Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, das der Beschwerdeführerin einen von ihr geltend gemachten, auf zwei Grundstücke bezogenen Restitutionsanspruch nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) nicht zuerkannt hat. Die Beschwerdeführerin, die Conference on Jewish Material Claims against Germany, Inc., ist nach dem Recht des US-Bundesstaates New York als gemeinnützige Organisation gegründet worden.
In dem verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahren ging es maßgeblich um die Frage, ob der vormalige Grundstückseigentümer, Friedrich J., dessen Rechtsnachfolge die Beschwerdeführerin nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG beansprucht, dem Kreis der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus (NS-Zeit) kollektiv aus rassischen Gründen verfolgten Juden als sogenannter „Mischling ersten Grades” angehörte.
1. Das Vermögensgesetz ist entsprechend auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen anzuwenden, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen verloren haben. Zugunsten der Berechtigten wird ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust vermutet, wenn die Voraussetzungen des Art. 3 der Rückerstattungsanordnung der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 (REAO) vorliegen (§ 1 Abs. 6 VermG). Dafür ist nicht erforderlich, dass die Geschädigten individuellen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren (Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a REAO). Es genügt, wenn sie zu einem Personenkreis gehörten, der in seiner Gesamtheit von der damaligen deutschen Regierung oder der NSDAP verfolgt wurde (Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b REAO). Zu diesem Personenkreis zählt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung schon für die Zeit ab dem 30. Januar 1933 – der Rechtsprechung der alliierten Rückerstattungsgerichte folgend – nicht nur Juden im Sinne der nationalsozialistischen Rassengesetze, sondern auch damals sogenannte „Mischlinge ersten Grades”. Als solche wurden auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 alle Personen angesehen, die von zwei „der Rasse nach volljüdischen” Großeltern abstammten. Nach Satz 2 der Vorschrift galt als „volljüdisch” ein Großelternteil „ohne weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat”. Nicht zu den kollektiv Verfolgten gehörten jedoch auch nach der Rechtsprechung der alliierten Rückerstattungsgerichte die sogenannten „Mischlinge zweiten Grades”, die nur einen „volljüdischen” Großelternteil hatten (vgl. dazu die Darstellung der Rechtslage im angefochtenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die für Kollektivverfolgte geltende Verfolgungsvermutung kann für Veräußerungen, die nach dem 14. September 1935, dem Tag vor der Verabschiedung der nationalsozialistischen sogenannten Nürnberger Rassengesetze, erfolgten, nur nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO widerlegt werden (sog. verschärfte Verfolgungsvermutung).
2. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in Neuenhagen (Brandenburg) unweit der östlichen Berliner Stadtgrenze gelegenen Grundstücke gehören zu einer Siedlung, die aus einem bereits vor dem Jahr 1933 begonnenen Parzellierungsvorhaben entstanden ist. Die Grundstücke gingen im Jahr 2002 aus der Teilung einer 906 qm großen Parzelle hervor. Diese wiederum bildete bis zum Jahr 1937 eine Teilfläche des rund 490 ha großen, sich beidseits der Berliner Ringautobahn, der heutigen Bundesautobahn A 10 erstreckenden ehemaligen Rittergutes Bollensdorf.
Im Mai 1932 erwarb Friedrich J., dessen Rechtsnachfolge die Beschwerdeführerin geltend macht, das Gut aus der Zwangsversteigerung und setzte die von dem Voreigentümer begonnene Parzellierung fort. In der Zeit von 1932 bis zum 14. September 1935 veräußerte J. in Neuenhagen insgesamt etwa 200 Parzellen, danach bis zum Ende der Parzellierungstätigkeit im Jahr 1943 etwa 600 weitere Grundstücke.
3. Friedrich J. wurde am 31. Juli 1871 in L. (Ungarn) als Sohn des Simon J. und seiner Ehefrau Bertha G. geboren und evangelisch getauft. Seine Großeltern mütterlicherseits waren keine Juden im Sinne der nationalsozialistischen Rassengesetze. Der Großvater väterlicherseits, Joel J., war Jude. Er heiratete Johanna Elisabeth B., die wahrscheinlich am 9. Januar 1809 in F. (Posen) geboren wurde und 1889 in St. Louis/Missouri (USA) verstarb. Sie wurde dort auf einem Friedhof beigesetzt, auf dem seinerzeit nach einer Auskunft der „United Hebrew Congregation St. Louis” aus dem Jahr 1997 nur jüdische Bestattungen erlaubt waren. Aus ihrer Ehe mit Joel J. gingen außer Simon J., der in Urkunden als „mosaisch” bezeichnet wird, noch drei weitere Kinder sowie die Tochter Ernestine hervor. Ernestine schloss am 13. November 1871 die Ehe mit dem Kaufmann Emanuel U., die in das beim Kreisgericht Posen geführte „Register betreffend die Beglaubigung der Heiraten unter Juden” eingetragen wurde. Das Heiratsattest stellt die jüdische Konfession beider Eheleute fest.
4. Das vorliegend in Rede stehende, im Jahr 1937 ausparzellierte Ursprungsgrundstück verkaufte Friedrich J. noch im selben Jahr an die Mutter des Klägers im Ausgangsverfahren.
Friedrich J. verstarb am 1. November 1952 in Erlangen und wurde von seinem später nachverstorbenen Sohn beerbt. Dessen Erben meldeten zunächst im Sommer 1990 vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich verschiedener näher bezeichneter Grundstücke in Neuenhagen an, zu denen die hier in Rede stehenden, damals noch ungeteilten Flächen indessen nicht gehörten. Einen auch hierauf bezogenen Rückübertragungsantrag stellten sie erst im Laufe des Jahres 1995.
Die Beschwerdeführerin, die Conference on Jewish Material Claims against Germany, Inc., machte bereits zuvor unter dem 9. Dezember 1992 vermögensrechtliche Ansprüche auf das Grundvermögen von Friedrich J. in Neuenhagen geltend.
5. Als Eigentümer des Ursprungsgrundstücks wurden am 7. April 1992 der Kläger des Ausgangsverfahrens und seine Schwester als Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft nach ihrer Mutter im Grundbuch eingetragen. Sie veräußerten im Jahr 2002 mit Zustimmung sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Erben nach Friedrich J. eine Teilfläche. Für den Fall der bestandskräftigen Feststellung vermögensrechtlicher Ansprüche der Beschwerdeführerin oder der Erben nach Friedrich J. wurde eine Abtretung des Kaufpreisanspruchs beziehungsweise die Auszahlung des hinterlegten Erlöses an den Berechtigten vereinbart. Die Restfläche des Grundstücks veräußerten der Kläger des Ausgangsverfahrens und seine Schwester, die ihre Ansprüche später an den Kläger abtrat, im Folgejahr zu gleichen Bedingungen.
6. Das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Rückübertragungs- und Entschädigungsantrag der Erben nach Friedrich J. als verspätet ab. Mit demselben Bescheid lehnte es auch den Rückübertragungsantrag der Beschwerdeführerin ab, stellte aber fest, diese habe einen Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises aus der Veräußerung beider Teilflächen im Jahr 2002. Im Gegenzug habe sie für den im Jahr 1937 von der Erwerberin gezahlten Kaufpreis in heutiger Währung umgerechnet 32,14 Euro an den Kläger des Ausgangsverfahrens und dessen Schwester zu entrichten. Diesen Bescheid ließen die Erben nach Friedrich J. bestandskräftig werden.
7. Hingegen focht der Kläger des Ausgangsverfahrens den Bescheid vor dem Verwaltungsgericht an. Die Beschwerdeführerin war zu diesem Verfahren beigeladen.
Das Verwaltungsgericht wies die gegen die vom Bundesamt getroffene Feststellung eines Erlösauskehranspruchs der Beschwerdeführerin gerichtete Klage ab: Die in § 1 Abs. 6 VermG vorausgesetzte schädigende Maßnahme liege vor. Friedrich J. sei rassischer Kollektivverfolgung ausgesetzt gewesen. Entsprechend den Grundsätzen des alliierten Rückerstattungsrechts sei hiervon bei „Mischlingen ersten Grades”, nicht aber bei „Mischlingen zweiten Grades” auszugehen. J. sei aber mit zwei „volljüdischen” Großeltern nach den NS-Rassengesetzen „Mischling ersten Grades” gewesen. Auch ohne einschlägige amtliche Urkunden stehe fest, dass Johanna J., geborene B., im Sinne der nationalsozialistischen Rassengesetze Jüdin gewesen sei; sie sei zumindest zum jüdischen Glauben übergetreten. Das ergebe sich aus ihrer Bestattung auf dem jüdischen Friedhof in St. Louis (USA) und der dazu erteilten Auskunft der jüdischen Gemeinde, aus dem Heiratsattest ihrer Tochter Esther Ernestine, der Sterbeurkunde ihres Sohnes und dem Grundsatz, dass die jüdische Religionszugehörigkeit über die Mutter weitergegeben werde. Darüber hinaus sei aufgrund der Angaben in einer 1948 erstellten Familienchronik zu vermuten, dass die Ehe zwischen Joel J. und Johanna B. im Jahr 1830 im Posener Land geschlossen worden sei. Nach den Erkenntnissen der historischen Forschung könne davon ausgegangen werden, dass seinerzeit im Königreich Preußen, zu dem das Posener Land damals gehört habe, Mischehen zwischen Juden und Christen grundsätzlich nicht zulässig gewesen seien.
Bei der Grundstücksveräußerung handele es sich zudem um einen verfolgungsbedingten Zwangsverkauf. Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG werde ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust nach Maßgabe der Rückerstattungsanordnung (REAO) vermutet. Die für Kollektivverfolgte geltende gesetzliche Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b REAO sei vorliegend für die Veräußerungen nach dem 14. September 1935 nicht nach Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO widerlegt und auch nicht widerlegbar.
8. Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers des Ausgangsverfahrens hin hob das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts auf. Ebenfalls aufgehoben wurde der Bescheid des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, soweit darin festgestellt wurde, die Beschwerdeführerin habe einen Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises aus der Veräußerung beider Teilflächen durch den Kläger des Ausgangsverfahrens und dessen Schwester.
Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze Bundesrecht, indem es annehme, dass Friedrich J. zu den im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b REAO Kollektivverfolgten gehört habe.
Das Verwaltungsgericht habe Bundesrecht dadurch verletzt, dass es für die Beurteilung, ob Friedrich J. im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie als „Mischling ersten Grades” oder als „Mischling zweiten Grades” anzusehen gewesen sei, Tatsachen herangezogen habe, die auf Erkenntnissen aus der Zeit nach 1945 beruhten. Dies gelte für wissenschaftliche Erkenntnisse, vor allem aber für die Verwertung der Mitteilung der „United Hebrew Congregation” vom 26. August 1997 als Indiz. Nach den maßgeblichen Vorschriften dürfe die Beurteilung allein auf Erkenntnisse und Erkenntnismittel gestützt werden, die in der Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus zur Verfügung gestanden hätten. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b REAO stelle darauf ab, ob der Betroffene zu dem Personenkreis der Kollektivverfolgten „gehörte”. Verlangt sei damit eine retrospektive Beurteilung auf Grund der Erkenntnisse zur Zeit des Nationalsozialismus. Eine solche retrospektive Beurteilung entspreche dem Zweck der Wiedergutmachung, Vermögensschäden auszugleichen, die durch die Verfolgung in der NS-Zeit entstanden seien. Für den vorliegenden Fall sei danach zu prüfen, ob nach den damaligen Erkenntnissen der Nachweis erbracht gewesen sei, dass Friedrich J. „Mischling ersten Grades” gewesen sei, oder ob er jedenfalls als solcher behandelt worden sei.
Dieser Nachweis, dass J. „Mischling ersten Grades” gewesen sei, sei nach den Erkenntnissen zur Zeit des Nationalsozialismus nicht geführt worden. J. selbst habe sich damals immer wieder um die Klärung der Abstammung seiner Großmutter väterlicherseits bemüht. Dies sei nicht gelungen. Selbst in einem Schreiben aus der Nachkriegszeit, in dem er sich – anders als zuvor – als „Mischling ersten Grades” bezeichnet habe, weise er darauf hin, es sei zwar wahrscheinlich, aber letztlich nicht geklärt, dass seine Großmutter väterlicherseits Jüdin gewesen sei. Personenstandsurkunden, anhand derer sich dies verlässlich klären lasse, existierten nicht. Auch eine von Friedrich J. eingeholte Auskunft der Deutsch-Polnischen Gesellschaft vom 15. Februar 1939 gebe nur einen Hinweis darauf, dass diese Frage nicht geklärt sei. Darin heiße es, „trotz ausführlicher Forschungen bei den in Frage kommenden jüdischen Gemeinden (seien) keine Unterlagen über die genannte B. gefunden” worden. Als Hinweis darauf, dass Johanna B. nicht jüdisch gewesen sei, sei angeführt worden, dass es zur Zeit ihrer Geburt ungewöhnlich gewesen wäre, wenn jüdische Eltern ihrer Tochter die Vornamen Johanna Elisabeth gegeben hätten. Entscheidend ins Gewicht falle aber, dass das Reichssippenamt, das grundsätzlich dazu geneigt habe, im Zweifel und bei ungeklärten Fällen eine jüdische Abstammung zu unterstellen, sich trotz Einleitung eines entsprechenden Verfahrens im Jahr 1939 bis zum Kriegsende nicht in der Lage gesehen habe, einen Abstammungsnachweis für J. auszustellen. In der damaligen Zeit seien die Zweifel an J.'s jüdischer Abstammung damit so groß gewesen, dass nicht angenommen werden könne, nach dem seinerzeitigen Erkenntnisstand sei seine Eigenschaft als „Mischling ersten Grades” belegt gewesen. Auch die Aktenlage, wie sie sich bis Mai 1945 ergebe, liefere dafür keinen klaren Beweis.
Friedrich J. sei nicht als „Mischling ersten Grades” behandelt worden, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 VermG nicht bejaht werden könnten. Zwar sei er in der Aufstellung des Oberpräsidenten der Provinz Mark Brandenburg über „Judengüter” vom 30. August 1939 aufgeführt. Dieser Eintrag enthalte aber den Zusatz, dass noch Ermittlungen schwebten, ob er Jude im Sinne der nationalsozialistischen Rassengesetze sei. Ein solcher Zusatz fehle zwar in einer undatierten Auflistung landwirtschaftlicher Grundflächen „im Eigentum von Juden”. Da beide Listen aber in zeitlich engem Zusammenhang erstellt worden seien, seien sie insoweit widersprüchlich. Aus ihrer Gesamtbetrachtung lasse sich nicht der Schluss ziehen, Friedrich J. sei als Jude oder „Mischling ersten Grades” angesehen worden. Bestätigt werde dies auch dadurch, dass in den Verfahren zur sogenannten „Entjudung”, insbesondere aufgrund der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 oder des § 3 der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941, nicht an ihn herangetreten worden sei.
Gegen die Annahme, dass Friedrich J. als „Mischling ersten Grades” behandelt worden sei, spreche weiter, dass er in notariellen Verträgen aus den Jahren 1941 und 1943, die die Angabe über die Beteiligung von Juden an Grundstücksgeschäften erfordert hätten, als „Nichtjude” bezeichnet worden sei. Er habe offenbar auch bis Kriegsende seine Geschäftstätigkeit unbehelligt durchführen können. Zwar gebe es ein Schreiben der Ortsgruppe Berlin-Lichterfelde-Ost der NSDAP vom April 1938, in dem ihm bescheinigt werde, dass er „Mischling ersten Grades” sei. Bei einer Gesamtbetrachtung seiner Situation könne daraus aber nicht geschlossen werden, dass er als „Mischling ersten Grades” behandelt worden sei. Es habe vielmehr immer wieder von unteren Ebenen und Instanzen gegen ihn gerichtete Angriffe gegeben und Versuche, gegen den wirtschaftlich starken Unternehmer vorzugehen; diese hätten sich aber nicht durchsetzen können.
Schließlich ergebe sich eine Verfolgungssituation für ihn auch nicht etwa daraus, dass er sich aus seiner Sicht als der Gruppe der Verfolgten zugehörig gefühlt habe und deshalb die eigene Verfolgung habe befürchten müssen. Dafür biete die Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr habe er bis 1944 im Rahmen der ausstehenden Genehmigung des Vertrages, mit dem die Restfläche des Gutes Bollensdorf veräußert worden sei, seine Interessen anhaltend und energisch gegenüber den Behörden vertreten. Wenn er befürchtet hätte, als „Halbjude” verfolgt zu werden, hätte er ein solches Risiko, auf sich aufmerksam zu machen, wohl nicht eingehen können. Dieses immer offensive Auftreten widerlege auch den Hinweis der Beschwerdeführerin, Friedrich J. habe um seine jüdische Herkunft genau gewusst und sich tarnen wollen. Vielmehr habe er noch in einem Schreiben vom 17. März 1944 an einen früheren Eigentümer des Gutes, der sich bemüht habe, dieses zu für J. ungünstigen Bedingungen wieder zu erlangen, sehr deutlich gemacht, dass er sich auch mit der Drohung, anderenfalls sofort verhaftet zu werden, nicht unter Druck setzen lasse. Dort heiße es: „Bei der unbedingten Gerechtigkeit, die in unserem heutigen Staate herrscht und der Sauberkeit aller behördlichen Maßnahmen habe ich so etwas nicht zu fürchten.” Ein solches Verhalten schließe die Annahme aus, er habe befürchtet, verfolgt zu werden.
9. Die von der Beschwerdeführerin darauf erhobene Anhörungsrüge wies das Bundesverwaltungsgericht zurück.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerdeführerin hat fristgerecht Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei insbesondere auch deshalb willkürlich, weil die dort für die Beurteilung der Zugehörigkeit zum Kreis der Verfolgten postulierte Beschränkung auf die in der NS-Zeit verfügbaren Informationen gegen Grundsätze der Rechtsprechung der alliierten Rückerstattungsgerichte verstoße.
III.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Frage von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz und anhand der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beantworten ließe (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 f.≫). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Einen Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) kann die Beschwerdeführerin nicht mit Erfolg geltend machen.
a) Die Beschwerdeführerin beanstandet der Sache nach, das Bundesverwaltungsgericht habe sie nicht rechtzeitig, das heißt vor Beginn der mündlichen Verhandlung auf den gegenüber der Entscheidung des Verwaltungsgerichts veränderten und bisher ihrer Ansicht nach vorbildlosen rechtlichen Ansatz hingewiesen, nach dem für die Beurteilung des Verfolgtenstatus' nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b REAO allein solche Tatsachen heranzuziehen seien, die auf Erkenntnissen aus der Zeit vor 1945 beruhten. Sie habe deshalb weder ausreichend vorbereitet zu dieser Rechtsfrage, noch zu der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen, nunmehr ausschlaggebenden Bewertung der bereits bekannten Erkenntnisse aus der Zeit vor 1945 Stellung nehmen können. Schließlich habe ihr die Gelegenheit gefehlt, auf der Grundlage der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in tatsächlicher Hinsicht weiter vorzutragen. Die Beschwerdeführerin stellt allerdings nicht die Ausführungen in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts über die Anhörungsrüge in Abrede, nach denen sowohl die Frage, auf welche Erkenntnisquellen abzustellen sei, als auch die Würdigung der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnisse und Indizien Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
b) Der in Art. 103 Abs. 1 GG jedermann verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör steht auch ausländischen juristischen Personen zu (vgl. BVerfGE 12, 6 ≪8≫; 64, 1 ≪11≫ m.w.N.). Eine diesem Verfahrensgrundrecht genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung überhaupt ankommen kann (vgl. BVerfGE 84, 188 ≪190≫). Darüber hinaus kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Das Gericht darf insbesondere nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫).
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Beschwerdeführerin die Annahme eines verfassungsrechtlich erheblichen Gehörsverstoßes zu rechtfertigen vermag. Denn einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht durch die zumutbare Ausschöpfung der vom einschlägigen Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (vgl. BVerfGE 15, 256 ≪267≫; 21, 132 ≪137≫; 74, 220 ≪225≫).
So aber verhält es sich hier. Die Beschwerdeführerin hat es unterlassen, eine Vertagung der mündlichen Verhandlung (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO) zu beantragen, um sich mit den Hinweisen des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtslage und zur möglichen Interpretation der vorliegenden Erkenntnisse befassen und ihren Vortrag zur Sach- und Rechtslage anschließend ergänzen zu können. Stattdessen hätte sie zu diesem Zweck auch die Gewährung einer Schriftsatzfrist verlangen können, worauf schon das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss zur Anhörungsrüge hingewiesen hat, was sie aber gleichfalls versäumt hat. Insoweit kann offenbleiben, ob sich der Schriftsatznachlass in Bezug auf gerichtliche Hinweise vorrangig nach § 139 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 173 VwGO beurteilt (gegen eine Anwendung des § 139 Abs. 5 ZPO Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 18. Aufl. 2009, § 173 Rn. 153) oder ob jedenfalls nach § 283 ZPO i.V.m. § 173 VwGO eine Schriftsatzfrist über Erklärungen zum Vorbringen des Gegners hinaus auch für andere erforderliche Stellungnahmen gewährt werden kann (so Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 104 Rn. 9).
Zwar stehen sowohl die Vertagung einer mündlichen Verhandlung als auch die Einräumung einer Schriftsatzfrist nach diesen gesetzlichen Regelungen im Ermessen des Gerichts. Beide Institute können gleichwohl aber ersichtlich ein taugliches prozessrechtliches Mittel sein, um einen drohenden Verlust der Äußerungsmöglichkeit noch rechtzeitig abzuwenden. Denn die Vertagung soll gerade einer bevorstehenden Verletzung des Rechts der Beteiligten auf rechtliches Gehör begegnen. Deshalb liegen erhebliche Gründe für sie im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO immer dann vor, wenn sie zum Zweck der Gehörsgewährung sachlich geboten ist (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 227 Rn. 5). Entsprechendes gilt für die Gewährung eines Schriftsatznachlasses, der eine anderenfalls nötige Vertagung gerade vermeiden soll (vgl. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 283 Rn. 1). Wegen dieser engen Verknüpfung mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verdichtet sich die in das Ermessen des Gerichts gestellte Vertagung oder Gewährung einer Schriftsatzfrist zu einer entsprechenden Pflicht, wenn anderenfalls eine Gehörsverletzung unvermeidbar ist, weil einem Beteiligten die Möglichkeit zu einem erschöpfenden und sachgerechten Vortrag genommen wird (vgl. BVerwGE 44, 307 ≪309 f.≫; für den Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auch BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1992 – 8 C 58.90 –, NJW 1992, S. 3185 ≪3186≫). Eine solche Verpflichtung zur Vertagung besteht deshalb etwa auch dann, wenn ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung von einem Hinweis des Gerichts überrascht wird, zu dem er – insbesondere wegen geraume Zeit zurückliegender Vorgänge – nicht sofort Stellung nehmen kann (vgl. BFH, Urteil vom 4. April 2001 – XI R 60/00 –, NJW 2002, S. 166 ≪167≫). Sollte die Ansicht der Beschwerdeführerin zutreffen und läge in dem Vorgehen des Bundesverwaltungsgerichts vor und in der mündlichen Verhandlung eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör, dann hätte einem von ihr gestellten Antrag auf Vertagung oder zumindest auf Schriftsatznachlass entsprochen werden müssen. Da sie solche Anträge aber nicht gestellt hat, hat sie nicht von allen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, sich rechtliches Gehör zu verschaffen.
2. Ein Verstoß gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) scheidet danach ebenfalls aus. Unbeschadet der genauen Abgrenzung der Schutzbereiche des Art. 103 Abs. 1 GG und des Justizgewährungsanspruchs stehen das Recht auf Gehör und die Garantie effektiven Rechtsschutzes jedenfalls in einem funktionalen Verhältnis zueinander. Während die Rechtsschutzgarantie den Zugang zum Verfahren sichert, zielt Art. 103 Abs. 1 GG auf einen angemessenen Ablauf des Verfahrens. Wer bei Gericht formell ankommt, soll auch substantiell ankommen, also wirklich gehört werden. Wenn ein Gericht im Verfahren einen Gehörsverstoß begeht, vereitelt es die Möglichkeit, eine Rechtsverletzung vor Gericht effektiv geltend zu machen (vgl. BVerfGE 107, 395 ≪409≫; 119, 292 ≪295 f.≫). Hieraus folgt im Umkehrschluss: Beschränkt sich – wie hier – die Geltendmachung eines Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG der Sache nach auf Umstände, die eine Gehörsverletzung begründen sollen, liegt, wenn eine solche nicht festgestellt werden kann, auch keine Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes vor.
3. Auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Verbot objektiver Willkür begegnen die angegriffenen Entscheidungen keinen durchgreifenden Bedenken.
a) Fraglich ist bereits, ob der Beschwerdeführerin als juristischer Person insoweit die Grundrechtsberechtigung zukommt. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Im Umkehrschluss geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass sich ausländische juristische Personen grundsätzlich nicht auf die Grundrechte berufen und dass sie infolgedessen auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht zur Abwehr objektiv willkürlicher Differenzierungen durch den Gesetzgeber in Anspruch nehmen können (vgl. BVerfGE 21, 207 ≪209≫; 23, 229 ≪233, 236≫). Für das ebenfalls aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Verbot unvertretbarer Rechtsanwendung durch die Gerichte wird nichts anderes gelten können (vgl. auch BVerfGE 21, 207 ≪208 f.≫).
Hier spricht viel dafür, dass die Beschwerdeführerin als ausländische juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG anzusehen ist, weil sich ihr Sitz nicht im Inland befindet (vgl. BVerfGE 21, 207 ≪209≫). Legt man die hierzu im Schrifttum entwickelten Maßstäbe zugrunde (vgl. Quaritsch, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 120 Rn. 48; Tettinger, in: Merten/Papier, HGR II, § 51 Rn. 42; Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 19 III Rn. 78), wird davon auszugehen sein, dass die Beschwerdeführerin ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat. Die in ihrer Internetpräsenz dargestellte Organisationsstruktur der Beschwerdeführerin deutet darauf hin, dass sie effektiv von dort aus geführt wird; jedenfalls hat die Beschwerdeführerin hierzu keine anderen Angaben gemacht. Dass sie in Deutschland eine Repräsentanz beziehungsweise eine Niederlassung unterhält, die über eine eigene Leitung und damit eine gewisse organisatorische Selbständigkeit verfügen mag und zudem als Nachfolgeorganisation im Sinne des Vermögensgesetzes auftritt, dürfte nicht von Bedeutung sein. Denn solche inländischen Niederlassungen allein sollen noch keinen Sitz im Inland begründen (vgl. Quaritsch, a.a.O.). Dass das deutsche Recht im Vermögensgesetz auch eine Tochtergesellschaft der Beschwerdeführerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) vorsieht (vgl. § 2 Abs. 1a Satz 1 VermG), ändert nichts; denn ausweislich der Verfassungsbeschwerdeschrift tritt die Beschwerdeführerin – ebenso wie im Ausgangsverfahren – als Gesellschaft US-amerikanischen Rechts auf.
Diese Frage bedarf vorliegend allerdings keiner abschließenden Entscheidung.
b) Es lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat.
aa) Objektiv unhaltbar im Sinne des in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten objektiven Willkürverbots ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Einen subjektiven Schuldvorwurf enthält die Feststellung von Willkür nicht (vgl. etwa BVerfGE 86, 59 ≪63≫). Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 ≪278 f.≫; 96, 189 ≪203≫).
bb) Hiervon ausgehend ist nicht feststellbar, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unter keinem Gesichtspunkt mehr rechtlich vertretbar wäre.
(a) Dabei kann offen bleiben, ob die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts einfachrechtlich in jeder Hinsicht unangreifbar sind. Denn es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Auslegung des Vermögensrechts durch das oberste Fachgericht nach Art einer Superrevisionsinstanz zu überprüfen. Die Auslegung der Vorschriften des Vermögensrechts ist vielmehr grundsätzlich Sache der zuständigen Fachgerichte, und zwar auch, soweit diese an das frühere alliierte Restitutionsrecht anknüpfen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Rechtsauffassung, für die Beurteilung, ob ein Betroffener zum Kreis der in der NS-Zeit kollektiv Verfolgten gehört habe, seien allein Erkenntnisse und Erkenntnismittel erheblich, die zur Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus zur Verfügung gestanden hätten, mit dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b REAO begründet. Weiter hat es seine Argumentation auf den Zweck der Wiedergutmachungsregelungen gestützt, nur solche Vermögensschädigungen auszugleichen, die auch tatsächlich Resultat einer Verfolgung in der NS-Zeit waren. Diese Argumentation ist nachvollziehbar, da der Anwendungsbereich der alliierten Rückerstattungsgesetze auf derartige „ungerechtfertigte Entziehungen” beschränkt war (vgl. Art. 1 Abs. 1 REAO); sie lässt sich auch ohne weiteres an den Wortlaut des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG anknüpfen (vgl. auch Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 1 VermG Rn. 137, Juli 2004). Vor diesem Hintergrund ist es nicht schlechterdings unvertretbar, wenn das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis diejenigen nicht zum Kreis der kollektiv Verfolgten zählt und ihnen damit die Wirkungen der Verfolgungsvermutung des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b REAO nicht zukommen lässt, die trotz in der NS-Zeit bestehender Zweifel hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zu einer kollektiv verfolgten Gruppe weder objektiv als Teil einer solchen Gruppe behandelt wurden, noch subjektiv davon ausgingen, einer derartigen Bevölkerungsgruppe anzugehören. Denn selbst wenn sich bei einer Betrachtung ex post die tatsächliche Zugehörigkeit des Betreffenden zu einer Gruppe kollektiv Verfolgter bestätigt, so ist es zumindest nicht unvertretbar anzunehmen, dieser sei im Zeitpunkt des Vermögensverlusts keiner kollektiv empfundenen äußeren oder inneren Zwangslage ausgesetzt gewesen, die angesichts der Wirklichkeit im nationalsozialistischen Unrechtsstaat pauschal die Vermutung einer unter dem Druck dieser Zwangslage erfolgten Weggabe eines Vermögenswerts zu rechtfertigen vermag (vgl. auch Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der Alliierten Mächte, 1974, S. 98). Auch der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b REAO schließt eine solche Interpretation zumindest nicht aus.
(b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann auch nicht festgestellt werden, dass sich die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts außerhalb der Grenzen bewegen, die durch die zum alliierten Rückerstattungsrecht entwickelten Grundsätze gezogen sind, und an die der Gesetzgeber mit der Regelung der Restitutionsansprüche von Opfern der NS-Verfolgung in § 1 Abs. 6 VermG – insbesondere mit dem darin enthaltenen Verweis auf die Rückerstattungsanordnung (REAO) – ebenfalls anknüpfen wollte (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 39). Diese Anknüpfung hat zur Folge, dass auch die Rechtsprechung der alliierten Rückerstattungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG herangezogen werden muss (vgl. BVerwGE 114, 68 ≪70≫). Dabei kann hier dahingestellt bleiben, wie weit eine solche Wirkung früherer Rechtsprechung im Einzelnen reicht und welche Bedeutung es aus verfassungsrechtlicher Sicht bei der Prüfung einer Auslegung des einfachen Rechts am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG hätte, wenn das zuständige oberste Fachgericht mit nicht objektiv willkürlichen Erwägungen von Rechtsprechungsgrundsätzen der früheren Rückerstattungsgerichte abwiche. Denn in der Rechtsprechung der obersten Rückerstattungsgerichte findet sich durchaus auch Anhalt für die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts.
So weist etwa eine Entscheidung des für die amerikanische Besatzungszone zuständigen Revisionsgerichts in Rückerstattungssachen, des Court of Restitution Appeals (CORA, Entscheidung vom 9. Mai 1950 – Entsch. Nr. 20, Fall 36 –, RzW 1949/50, S. 272), gewisse Parallelen zu der hier zu beurteilenden Argumentation auf. Der Court of Restitution Appeals hatte zu klären, ob dem Alteigentümer ein Anfechtungsrecht als Kollektivverfolgter nach Art. 4 US-Rückerstattungsgesetz (USREG) zustand, der dem Art. 3 Abs. 3 REAO entsprach. Er verneinte dies mit der tragenden Begründung, dass das Rechtsgeschäft auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus zu Stande gekommen wäre. Der Alteigentümer habe zwar sein Geschäft als jüdischen Betrieb anmelden müssen. Als Verfolgung könne diese Tatsache aber an sich nicht gelten.
Das Gericht fügte seinen Ausführungen weitere Erwägungen hinzu: Wenn der Alteigentümer tatsächlich (fälschlicherweise) geglaubt haben sollte, sein Grundstück in der NS-Zeit als „nichtjüdischen” Besitz anbieten zu können, weil er nie als Jude bezeichnet worden sei, dann bestünde kein Rückerstattungsanspruch, weil schon das Rechtsgeschäft eindeutig nicht unter das Rückerstattungsgesetz falle (vgl. CORA, Entscheidung vom 9. Mai 1950 – Entsch. Nr. 20, Fall 36 –, RzW 1949/50, S. 272 ≪273≫). Das Gericht hielt im Rahmen dieser Sachverhaltsvariante ersichtlich weiter an seiner Auffassung fest, dass die Einstufung des Betriebes des Alteigentümers als „jüdischer Betrieb” gegenüber dem Finanzamt, wenn sie für den Inhaber ohne weitere Konsequenzen blieb, nicht dazu führte, dass er als Jude „bezeichnet” oder behandelt wurde. Es stellte damit erkennbar in rechtlicher Hinsicht im Sinne einer retrospektiven Betrachtung darauf ab, ob der Alteigentümer gerade zum Zeitpunkt des Vermögensverlusts Angehöriger der kollektiv verfolgten Personengruppe war (vgl. Kubuschok/Weißstein, Rückerstattungsrecht, 1950, Art. 3 BREG/USREG Nr. 13). Insoweit kam es dem Gericht also darauf an, ob der Alteigentümer von den NS-Machthabern faktisch als Angehöriger einer kollektiv verfolgten Bevölkerungsgruppe behandelt wurde und sich deshalb objektiv einer Kollektivverfolgung ausgesetzt sah (vgl. dazu auch Board of Review, Entscheidung vom 18. Dezember 1951 – BOR 51/186 –, RzW 1952, S. 79), oder ob er zumindest subjektiv tatsächlich davon ausging, einer kollektiv verfolgten Bevölkerungsgruppe anzugehören (vgl. dazu auch Oberstes Rückerstattungsgericht für Berlin, Entscheidung vom 30. September 1959 – ORG/A/1048 –, ORGE 13, 128 ≪131≫).
Diese Alternativerwägung entspricht im Ergebnis den Bewertungen, die das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ohne dass es in Bezug auf die insoweit maßgeblichen Gesichtspunkte noch auf diejenigen Erkenntnisse und Erkenntnismittel ankäme, die ausgehend von der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts unberücksichtigt geblieben sind.
c) Schließlich lässt sich auch die tatsächliche Würdigung des Bundesverwaltungsgerichts, Friedrich J. habe auf der Grundlage der Erkenntnislage während der NS-Zeit nicht zum Kreis der kollektiv Verfolgten gezählt, verfassungsrechtlich nicht beanstanden.
Das Bundesverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass Friedrich J. sich im maßgeblichen Zeitpunkt subjektiv nicht als Angehöriger einer kollektiv verfolgten Bevölkerungsgruppe sah. Er habe geglaubt „Mischling zweiten Grades” zu sein; zumindest aber sei er über seine wahre Abstammung hinsichtlich seiner Großmutter väterlicherseits im Unklaren gewesen. Überdies hat es angenommen, dass J. auch objektiv nicht als Kollektivverfolgter behandelt wurde. Er sei zwar verschiedentlich von Behörden und einer Ortsgruppe der NSDAP als „Jude” oder „Mischling ersten Grades” bezeichnet worden. Das habe sich aber weder in der Verwaltungspraxis durchgesetzt, noch seien gegen J. irgendwelche relevanten Verfolgungsmaßnahmen ergriffen worden. Zumindest bis 1943 habe er seine Geschäfte unbehelligt fortsetzen können.
Die dem zugrundeliegende Tatsachenwürdigung ist der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfGE 68, 361 ≪372≫; stRspr). Sie bietet auch keinen Anhalt dafür, dass sie schlechterdings unhaltbar sein könnte und deshalb von Verfassungs wegen beanstandet werden müsste.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Bryde, Schluckebier
Fundstellen