Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, von welchen Voraussetzungen die Gewährung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses zur Ergänzung der so genannten “Ostbesoldung” von Verfassungs wegen abhängig gemacht werden darf.
I.
1. § 73 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) lautete in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (BGBl I S. 3434):
§ 73
Überleitungsregelungen aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnungen, die bis zum 31. Dezember 1999 zu erlassen sind, mit Zustimmung des Bundesrates für die Besoldung im Sinne des § 1 und die hierzu erlassenen besonderen Rechtsvorschriften Übergangsregelungen zu bestimmen, die den besonderen Verhältnissen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Rechnung tragen. Diese Verordnungsermächtigung erstreckt sich insbesondere darauf, die Besoldung entsprechend den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen und ihrer Entwicklung in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet abweichend von diesem Gesetz festzusetzen und regelmäßig anzupassen; das gilt auch für andere Leistungen des Dienstherrn sowie für Besonderheiten der Ämtereinstufung und für die Angleichung der Ämter- und Laufbahnstrukturen. Die Übergangsregelungen sind zu befristen.
Die Vorschrift wurde in ihrer ursprünglichen Fassung durch das Gesetz vom 23. September 1990 zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz – und der Vereinbarung vom 18. September 1990 (BGBl II S. 885) in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 3 des Einigungsvertrages (BGBl II S. 889 ≪1139≫) in das Bundesbesoldungsgesetz eingefügt. Sie enthielt eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zunächst bis zum 30. September 1992. Diese Frist wurde mehrmals verlängert, zuletzt durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) bis zum 31. Dezember 2009.
2. Die Bundesregierung hat von der ihr in § 73 BBesG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht und Besoldungs-Übergangsverordnungen erlassen. Durch die Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345) wurden im Beitrittsgebiet die Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes mit besonderen Maßgaben und Abweichungen eingeführt.
a) § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV, der die Höhe der Dienstbezüge regelt, lautete in der ab dem 1. Juli 1991 geltenden Fassung:
§ 2
Bemessung der Dienstbezüge für erstmalig Ernannte
(1) Für Beamte, Richter und Soldaten, die von ihrer erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet werden, betragen die Dienstbezüge (§ 1 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz) 60 vom Hundert der für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezüge; …
Entsprechend der Vorgabe in § 73 Satz 3 BBesG sollte die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung mit Ablauf des 31. Dezember 1993 außer Kraft treten (§ 14 Abs. 3 der 2. BesÜV in der Fassung vom 21. Juni 1991). Diesen Zeitpunkt schob der Gesetz- oder Verordnunggeber mehrfach auf, zuletzt durch Art. 12 Nr. 4 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) bis zum 31. Dezember 2009.
Der für die Bemessung der Dienstbezüge nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV maßgebliche Vomhundertsatz wurde schrittweise angehoben; seit dem 1. Januar 2003 beträgt er 91 v.H.
b) § 4 der 2. BesÜV regelt die Gewährung eines Zuschusses zur Ergänzung der Dienstbezüge von Beamten, Richtern und Soldaten im Beitrittsgebiet, die lediglich einen Anspruch auf abgesenkte Besoldung haben. Die in den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde gelegte, durch Art. 2 und Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2186) rückwirkend ab 1. Juli 1991 geänderte Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV galt vom 1. Juli 1991 bis zum 24. November 1997. Sie lautete:
§ 4
Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge
(1) Beamte, Richter und Soldaten mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 erhalten, wenn sie auf Grund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden, einen ruhegehaltfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen. […]
c) Die Vierte Verordnung zur Änderung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung (4. BesÜVÄndV) vom 17. November 1997 (BGBl I S. 2713) löste diese Fassung mit Wirkung vom 25. November 1997 ab. Der Verordnunggeber macht seither die Gewährung des Zuschusses, die er nunmehr in das Ermessen des Dienstherrn stellt, zusätzlich von einem dringenden dienstlichen Bedürfnis für die Gewinnung des Beamten, Richters oder Soldaten abhängig (§ 4 der 2. BesÜV n.F.). Gemäß § 12 der 2. BesÜV in der durch die 4. BesÜVÄndV geänderten Fassung ist § 4 in der bis zum 24. November 1997 geltenden Fassung (§ 4 der 2. BesÜV a.F.) für Beamte, Richter und Soldaten, die bis zu diesem Tage ernannt worden sind, weiter anzuwenden.
II.
1. a) Die 1967 im Beitrittsgebiet geborene Beschwerdeführerin besuchte nach Beendigung der zehnklassigen polytechnischen Oberschule die erweiterte allgemein bildende polytechnische Oberschule, die sie 1986 mit Bestehen der Reifeprüfung abschloss. Im Juli 1991 beendete sie mit Erfolg ihr Studium als Diplomlehrerin. Mit Wirkung vom 1. September 1991 ernannte die Stadt Recklinghausen die Beschwerdeführerin zur Stadtinspektoranwärterin. Nachdem die Beschwerdeführerin die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst in Nordrhein-Westfalen abgelegt hatte, wurde sie von der Stadt Schmalkalden mit Wirkung vom 7. September 1994 zur Stadtinspektorin z.A. ernannt. Die Ernennung zur Stadtinspektorin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgte im März 1997. Seit der Begründung des Beamtenverhältnisses auf Probe erhält die Beschwerdeführerin abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV.
b) Unter dem 19. Oktober 1995 beantragte die Beschwerdeführerin die Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen rückwirkend ab ihrer Ernennung zur Beamtin auf Probe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.). Die Stadt Schmalkalden weigerte sich, den Antrag zu bescheiden.
2. Die daraufhin erhobene Untätigkeitsklage wies das Verwaltungsgericht Meiningen durch Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 1997 ab. Die Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.). Sie habe nicht alle für die Laufbahn des gehobenen Dienstes erforderlichen Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben. Zum Begriff der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) seien die dienstrechtlich für den Befähigungserwerb erforderlichen Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen zu zählen. Die Beschwerdeführerin habe zwar den für die Laufbahn des gehobenen Dienstes erforderlichen Vorbereitungsdienst (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 des Thüringer Beamtengesetzes – ThürBG – i.V.m. § 30 der Thüringer Verordnung über die Laufbahnen der Beamten – ThürLbVO –) sowie die Laufbahnprüfung (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 ThürBG i.V.m. § 31 ThürLbVO) im bisherigen Bundesgebiet absolviert. Voraussetzung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes sei gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 ThürBG i.V.m. § 29 Nr. 2 ThürLbVO aber weiterhin der Erwerb der Fachhochschulreife oder einer anderen zu einem Hochschulstudium berechtigenden Schulbildung. Diese Voraussetzung habe die Beschwerdeführerin nicht im bisherigen Bundesgebiet, sondern mit der Ablegung der Reifeprüfung an einer erweiterten allgemein bildenden polytechnischen Oberschule im Beitrittsgebiet erfüllt.
3. Nachdem die Beschwerdeführerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hatte, wies das Verwaltungsgericht Meiningen die Klage durch Urteil vom 5. Februar 1998 unter Bezugnahme auf die Begründung des Gerichtsbescheids ab.
4. Den hierauf gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Thüringer Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 24. August 1999 ab, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorlägen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Zulassungsantrag zeige weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung noch besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten auf. Vielmehr erweise sich die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht schon auf Grund der im Zulassungsverfahren allein möglichen und gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage als zutreffend. Bei dieser Prüfung stelle sich auch keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage. Die Beschwerdeführerin habe offensichtlich keinen Anspruch auf einen ruhegehaltfähigen Zuschuss gemäß § 4 der 2. BesÜV (a.F.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließe, umfasse der in § 4 der 2. BesÜV (a.F.) verwandte Begriff der Befähigungsvoraussetzungen die dienstrechtlich für den Befähigungserwerb geforderten Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, mit der Folge, dass der Anspruch auf einen ruhegehaltfähigen Zuschuss nur dann bestehe, wenn der nach dem Laufbahnrecht für die jeweilige Laufbahn erforderliche Vorbildungsabschluss, der Vorbereitungsdienst im laufbahnrechtlichen Rahmen und – soweit vorgeschrieben – die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert worden seien. Der Beschluss ging der Beschwerdeführerin am 3. September 1999 zu.
III.
Mit der am 4. Oktober 1999 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sowie aus Art. 33 Abs. 5 GG. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
Die von den Gerichten vorgenommene Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG sowie gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Die Ungleichbehandlung liege darin, dass hiernach Beamten-gruppen mit gleicher beruflicher Qualifikation und Ausbildung nur deshalb unterschiedlich zu besolden seien, weil sie über eine unterschiedliche Schulbildung verfügten. Die unterschiedliche Schulbildung stelle jedoch keinen gewichtigen Grund dar, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könne. Für die Zuschussgewährung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) komme es maßgeblich auf die im bisherigen Bundesgebiet erlangte fachliche Qualifikation an. Sinn und Zweck der Zuschussregelung sei es gewesen, fachlich geschultes Personal aus dem bisherigen Bundesgebiet zu gewinnen. Dies schließe das Zurückgewinnen von in den alten Ländern fachlich ausgebildeten, aber aus dem Beitrittsgebiet stammenden Beamten ein. Das Differenzierungsmerkmal der Mobilität, die Beamte, die aus dem bisherigen Bundesgebiet stammten, bewiesen, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt nach der beruflichen Ausbildung in die neuen Länder verlegten, trage nicht. Auch sie habe Mobilität gezeigt, indem sie ins Beitrittsgebiet zurückgekehrt sei. Die Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts verstoße im Übrigen gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Berufung sei ohne sachlichen Grund nicht zugelassen worden. Das Oberverwaltungsgericht habe sich ohne eigene Rechtsprüfung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen, die aber die Tragweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes verkenne.
IV.
Zur Vereinbarkeit von § 4 der 2. BesÜV mit dem Grundgesetz liegen Stellungnahmen des Bundesministeriums des Innern und der Regierung des Freistaats Thüringen vor. Sie halten die Vorschrift unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für verfassungsgemäß.
Entscheidungsgründe
B.
Die Kammer nimmt in Abänderung des Beschlusses der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Juli 2000 die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer sind gegeben. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zur Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 101, 54 ≪101≫; 103, 310 ≪318 ff.≫; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 –, Umdruck S. 17 ff.).
I.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Verfassungsrechtlicher Maßstab ist der allgemeine Gleichheitssatz, nicht dagegen das speziellere Verbot der Diskriminierung wegen der Heimat gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 –, Umdruck S. 17 f.).
a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪329≫; 83, 89 ≪107 f.≫; 103, 310 ≪318≫).
Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Ob die Auswahl sachgerecht ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts (vgl. BVerfGE 17, 122 ≪130≫; 53, 313 ≪329≫; 75, 108 ≪157≫; 103, 310 ≪318≫). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt daher seine Konkretisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl. BVerfGE 42, 374 ≪388≫; 75, 108 ≪157≫; 78, 232 ≪247≫; 100, 138 ≪174≫; 101, 54 ≪101≫).
b) Beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens (vgl. BVerfGE 13, 356 ≪366 f.≫; 26, 141 ≪158≫), innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Dem Bundesverfassungsgericht ist die Prüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertentscheidungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl. BVerfGE 65, 141 ≪148 f.≫; 103, 310 ≪319 f.≫). Dieser Maßstab ist nicht nur von dem Gesetz- und Verordnunggeber, sondern auch von der Verwaltung und den Gerichten bei der Auslegung und Anwendung besoldungsrechtlicher Vorschriften anzulegen.
2. Gemessen hieran haben die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) den Regelungsgehalt von Art. 3 Abs. 1 GG verkannt. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Befähigungsvoraussetzungen in Anlehnung an das Laufbahnrecht sowie der daraus folgende Begünstigungsausschluss der Beschwerdeführerin, die nicht die allgemeine Hochschulreife, aber alle sonstigen laufbahnrechtlichen Voraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben hat, überschreitet die durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gezogene Grenze.
a) Mit der Zuschussregelung nach § 4 der 2. BesÜV (a.F.) verfolgte der Verordnunggeber das von der Ermächtigungsgrundlage des § 73 BBesG gedeckte Ziel, die Mobilität von Beamten, Richtern und Soldaten zu fördern und qualifiziertes Personal zu gewinnen, das in den neuen Ländern zum sofortigen Aufbau einer rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege entsprechend den Vorgaben des Art. 20 des Einigungsvertrages dringend benötigt wurde (vgl. BRDrucks 215/91, S. 1 f.; BRDrucks 215/91, S. 22). Gleichzeitig sollte durch die Gewinnung von Fachkräften aus dem bisherigen Bundesgebiet das Vertrauen der Bürger der neuen Länder in Justiz und Verwaltung gestärkt werden (vgl. dazu Battis, Die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung, in: LKV 1992, S. 12).
b) Im Hinblick auf das Ziel der schnellen Gewinnung von dringend benötigtem Fachpersonal hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 – im Fall des Begünstigungsausschlusses eines Richters, der die universitäre Vorbildung nicht im bisherigen Bundesgebiet erworben hat, entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, die Gewährung des Zuschusses an Richter davon abhängig zu machen, ob das nach § 5 des Deutschen Richtergesetzes – DRiG – zu den laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zählende rechtswissenschaftliche Studium sowie die erste juristische Staatsprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert worden sind. Bei dem rechtswissenschaftlichen Studium handelt es sich um eine fachbezogene Vorbildung. Es vermittelt für den Vorbereitungsdienst grundlegende fachbezogene Inhalte, die im späteren Amt fortwirken; ihm kommt deshalb laufbahnrechtlich ein bedeutendes Gewicht zu. Aus diesem Grund ist eine Auslegung, die das rechtswissenschaftliche Studium und die erste juristische Staatsprüfung zu den Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) zählt, mit Art. 3 Abs. 1 GG noch vereinbar (vgl. Umdruck S. 20 f.).
c) Hiervon ausgehend ist es demgegenüber nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren, die Zuschussgewährung an Beamte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) davon abhängig zu machen, ob der Abschluss einer allgemein bildenden Schule oder einer Berufsausbildung, die nach den laufbahnrechtlichen Vorschriften an die Stelle des Abschlusses einer bestimmten allgemein bildenden Schule treten kann, im bisherigen Bundesgebiet erworben worden ist. Es handelt sich zwar auch hier um laufbahnrechtlich vorausgesetzte Vorbildungen (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BRRG; § 19 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 ThürBG i.V.m. den entsprechenden Vorschriften der Thüringer Verordnung über die Laufbahnen der Beamten); sie vermitteln aber in der Regel nicht die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahr-nehmung der Amtsaufgaben (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 –, Umdruck S. 21), sondern allgemeine (Grund-)Kenntnisse und (Grund-)Fähigkeiten, auf denen die weitere laufbahnbezogene Ausbildung aufbaut (vgl. Zängl, in: Fürst, GKÖD ≪Stand Juli 2003≫, Bd. I, K… vor § 15 Rn. 14). Der Schulbildung oder einer als gleichwertig angesehenen Berufsausbildung kommt somit – anders als dem für die Laufbahn des höheren Dienstes geforderten Hochschulstudium (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 BRRG) – für die Erreichung des mit der Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) verfolgten Zwecks, ausreichend fachlich qualifiziertes Personal für den unverzüglichen Aufbau einer leistungsfähigen rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege in den neuen Ländern zu gewinnen, nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die fachliche Qualifikation, auf die es insofern maßgeblich ankommt, wird regelmäßig erst durch den Vorbereitungsdienst und – soweit vorgeschrieben – die Laufbahnprüfung erworben. Damit bestehen zwischen Beamten des gehobenen Dienstes, die – wie die Beschwerdeführerin – ihren Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert, aber im Beitrittsgebiet das Abitur erworben haben, und hinsichtlich ihrer Ausbildung vergleichbaren Beamten, die das Abitur in den alten Ländern erlangt haben, im Hinblick auf ihre fachliche Qualifikation keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine Versagung des Zuschusses sachlich rechtfertigen könnten. Der Zweck der Gewinnung von qualifiziertem Fachpersonal aus dem bisherigen Bundesgebiet ist auch dann erreicht, wenn ein Beamter des gehobenen Dienstes dort die laufbahnbezogene Ausbildung erfolgreich durchlaufen hat. Um eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung zu vermeiden, ist es daher geboten, das Tatbestandsmerkmal der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) dahingehend auszulegen, dass es nicht darauf ankommt, wo der zu den Vorbildungsvoraussetzungen gehörende allgemein bildende Schulabschluss oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand erworben wurde.
Dem haben die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen nicht Rechnung getragen. Die Entscheidungen beruhen auf einer nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.).
II.
1. Wegen des festgestellten Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG sind die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben, ohne dass auf die Frage einzugehen ist, ob auch andere Grundrechte oder sonstige grundgesetzliche Normen verletzt sind. Die Sache ist an das Verwaltungsgericht Meiningen zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
2. Der Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jentsch, Broß, Lübbe-Wolff
Fundstellen
Haufe-Index 1084364 |
ThürVBl. 2004, 139 |