzes gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz, so dass dessen Unterordnung unter einen verantwortlichen Minister direkt aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip folge, legt jedoch nicht näher dar, weshalb hieraus ein subjektives Recht auf Ausübung der Aufsicht folgen sollte.
Des Weiteren bezieht der Antragsteller zu 1. sich auf den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Verfassungsorgantreue. Dabei kann dahinstehen, ob der Grundsatz der Verfassungsorgantreue (vgl. entsprechend zur Bundestreue BVerfGE 8, 122 ≪138 ff.≫) einen Anspruch auf Einschreiten zu vermitteln vermag. Denn jedenfalls hat der Antragsteller zu 1. das Vorliegen der engen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht hinreichend dargetan. Legt man die Anforderungen zugrunde, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, um eine aus dem Grundsatz der Bundestreue entwickelte Pflicht der Landesaufsichtsbehörden zum Einschreiten gegen eine Gemeinde zu begründen, dann können Handlungspflichten eines anderen Verfassungsorgans nur dann ausgelöst werden, wenn eine „empfindliche, schwerwiegende Störung der grundgesetzlichen Ordnung” vorliegt und das davon betroffene Verfassungsorgan zu einer Beseitigung dieser Störung selbst nicht imstande ist (vgl. entsprechend BVerfGE 8, 122 ≪138 ff.≫).
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Verletzung von Rechten eines einzelnen Abgeordneten eine solche schwerwiegende Störung auszulösen vermag, zumal sich nach Ansicht des Antragstellers zu 1. eine generell bestehende Gefahr des Missbrauchs geheimdienstlicher Beobachtung zum Zwecke der Beeinflussung von Abgeordneten im Sinne der Regierung im vorliegenden Fall nicht verwirklicht hat. Jedenfalls aber hat der Antragsteller zu 1. angesichts dessen, dass ihm der Verwaltungsrechtsweg sowie hieran anschließend die Verfassungsbeschwerde offenstand, um die Beendigung der Beobachtung selbst herbeizuführen, die engen Voraussetzungen für eine Aktivierung des Grundsatzes der Verfassungsorgantreue nicht hinreichend dargetan. Damit fehlt ihm zugleich das statusspezifische Rechtsschutzinteresse für das Organstreitverfahren (vgl. BVerfGE 123, 267 ≪337≫).
bb) Die Antragstellerin zu 2. ist für den Antrag zu 2 – mit dem eine Verletzung der Rechte des Antragstellers zu 1. aus Art. 46 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht wird – nicht antragsbefugt, weil es ihr damit nicht um eigene, sondern um fremde Rechte geht, nämlich um die des Antragstellers zu 1.
Über den in § 64 Abs. 1 BVerfGG gesetzlich geregelten Sonderfall hinaus kommt lediglich eine Geltendmachung eigener Rechte in eigenem Namen in Betracht (vgl. BVerfGE 13, 54 ≪84≫; 90, 286 ≪343≫; 123, 267 ≪337≫). Die Geltendmachung der Rechte eines einzelnen Abgeordneten durch den Deutschen Bundestag oder durch die Fraktion, der er angehört, ist nicht vorgesehen. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis, denn Abgeordnete können diese Rechte im Organstreitverfahren selbst geltend machen, auch wenn sie aus dem Bundestag ausgeschieden sind (BVerfGE 4, 144 ≪152≫; 102, 224 ≪231≫).
c) Auch die (Haupt-)Anträge zu 3 – mit denen die Feststellung einer Verletzung der Rechte des Deutschen Bundestages beantragt wird – scheitern an der jeweils fehlenden Antragsbefugnis der Antragsteller.
aa) Der Antragsteller zu 1. ist insoweit nicht antragsbefugt, weil er keine eigene Rechtsverletzung geltend macht. Einem einzelnen Abgeordneten ist es nicht möglich, Rechte des Deutschen Bundestages als Prozessstandschafter (§ 64 Abs. 1 BVerfGG) geltend zu machen (vgl. BVerfGE 117, 359 ≪367≫; 123, 267 ≪337≫).
bb) Die Antragstellerin zu 2. ist ebenfalls für den (Haupt-)Antrag zu 3 nicht antragsbefugt. Bezüglich der geltend gemachten Verletzung der Grundsätze der Finanzverfassung in Art. 104a ff. GG besteht bereits deshalb keine Antragsbefugnis, weil es sich hierbei nicht um Rechte des Deutschen Bundestages handelt, sondern um objektives Verfassungsrecht (1). Die von ihr des Weiteren geltend gemachte Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages ist zwar grundsätzlich ein rügefähiges Recht; die Möglichkeit einer Verletzung dieses Rechts ist aber im vorliegenden Fall – da eine über die Verletzung einzelner Rechte von Abgeordneten hinausgehende Beeinträchtigung nicht substantiiert vorgetragen ist – nicht hinreichend dargetan (2). Schließlich folgt auch aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue keine Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 2. für den (Haupt-)Antrag zu 3 (3).
(1) Im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung der Grundsätze der Finanzverfassung in Art. 104a ff. GG besteht bereits deshalb keine Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 2., weil es sich hierbei nicht um organschaftliche Rechte des Deutschen Bundestages handelt.
Der Organstreit dient, wie oben ausgeführt, keiner allgemeinen Rechts- oder Verfassungsaufsicht (BVerfGE 103, 81 ≪88 f.≫; 118, 277 ≪319≫; 126, 55 ≪67 f.≫). Mit Rechten im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG sind allein diejenigen Rechte gemeint, die dem Antragsteller zur ausschließlich eigenen Wahrnehmung oder zur Mitwirkung übertragen sind oder deren Beachtung erforderlich ist, um die Wahrnehmung seiner Kompetenzen und die Gültigkeit seiner Akte zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪73≫; 126, 55 ≪72 f.≫).
Soweit die Antragstellerin zu 2. sich auf eine Verletzung der Art. 104a ff. GG beruft, bezieht sie sich im Ergebnis auf das Gebot sparsamen und effektiven Umgangs mit staatlichen Haushaltsmitteln; dass die Grenzen der haushaltsrechtlichen Ermächtigungen in anderer Weise überschritten worden seien, macht sie dagegen nicht geltend. Damit vermag sie eine Antragsbefugnis nicht zu begründen, denn ihre Argumentation liefe auf eine allgemeine, von ihren Rechten oder denen des Deutschen Bundestages gelöste Kontrolle von Regierungs- und Verwaltungshandeln hinaus, für die im Organstreitverfahren kein Raum ist (vgl. oben D.II.2.a). Mit dieser Begründung ließe sich über Rechtsverstöße hinaus selbst ineffizientes Verhalten von Bundesbehörden wegen des damit verbundenen ineffizienten Verbrauchs von Haushaltsmitteln rügen.
(2) Auch die geltend gemachte Verletzung der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages begründet keine Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 2. Zwar ist die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages im Rahmen des Organstreitverfahrens grundsätzlich – auch durch eine einzelne Fraktion – rügefähig (a). Eine Verletzung der Funktionsfähigkeit ist jedoch nicht bereits dargetan, wenn die Verletzung der Rechte einzelner Abgeordneter geltend gemacht wird. Vielmehr ist eine Funktionsbeeinträchtigung des Bundestages als solche darzulegen. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Antragstellerin zu 2. nicht (b).
(a) Die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages stellt ein Rechtsgut von Verfassungsrang dar (vgl. BVerfGE 51, 222 ≪236≫; 95, 408 ≪418≫; 99, 19 ≪32≫; 112, 118 ≪140≫; 118, 277 ≪324≫; 130, 318 ≪348 ff.≫), auf das sich dieser im Organstreitverfahren berufen kann. Entsprechendes gilt für eine Fraktion, die die Rechte des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren geltend zu machen befugt ist (§ 64 Abs. 1 BVerfGG). Wie bereits ausgeführt wurde, berührt die Beobachtung eines Mitglieds des Deutschen Bundestages durch Behörden des Verfassungsschutzes die demokratische Repräsentationsfunktion des Deutschen Bundestages (vgl. C.I.1.d) und dessen Parlamentsautonomie (vgl. C.I.2.). Es besteht insoweit grundsätzlich ein Zusammenhang zwischen dem verfassungsrechtlichen Status des einzelnen Abgeordneten und der Funktionsfähigkeit des Gesamtorgans Deutscher Bundestag, der seine Aufgaben und Befugnisse in der Gesamtheit seiner Mitglieder wahrnimmt (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪217 f.≫; 104, 310 ≪330≫; 130, 318 ≪342 ff.≫). Wenngleich das Grundgesetz den einzelnen Abgeordneten als „Vertreter des ganzen Volkes” bezeichnet, repräsentiert er dieses nur gemeinsam mit den anderen Parlamentsmitgliedern (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫; 56, 396 ≪405≫; 80, 188 ≪218≫; 130, 318 ≪342 ff.≫).
(b) Die Antragstellerin zu 2. hat keinen Sachverhalt vorgetragen, der eine Verletzung der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages als möglich erscheinen lässt.
Was „Funktionsfähigkeit” bedeutet, ergibt sich aus dem jeweiligen Zusammenhang. Es spricht zwar einiges dafür, dass die Garantie der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages nicht nur vor einer Funktionsunfähigkeit schützt (vgl. dazu BVerfGE 1, 208 ≪247 f.≫; 6, 84 ≪92, 93 f.≫; 51, 222 ≪236 f.≫; 82, 322 ≪338≫; 95, 408 ≪420≫), sondern im Sinne des schonenden Ausgleichs kollidierender Verfassungsgüter als Optimierungsgebot zu verstehen ist (vgl. Lerche, BayVBl 1991, S. 517 ≪522≫; Schwarz, BayVBl 1998, S. 710 ≪711 f.≫; vgl. auch BVerfGE 120, 82 ≪113≫; 129, 300 ≪321; 323≫). Für die Antragsbefugnis genügt infolgedessen die Darlegung der Möglichkeit einer ernsthaften Funktionsbeeinträchtigung (vgl. BVerfGE 129, 300 ≪321; 323≫).
Eine solche Funktionsbeeinträchtigung ist aber nicht dargetan. Auch wenn bereits die Darlegung einer Funktionsbeeinträchtigung ausreicht und keine Funktionsunfähigkeit dargetan werden muss, schließt doch nicht jede Verletzung der Rechte eines Abgeordneten ohne Weiteres eine Verletzung der Rechte des Deutschen Bundestages ein. Andernfalls würden im Ergebnis Klagerechte in einem Umfang eröffnet, der dem bei einer – dem Grundgesetz wie auch dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz fremden – umfassenden Prozessstandschaft des Deutschen Bundestages für die Rechte seiner Mitglieder entspräche (vgl. auch die Ausführungen unter D.II.2.b)bb) zur fehlenden Prozessstandschaft der Antragstellerin zu 2. für die Rechte des Antragstellers zu 1.). Zugleich wäre eine Fraktion, die gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG ihrerseits in Prozessstandschaft Rechte des Deutschen Bundestages geltend machen kann, im Ergebnis in der Lage, die Rechte ihrer einzelnen Mitglieder vor dem Bundesverfassungsgericht einzuklagen, wenn diese an den Abgeordnetenstatus anknüpfen. Ein Bedürfnis für eine derartige Ausweitung der Antragsbefugnis besteht nicht. Insbesondere entsteht keine Rechtsschutzlücke, da es dem einzelnen Abgeordneten unbenommen ist, seine Rechte selbst einzuklagen.
Nach alledem hätte die Antragstellerin zu 2. eine über die Verletzung der Rechte des Antragstellers zu 1. hinausgehende Funktionsbeeinträchtigung darlegen müssen. Ihr pauschaler Hinweis auf die Beobachtung weiterer Abgeordneter verleiht der Behauptung einer Funktionsbeeinträchtigung des Deutschen Bundestages schon deshalb keine zusätzliche Substanz, weil die Rechtmäßigkeit der Beobachtung eines Abgeordneten von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängt (vgl. oben C.I.4.) und diese nicht näher dargetan wurden.
(3) Auch aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ergibt sich keine Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 2. Da es nach den vorstehenden Ausführungen an der Darlegung einer Verletzung der Rechte des Deutschen Bundestages fehlt, ist kein Anknüpfungspunkt für die Heranziehung des Grundsatzes der Verfassungsorgantreue ersichtlich. Dieser Grundsatz vermag für sich genommen keine Rechte zu begründen; vielmehr bedarf er, um seine Wirkung entfalten zu können, eines bereits bestehenden (Verfassungs-)Rechtsverhältnisses (vgl. entsprechend zum Grundsatz der Bundestreue BVerfGE 103, 81 ≪88≫; 104, 238 ≪248≫); er ist insoweit akzessorischer Natur und kann ein vorhandenes Verfassungsrechtsverhältnis ausgestalten, aber nicht neu begründen.
III.
Die Hilfsanträge zu 3 sind bereits deshalb unzulässig, weil sie die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG nicht wahren, innerhalb deren eine Organklage erhoben werden muss. Die Antragsteller wenden sich insoweit unmittelbar gegen das Bundesverfassungsschutzgesetz. Da sie damit ein Gesetz als Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG angreifen (vgl. BVerfGE 1, 208 ≪220≫; 82, 322 ≪335≫; 114, 107 ≪116≫; stRspr), beginnt die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG grundsätzlich mit dessen Verkündung. Mit dieser gilt das Gesetz als allgemein bekannt geworden (vgl. BVerfGE 13, 1 ≪10≫; 24, 252 ≪258≫; 27, 294 ≪297≫; 64, 301 ≪316≫; 67, 65 ≪70≫; 92, 80 ≪87≫; 103, 164 ≪169≫; 114, 107 ≪116≫). Das Bundesverfassungsschutzgesetz wurde im Bundesgesetzblatt vom 29. Dezember 1990 (BGBl I 1990 S. 2954 ≪2970≫) verkündet, so dass die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG bereits im Jahr 1991 ablief. Dafür, dass die seitdem erfolgten Gesetzesänderungen die Antragsteller erstmals oder in gesteigertem Maße beschwert hätten (vgl. BVerfGE 111, 382 ≪411≫; 114, 107 ≪117≫), ist nichts dargetan oder ersichtlich.
E.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
Unterschriften
Voßkuhle, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau, Huber, Hermanns, Müller, Kessal-Wulf
Fundstellen
Haufe-Index 5499784 |
BVerfGE 2014, 141 |