Verfahrensgang
Tenor
- Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2000 – BVerwG 2 C 12.99 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
- Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, dass der Besoldung des Beschwerdeführers die im Gebiet der neuen Länder für Beamte, Richter und Soldaten geltenden Übergangsvorschriften zu Grunde gelegt worden sind. Neben der Vereinbarkeit der so genannten “Ostbesoldung” mit dem Grundgesetz ist strittig, von welchen Voraussetzungen die Gewährung eines diese Besoldung ergänzenden ruhegehaltfähigen Zuschusses von Verfassungs wegen abhängig gemacht werden darf.
I.
1. § 73 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) lautete in der hier maßgeblichen Fassung vom 19. November 1999 (BGBl I S. 2198):
§ 73
Überleitungsregelungen aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnungen, die bis zum 31. Dezember 2002 zu erlassen sind, mit Zustimmung des Bundesrates für die Besoldung im Sinne des § 1 und die hierzu erlassenen besonderen Rechtsvorschriften Übergangsregelungen zu bestimmen, die den besonderen Verhältnissen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Rechnung tragen. Diese Verordnungsermächtigung erstreckt sich insbesondere darauf, die Besoldung entsprechend den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen und ihrer Entwicklung in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet abweichend von diesem Gesetz festzusetzen und regelmäßig anzupassen; das gilt auch für andere Leistungen des Dienstherrn sowie für Besonderheiten der Ämtereinstufung und für die Angleichung der Ämter- und Laufbahnstrukturen. Die Übergangsregelungen sind zu befristen.
Die Vorschrift wurde in ihrer ursprünglichen Fassung durch das Gesetz vom 23. September 1990 zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz – und der Vereinbarung vom 18. September 1990 (BGBl II S. 885) in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 3 des Einigungsvertrages (BGBl II S. 889 ≪1139≫) in das Bundesbesoldungsgesetz eingefügt. Sie enthielt eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zunächst bis zum 30. September 1992. Diese Frist wurde mehrmals verlängert, zuletzt durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) bis zum 31. Dezember 2009.
2. Die Bundesregierung hat von der ihr in § 73 BBesG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht und Besoldungs-Über-gangsverordnungen erlassen. Durch die Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345) wurden im Beitrittsgebiet die Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes mit besonderen Maßgaben und Abweichungen eingeführt.
a) § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV, der die Höhe der Dienstbezüge regelt, lautete in der ab dem 1. Juli 1991 geltenden Fassung:
§ 2
Bemessung der Dienstbezüge für erstmalig Ernannte
(1) Für Beamte, Richter und Soldaten, die von ihrer erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet werden, betragen die Dienstbezüge (§ 1 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz) 60 vom Hundert der für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezüge; …
Entsprechend der Vorgabe in § 73 Satz 3 BBesG sollte die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung mit Ablauf des 31. Dezember 1993 außer Kraft treten (§ 14 Abs. 3 der 2. BesÜV in der Fassung vom 21. Juni 1991). Diesen Zeitpunkt schob der Gesetz- oder Verordnunggeber mehrfach auf, zuletzt durch Art. 12 Nr. 4 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) bis zum 31. Dezember 2009.
Der für die Bemessung der Dienstbezüge nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV maßgebliche Vomhundertsatz wurde schrittweise angehoben; seit dem 1. Januar 2003 beträgt er 91 v.H.
b) § 4 der 2. BesÜV regelt die Gewährung eines Zuschusses zur Ergänzung der Dienstbezüge von Beamten, Richtern und Soldaten im Beitrittsgebiet, die lediglich einen Anspruch auf abgesenkte Besoldung haben. Die in der angegriffenen Entscheidung zu Grunde gelegte, durch Art. 2 und Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2186) rückwirkend ab 1. Juli 1991 geänderte Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV galt vom 1. Juli 1991 bis zum 24. November 1997. Sie lautete:
§ 4
Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge
(1) Beamte, Richter und Soldaten mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 erhalten, wenn sie auf Grund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden, einen ruhegehaltfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen. […]
c) Die Vierte Verordnung zur Änderung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung (4. BesÜVÄndV) vom 17. November 1997 (BGBl I S. 2713) löste diese Fassung mit Wirkung vom 25. November 1997 ab. Der Verordnunggeber macht seither die Gewährung des Zuschusses, die er nunmehr in das Ermessen des Dienstherrn stellt, zusätzlich von einem dringenden dienstlichen Bedürfnis für die Gewinnung des Beamten, Richters oder Soldaten abhängig (§ 4 der 2. BesÜV n.F.). Gemäß § 12 der 2. BesÜV in der durch die 4. BesÜVÄndV geänderten Fassung ist § 4 in der bis zum 24. November 1997 geltenden Fassung (§ 4 der 2. BesÜV a.F.) für Beamte, Richter und Soldaten, die bis zu diesem Tage ernannt worden sind, weiter anzuwenden.
II.
1. a) Der 1968 im Beitrittsgebiet geborene Beschwerdeführer besuchte die zehnklassige polytechnische Oberschule und absolvierte eine Lehre als Zimmermann. Von Anfang September 1989 bis Ende Dezember 1990 war er an der Fachschule für Verwaltung und Rechtspflege in Weimar immatrikuliert. Im März 1991 schloss der Beschwerdeführer mit dem Land Sachsen-Anhalt einen Vertrag über die Ausbildung zum Rechtspfleger. Die Ausbildung sollte in Niedersachsen nach den dort geltenden Ausbildungsvorschriften abgeleistet werden. Im Laufe der Ausbildung ernannte das Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt den Beschwerdeführer zum Beamten auf Widerruf. Nachdem der Beschwerdeführer die Abschlussprüfung für den gehobenen Justizdienst in Niedersachsen erfolgreich abgelegt hatte, wurde er in Sachsen-Anhalt mit Wirkung vom 18. April 1994 zum Justizinspektor z.A. ernannt. Die Ernennung zum Justizinspektor unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgte im August 1995. Seit der Begründung des Beamtenver-hältnisses auf Probe erhält er abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV.
b) Unter dem 10. Januar 1995 erhob der Beschwerdeführer Widerspruch gegen die Festsetzung seiner Dienstbezüge und beantragte die Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.). Das Regierungspräsidium Halle wies das Begehren des Beschwerdeführers durch Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1995 zurück.
2. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Halle durch Urteil vom 26. Januar 1999 statt. Der Beschwerdeführer habe einen Anspruch auf Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.), weil er den Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert habe. Seine für die Laufbahn des gehobenen Dienstes erforderliche Schulbildung gehöre nicht zu den Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.). Dem Anspruch auf Gewährung des Zuschusses stehe auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer während seiner Ausbildung Beamter auf Widerruf des Landes Sachsen-Anhalt gewesen sei. Maßgeblich sei allein, dass der Beschwerdeführer den gesamten Vorbereitungsdienst tatsächlich in Niedersachsen geleistet habe.
3. Durch Urteil vom 20. Januar 2000 hob das Bundesverwaltungsgericht auf die Sprungrevision des Regierungspräsidiums Halle hin das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage des Beschwerdeführers ab. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf einen ruhegehaltfähigen Zuschuss gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.), weil er nicht sämtliche Befähigungsvoraussetzungen für die Laufbahn des gehobenen Dienstes im bisherigen Bundesgebiet erworben habe. Der Be-griff der Befähigungsvoraussetzungen umfasse die für die jeweilige Laufbahn geforderten Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, d.h. den Vorbildungsabschluss, den Vorbereitungsdienst im laufbahnrechtlichen Rahmen und – soweit vorgeschrieben – die Laufbahnprüfung. Für das Amt des Rechts-pflegers fordere § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rechtspflegergesetzes – RpflG – in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 2 Nr. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes – BRRG – als Vorbildung eine zum Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder einen als gleichwertig anerkannten Bildungsstand. Diese dienstrechtlich verlangte Vorbildung habe der Beschwerdeführer nicht im bisherigen Bundesgebiet erlangt. Die vom Dienstherrn als gleichwertig anerkannte Vorbildung habe er im Beitrittsgebiet erhalten. Damit sei die begehrte Zuschussgewährung ausgeschlossen. Die Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) sei ebenso mit höherrangigem Recht zu vereinbaren wie die vom Beschwerdeführer beanstandete Besoldungsabsenkung in den neuen Ländern. Das Urteil ging dem Beschwerdeführer am 25. Februar 2000 zu.
III.
Mit der am 22. März 2000 gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
1. Die von Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG abweichende Besoldung in den neuen Ländern sei nach Ablauf der in Art. 143 GG vorgesehenen Übergangsfrist nicht mehr mit der Verfassung vereinbar. Das zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehörende Alimentationsprinzip gebiete es, Beamten mit gleichen Dienstposten derselben Laufbahn die gleiche Besoldung zu gewähren. Weiterhin verlange es, dass den Beamten eine angemessene Lebensführung entsprechend der Entwicklung der allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards zu ermöglichen sei. Gemessen hieran sei die unterschiedliche Besoldung in Ost und West nicht mehr zu rechtfertigen, weil sich die Lebenshaltungskosten in den neuen und in den alten Ländern weitgehend angenähert hätten.
2. Darüber hinaus verkenne die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) die Tragweite des allgemeinen Gleichheitssatzes. Sie führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung zwischen Beamten des gehobenen Dienstes und Beamten des höheren Dienstes oder Richtern. Bei der Frage, ob einem in den neuen Ländern erstmalig ernannten Richter ein Zuschuss zur abgesenkten Besoldung zu gewähren sei, komme es nach dieser Auslegung lediglich darauf an, ob das Studium, die Referendarzeit und die beiden Staatsprüfungen im bisherigen Bundesgebiet absolviert worden seien. Die allgemeine Schulbildung sei ohne Belang. In den neuen Ländern erstmals tätige Richter oder Beamte des höheren Dienstes hätten somit trotz eines im Beitrittsgebiet erlangten Schulabschlusses durch die entsprechende Wahl ihres Studienortes und des Ortes für den Vorbereitungsdienst in den “Genuss des Zuschlags” kommen können. Er hingegen habe von vornherein nicht die Möglichkeit gehabt, durch eine entsprechende Wahl des Ausbildungsortes den ruhegehaltfähigen Zuschuss zu erlangen, weil in seinem Fall die allgemeine Schulbildung laufbahnrechtlich Vorbildungsvoraussetzung sei. Dies zeige, dass das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der Befähigungsvoraussetzungen für die einzelnen Laufbahnen nur scheinbar identisch auslege. Die Differenzierung zwischen “Befähigungsvoraussetzungen” einerseits und “Befähigung” andererseits sei nicht zu rechtfertigen.
IV.
1. Zur Verfassungsmäßigkeit von § 73 BBesG haben u.a. das Bundesministerium des Innern für die Bundesregierung, das Sächsische Staatsministerium der Justiz und die Staatskanzlei des Freistaats Thüringen für die jeweiligen Landesregierungen sowie der Deutsche Beamtenbund und der Deutsche Richterbund Stellung genommen.
2. Zur Vereinbarkeit von § 4 der 2. BesÜV mit dem Grundgesetz liegen Stellungnahmen des Bundesministeriums des Innern und der Regierung des Freistaats Thüringen vor. Sie halten die Vorschrift unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für verfassungsgemäß.
Entscheidungsgründe
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer sind gegeben. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zur Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 101, 54 ≪101≫; 103, 310 ≪318 ff.≫; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 – Umdruck, S. 17 ff. m.w.N.).
I.
Die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Zwar wird der Beschwerdeführer nicht durch die Gewährung der abgesenkten Besoldung gemäß § 73 BBesG, § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Insoweit wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 – 2 BvL 3/00 – Bezug genommen. Danach ist die Aufrechterhaltung zweier unterschiedlicher Besoldungen in Ost und West derzeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Jedoch ist der Beschwerdeführer dadurch, dass das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) verneint hat, in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪329≫; 83, 89 ≪107 f.≫; 103, 310 ≪318≫).
Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Ob die Auswahl sachgerecht ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts (vgl. BVerfGE 17, 122 ≪130≫; 53, 313 ≪329≫; 75, 108 ≪157≫; 103, 310 ≪318≫). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt daher seine Konkretisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl. BVerfGE 42, 374 ≪388≫; 75, 108 ≪157≫; 78, 232 ≪247≫; 100, 138 ≪174≫; 101, 54 ≪101≫).
b) Beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens (vgl. BVerfGE 13, 356 ≪366 f.≫; 26, 141 ≪158≫), innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Dem Bundesverfassungsgericht ist die Prüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertentscheidungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl. BVerfGE 65, 141 ≪148 f.≫; 103, 310 ≪319 f.≫). Dieser Maßstab ist nicht nur im Verhältnis zum Gesetz- und Verordnunggeber anzulegen, sondern auch im Verhältnis zu Verwaltung und Gerichten, soweit diese besoldungsrechtliche Vorschriften auslegen und anwenden.
c) Gemessen hieran ist die der angegriffenen Entscheidung zu Grunde liegende Auslegung der Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht praktizierten Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Befähigungsvoraussetzungen in Anlehnung an das Laufbahnrecht hängt die Gewährung des Zuschusses bei dem Beschwerdeführer als Beamten des gehobenen Dienstes – anders als bei einem Richter oder bei einem Beamten des höheren Dienstes – auch davon ab, ob die zu einem Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand im bisherigen Bundesgebiet erworben worden ist. Dies überschreitet die durch den allgemeinen Gleichheitssatz gezogene Grenze, weil es im Hinblick auf das mit der Zuschussregelung verfolgte Ziel sachlich nicht zu rechtfertigen ist.
aa) Mit der Zuschussregelung nach § 4 der 2. BesÜV (a.F.) verfolgte der Verordnunggeber das von der Ermächtigungsgrundlage des § 73 BBesG gedeckte Ziel, die Mobilität von Beamten, Richtern und Soldaten zu fördern und qualifiziertes Personal zu gewinnen, das in den neuen Ländern zum sofortigen Aufbau einer rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege entsprechend den Vorgaben des Art. 20 des Einigungsvertrages dringend benötigt wurde (vgl. BRDrucks 215/91, S. 1 f.; BRDrucks 215/91, S. 22). Gleichzeitig sollte durch die Gewinnung von Fachkräften aus dem bisherigen Bundesgebiet das Vertrauen der Bürger der neuen Länder in Justiz und Verwaltung gestärkt werden (vgl. dazu Battis, Die Zweite Besoldungs-Übergangsver-ordnung, in: LKV 1992, S. 12).
bb) In Anbetracht des Ziels der schnellen Gewinnung von dringend benötigtem Fachpersonal hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 – im Fall des Begünstigungsausschlusses eines Richters, der die universitäre Vorbildung nicht im bisherigen Bundesgebiet erworben hat, entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, die Gewährung des Zuschusses an Richter davon abhängig zu machen, ob das nach § 5 des Deutschen Richtergesetzes – DRiG – zu den laufbahnrechtlichen Vorbildungsvoraussetzungen zählende rechtswissenschaftliche Studium sowie die erste juristische Staatsprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert worden sind. Denn bei dem rechtswissenschaftlichen Studium handelt es sich um eine fachbezogene Vorbildung. Es vermittelt für den Vorbereitungsdienst grundlegende fachbezogene Inhalte, die im späteren Amt fortwirken; ihm ist deshalb laufbahnrechtlich ein bedeutendes Gewicht zuzumessen (vgl. Umdruck S. 20 f.). Damit kommt es für die Gewährung des Zuschusses an Richter maßgeblich darauf an, ob die fachliche Qualifikation im bisherigen Bundesgebiet erlangt worden ist.
cc) Führt demgegenüber die Auslegung des in § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) verwandten Begriffs der Befähigungsvoraussetzungen in Anlehnung an das Laufbahnrecht dazu, dass die Gewährung des Zuschusses an Beamte der Laufbahnen des einfachen, mittleren und gehobenen Dienstes davon abhängt, ob der Abschluss einer allgemein bildenden Schule oder eine als gleichwertig angesehene Berufsausbildung im bisherigen Bundesgebiet erworben worden ist, erscheint dies nicht mehr sachgerecht. Es handelt sich zwar auch hier um laufbahnrechtlich vorausgesetzte Vorbildungen (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BRRG); mit ihnen wird aber nicht an die fachliche Qualifikation angeknüpft. Sie vermitteln in der Regel keine spezifisch fachbezogenen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben erforderlich sind (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 –, Umdruck S. 21), sondern allgemeine (Grund-)Kenntnisse und (Grund-)Fähigkeiten, auf denen die weitere laufbahnbezogene Ausbildung aufbaut (vgl. Zängl, in: Fürst, GKÖD [Stand Juli 2003], Bd. I…, K… vor § 15 BBG Rn. 14). Der Schulbildung oder einer als gleichwertig anerkannten Vorbildung kommt somit für die Erreichung des mit der Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) verfolgten Zwecks, ausreichend fachlich qualifiziertes Personal für den unverzüglichen Aufbau einer leistungsfähigen rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege in den neuen Ländern zu gewinnen, nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die fachliche Qualifikation wird regelmäßig erst durch den Vorbereitungsdienst und – soweit vorgeschrieben – die Laufbahnprüfung erlangt. Es ist daher gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geboten, das Tatbestandsmerkmal der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) dahin auszulegen, dass es nur die spezifisch fachbezogene Vorbildung, nicht aber den zu den Vorbildungsvoraussetzungen der Laufbahnen des einfachen, mittleren und gehobenen Dienstes gehörenden allgemein bildenden Schulabschluss oder einen als gleichwertig anerkannten Bildungsstand umfasst. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung nicht beachtet. Die Entscheidung beruht auf einer nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.).
II.
1. Wegen des festgestellten Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist das angegriffene Urteil aufzuheben. Die Sache ist an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
2. Der Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jentsch, Broß, Lübbe-Wolff
Fundstellen
Haufe-Index 1083227 |
NVwZ 2004, 337 |
ZBR 2004, 169 |
ZTR 2004, 218 |
DÖD 2004, 24 |
DVBl. 2004, 761 |