Tenor
1. Soweit der Antrag sich auf § 14 Absatz 3 des Luftsicherheitsgesetzes in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 78) bezog, wird das Verfahren eingestellt.
2. § 13 Absatz 3 Satz 2 und 3 des Luftsicherheitsgesetzes in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 78) ist mit Artikel 35 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
3. Im Übrigen sind die §§ 13 bis 15 des Luftsicherheitsgesetzes in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 78), geändert durch Artikel 7 Nummer 2 des Gesetzes zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften vom 29. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 2424) – soweit nicht als Folge der Nichtigerklärung des § 14 Absatz 3 des Luftsicherheitsgesetzes durch das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 – gegenstandslos geworden (§ 14 Absatz 4 Satz 1 Luftsicherheitsgesetz und die in § 15 Absatz 1 und 2 Luftsicherheitsgesetz enthaltenen Bezugnahmen auf § 14 Absatz 3 Luftsicherheitsgesetz) – in den genannten Fassungen mit dem Grundgesetz vereinbar.
4. § 16 Absatz 2 und Absatz 3 Satz 2 und 3 des Luftsicherheitsgesetzes in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 78) sowie Artikel 2 Nummer 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Tatbestand
A.
Der Antrag im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle betrifft die Vorschriften des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) zur Verwendung der Streitkräfte bei einem besonders schweren Unglücksfall (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG), der von einem Luftfahrzeug ausgeht (§§ 13 bis 15 LuftSiG), sowie die gesetzlichen Bestimmungen, die es dem Bund erlauben, Luftsicherheitsaufgaben, die den Ländern zur Ausführung in Auftragsverwaltung übertragen sind (§ 16 Abs. 2 LuftSiG), durch Entscheidung des Bundesministeriums des Innern wieder an sich zu ziehen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 LuftSiG, Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 ≪BGBl I S. 78≫).
I.
1. Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (BGBl I S. 78) und – als dessen Artikel 1 – das Luftsicherheitsgesetz traten am 15. Januar 2005 in Kraft (zu den Hintergründen BVerfGE 115, 118 ≪119 ff.≫). Die im Antrag genannten Bestimmungen sind in der damaligen Fassung zur Prüfung gestellt. In dieser Fassung haben sie folgenden Wortlaut:
§ 13 LuftSiG
Entscheidung der Bundesregierung
(1) Liegen auf Grund eines erheblichen Luftzwischenfalls Tatsachen vor, die im Rahmen der Gefahrenabwehr die Annahme begründen, dass ein besonders schwerer Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 des Grundgesetzes bevorsteht, können die Streitkräfte, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, zur Unterstützung der Polizeikräfte der Länder im Luftraum zur Verhinderung dieses Unglücksfalles eingesetzt werden.
(2) Die Entscheidung über einen Einsatz nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes trifft auf Anforderung des betroffenen Landes der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern. Ist sofortiges Handeln geboten, ist das Bundesministerium des Innern unverzüglich zu unterrichten.
(3) Die Entscheidung über einen Einsatz nach Artikel 35 Abs. 3 des Grundgesetzes trifft die Bundesregierung im Benehmen mit den betroffenen Ländern. Ist eine rechtzeitige Entscheidung der Bundesregierung nicht möglich, so entscheidet der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern. Die Entscheidung der Bundesregierung ist unverzüglich herbeizuführen. Ist sofortiges Handeln geboten, sind die betroffenen Länder und das Bundesministerium des Innern unverzüglich zu unterrichten.
(4) Das Nähere wird zwischen Bund und Ländern geregelt. Die Unterstützung durch die Streitkräfte richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes.
§ 14 LuftSiG
Einsatzmaßnahmen, Anordnungsbefugnis
(1) Zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die Streitkräfte im Luftraum Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben.
(2) Von mehreren möglichen Maßnahmen ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Maßnahme darf nur so lange und so weit durchgeführt werden, wie ihr Zweck es erfordert. Sie darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.
(3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist.
(4) Die Maßnahme nach Absatz 3 kann nur der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung anordnen. Im Übrigen kann der Bundesminister der Verteidigung den Inspekteur der Luftwaffe generell ermächtigen, Maßnahmen nach Absatz 1 anzuordnen.
§ 15 LuftSiG
Sonstige Maßnahmen
(1) Die Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 dürfen erst nach Überprüfung sowie erfolglosen Versuchen zur Warnung und Umleitung getroffen werden. Zu diesem Zweck können die Streitkräfte auf Ersuchen der für die Flugsicherung zuständigen Stelle im Luftraum Luftfahrzeuge überprüfen, umleiten oder warnen. Ein generelles Ersuchen ist zulässig. Die Voraussetzungen für ein Tätigwerden werden in diesem Fall durch vorherige Vereinbarung festgelegt.
(2) Der Bundesminister der Verteidigung kann den Inspekteur der Luftwaffe generell ermächtigen, Maßnahmen nach Absatz 1 anzuordnen. Der Inspekteur der Luftwaffe hat den Bundesminister der Verteidigung unverzüglich über Situationen zu informieren, die zu Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 führen könnten.
(3) Die sonstigen Vorschriften und Grundsätze der Amtshilfe bleiben unberührt.
§ 16 LuftSiG
Zuständigkeiten
(1) …
(2) Die Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden nach diesem Gesetz und nach der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABl. EG Nr. L 355 S. 1) werden von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt, soweit in den Absätzen 3 und 4 nichts anderes bestimmt ist.
(3) … Im Übrigen können die Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden nach diesem Gesetz in bundeseigener Verwaltung ausgeführt werden, wenn dies zur Gewährleistung der bundeseinheitlichen Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen erforderlich ist. In den Fällen des Satzes 2 werden die Aufgaben von der vom Bundesministerium des Innern bestimmten Bundesbehörde wahrgenommen; das Bundesministerium des Innern macht die Übernahme von Aufgaben sowie die zuständigen Bundesbehörden im Bundesanzeiger bekannt.
(4) …
Art. 2 Nr. 10 Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben
Änderung des Luftverkehrsgesetzes
Das Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 1999 (BGBl. I S. 550), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 6. April 2004 (BGBl. I S. 550, 1027), wird wie folgt geändert:
…
10. § 31 Abs. 2 wird wie folgt geändert:
- In Nummer 18 wird das Semikolon am Ende durch einen Punkt ersetzt.
- Nummer 19 wird aufgehoben.
…
Bei dem gemäß Buchstabe b) dieser Bestimmung aufgehobenen § 31 Abs. 2 Nr. 19 des LuftVG a.F. handelte es sich um die frühere Regelung zur Art und Weise der Ausführung von Aufgaben des Schutzes vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs. Für diese Aufgaben war danach grundsätzlich die Ausführung durch die Länder im Auftrage des Bundes vorgesehen und die Möglichkeit der Ausführung in bundeseigener Verwaltung – nur – auf Antrag eines Landes eröffnet.
2. Die wiedergegebenen Bestimmungen sind zwischenzeitlich nur unwesentlich geändert worden. In § 15 Abs. 1 Satz 2 LuftSiG wurden die Wörter „für die Flugsicherung zuständigen Stelle” durch das Wort „Flugsicherungsorganisation” (Gesetz zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2424) und in § 16 Abs. 4 Satz 2 LuftSiG die Wörter „Verkehr, Bau- und Wohnungswesen” durch die Wörter „Verkehr, Bau und Stadtentwicklung” ersetzt (Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl I S. 2407).
II. …
1. Der Normenkontrollantrag ging am 28. April 2005 beim Bundesverfassungsgericht ein. Die Bearbeitung des Verfahrens wurde zurückgestellt bis zur Entscheidung des Ersten Senats über mehrere anhängige Verfassungsbeschwerden gegen § 14 Abs. 3 LuftSiG.
2. Mit Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 – (BVerfGE 115, 118) erklärte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts § 14 Abs. 3 LuftSiG für mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 87a Abs. 2 und Art. 35 Abs. 2 und 3 sowie in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig. Für die Bestimmung fehle die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Dessen Befugnis, gesetzliche Regelungen zum Einsatz der Streitkräfte im regionalen oder überregionalen Katastrophennotstand zu treffen, könne nicht auf Art. 73 Nr. 1 oder Art. 73 Nr. 6 GG gestützt werden, sondern folge unmittelbar aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG selbst (a.a.O., S. 140 f.). Von der durch diese Verfassungsnormen eröffneten Kompetenz sei § 14 Abs. 3 LuftSiG nicht gedeckt (a.a.O., S. 141 ff.). Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG stünden zwar einem Einsatz im Fall eines vorsätzlich herbeigeführten Unglücksfalls ebensowenig entgegen wie einem Einsatz zur Abwehr eines noch nicht eingetretenen, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Kürze zu erwartenden, unmittelbar drohenden Schadensereignisses (a.a.O., S. 143 ff.). Nach Wortlaut und durch die Entstehungsgeschichte bestätigtem Zweck des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG sei jedoch ein Kampfeinsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen nicht erlaubt (a.a.O., S. 146 ff.). § 14 Abs. 3 LuftSiG sei auch mit Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar. Verfassungsrechtlichen Bedenken begegne die Vorschrift schon deshalb, weil der danach zulässige Streitkräfteeinsatz gemäß § 13 Abs. 3 LuftSiG nicht durchweg, wie von Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 62 GG gefordert, eine vorherige Einsatzentscheidung der Bundesregierung als Kollegium voraussetze (a.a.O., S. 148 ff.). Auch im Fall des überregionalen Katastrophennotstands sei zudem ein Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen nicht erlaubt (a.a.O., S. 150 f.). Materiell stehe § 14 Abs. 3 LuftSiG darüber hinaus nicht mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG in Einklang, soweit er es den Streitkräften gestatte, Luftfahrzeuge abzuschießen, in denen sich neben den Angreifern auch Menschen befinden, die an dem Angriff nicht beteiligt, sondern als Opfer von ihm betroffen sind (a.a.O., S. 151 ff.). Auf die Frage, ob das Gesetz, mit dem § 14 Abs. 3 LuftSiG in Kraft gesetzt wurde, der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte, ging der Senat nicht ein; die diesbezügliche Rüge genüge nicht den Begründungsanforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG (a.a.O., S. 135 f.).
3. Die Antragstellerinnen erklärten daraufhin ihren Antrag in dem vorliegenden Verfahren für erledigt, soweit er § 14 Abs. 3 LuftSiG betraf. Die Bearbeitung des Verfahrens blieb auf ihr Ersuchen zunächst weiterhin zurückgestellt.
4. Ihren Antrag begründeten die Antragstellerinnen wie folgt:
a) Für den Erlass der §§ 13 bis 15 LuftSiG habe dem Bund die Gesetzgebungskompetenz gefehlt. Die in §§ 13 bis 15 LuftSiG geregelten Einsatzmaßnahmen dienten nicht der Verteidigung im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG und des Art. 87a Abs. 1 GG. Der Angriff mittels eines Flugzeuges von außerhalb der Staatsgrenzen sei ein durch Verteidigung im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG zu beantwortender Angriff nur, wenn es sich dabei um einen Angriff eines anderen Staates oder eines De-facto-Regimes auf die Bundesrepublik Deutschland handle oder wenn und soweit internationale terroristische Aggressionen ein Ausmaß erreichten, das das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta auslöse. Ob die Grundsatz- und Grenzbestimmung des Grundgesetzes für den Verteidigungsauftrag der Streitkräfte durch ein ungeschriebenes Staatsnotrecht für den Fall von Angriffen, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind, ergänzt werden müsse, könne offen bleiben, da die §§ 13 ff. LuftSiG keine derartigen Vorgänge voraussetzten.
Kraft des nach der bindenden Entscheidung des Ersten Senats dem Bund unmittelbar aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG zustehenden Gesetzgebungsrechts für Fälle der Unterstützung der Länder in der polizeilichen Gefahrenabwehr könne ein Einsatz mit spezifisch militärischen Waffen nicht durch Bundesgesetz vorgesehen und geregelt werden.
Es stehe mit Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG nicht in Einklang, dass das Luftsicherheitsgesetz den Bund ermächtige, die Bundeswehr zur Gefahrenabwehr mit militärischen Waffen nach Bundesrecht einzusetzen. Nach Art. 35 GG könnten die Streitkräfte nur von den Befugnissen Gebrauch machen, die das Landesrecht für die polizeiliche Aufgabe der Gefahrenabwehr bereithalte. § 14 Abs. 1 LuftSiG regle demgegenüber bundesrechtlich den Einsatz der Streitkräfte in ihrer spezifischen Eigenschaft und Fähigkeit als bewaffnete Macht und gestatte die Verwendung spezifisch militärischer Waffen. § 13 Abs. 3 Satz 2 bis 4 LuftSiG stehe, wie das Urteil des Ersten Senats bestätige, nicht in Einklang mit Art. 35 Abs. 3 GG, der die Entscheidung über den Einsatz, da es sich hier um einen schwerwiegenden Eingriff in das bundesstaatliche Rechtsverhältnis handele, der Bundesregierung als Kollegialorgan (Art. 62 GG) zuweise.
§ 14 Abs. 4 sowie § 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 LuftSiG seien, soweit auf § 14 Abs. 3 LuftSiG bezogen, mit der Nichtigerklärung dieser Bestimmung obsolet geworden.
b) Die mit § 16 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG sowie Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben getroffenen Regelungen hätten gemäß Art. 87d Abs. 2 GG der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Die Kompetenz des Bundes gemäß Art. 87d Abs. 2 GG, bundeseigene Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung gemäß Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG den Ländern als Auftragsverwaltung zu übertragen, umfasse auch die Befugnis, die übertragenen Aufgaben ganz oder teilweise zurückzunehmen. Die Rückübertragung könne auch aufgrund einer ausreichenden Ermächtigung in dem Gesetz durch eine Regelung der Exekutive erfolgen. Die Voraussetzungen der Rückübertragung müssten aber durch das Gesetz in bestimmter Weise vorgezeichnet sein. Die Generalklausel des § 16 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG lasse Ermessensentscheidungen ohne hinreichend bestimmte und berechenbare Maßgaben zu. Ein Gesetz, das ein mit Zustimmung des Bundesrates ergangenes Gesetz ändere, sei zustimmungsbedürftig, wenn es Regelungen ändere, welche die Zustimmungsbedürftigkeit des geänderten Gesetzes ausgelöst haben. Eine Einschränkung dieser Regel werde offenbar für Regelungskonstellationen im Bereich von Art. 84 Abs. 1 GG anerkannt, die keinen weiteren Einbruch des Bundes in die Verwaltungszuständigkeit der Länder bewirken. Das Organisations- und Verwaltungsinteresse der Länder werde jedoch bei der Übertragung und Rückübertragung von Aufgaben gemäß Art. 87d Abs. 2 GG in anderer Weise berührt als bei einer bundesgesetzlichen Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens. Der äußerlich als actus contrarius zur Aufgabenübertragung erscheinende Akt der Rückübertragung stelle eine selbständige Regelung der bundesstaatlichen Kompetenzordnung dar, die das Grundgesetz einer besonderen Entscheidung des Gesetzgebers überlassen habe. In beiden Fällen müsse folgerichtig die Frage der notwendigen Zustimmung durch den Bundesrat in gleicher Weise beantwortet werden. Die Rückübertragung beeinträchtige zudem die organisatorischen und finanziellen Belange der Länder, die die für den Verwaltungsvollzug notwendigen personellen und sachlichen Vorkehrungen getroffen hätten.
Überdies verletze die in § 16 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG getroffene Regelung den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens.
III. …
1. Die Bundesregierung äußerte sich dahin, dass der Normenkontrollantrag unbegründet sei.
a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der §§ 13 bis 15 LuftSiG sei aus Art. 73 Nr. 1 GG a.F. und aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG ableitbar; sie bestehe unabhängig davon, welche dieser beiden Vorschriften herangezogen werde. Hilfsweise lasse sie sich auch aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG begründen.
Der Gesetzgebungskompetenz des Bundes stehe, auch wenn man mit dem Urteil des Ersten Senats davon ausgehe, dass sie sich aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG ergibt, nicht entgegen, dass diese Vorschriften einen Kampfeinsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen nicht erlaubten. Die nach der Nichtigerklärung des § 14 Abs. 3 LuftSiG verbleibenden Regelungen der §§ 13 bis 15 LuftSiG setzten nicht den Einsatz militärischer Kampfmittel voraus. § 14 Abs. 1 LuftSiG erlaube zwar die Androhung von Waffengewalt und die Abgabe von Warnschüssen. Diese Bestimmung lasse sich jedoch zwanglos dahin auslegen, dass nur die Waffen gemeint seien, die das Recht des betreffenden Landes für dessen Polizeikräfte vorsehe.
Die in § 13 Abs. 3 LuftSiG statuierte Eilkompetenz für den Fall einer nicht rechtzeitig möglichen Entscheidung der Bundesregierung sei von Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG gedeckt. Soweit diese Verfassungsbestimmung Maßnahmen des Bundes zur Gefahrenabwehr gestatte, gelte dies zugleich für die notwendige Regelung von Verfahren, um diese Maßnahmen effektiv treffen zu können. § 13 Abs. 3 LuftSiG trage dem grundsätzlichen Entscheidungsvorbehalt der Bundesregierung soweit wie möglich Rechnung, indem er in Satz 3 deren unverzügliche nachträgliche Entscheidung gebiete.
b) Das Luftsicherheitsgesetz sei weder im Hinblick auf die Übertragung von Aufgaben auf die Länder in §§ 7 f. LuftSiG noch im Hinblick auf die Einführung der Bundesinitiativlösung in § 16 Abs. 3 Satz 3 LuftSiG oder die Regelung des Verwaltungsverfahrens in § 7 LuftSiG zustimmungsbedürftig gewesen. Zustimmungspflichtig sei zunächst die Übertragung von Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung auf die Länder. Ein Änderungsgesetz, das übertragene Aufgaben betreffe, bedürfe der Zustimmung nur, wenn die bereits übertragenen Aufgaben qualitativ verändert würden, ihnen also eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite verliehen werde. Das sei hier nicht der Fall. Bereits nach § 31 Abs. 2 Nr. 19 LuftVG a.F. sei den Ländern die gesamte Aufgabe der Abwehr von Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs als Auftragsangelegenheit übertragen gewesen; die neuen Regelungen gingen hierüber nicht hinaus. Ein Aufgabenzuwachs quantitativer Art begründe keine neue Zustimmungsbedürftigkeit, wenn der Bundesrat der fraglichen Aufgabenwahrnehmung schon früher zugestimmt habe. Die in § 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG getroffene Regelung sei nicht zustimmungspflichtig, da Art. 87d Abs. 2 GG einen Zustimmungsvorbehalt nur für die Übertragung vorsehe. Zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf Rückübertragungen bestehe kein Anlass. Die Rückübertragung beeinträchtige keine schutzwürdigen Länderbelange. Auch der Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens begründe deshalb keinen Zustimmungsvorbehalt. Das Verwaltungsverfahren zur Zuverlässigkeitsprüfung sei mit § 7 LuftSiG nur modifiziert, nicht aber substantiell neu geregelt worden. Zudem lasse sich aus Art. 85 Abs. 1 GG kein Zustimmungsvorbehalt für Regelungen des Verwaltungsverfahrens ableiten.
2. Die weiteren Äußerungsberechtigten haben keine Stellungnahme abgegeben.
IV.
In einer mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2010 haben die Antragstellerinnen und die Bundesregierung ihren schriftlichen Vortrag ergänzt und vertieft.
Als sachkundige Auskunftspersonen äußerten sich für die Bayerische Staatsregierung der Sachgebietsleiter Einsatz der Bayerischen Polizei im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Ministerialrat Hubertus Andrä, für die Hessische Landesregierung der Inspekteur der Hessischen Polizei, Udo Münch, sowie Polizeivizepräsident Robert Schäfer (Polizeipräsidium Wiesbaden), und für die Bundesregierung der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Matthias Seeger, sowie der Kommandeur der Führungszentrale Nationale Luftverteidigung, Generalleutnant Friedrich-Wilhelm Ploeger. Die Auskunftspersonen äußerten sich zur Gefahr von Anschlägen unter anderem aus dem Luftraum beziehungsweise zu den bestehenden Abwehrmöglichkeiten. Es bestand Übereinstimmung, dass die Gefahr ernstzunehmen sei und ihr mit den Mitteln der Polizeien nicht ausreichend begegnet werden könne.
Generalleutnant Ploeger stellte die praktischen Vorkehrungen für eine Verwendung der Luftwaffe in den Fällen des Luftsicherheitsgesetzes dar. Hierfür würden Flugzeuge genutzt, die primär der integrierten NATO-Luftverteidigung zur Verfügung stünden und entsprechend ausgerüstet seien. Diese überwache den Luftraum über den Mitgliedstaaten zum Schutz vor Angriffen kontinuierlich und möglichst lückenlos. Im Fall des Verdachts auf einen bevorstehenden kriminellen Anschlag mittels eines Luftfahrzeuges (sog. Renegade-Fall) stünden die NATO-Mittel den Mitgliedstaaten in nationaler Verantwortung zur Verfügung. Die sonst für die operative Luftverteidigung bei einem militärischen Angriff zuständige Führungszentrale Nationale Luftverteidigung könne dann ein Luftlagebild erstellen, die Kommunikation zwischen zivilen und militärischen Stellen gewährleisten und gegebenenfalls den Einsatz von Jagdflugzeugen steuern. Dies erfolge anhand der Zusammenarbeitsgrundsätze von Bund und Ländern, die alle Informationsabläufe, Verfahrensweisen und Rahmenbedingungen regelten, um Gefahren für die Sicherheit im deutschen Luftraum durch Renegade-Luftfahrzeuge bestmöglich abzuwehren. Gehe der Funkkontakt zu einem Luftfahrzeug verloren, werde die Führungszentrale informiert. Dort würden alle zu dem Luftfahrzeug verfügbaren Daten zusammengeführt. Könne der Funkkontakt auf den herkömmlichen Wegen nicht wiederhergestellt werden, stiegen Jagdflugzeuge auf. Dies geschehe etwa 30 bis 40 Mal jährlich. Gleichzeitig mit dem Start der Jagdflugzeuge würden der Inspekteur der Luftwaffe und über den Verbindungsbeamten der Bundespolizei im Führungszentrum die Lagezentren des Bundes und der Länder informiert. Die Besatzungen der Jagdflugzeuge versuchten dann, Sichtkontakt mit der Besatzung des anderen Flugzeugs aufzunehmen. Dieser könnten durch Flügelbewegungen gemäß internationalem Code Verhaltenssignale übermittelt werden. Gemäß § 14 Abs. 1 LuftSiG könnten die Jagdflugzeuge bei Bedarf sogenannte Infrarot-Täuschkörper zünden, die selbst in hellem Sonnenlicht von der Besatzung des Renegade-Flugzeugs nicht übersehen werden könnten und ihr signalisierten, dass Anweisungen der Jagdflugzeugbesatzung zu befolgen seien. Nach der Nichtigerklärung von § 14 Abs. 3 LuftSiG bestehe keine Möglichkeit mehr, die Befolgung zu erzwingen; insofern sei man letztlich auf Kooperation angewiesen. Die Aussicht auf solche Kooperation könne aber durch die verbleibenden Handlungsmöglichkeiten gesteigert werden. Aufgrund der Geschwindigkeit heutiger Verkehrsflugzeuge, die in der Minute etwa 12 bis 15 km zurücklegten, vergingen zwischen dem ersten Gefahranzeichen und dem Eintritt des Schadens im Ernstfall möglicherweise nur 15 bis 20 Minuten. Deshalb sei es im Renegade-Fall wichtig, kurzfristig Informationen auch unmittelbar an dem betroffenen Flugzeug zu sammeln, um die Gefahr richtig beurteilen und die angemessenen Abwehrmaßnahmen einleiten zu können.
Der Inspekteur der Hessischen Polizei und der Präsident des Bundeskriminalamts legten ebenfalls dar, dass die verbleibenden Möglichkeiten der Informationsgewinnung und Beeinflussung von Bedeutung seien. Von einem begleitenden Jagdflugzeug aus könne ermittelt werden, was im Cockpit des Renegade-Flugzeugs vor sich gehe, wer das Flugzeug steuere, ob ein Täter fliege, die Flugbewegungen unsicher und Waffen erkennbar seien. Diese Informationen könnten Anhaltspunkte für die Nutzung polizeipsychologischer Mittel liefern. Jagdflugzeuge könnten als polizeitaktisches Mittel zur Verunsicherung des Täters genutzt werden, zumal es nach polizeilicher Erfahrung kein festes Täterraster gebe, Angreifer vielmehr auf ihre Taten physisch und psychisch unterschiedlich vorbereitet seien.
Die Ergebnisse dieser mündlichen Verhandlung sind über die Abschrift des Tonbandprotokolls (§ 25a Satz 2 BVerfGG) in die Beratung über die vorliegende Entscheidung einbezogen worden (s. dazu unter A.VI.2. und B.).
V.
Der Zweite Senat, der bei seiner Entscheidung in drei Punkten von Rechtsauffassungen des Ersten Senats in dessen Urteil zum Luftsicherheitsgesetz (s.o. II.2.) abweichen wollte, hat das Plenum des Bundesverfassungsgerichts angerufen. Dieses hat über die zwischen den Senaten strittigen Verfassungsfragen mit Beschluss vom 3. Juli 2012 (– 2 PBvU 1/11 –, juris) folgendermaßen entschieden:
- Die Gesetzgebungszuständigkeit für die §§ 13 bis 15 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 78) ergibt sich aus Artikel 73 Nummer 6 des Grundgesetzes in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 2034) geltenden Fassung.
- Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Grundgesetzes schließen eine Verwendung spezifisch militärischer Waffen bei einem Einsatz der Streitkräfte nach diesen Vorschriften nicht grundsätzlich aus, lassen sie aber nur unter engen Voraussetzungen zu, die sicherstellen, dass nicht die strikten Begrenzungen unterlaufen werden, die einem bewaffneten Einsatz der Streitkräfte im Inneren durch Artikel 87a Absatz 4 GG gesetzt sind.
- Der Einsatz der Streitkräfte nach Artikel 35 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes ist, auch in Eilfällen, allein aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung als Kollegialorgan zulässig.
VI.
1. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2012 haben die Antragstellerinnen unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen in den früheren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 erklärt, der Normenkontrollantrag werde aufrechterhalten.
Der Bund könne von seinem Gesetzgebungsrecht über den Luftverkehr (Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG) oder kraft konkludenter Kompetenz zur Regelung der Amtshilfe durch die Streitkräfte (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG) nur Gebrauch machen, wenn ein Einsatz der Streitkräfte durch das Grundgesetz ausdrücklich zugelassen sei (Art. 87a Abs. 2 GG). Eine entsprechende Zulassung könne sich nur aus den Amtshilfevorschriften des Art. 35 GG ergeben. Die in § 14 Abs. 1 LuftSiG vorgesehenen Maßnahmen der Streitkräfte seien ein Kampfeinsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen als Mittel der vollziehenden Gewalt, fielen damit unter den Vorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG und könnten, soweit verfassungsrechtlich zulässig, bei einem überregionalen Unglücksfall nur durch die Bundesregierung angeordnet werden (Art. 35 Abs. 3 GG).
Der Beschluss des Plenums vom 3. Juli 2012 befinde nicht über konkrete Rechtsfolgen, sondern über die vorgelegte abstrakte Rechtsauffassung. Das Plenum habe sich weder die Rechtsauffassung des Ersten Senats zu eigen gemacht noch die in der Vorlage des Zweiten Senats enthaltene abweichende Rechtsauffassung übernommen.
Die angenommene „Sperrwirkung” des Art. 87a Abs. 4 GG für die Abwehr innerer Unruhen, die von nichtstaatlichen Angreifern ausgehen, könne und müsse möglicherweise der Sache nach so verstanden werden, dass ein Kampfeinsatz der Streitkräfte mit militärischen Waffen, der – wie in § 14 LuftSiG vorgesehen – hoheitliche Gewalt gegen Personen einschließe, nur in dem abschließend geregelten Fall des inneren Notstandes im Sinne des Art. 87a Abs. 4 GG zulässig sei. Diese Auslegung werde durch Art. 91 GG bekräftigt, wonach zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nur ein Einsatz von Polizeikräften vorgesehen und zugelassen sei. Die danach gegebene Unterscheidung der Zulässigkeit des Kampfeinsatzes der Streitkräfte einerseits im inneren Notstand, andererseits bei der Amtshilfe sei überdies – wie in der abweichenden Meinung des Richters Gaier überzeugend dargelegt – klar in der Entstehungsgeschichte der Notstands-Novelle von 1968 hervorgetreten. Aus alledem folge, dass Art. 35 GG jedenfalls bei der Anwendung spezifisch militärischer Mittel gegen Personen ein dem Vorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG genügender Einsatztatbestand nicht entnommen werden könne.
Die Klausel „zur Unterstützung” der Polizeikräfte betreffe die Art und Weise des Einsatzes, enthalte aber für sich genommen keinen die Zulässigkeit des Einsatzes begründenden Tatbestand. Sie habe deshalb in Art. 35 Abs. 3 GG und in Art. 87a Abs. 4 GG eine unterschiedliche, durch die jeweils geregelte Gefahrenlage bestimmte Bedeutung. Aber auch wenn man mit dem Plenarbeschluss annehme, dass Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG unter bestimmten eine Ausnahmesituation darstellenden Umständen einen Streitkräfteeinsatz mit militärischen Mitteln zuließen, um eines besonderen Unglücksfalles Herr zu werden, lasse sich die Verfassungsmäßigkeit der §§ 13 bis 15 LuftSiG, insbesondere des § 14 Abs. 1 LuftSiG, nicht begründen. Das Plenum beschreibe das Tatbestandsmerkmal des besonders schweren Unglücksfalles dahingehend, dass nur Ereignisse von „katastrophischen Dimensionen”, „ungewöhnliche Ausnahmesituationen”, „äußerste Ausnahmefälle”, bei „besonders gravierenden Luftzwischenfällen” den Streitkräfteeinsatz mit militärischen Waffen zuließen. Dem trügen die gesetzlichen Regelungen der §§ 13 bis 15 LuftSiG nicht Rechnung; sie stellten allein darauf ab, dass aufgrund eines erheblichen Zwischenfalls Tatsachen vorlägen, die im Rahmen der Gefahrenabwehr die Annahme begründeten, dass ein besonders schwerer Unglücksfall nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG bevorstehe. Die Amtshilfe umfasse nach der Verfassung nicht auch einen Kampfeinsatz der Streitkräfte zur Bekämpfung krimineller oder terroristischer Angriffe. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit müssten hier auch und gerade eine Schranke des militärischen Handelns der Streitkräfte bilden. Mit der bloßen Wiederholung des aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG entnommenen Merkmals des „besonders schweren Unglücksfalles” seien die vom Plenarbeschluss geforderten engeren Eingriffsvoraussetzungen in den §§ 13 bis 15 LuftSiG nicht hinreichend bestimmt festgelegt. Hinzu komme, dass nach Auffassung des Plenums der Unglücksfall bereits vorliegen müsse, während § 13 Abs. 1 LuftSiG es genügen lasse, dass ein Unglücksfall bevorstehe, und § 14 Abs. 1 LuftSiG den Einsatz spezifisch militärischer Mittel schon „zur Verhinderung des Eintritts” eines besonders schweren Unglücksfalles zulasse. Der Mangel eines hinreichend eng begrenzten und bestimmten Eingriffstatbestandes könne nicht durch Bindung an die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit ersetzt oder kompensiert werden.
Das Luftsicherheitsgesetz beachte das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates nicht, das sich aus den Regelungen des § 16 Abs. 2 und 3 Sätze 2 und 3 LuftSiG, Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben ergebe. Auch wenn die Rückübertragung von Aufgaben der Ausführung von Bundesgesetzen, die zunächst den Ländern übertragen gewesen seien, auf den Bund der Zustimmung des Bundesrates als solche nicht unterworfen sei, wie der erkennende Senat im Beschluss vom 4. Mai 2010 (BVerfGE 126, 77) entschieden habe, könne sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles etwas anderes ergeben. Der Bundesgesetzgeber habe bei der Wahrnehmung der Möglichkeit der Rückübertragung von Aufgaben den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens zu beachten. Die Aufgabenübertragung sei ursprünglich nach § 31 Abs. 2 Nr. 19 Satz 2 LuftVG a.F. mit guten Gründen von einem Antrag eines Landes abhängig gewesen. Dabei sei gerade auch von Bedeutung gewesen, dass die fraglichen Vollzugsaufgaben hier im Rahmen der Amtshilfe und der Unterstützung für die Polizeikräfte ein von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG verfassungsrechtlich spezifisch vorstrukturiertes Zusammenwirken der Polizei- und Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes sowie der Streitkräfte im Bundesstaat voraussetzten. Ein Einvernehmen des Landes mit der Rückübertragung von Aufgaben der Luftsicherheit auf den Bund würde der fortbestehenden Kompetenz des Landes für die Gefahrenabwehr im Bereich der inneren Sicherheit entsprechen und der Organisations- und Finanzverantwortung des Landes Rechnung tragen. Es würde überdies eine sachgerechte Erfüllung der fraglichen Aufgaben sicherstellen. Unter diesen Umständen müsse aus der Bindung der dem Bund nach Art. 87d Abs. 2 GG zustehenden Kompetenz zur Rückübertragung von Aufgaben an die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten das Verfassungsgebot abgeleitet werden, auf die hier berührten Belange der Länder Rücksicht zu nehmen, zumindest durch geeignete Mitwirkungsrechte des Landes. Ein Gesetz, das wie das Luftsicherheitsgesetz die in Art. 87d Abs. 2 GG geregelte Zuständigkeit von Bund und Ländern bei der Ausführung von Bundesrecht wesentlich ändere, bedürfe der Zustimmung des Bundesrates.
2. Mit Schriftsatz vom 12. November 2012 haben die Antragstellerinnen unter erneuter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen, einschließlich des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010, für das sie auf das Tonbandprotokoll gemäß § 25a BVerfGG verweisen (vgl. dazu u. B.), auf eine erneute mündliche Verhandlung verzichtet.
3. Eine Gegenäußerung der Bundesregierung ist nicht erfolgt.
Entscheidungsgründe
B.
Der Senat hat in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung zu entscheiden und kann dies ohne erneute mündliche Verhandlung tun.
Im Zeitraum seit der ersten Beratung der Sache im Senat am 24. November 2009 sind vier Richter aus dem Senat ausgeschieden. Da die an ihrer Stelle neu hinzugekommenen Richter Huber, Hermanns, Müller und Kessal-Wulf nicht zur Fortsetzung der bereits begonnenen Beratung hinzutreten können (§ 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG) und der Senat mit den aus der früheren Besetzung verbliebenen vier Richtern nicht beschlussfähig ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), musste gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG die Beratung neu begonnen werden. Für die nach erneuter Beratung zu treffende Entscheidung ist der Senat in seiner vollen Besetzung – nicht in einer nur bis zum Wiedererreichen des Beschlussfähigkeitsquorums von sechs Richtern aufgefüllten – zuständig. Dies ist die Normalbesetzung (§ 2 Abs. 2 BVerfGG). Von ihr unter den vorliegenden Umständen abzuweichen sieht das Gesetz nicht vor.
Eine erneute mündliche Verhandlung war nicht erforderlich, weil die Antragstellerinnen gemäß § 25 Abs. 1 BVerfGG auf sie verzichtet haben. Da die Antragstellerinnen auf ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 Bezug nehmen, hat allen Mitgliedern des Senats die Abschrift des Tonbandprotokolls dieser Verhandlung vorgelegen.
C.
I.
1. Das Verfahren ist, soweit es § 14 Abs. 3 LuftSiG betrifft, durch das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 – (BVerfGE 115, 118 ≪119≫) erledigt und daher gemäß der Erklärung der Antragstellerinnen (A.II.3.) einzustellen.
2. Der Antrag ist dahin auszulegen, dass er sich auf die infolge der Nichtigerklärung des § 14 Abs. 3 LuftSiG (BVerfG a.a.O.) gegenstandslos gewordenen Teile der §§ 13 bis 16 LuftSiG (§ 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG sowie die in § 15 Abs. 1 und 2 LuftSiG enthaltenen Verweisungen auf § 14 Abs. 3 LuftSiG), hinsichtlich derer er mangels objektiven Klarstellungsinteresses unzulässig wäre (vgl. BVerfGE 97, 198 ≪213 f.≫; 113, 167 ≪193≫; 119, 394 ≪410≫), nicht bezieht. Die Antragstellerinnen selbst haben diese Teile als obsolet bezeichnet und damit verdeutlicht, dass sie insoweit eine verfassungsgerichtliche Klarstellung nicht begehren.
II.
Der in dieser Auslegung uneingeschränkt zulässige Antrag ist begründet, soweit er die Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes zur ministeriellen Eilkompetenz für die Entscheidung über einen Streitkräfteeinsatz im überregionalen Katastrophennotstand betrifft (1.). Im Übrigen ist der Antrag unbegründet (2.).
1. § 13 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG ist mit Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar und nichtig.
a) Ist im Falle eines überregionalen Katastrophennotstandes (Art. 35 Abs. 3 GG) eine rechtzeitige Entscheidung der regulär zuständigen Bundesregierung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG) über einen Einsatz der Streitkräfte nicht möglich, so entscheidet nach § 13 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern. Nach § 13 Abs. 3 Satz 3 LuftSiG ist auch in diesem Fall die Entscheidung der Bundesregierung unverzüglich herbeizuführen.
Diese Regelungen sind unvereinbar mit Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG, der, wie das Plenum des Bundesverfassungsgerichts entschieden hat, einen Einsatz der Streitkräfte auch in Eilfällen allein aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung als Kollegialorgan zulässt (vgl. Beschluss vom 3. Juli 2012 – 2 PBvU 1/11 –, juris, Nr. 3 des Tenors sowie Rn. 52 ff.).
b) Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit des § 13 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG ist die Nichtigkeit (§ 78 Satz 1 BVerfGG). Eine bloße Unvereinbarerklärung (§ 31 Abs. 2 Satz 3, § 79 Abs. 1 BVerfGG), gar in Verbindung mit dem Ausspruch der Verpflichtung des Gesetzgebers, innerhalb einer bestimmten Frist eine verfassungskonforme Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪132≫; 118, 45 ≪78≫; 121, 266 ≪316≫; 125, 175 ≪257 f., 259≫), kommt nicht in Betracht.
Eine bloße Unvereinbarkeit ist allerdings auszusprechen, wenn der Zustand, der sich im Falle der Nichtigkeit ergäbe, der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als die befristete Weitergeltung der verfassungswidrigen Regelung (vgl. nur BVerfGE 41, 251 ≪267≫; 61, 319 ≪356≫; 83, 130 ≪154≫; 85, 386 ≪401≫; 87, 153 ≪177 f.≫; 97, 228 ≪270≫). Die Beschränkung auf eine Unvereinbarerklärung, mit der dem Gesetzgeber Zeit gegeben wird, die Rechtslage verfassungskonform zu gestalten, ohne dass zwischenzeitlich ein verfassungswidriger Rechtszustand durch einen noch verfassungsferneren ersetzt wird, kann unter anderem für den Fall geboten sein, dass anderenfalls Schutzlücken entstünden (vgl. BVerfGE 83, 130 ≪154≫; 109, 190 ≪235 f.≫).
Mit der Nichtigerklärung der Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes zur ministeriellen Eilkompetenz für Einsatzentscheidungen im überregionalen Katastrophennotstand kann sich – abhängig auch von den für die Willensbildung der Bundesregierung maßgeblichen Bestimmungen – zwar eine gravierende Schutzlücke (vgl. Fastenrath, JZ 2012, S. 1128 ≪1131≫) ergeben, weil insbesondere im Fall eines Terrorangriffs mittels Flugzeugs die bei überregionaler Bedeutung erforderliche Einsatzentscheidung der Bundesregierung unter Umständen nicht rechtzeitig wird herbeigeführt werden können. Eine solche Schutzlücke wäre jedoch nicht durch das einfache Recht, sondern durch die Verfassung selbst bedingt. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht befugt, eine von der Verfassung vorgegebene Rechtslage als verfassungsfern zu qualifizieren.
2. Im Übrigen sind die §§ 13 bis 15 LuftSiG, soweit Verfahrensgegenstand (s. unter C.I.), sowie § 16 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG und Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben mit dem Grundgesetz sowohl in formeller (a)) als auch in materieller Hinsicht (b)) vereinbar.
a) aa) Der Bund hat die Gesetzgebungskompetenz für die zur Prüfung stehenden Vorschriften.
Für die §§ 13 bis 15 LuftSiG in der zur Prüfung gestellten Fassung ergibt sich die Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 73 Nr. 6 GG a.F. (heute Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG), der dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung über den Luftverkehr zuweist (vgl. BVerfG, Beschluss des Plenums vom 3. Juli 2012 – 2 PBvU 1/11 –, juris, Nr. 1 des Tenors sowie Rn. 14 ff.; s.o. A.V.). Soweit die Antragstellerinnen vorbringen, der Bund könne von diesem Gesetzgebungsrecht nur Gebrauch machen, wenn ein Einsatz der Streitkräfte durch das Grundgesetz ausdrücklich zugelassen sei, kann dies nicht die aus der genannten Grundgesetzbestimmung folgende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die §§ 13 bis 15 LuftSiG in Frage stellen, die von den materiell-verfassungsrechtlichen Grenzen der Einsetzbarkeit der Streitkräfte gerade nicht abhängt (vgl. BVerfG ≪Plenum≫, a.a.O. Rn. 16).
Ob die Regelungen des § 16 LuftSiG und des Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben, soweit sie die Rückübertragung von Luftsicherheitsaufgaben aus der Auftragsverwaltung der Länder auf den Bund betreffen, ebenfalls eine kompetenzielle Grundlage in Art. 73 Nr. 6 GG a.F. (heute Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG) finden, kann offenbleiben. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich insoweit jedenfalls aus Art. 87d Abs. 2 GG, der für die Übertragung von Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung auf die Länder ausdrücklich ein Bundesgesetz vorsieht und damit auch eine Bundeskompetenz für etwaige Rückübertragungsregelungen begründet (vgl. BVerfGE 97, 198 ≪226≫).
bb) Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben und damit auch das Luftsicherheitsgesetz, das als dessen zentraler Bestandteil erlassen wurde, bedurften, wie das Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich in einem anderen Verfahren entschieden hat, nicht der Zustimmung des Bundesrates (vgl. BVerfGE 126, 77 ≪98≫). Ein Zustimmungserfordernis folgte insbesondere auch nicht aus dem Inhalt der in § 16 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG und Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben getroffenen Regelungen (vgl. BVerfG, a.a.O. S. 108 und 110 f.).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens. Dieser Grundsatz betrifft die Ausübung gegebener Kompetenzen des Bundes und der Länder (s.u. C.II.2.b)bb)(2)), begründet aber keine Zustimmungserfordernisse im Gesetzgebungsverfahren.
b) Mit Ausnahme der Regelungen zur ministeriellen Eilkompetenz (s.o. C.II.1.) sind die §§ 13 bis 15 LuftSiG, soweit Verfahrensgegenstand, auch materiell mit dem Grundgesetz vereinbar (aa)). Dasselbe gilt für § 16 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG und Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben (bb)).
aa) (1) Die §§ 13 und 14 LuftSiG sind nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie vom Grundgesetz nicht zugelassene Einsätze der Streitkräfte im Inneren ermöglichten oder die Voraussetzungen hierfür nicht hinreichend bestimmt festlegten.
Nach § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 LuftSiG dürfen die Streitkräfte unter näher bezeichneten Voraussetzungen im Luftraum Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben. Damit wird ein Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Mitteln zugelassen.
(a) Der Zulässigkeit eines solchen Einsatzes steht nicht die Sperrwirkung des Art. 87a Abs. 4 GG entgegen. Zwar entfaltet diese Bestimmung, die den Einsatz der Streitkräfte im Fall des inneren Notstandes regelt, eine Sperrwirkung dahingehend, dass in Ausnahmesituationen der in Art. 87a Abs. 4 GG geregelten Art die engen Voraussetzungen, an die der Einsatz der Streitkräfte hier geknüpft ist, nicht dadurch unterlaufen werden dürfen, dass ein Einsatz stattdessen etwa auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 2 oder 3 GG erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss des Plenums vom 3. Juli 2012 – 2 PBvU 1/11 –, juris, Rn. 45 f.). In Ausnahmesituationen, die nicht von der in Art. 87a Abs. 4 GG geregelten Art sind, kann jedoch ein Einsatz der Streitkräfte auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG auch zur Bekämpfung eines Angreifers zulässig sein (BVerfG, a.a.O. Rn. 46). Um solche Ausnahmesituationen handelt es sich bei der Abwehr von Gefahren nach §§ 13, 14 LuftSiG.
(b) Die in § 13 und § 14 LuftSiG getroffenen Regelungen überschreiten nicht die Grenzen, die der Zulassung eines Einsatzes der Streitkräfte im Katastrophennotstand dadurch gesetzt sind, dass ein solcher Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG einen besonders schweren Unglücksfall voraussetzt. Ihnen fehlt insoweit auch nicht die notwendige Bestimmtheit.
(aa) Der Annahme eines besonders schweren Unglücksfalls steht bei einem Ereignis von katastrophischem Ausmaß nicht entgegen, dass es absichtlich herbeigeführt ist (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 46; ebenso bereits BVerfGE 115, 118 ≪143 f.≫).
(bb) Ein Verfassungsverstoß liegt auch nicht darin, dass nach dem Wortlaut der zu prüfenden Vorschriften ein Einsatz nicht erst dann zulässig sein soll, wenn ein besonders schwerer Unglücksfall eingetreten ist, sondern – unter näher bezeichneten Voraussetzungen – bereits dann, wenn er „bevorsteht” (§ 13 Abs. 1 LuftSiG) und Einsatzmaßnahmen „zur Verhinderung des Eintritts” des besonders schweren Unglücksfalles (§ 14 Abs. 1 LuftSiG) erforderlich sind.
Im Urteil des Ersten Senats zum Luftsicherheitsgesetz vom 15. Februar 2006 ist es als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden, dass Einsatzmaßnahmen nach § 14 LuftSiG schon zu einem Zeitpunkt zulässig sein sollen, zu dem sich zwar bereits ein erheblicher Luftzwischenfall im Sinne des § 13 Abs. 1 LuftSiG ereignet hat, der besonders schwere Unglücksfall selbst, der mit den zugelassenen Einsatzmaßnahmen gerade abgewehrt werden soll, aber noch nicht eingetreten ist (vgl. BVerfGE 115, 118 ≪144≫).
Von dieser Auslegung der verfassungsrechtlichen Einsatzvoraussetzungen rückt auf den ersten Blick der Plenumsbeschluss vom 3. Juli 2012 ab. Der Unglücksfall muss danach bereits vorliegen, damit zu seiner Bekämpfung oder zur Bekämpfung seiner Schadensfolgen Streitkräfte eingesetzt werden dürfen (BVerfG ≪Plenum≫, a.a.O. Rn. 47). Diese Abkehr von der Rechtsprechung des Ersten Senats betrifft jedoch allein die begriffliche Konstruktion. Eine inhaltlich andere Eingrenzung der Einsatzvoraussetzungen in der Frage, ob und inwieweit bereits vor Schadensverwirklichung eingeschritten werden darf, ist damit nicht verbunden: Dass der Unglücksfall bereits vorliegen muss, damit zu seiner Bekämpfung Streitkräfte eingesetzt werden dürfen, bedeutet nach dem Plenumsbeschluss nicht, dass auch Schäden notwendigerweise bereits eingetreten sein müssen. Von einem Unglücksfall kann auch dann gesprochen werden, wenn zwar die zu erwartenden Schäden noch nicht eingetreten sind, der Unglücksverlauf aber bereits begonnen hat und der Eintritt katastrophaler Schäden unmittelbar droht. Ist die Katastrophe bereits in Gang gesetzt und kann sie nur noch durch den Einsatz der Streitkräfte unterbrochen werden, muss nicht abgewartet werden, bis der Schaden sich realisiert hat. Der Schadenseintritt muss jedoch unmittelbar bevorstehen. Dies ist der Fall, wenn der katastrophale Schaden, sofern ihm nicht rechtzeitig entgegengewirkt wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Kürze eintreten wird (vgl. BVerfG ≪Plenum≫, a.a.O. Rn. 47). Bei alledem bezieht sich der Plenumsbeschluss zustimmend, nicht abgrenzend, auf die einschlägigen Ausführungen im Urteil des Ersten Senats (vgl. BVerfG, a.a.O., sowie BVerfGE 115, 118 ≪144 f.≫).
Der Unterschied zwischen beiden Entscheidungen liegt demnach in diesem Punkt allein in der Frage, ob die einvernehmlich angenommene Zulässigkeit präventiver Einsätze zur Vermeidung eines unmittelbar bevorstehenden katastrophalen Schadensereignisses mit einer entsprechend weiten Auslegung des Begriffs des besonders schweren Unglücksfalles begründet wird, wonach ein solcher Unglücksfall schon vor Schadenseintritt gegeben sein kann (so der Plenumsbeschluss), oder mit der Annahme der Zulässigkeit eines Einsatzes im unmittelbaren Vorfeld eines enger definierten, erst mit der Schadensverwirklichung eintretenden derartigen Unglücksfalles (so das Urteil des Ersten Senats) begründet wird. Dieser Unterschied ist rein terminologischer Art; er hat keinerlei Rechtsfolgenrelevanz und betrifft daher nicht die Rechtslage in ihrem Inhalt.
Entsprechendes gilt für die in § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 14 Abs. 1 LuftSiG gewählten Formulierungen. Die Wortwahl dieser Regelungen entspricht derjenigen im Urteil des Ersten Senats; eine inhaltliche Abweichung von den Maßgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG in ihrer durch den Plenumsbeschluss klargestellten Bedeutung liegt darin, wie gezeigt, nicht. Angesichts des engen Kreises derer, die über das Ob eines Einsatzes zu entscheiden haben (§ 13 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 LuftSiG), liegt in der Wortfassung der § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 14 Abs. 1 LuftSiG auch keine Undeutlichkeit, deretwegen diesen Vorschriften die notwendige maßstäbliche Klarheit und Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 110, 33 ≪54≫; 113, 348 ≪375≫) abzusprechen wäre. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass die Befugnis zum schadenspräventiven Einsatz, die im Grundgesetz und im Luftsicherheitsgesetz gleichermaßen, aber in unterschiedlicher terminologischer Zuordnung angelegt ist, aufgrund dieses Unterschiedes doppelt und damit im Übermaß genutzt wird.
(cc) Die §§ 13 und 14 LuftSiG halten sich im Rahmen der Begrenzungen, die sich für Einsätze nach Art. 35 Abs. 2 und 3 GG daraus ergeben, dass die Einsatzvoraussetzung des besonders schweren Unglücksfalls nur in äußersten Ausnahmefällen, bei Ereignissen von katastrophischen Dimensionen (vgl. BVerfG ≪Plenum≫, a.a.O. Rn. 26, 43, 46, 51), erfüllt ist. Mit der Anknüpfung an das – Art. 35 GG entnommene – Tatbestandsmerkmal des besonders schweren Unglücksfalles nehmen § 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 LuftSiG alle darin liegenden Beschränkungen auf.
Mit der Übernahme des verfassungsrechtlichen Begriffs des besonders schweren Unglücksfalles in den genannten Vorschriften ist in der vorliegenden Konstellation auch den Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Regelungen genügt. Es ist nicht ersichtlich, dass Präzisierungen geeignet sein könnten, die Orientierungsfunktion der gesetzlichen Vorgaben in sachangemessener Weise deutlich zu verbessern.
Dass bereits das Grundgesetz selbst in Art. 35 GG für die Bestimmung der Einsatzvoraussetzungen mit dem unbestimmten Rechtsbegriff des besonders schweren Unglücksfalles arbeitet, hat seinen Grund nicht nur in der besonderen, mit detailgenauer Konkretisierung nur eingeschränkt verträglichen Funktion einer Verfassung, sondern auch in der Natur des zu bewältigenden Problems. Schon wegen der Vielfalt der Faktoren und Faktorenkombinationen, die für die besondere Schwere eines Unglücksfalles von Bedeutung sein können, ist der Begriff des besonders schweren Unglücksfalles einer handhabbaren Konkretisierung kaum zugänglich, zumal die Eilbedürftigkeit von Einsatzentscheidungen nach dem Luftsicherheitsgesetz keine langwierigen punktgenauen Ermittlungen auf unterschiedliche Bestimmungsgrößen hin, sondern nur eine mehr oder weniger intuitive Einschätzung erlauben wird. Es ist daher sachgerecht, dass bei Erlass des Luftsicherheitsgesetzes auf eine trennscharfe Präzisierung verzichtet wurde und nur in der Gesetzesbegründung exemplarisch Beispiele aufgeführt sind, die zur Orientierung dienen können (vgl. BRDrucks 827/03, S. 36, sowie BTDrucks 15/2361, S. 20: „Beispiele: Angriff auf Hochhaus, gefährliche Industrieanlage, AKW etc.”).
(dd) Die strenge verfassungsrechtliche Beschränkung des Streitkräfteeinsatzes auf das Erforderliche, die sowohl das „Ob” als auch das „Wie” des Einsatzes, einschließlich der konkreten Einsatzmittel, betrifft (vgl. BVerfG ≪Plenum≫, a.a.O., Rn. 48), ist mit den zur Prüfung gestellten Vorschriften gewahrt.
§ 13 Abs. 1 LuftSiG lässt einen Einsatz nur im Rahmen des Erforderlichen zu. Dass die Erforderlichkeitsklausel sich dabei dem Wortlaut nach auf die Bekämpfung eines bevorstehenden besonders schweren Unglücksfalles bezieht – die Einsatzermächtigung sich also der Formulierung nach nicht auf die Zulassung der Bekämpfung der Folgen eines bereits eingetretenen besonders schweren Unglücksfalles beschränkt –, ist aus den bereits dargestellten Gründen (s. (bb)) unbedenklich und ändert nichts daran, dass der Streitkräfteeinsatz nur als ultima ratio zur Schadensvermeidung zugelassen ist.
Entsprechendes gilt für § 14 LuftSiG, der die zulässigen konkreten Einsatzmaßnahmen und die Anordnungsbefugnis hierfür regelt.
An der Erforderlichkeit der in § 14 Abs. 1 LuftSiG getroffenen Einsatzregelung fehlt es auch nicht deshalb, weil sie für sich genommen mangels weiterreichender Eingriffsmöglichkeiten nicht geeignet wäre, den verfassungsrechtlichen Einsatzzweck zu fördern. Zwar stellt das Gesetz, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Ermächtigungsnorm des § 14 Abs. 3 LuftSiG für nichtig erklärt hat (vgl. BVerfGE 115, 118 ≪119≫), allenfalls noch für Drohungen, nicht aber für die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt eine Eingriffsgrundlage bereit. Das mindert, jedenfalls gegenüber einem informierten Angreifer, zwangsläufig die Wirksamkeit der Androhung. Dasselbe gilt für die Möglichkeit, Warnschüsse abzugeben (§ 14 Abs. 1 LuftSiG). Es verbleibt aber – in diesem Sinne haben sich übereinstimmend auch die angehörten Fachleute in der mündlichen Verhandlung geäußert – die mögliche psychische Zwangs- oder Irritationswirkung solcher Maßnahmen und des nach § 14 Abs. 1 LuftSiG ebenfalls zulässigen Versuchs, das Luftfahrzeug, von dem die Gefahr ausgeht, durch Flugmanöver auf einen vom vermuteten Angriffsziel wegführenden Kurs zu drängen. Damit lassen sich, je nach den Umständen, auch die Chancen einer erfolgreichen Einwirkung durch Polizeipsychologen erhöhen. Die begrenzten Durchsetzungsmittel, die § 14 Abs. 1 LuftSiG bereitstellt, können danach, wenngleich Schutzlücken offen bleiben, jedenfalls den Einsatzzweck fördern. Für die verfassungsrechtlich unabdingbare Geeignetheit der Regelung reicht dies aus (vgl. im grundrechtlichen Zusammenhang BVerfGE 96, 10 ≪23≫; 100, 313 ≪373≫; 103, 293 ≪307≫; 115, 118 ≪163≫; 117, 163 ≪188 f.≫).
(c) Auch die Regelung des § 14 Abs. 4 Satz 2 LuftSiG, die dem Bundesminister der Verteidigung die Möglichkeit einräumt, den Inspekteur der Luftwaffe generell zu ermächtigen, Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 LuftSiG anzuordnen, steht mit dem Grundgesetz in Einklang. Für Fälle, in denen eine auf das Gebiet eines einzelnen Landes beschränkte Gefahr abzuwehren ist (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG), sieht das Grundgesetz eine bestimmte Organzuständigkeit weder für die Entscheidung über den Einsatz als solchen (§ 13 LuftSiG) noch für die Entscheidung über die konkret zu treffenden Einsatzmaßnahmen (§ 14 LuftSiG) vor. Für den Fall des überregionalen Katastrophennotstandes weist Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG zwar der Bundesregierung die Grundsatzentscheidung über den Einsatz zu, trifft damit aber keine verbindliche Aussage darüber, wer die Anordnung konkreter Maßnahmen im Rahmen des von der Bundesregierung gebilligten Einsatzes auszusprechen befugt ist. Der Gesetzgeber ist danach für keinen der in Art. 35 GG geregelten Einsatzfälle gehindert, die auf einzelne Einsatzmaßnahmen bezogenen Befugnisse – auch generell – auf den Inspekteur der Luftwaffe zu übertragen (vgl. Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, 1971, S. 149; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, 2007, S. 244; ders., NVwZ 2012, S. 1225 ≪1228≫; Speth, Rechtsfragen des Einsatzes der Bundeswehr unter besonderer Berücksichtigung sekundärer Verwendungen, 1985, S. 142; Franz/Günther, VBlBW 2006, S. 340 ≪343≫; Sattler, NVwZ 2004, S. 1286 ≪1289≫; aus der Gesetzgebungsgeschichte s. BTDrucks V/2873, S. 14).
(2) Bei verfassungskonformer Auslegung ist auch § 15 LuftSiG mit dem Grundgesetz vereinbar.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 LuftSiG können die Streitkräfte auf Ersuchen der für die Flugsicherung zuständigen Stelle im Luftraum Luftfahrzeuge überprüfen, umleiten oder warnen. Der Gesetzgeber hat diese Maßnahmen, anders als die Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 LuftSiG, nicht als Einsatzmaßnahmen im Sinne des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG konzipiert (zur Würdigung als Eingriffsnormen in Abgrenzung zu bloßen Verfahrens- und Mittelbereitstellungsnormen bei der Bestimmung der Kompetenzgrundlage BVerfG ≪Plenum≫, a.a.O. Rn. 20). § 14 LuftSiG ist mit „Einsatzmaßnahmen, Anordnungsbefugnis” überschrieben, § 15 LuftSiG dagegen mit „Sonstige Maßnahmen”. In der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben ist zu § 15 LuftSiG ausgeführt, dass es sich bei den nach Absatz 1 dieser Vorschrift vorrangig zu ergreifenden Maßnahmen um solche im Vorfeld eines Einsatzes nach § 14 LuftSiG, um bloße Amtshilfe, handele (vgl. BRDrucks 827/03, S. 39; BTDrucks 15/2361, S. 21; s. auch Giemulla, in: ders./van Schyndel, LuftSiG, § 15 Rn. 1 ≪12/2009≫). Die grundsätzliche Zuordnung zum Bereich der Amtshilfe hat zusätzlich in § 15 Abs. 3 LuftSiG Niederschlag gefunden, wonach die „sonstigen Vorschriften und Grundsätze der Amtshilfe” unberührt bleiben. Dieser Zuordnung folgt auch die in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 – wie aus der Abschrift des Tonbandmitschnitts ersichtlich – dargestellte Praxis: Die zur Abklärung der Erforderlichkeit weitergehender Maßnahmen jährlich 30 bis 40 mal stattfindenden Alarmstarts von Jagdflugzeugen werden nicht als Einsätze im Sinne des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG behandelt und erfolgen daher ohne die Einschaltung der Bundesregierung oder, bei Unglücksfällen von nur regionaler Bedeutung, des Bundesministers der Verteidigung, die für einen Einsatz der Streitkräfte nach diesen Bestimmungen erforderlich wäre (vgl. auch Giemulla, in: ders./van Schyndel, LuftSiG, § 15 Rn. 4 ≪12/2009≫).
Die gesetzliche Einordnung von Maßnahmen der Aufklärung und unterstützenden Information als bloße Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG), die nicht den Anforderungen für einen Einsatz der Streitkräfte (Art. 35 Abs. 2 und 3 GG) unterliegt, entspricht der verfassungsrechtlichen Abgrenzung. Art. 87a Abs. 2 GG bindet nicht jede Nutzung personeller und sächlicher Ressourcen der Streitkräfte an eine ausdrückliche grundgesetzliche Zulassung, sondern nur ihre Verwendung als Mittel der vollziehenden Gewalt in einem Eingriffszusammenhang. Dementsprechend kann auf Luftzwischenfälle in rein technisch-unterstützender Funktion reagiert werden. Dies verbleibt im Rahmen des Art. 35 Abs. 1 GG und ist daher von den Beschränkungen, die für einen Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 und 3 GG gelten, nicht betroffen (BVerfG ≪Plenum≫, a.a.O. Rn. 50).
Allerdings liegt eine Verwendung in einem Eingriffszusammenhang nicht erst bei einem konkreten Vorgehen mit Zwang, sondern bereits dann vor, wenn personelle oder sachliche Mittel der Streitkräfte in ihrem Droh- oder Einschüchterungspotential genutzt werden (BVerfG ≪Plenum≫, a.a.O. Rn. 50). Im Hinblick darauf, dass die Überprüfung eines Luftfahrzeugs durch aufsteigende Jagdflugzeuge nach § 15 Abs. 1 Satz 2 LuftSiG typischerweise nicht zur Aufdeckung einer Angriffsabsicht (Renegade-Fall), sondern zur Feststellung eines Orientierungsbedarfs – etwa wegen ausgefallenen Funkkontakts oder sonstiger technischer Probleme – führt, dem mit Warn- und Leitungssignalen entsprochen werden kann, darf bei einem erheblichen Luftzwischenfall regelmäßig zunächst davon ausgegangen werden, dass die Verwendung von Jagdfliegern zur Abklärung und die Aussendung solcher Signale keine Nutzung von Mitteln der Streitkräfte in ihrem Droh- und Einschüchterungspotential, sondern eine technisch-unterstützende Maßnahme darstellt. Ergibt jedoch die Überprüfung, dass ein Renegade-Fall vorliegt, scheidet eine weitere Deutung als bloße Unterstützung aus; die Aktion kann dann nur noch als Entfaltung des Droh- und Einschüchterungspotentials der eingesetzten militärischen Mittel verstanden werden. Ihre Fortsetzung ist folglich nicht mehr auf der Grundlage des § 15 LuftSiG, sondern nur noch, sobald die hierfür erforderliche Einsatzentscheidung getroffen ist, als Einsatz nach §§ 13, 14 LuftSiG zulässig. Im Ergebnis muss § 15 LuftSiG dementsprechend als Norm ausgelegt werden, die allein Maßnahmen im Vorfeld eines Einsatzes zulässt.
bb) Die weiteren zur Prüfung gestellten Bestimmungen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 LuftSiG, Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben) ermöglichen es dem Bund, die den Ländern gemäß Art. 87d Abs. 2 GG zur Ausführung in Auftragsverwaltung übertragenen Luftsicherheitsaufgaben durch einseitige Entscheidung des Bundesministeriums des Innern wieder an sich zu ziehen. Diese Bestimmungen sind ebenfalls mit dem Grundgesetz vereinbar.
(1) Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips sind nicht verletzt.
§ 16 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG ermöglicht die Rückübertragung von Aufgaben für den Fall, dass dies zur Gewährleistung der bundeseinheitlichen Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen erforderlich ist. Damit sind die materiellrechtlichen Voraussetzungen einer Rückübertragung nur generalklauselartig bestimmt. Ein Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz liegt darin nicht. Der Gesetzgeber ist nach diesem Grundsatz nur gehalten, Normen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfGE 49, 168 ≪181≫; 56, 1 ≪13≫; 78, 205 ≪212≫). Es reicht aus, wenn sich der Regelungsgehalt im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt (vgl. BVerfGE 21, 209 ≪215≫; 79, 106 ≪120≫; 102, 254 ≪337≫). Diesen Anforderungen genügt die Bindung der Übertragungsmöglichkeit an das Erforderlichkeitskriterium des § 16 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG. Dass in Fragen der föderalen Kompetenzzuordnung vernünftige allgemeine Regelungen häufig nur generalklauselartig möglich sind, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass das Grundgesetz selbst in diesem Zusammenhang auf Generalklauseln zurückgreift (vgl. nur etwa Art. 72 Abs. 2, Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG).
Auch die Grenzen zulässiger gesetzlicher Delegation der Übertragungsentscheidung sind nicht überschritten (vgl. BVerfGE 97, 198 ≪227≫).
(2) Es verstößt nicht gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, dass die Bindung der Rückübertragungsmöglichkeit an einen Antrag des betroffenen Landes aufgegeben wurde.
Die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verlangt, dass sowohl der Bund als auch die Länder bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates und auf die Belange der Länder nehmen (vgl. BVerfGE 81, 310 ≪337≫ m.w.N.). Der Bund verstößt gegen diese Pflicht nicht schon dadurch, dass er von einer ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Kompetenz Gebrauch macht; vielmehr muss deren Inanspruchnahme missbräuchlich sein (vgl. BVerfGE 81, 310 ≪337≫ m.w.N.) oder gegen prozedurale Anforderungen verstoßen, die aus diesem Grundsatz herzuleiten sind (vgl. BVerfGE 81, 310 ≪337≫).
Dafür ist hier nichts ersichtlich. Art. 87d Abs. 2 GG stellt dem Bundesgesetzgeber anheim, ob und in welchem Umfang den Ländern Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung zur Ausführung im Auftrag des Bundes übertragen werden. Für die Rückübertragung, die Art. 87d Abs. 2 GG gleichfalls ermöglicht, gilt nichts anderes. Der Verfassungsgeber hat die Festlegung der Aufgabenzuordnung danach gerade nicht – was ohne weiteres möglich gewesen wäre – an ein Einvernehmen der Länder geknüpft. Unabhängig davon kann jedenfalls nicht schon in der bloßen gesetzlichen Eröffnung der Möglichkeit, von den Ländern in Auftragsverwaltung wahrgenommene Aufgaben ohne deren Zustimmung wieder in bundeseigene Verwaltung zu überführen, eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Kompetenzen oder ein Verstoß gegen Verfahrensanforderungen, die sich aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens ergeben, gesehen werden. Selbst wenn durch die Rücküberführung von Aufgaben in bundeseigene Verwaltung das Interesse eines einzelnen Landes in solchem Ausmaß betroffen sein könnte, dass die Aufgabenüberführung ohne dessen Einvernehmen missbräuchlich oder prozedural unzulässig erschiene, spräche jedenfalls nichts dafür, dass es sich im Regelfall so verhält und dies daher bereits auf der Ebene der gesetzlichen Ermöglichung der Rückübertragung seinen Niederschlag in einem Antrags- oder Einvernehmenserfordernis hätte finden müssen.
3. In den Entscheidungsausspruch ist, soweit die zur Prüfung gestellten Vorschriften zwischenzeitlich geändert wurden (s. A.I.2.), die geänderte Fassung entsprechend § 78 Satz 2 BVerfGG einzubeziehen.
D.
Diese Entscheidung ist mit 6:2 Stimmen ergangen.
Unterschriften
Voßkuhle, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau, Huber, Hermanns, Müller, Kessal-Wulf
Fundstellen
Haufe-Index 3707815 |
BVerfGE 2014, 241 |